Polywasser

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Polywasser war eine Hypothese des Russen Nikolai Fedyakin.

In den 1960iger Jahren untersuchte Nikolai Fedyakin in Russland im Städtchen Kostruma, 300 km von Moskau entfernt, Wasser. Er schloss es in sehr enge Glaskapillaren ein und konnte nach einigen Tagen beobachten, dass sich im oberen Teil dieses Röhrchens eine Flüssigkeitssäule bildete, obwohl dieser Bereich zunächst frei von Flüssigkeit war. Die neue Flüssigkeitssäule dehnte sich im Laufe der folgenden Wochen auf Kosten der ursprünglichen Wassersäule aus. Fedyakin stellte fest, dass seine Dichte größer ist als die normalen Wassers.

Boris Deryagin, Direktor des Laboratoriums für Oberflächenkräfte am Institut für Physikalische Chemie in Moskau, erfuhr von dem Vorfall und forschte selbst weiter. Er verbesserte die Methode, das neuartige Wasser herzustellen. Es unternahm alle Anstrengungen, alle möglichen Verunreinigungen der Wasserprobe von vorneherein auszuschließen. Deryagin produzierte sehr geringe Mengen dieses Wassers, seine Methode war aber schneller als jene von Fedyakin. Deryagin's Untersuchungen zeigten Wasser mit einem niedrigeren Gefrierpunkt, einer hohen Stabilität der Flüssigkeit bis 150 Grad Celcius, eine Dichte von 1.1-1.2 g/m2 und eine verstärkte Ausdehnung bei Temperaturerhöhung. Ab 1962 wurde, zunächst nur in russischsprachigen Fachpublikationen, über dieses 'modifizierte Wasser' geschrieben. Als Deryagin im Jahre 1966 an einem Symposium im englischen Nottingham teilnahm, gelangten seine Berichte in den Westen.

Im Westen glaubte man, die Wassereigenschaften könnten viele Rätsel der Natur erklären, wie den Schutz von Wintersaaten und Insekten vor dem Erfrieren im Winter oder das Aufsteigen des Wassers bis in die obersten Zweige von Riesenbäumen. Man vermutete, seine Bildung könnte nicht nur an Quarzoberflächen, sondern auch in Lehm und Erde, in Gewebe und Zellen vor sich gehen. Man sah eine Ähnlichkeit mit dem Wasser in Gehirn und Muskelgewebe, in den Zellen überhaupt, das ebenfalls kristallin und verschieden von demjenigen ausserhalb der Zelle sei. Besonders die Homöopathenszene sah sich in ihren Spekulationen über 'informiertes Wasser' bestätigt.

Diese Spekulationen uferten rasch aus. Einzelne kamen zu der Ansicht, dieses anormale Wasser sei in Wirklichkeit die eigentlich stabile Form von Wasser und man müsse im Laufe der Zeit mit einer vollständigen Umwandlung des normalen in das anormale Wasser rechnen. Dies wäre dann das Ende allen Lebens auf der Erde. F. J. Donahoe vom Wilkes-College in Pennsylvania schrieb, er halte Polywasser für das gefährlichste Material auf Erden, hatte nicht schon Deryagin die Umwandlung allen Wassers der Erde in Polywasser prognostiziert?

Viele britische Forschungseinrichtungen wurden damals von amerikanischen Stellen subventioniert, die sich im Gegenzug über Verbindungsoffiziere vom Stand der Forschung unterrichten ließen. Die britischen Wissenschaftler, damals wie heute ernste Konkurrenten der Amerikaner, verstanden es aber scheinbar gut, die amerikanischen Agenten mit all jenen Informationen zu sättigen, die sie selbst für nutzlos hielten. 1968 trug Pethica die Kunde vom anomalen Wasser über den Atlantik und löste damit eine Lawine aus. Der prominente amerikanische Spektroskopiker Ellis R. Lippincott, Chemieprofessor an der Universität von Maryland, meldete 1969, die Spektren, die bei anomalem Wasser gemessen würden, unterschieden sich von allen bisher bekannten. Und er lieferte gleich einen Namen für dieses neue Material, das er sich in der Form polymerisierter Wasseratome vorstellte: Polywasser.

Als die Amerikaner Leland Allen und Peter Kollmann die These vom Polywasser dann auch noch mit quantentheoretischen Berechnungen zu stützen versuchten, waren die skeptischen Stimmen einiger Experimentatoren schon lauter geworden. Im Laufe der Jahre 1970 und 1971 wurde die Polywasser-Hysterie durch genauerer Untersuchungen beendet. Im März 1970 meldete Dennis Rousseau von der University of Southern California, Polywasser bestehe vor allem aus Natrium- und Kalium-Verunreinigungen, die aus den Quarzkapillaren ausgelaugt wurden. Kurz darauf erklärte Lippincott, seine vormals einzigartigen Spektren seien durch Gemische organischer Säuren ebenfalls herstellbar, im Januar 1971 distanzierte sich Pethica von Polywasser, im Oktober 1971 brachten neue quantentheoretische Berechnungen Allen und Kollmann Ergebnisse, die jenen in deren ursprünglichen Arbeiten diametral entgegengesetzt waren.

Deryagin selbst gestand 1973 in einem Brief an Nature, dass die Eigenschaften des anomalen Wassers auf Verunreinigungen und nicht auf die Existenz von polymeren Wassermolekülen zurückzuführen waren.

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