Pseudomedizin

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Als Pseudomedizin werden Verfahren bezeichnet, die den Anspruch erheben, wirksame Konzepte der Medizin zu sein, ohne dass jedoch eine Eignung aus neutraler Sicht nachweisbar ist oder dass sie mit dem aktuellen Kenntnisstand der wissenschaftsbasierten Medizin (auch evidenzbasierte Medizin oder evidence based medicine, EBM) vereinbar sind. Pseudomedizinische Verfahren präsentieren sich dennoch häufig als etablierte Verfahren, oft unter Anwendung oder Missbrauch von Begriffen aus der wissenschaftlichen Medizin und den Naturwissenschaften. Sie sind die Pseudowissenschaften der Medizin.

Die evidenzbasierte Medizin nutzt teilweise auch Verfahren, deren Wirksamkeit reproduzierbar belegt ist, von denen man aber noch nicht im Detail weiß, wie oder warum sie wirken. Solche Verfahren sind nicht der Pseudomedizin zuzurechnen.

Der Begriff Pseudomedizin überschneidet sich teilweise mit den Begriffen Alternativmedizin und Komplementärmedizin, die sowohl von Befürwortern pseudomedizinischer Verfahren benutzt werden als auch von Kritikern als Synonym zu Pseudomedizin. Andererseits bezeichnen Pseudomediziner die wissenschaftsbasierte Medizin meistens als Schulmedizin.

Typische Merkmale

Oft erkennt man pseudomedizinische Verfahren am Vorhandensein von einigen der folgenden Merkmale:

  1. Anbieter verweisen auf eine ungewöhnlich umfangreiche Ausbildung und Qualifikation an vielen Instituten ("bei Dr. Soundundso")
  2. Präparate sind chemisch ungenau definiert, ihre Zusammensetzung wird laufend verändert
  3. Behauptungen, "die Schulmedizin" würde den Menschen "nur als chemische Maschine betrachten" o.ä.
  4. Deshalb sei in der Medizin ein "Paradigmenwechsel" notwendig, stehe bevor, oder habe bereits stattgefunden
  5. Betonung, dass das Verfahren auf der modernen Wissenschaft basiere und Berufung auf etablierte, aber für Laien schwer verständliche Konzepte wie Relativitätstheorie und (zur Zeit häufig) Quantenmechanik
  6. Aus den Naturwissenschaften entlehnte Begriffe wie Energie, Welle, Frequenz, Resonanz oder Feld werden in verschwommener Weise benutzt, aber häufig so, als ob jedermann klar sei, was z.B. ein "Feld" ist
  7. Aufzählung von Namen berühmter Wissenschaftler wie Planck, Bohr, Einstein und Heisenberg
  8. Nennung von Namen wie Galilei oder Semmelweis, als Beispiele für Forscher, deren Erkenntnisse sich erst viel später durchsetzten und allgemein anerkannt wurden
  9. Zusätzlich zur Bezugnahme auf Quantenphysik o.ä. oft einfache, anschauliche, wenn nicht sogar naive Theorien zum angeblichen Wirkmechanismus. Beispiele:
    1. Krebs aushungern durch eine Krebsdiät
    2. Tumorverbrennung durch Ganzkörperhyperthermie
    3. Löschen von schädlichen Schwingungen durch Zufuhr von gleichartigen, aber umgekehrt gepolten Schwingungen (Bioresonanz)
  10. Verfahren haben keine Kontraindikationen und keine Nebenwirkungen
  11. Verfahren sind bei vielen Krankheiten (wenn nicht sogar allen) und in allen Krankheitsstadien wirksam
  12. Diagnose- und Therapiegeräte werden außer zur Behandlung von Erkrankungen auch zur Anwendung durch z.B. Unternehmensberater, Partnervermittlungen, Baubiologen und Landwirte empfohlen

Siehe auch: Zehn Indizien für Quacksalberei des arznei-telegramms.

Beispiele

Einige pseudomedizinische Behandlungs- und Diagnoseverfahren oder wichtige Bestandteile solcher Methoden sind:

Literatur

  • J. Brissonnet: Les pseudomédecines, coll. Zététique, Book-e-book.com, 2003 [1]
  • Edzard Ernst: The Desktop Guide to Complementary and Alternative Medicine. An evidence-based approach. Mosby, Harcourt Publishers Limited 2001
  • Colin Goldner: Alternative Diagnose- und Therapieverfahren: Eine kritische Bestandsaufnahme. Alibri 2008
  • Martin Lambeck: Irrt die Physik? Über alternative Medizin und Esoterik, Beck Verlag 2003
  • Simon Singh, Edzard Ernst: Trick or Treatment: The Undeniable Facts about Alternative Medicine. Random House 2008

Weblinks

Quellen