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Nikolaus Klehr (Jahrgang 1944) ist ein deutscher Hautarzt, Erfinder und Anmelder von Patenten zu umstrittenen Krebstherapien und entsprechenden Krebstests die der Alternativmedizin zuzuordnen sind. Auf seiner privaten Homepage bezeichnet Klehr sein Verfahren als alternative Therapie für das er aber keinen sicheren Heilerfolg zusichern könne [1].

Bis 1996 soll Klehr mit seiner Therapie rund 100 Millionen Mark umgesetzt haben [2].

Klehr betreibt eine private Klinik in Salzburg, die vormals häufig von polnischen Patienten besucht wurde. Zur Zeit sollen sich viele Patienten vornehmlich aus Slowenien bei ihm einfinden [3].

Biographie

Klehr studierte in Heidelberg und Frankfurt Medizin und Biologie und machte eine Facharztausbildung zum Hautarzt. Klehr eröffnete in München ein privates Dr. Klehr Institut für Immunologie und Zellbiologie GmbH als herstellende Einrichtung für seine Medikamente.

als Patent angemeldete Krebstherapien TITAI/ATC

  • Eigenblutzytokine-Behandlung nach Klehr / Autologe Target Cytokine-Therapie ATC / TSIT: (Patent DE 3923848 C 2 - "Demaskierungstraining für autologe Immunozyten gegen maskierte Tumorzellen in vitro."). Klehr hatte zunächst sein Verfahren als TITAI (Tumor-ldentifikations-Training für Immunkompetente Zellen) genannt [4], später in ACT (Autologe Target Cytokine) umbenannt [5]. Laut Patentschrift soll dieses Verfahren auf der Überlegung beruhen dass ein zelluläres Demaskierungstraining für autologe Immunozyten durchgeführt werden könne. Mit diesem Verfahren soll laut Klehr die Möglichkeit gegeben werden, daß autologe Immunozyten über unterschiedliche Zeiträume hin maskierte Tumorzellen in vitro erkennen könnten. Dem Patienten wird eine kleine Menge Blut entnommen und diese Blutmenge wird dann außerhalb des Körpers das Blut in Kontakt mit einer Zellkultur von Krebszellen gebracht und kultiviert. Aus der Kultur sollen sodann Botenstoffe (Zytokine) geerntet werden können. Nach Klehr werden Tumorzellen während der Zellteilung (Mitose) von Leukozyten erkannt, welche darauf die Botenstoffe zur Abtötung der Krebszellen aussenden. Laut Klehr würden Tumorzellen nur während dieser Teilungsphase erkennbar sein. Ein spezielles Verfahren von Klehr's Institut soll in der Lage sein die weißen Blutkörperchen zur verstärkten Produktion von Zytokinen anregen. Die entnommene und behandelte Menge Blut wird dem Patienten wieder zurück transfudiert. Jeden zweiten Tag soll nach Klehr eine Ampulle unter die Haut gespritzt werden. Auf der privaten Homepage von Klehr [6] wird sein Verfahren allerdings nicht näher erläutert sondern lediglich von einem ...speziell entwickelten Verfahren.. gesprochen. Ein wissenschaftlich gesicherter Nachweis für die Wirksamkeit der Methode steht aus [7]. Mehrere Analysen der Ampulleninhalten, die keine über den normalen Serumkonzentrationen liegenden Zytokinkonzentrationen ergaben, haben zu Warnungen vor der Anwendung von ACT geführt [8]. Die gesetzlichen Krankenkassen lehnen daher eine Kostenübernahme generell ab [9] [10][11]. Die für dieses Verfahren hohen Kosten müssen deshalb von den Patienten voll übernommen werden. Bekanntgewordene Nebenwirkungen sind: Müdigkeit, Fieberattacken, Schmerzen, Lymphopenien und Leukozytosen. Von Klehr selbst wird sein Verfahren dagegen als nebenwirkungsfrei beschrieben.

Krebstest nach Klehr: das diagnostische Tumor-Identifikationsverfahren

Das Münchener Institut von Klehr bietet auch einen Test an der als Testmethode zur Früherkennung von Tumorerkrankungen angepriesen wird das sensitiver als industriell angebotene Routine-Labortest sei und sich darüberhinaus zu einer frühzeitigen Rezidiv-Erkennung eigne wie auf der Homepage zu lesen ist. Aus Angaben auf dieser Webseite ist zu vermuten, dass hier versucht wird: ...die äußere Hülle der Tumor-Stammzellen teilweise zu entfernen, sodass diese am Leben bleiben, also nicht absterben, und so enttarnt als nackte Tumor-Zellen den übrigen immunkompetenten Zellen (Killerzellen, Dendritischen Zellen, Makrophagen usw.) im Labor zu präsentieren... Diese Enttarnung von Krebszellen sei auch therapeutisch anwendbar heißt es weiter.

Aktivitäten in Slowenien

 
Artikel in Jana 22.7.08

2008 wurde bekannt, dass Klehr in Slowenien als Wunderarzt für Krebs in Funk und Presse bekannt ist. Mehrere verzweifelte Krebspatienten aus Slowenien vertrauten seinen umstrittenen Methoden und zahlten privat hohe Summen für eine Behandlung. Laut Angaben der Recherche eines Redakteurs einer Salzburger Wochenzeitung [12] der sich auf die Reise nach Slowenien machte und Angehörige von Patienten sowie Ärzte des onkologischen Institut der Universität Ljubljana befragte, sollen die Behandlungskosten pro Patient bis zu 35.000 Euro betragen haben. Trotz Heilversprechens seitens Klehr verstarben die Patienten jedoch, und in Leserbriefen und Interviews wird Klehr als Scharlatan bezeichnet. Der Vorsitzende der Ethik-Kommission an der Universität Ljubljana, Matjaz Zwitter (selbst Onkologe) wird mit den Worten zitiert: ...Wir kennen kein einziges Beispiel einer längerfristigen Verbesserung oder Genesung durch diese Behandlungen...

Kritik an Klehr und Prozesse

Klehr wurde vorgeworfen, sein Verfahren mit übertriebenen Heilversprechen im Fernsehen und in der Bildzeitung beworben zu haben, ein Heilerfolg trete bei Krebs in 92% der Fälle ein, hieß es da großspurig obwohl bekannt wurde dass mehrere seiner Patienten an Krebs starben. O-Ton Klehr im deutschen Fernsehen (ARD): ..."Wir behandeln Krebskranke gegen ihren Krebs, und ich will's einfach formulieren: Wir entnehmen aus ihrem Blut die Killerzellen, trainieren sie im Labor gegen die Krebszellen, und dieses Trainingsprogramm, in Ampullen gefüllt, bekommen die Patienten wieder zurück, so dass jetzt die Killerzellen im Körper die Tumorzellen aufspüren und über den Weg der Entzündung zerstören können. Und das funktioniert in weit über neunzig Prozent der Fälle."... Mit Klausjürgen Wussow - alias Professor Brinkmann - trat er mehrfach gemeinsam in Talkshows auf und ließ sich von Wussow-Ehefrau Yvonne zu Jubelberichten für die Regenbogenpresse als "Herr der Killerzellen" feiern. Inzwischen äußert sich Klehr anders und gibt auf seiner Homepage an dass die gemeinte Therapie mit Human-Eigenblutzytokinen wissenschaftlich umstritten ist und wir Ihnen einen Heilerfolg weder zusichern können noch wollen. Ein Journalist der Fernsehsendung Panorama übersandte Klehr als gesunder, aber vermeintlich Krebskranker eine Blutprobe und erhielt gegen Bezahlung von 4.700 DM eine Krebstherapie in Ampullen, die jedoch nachweislich keine messbaren Anti-Krebs-Wirkstoffe enthielt. Parallel wurde der Journalist medizinisch untersucht und es wurde festgestellt dass er gesund war. Auch die Uni-Klinik Erlangen kam zuvor schon zu ähnlichen Ergebnissen [13]. In der gelieferten Charge fanden sich statt der versprochenen Wirkstoffe gegen den Krebs Endotoxine, also bakterielle Giftstoffe.

  • Ärger mit ATC: 2003 wurde Klehr's Labor von der Polizei durchsucht. Die Regierung Oberbayern schloss das private Labor von Klehr, da sie zu der Feststellung kam, dass in dem Labor über einen längeren Zeitraum mutmaßlich infektiöses Blut parallel mit nicht kontaminiertem Blut anderer Spender in einem Arbeitsprozess bearbeitet worden sei. Die Herstellung von seinen ATC Arzneimitteln wurde verboten.[14] [15] [16].
  • Ärger mit Galavit: In Deutschland war es ein Arbeitskreis Krebs-Immun-Therapie in Bad Heilbronn, der den Einsatz des bei Krebs unwirksamen Mittels Galavit bewarb. Verlangt wurde für eine Galavitkur die Summe von ca. 27.000 Euro für eine 3-wöchige stationäre und eine weitere dreimonatige ambulante Behandlung. Legt man sich nur 3 Wochen stationär, muss man mit Kosten in Höhe von etwa 8.000 Euro rechnen. Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt seit Sommer 2000 gegen Klehr wegen Verdachts des Betruges und der Körperverletzung. Aufgrund eines illegalen Imports von Galavit wurde Klehr 2003 wegen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz angeklagt. Klehr und sein Kollege Eike Rauchfuss vertrieben nach Angaben der Presse das Galavit. Eine frühere Pflegedienstleiterin der Klehr'schen Klinik in Bad Heilbrunn hatte ausgesagt, dass ihr Chef sie unter Druck gesetzt habe, an Tagen, an denen Galavit in der Praxis ausgegangen war, den Patienten Kochsalzlösung zu spritzen und so eine Behandlung vorzutäuschen. Die Zeitschrift Stern vermeldete dass der körperlich gesunde TV-Star Ivan Desny sich in der Regenbogenpresse fälschlich als Prostatakrebskranker präsentierte um anschließend bekannt zu geben daß eine Galavit - Therapie bei ihm zu einer spontanen Heilung geführt hätte. Außerdem geriet er in die Kritik, von Schauspieler Klausjürgen Wussow (Schwarzwaldklinik) sowie seiner inzwischen verstorbenen Ex-Frau Yvonne Wussow (Yvonne Viehöver) in der Regenbogenpresse promoted zu werden [17][18] [19]. Eine Klinik in Heilbrunn schloss Klehr nach internen Streitigkeiten um das Medikament Galavit.
  • Ärger in Salzburg: dort ist ein Strafverfahren am Landesgericht Salzburg mit der Aktenzahl Ref 46 Ur212/02b gegen Klehr anhängig. Seit 2002 wird wegen Verdacht des Betruges ermittelt, vier Gutachter seien inzwischen beauftragt worden.

Der Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft bezeichnete Klehr laut Spiegel [20] als „Scharlatan“, Noch deutlicher wurde Hans Hege, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer: Er bezeichnet Klehr als "erwerbsgetriebenes Ungeheuer" und ebenfalls als "Scharlatan" [21][22].

1993 wurde Klehr wegen Steuerhinterziehung angeklagt. Zur Zeit sind in Bayern gegen Klehr drei Verfahren anhängig. Bei der Regierung von Oberbayern läuft ein „pharmazierechtliches Verwaltungsstrafverfahren“. Bei der Staatsanwaltschaft München laufen zwei Verfahren. Ein Verfahren wegen „Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz“ um seine bereits vor Jahren verbotene Herstellung so genannter Blut-Zytokine. Das zweite Verfahren betrifft einen „Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz“. Klehr wird vorgeworfen auf seinen Internetseiten nicht erlaubte Versprechungen bezüglich Krebsbehandlungen gemacht zu haben.

Literatur

  • Oepen I, Federspiel K: Eintrag in Lexikon der Parawissenschaften (Seiten 37 und 258)
  • Christophers E, Rassner G., Stellungnahme zum Therapieverfahren Dr. Klehr, Hautarzt. 1993 Jun;44(6):410-1. PMID: 8335469
  • Wedemeyer, G.: Klehr in der Klemme. In: Stern, 44 (2000): 290–293
  • Breidenbach H: Skandal um Salzburger „Krebsarzt" in Slowenien, Salzburger Fenster 28/08 von August 2000 [5]

Weblinks

Quellennachweise

  1. http://www.klehr-dr-med.de
  2. Sendung Panorama (ARD): Amigos in Bayern - Die Millionengeschäfte eines zwielichtigen "Wunderheilers" Sendung vom 10.12.1998 [1] [2]
  3. Breidenbach H: Skandal um Salzburger „Krebsarzt" in Slowenien, Salzburger Fenster 28/08 von August 2000 [3]
  4. Klehr, N.: Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 1992, Heft 10
  5. Klehr, N., und Ahne, W., Expression von autologen Target Cytokinen der peripheren kernhaltigen Zellen aus dem Blut von Krebspatienten - ACT 1993 (unveröffentlicht)
  6. http://www.klehr-dr-med.de
  7. Hauser SP: Autologe Tumortherapie nach Klehr. Schweiz Rundsch Med Prax 1993; 82: 1072–1076.
  8. http://www.der-arzneimittelbrief.net/Jahrgang1997/Ausgabe05Seite33.htm
  9. http://www.aerztezeitung.de/docs/2000/05/29/098a2001.asp
  10. http://daris.kbv.de/daris/doccontent.dll?LibraryName=EXTDARIS^DMSSLAVE&SystemType=2&LogonId=6e4fe9519daf6915a572f27efdcbcdcd&DocId=003734009&Page=1
  11. http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=heft&id=22333
  12. Breidenbach H: Skandal um Salzburger „Krebsarzt" in Slowenien, Salzburger Fenster 28/08 von August 2000 [4]
  13. Prof Robert Kalden: (Uni-Klinik Erlangen) "Die Konzentrationen, die wir in den Ampullen der genannten Zytokine messen konnten, waren so niedrig, daß man wirklich an keine biologische Aktivität nicht nur glauben kann, sondern daß diese biologische Aktivität undenkbar ist. Null Inhalt bedeutet null therapeutische Aktivität."
  14. http://www.aerztestellen.de/v4/archiv/artikel.asp?src=suche&id=25571
  15. STERN Nr. 47 vom 16.11.2000
  16. http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=heft&id=25571
  17. Artikel in "Stern", Nr. 17, 18.4.1996, Seite 268
  18. "Stern", Nr. 10, 29.02.1996, Seite 16 (Autoren Christoph Fasel und Georg Wedemeyer)
  19. http://www.rhein-main.net/sixcms/detail.php/4138694
  20. Spiegel 7.8.1995
  21. Stern", Nr. 17, 18.4.1996, Seite 268
  22. Hans Hege: (Bayerische Landesärztekammer) "Wir sind der Überzeugung, daß ein Mensch, der sich so verhält wie Herr Dr. Klehr, entweder ein Ungeheuer ist, ein - ich sage bewusst: ein erwerbsgetriebenes Ungeheuer ist, oder aber - nämlich dann, wenn er wirklich eine wirksame Methode haben sollte - oder aber schlicht und einfach, und das ist meine persönliche Überzeugung, ein Scharlatan, der mit der Hoffnung von Krebskranken Geld macht." (Sendung Panorama (ARD)vom 10.12.1998