Missbrauch von Einheitenvorsätzen

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Ein Techniker (lineman) nähert sich aus einem Hubschrauber einer unter Spannung stehenden Hochspannungsleitung. Je nach Sichtweise nähert er sich einer Leitung mit einer Spannung von 0,5 MV, 500 kV, 500000 V oder gar 500000000 mV.

Die verschiedenen Vorsätze für Maßeinheiten wie k für kilo, m für milli usw. (auch Präfix oder SI-Präfix genannt) sind international vereinbarte Multiplikationsfaktoren für Messgrößen (hauptsächlich bei SI-Einheiten), die dazu dienen, Zahlen mit vielen unnötigen Nullen zu vermeiden. Für Personen, die mit den Präfixen vertraut sind, erhöht sich die Anschaulichkeit der Messgröße. Bei Laien kann die unsachgemäße Verwendung von Präfixen Verwirrung stiften.

Für jeden Zahlenbereich, der drei Größenordnungen überstreicht, gibt es ein Präfix, beispielsweise k =kilo = 1000, m = milli = 0,001 oder µ = mikro = 0,000001. Daneben gibt es mit centi, dezi, deka und hekto einige weitere Präfixe, welche die Faktoren 0,01, 0,1, 10 und 100 darstellen. Mit den Präfixen erhält man Zahlen im Bereich ±0,001 bis ±1000, wodurch unübersichtliche führende oder nachlaufende Nullen vermieden werden. Bei Unter- oder Überschreiten des Bereichs geht man zum nächsten Präfix über. Beispielsweise gibt man die Dicke eines Haares nicht als 0,00005 m an, sondern schreibt 0,05 mm oder 50 µm.

Ausnahmen finden sich, wenn die Benutzung z.B. beim Vergleich von Daten nachteilig wäre, bei häufig benutzen Präfixen ("5000 m-Lauf"), wenn sich ein bestimmtes Präfix in einem Bereich etabliert hat (z.B. gibt ein Kurzwellen-Rundfunksender seine Frequenz als 13780 kHz und nicht 13,78 MHz an), ferner wenn die Zahlen Extremwerte annehmen, die nur mit sehr unüblichen Präfixen darstellbar sind.

Probleme und Missverständnisse können sich in Bereichen ergeben, in denen Zweierpotenzen eine Rolle spielen, wie in der Datenverarbeitung. Streng genommen müssten hier spezielle Binärvorsätze verwendet werden, die jedoch nur wenig bekannt sind. Zum Beispiel ergeben sich für Datenspeicher mit binärer Adressierung Speicherkapazitäten von 2n Byte (Zweierpotenzen). Da es bis 1996 (IEC) keine speziellen Einheitenvorsätze für Zweierpotenzen gab, hat es sich allgemein etabliert, die Präfixe im Zusammenhang mit Speicherkapazitäten zur Bezeichnung von Zweierpotenzen zu verwenden. 1024 Byte entsprechen dabei einem Kilobyte (und nicht 1000 Bytes) und ein Megabyte entspricht 1024 Kilobyte = 1024 x 1024 Byte = 1.048.576 Byte. Diese binäre Verwendung der SI-Präfixe wurde 1986 von der IEEE auch in einem Glossar dokumentiert. Nach den IEC-Regeln müssten strenggenommen 1024 Byte ein Kibibyte sein und 1.048.576 Byte ein Mebibyte (MiB). Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt und andere Institutionen forderten bereits vor Jahren die Verwendung der SI-Präfixe für Binärzahlen zu beenden. Die Akzeptanz für diese IEC-Binärpräfixe ist in der IT-Branche bis heute gering.

Missbrauch im pseudowissenschaftlichen Bereich

Die Vorsätze für Maßeinheiten werden in Pseudowissenschaft und Pseudomedizin mitunter derart verwendet, dass ein Zahlenwert größer oder auch kleiner wirkt. Um beispielsweise im Bereich Elektrosmog einem Kunden einen ansonsten unspektakulären Feldstärkewert möglichst groß erscheinen zu lassen (der durch Dienstleistungen kostenpflichtig reduziert werden soll), bietet es sich an, ein Präfix zu verwenden, das den angegebenen Zahlenwert über 1000 ansteigen lässt.

Beispiel:Die Spannung einer Hochspannungsleitung von 500 kV könnte man wahlweise auch als 500.000 V (oder gar 500.000.000 mV) angeben. Man könnte aber auch von 0,5 MV (Megavolt) sprechen, was für einen Laien harmloser klingen mag als 500.000 V.

Ein weiterer Missbrauch ist die Aneinanderreihung zweier Präfixe, die selbst Experten zunächst verwirren kann. Die gleichzeitige Verwendung von Präfix und einer Exponentialschreibweise ist ebenfalls Anlass für Missverständnisse und kann missbräuchlich verwendet werden.

Beispiel Anders Bruun Laursen

Ein Beispiel für die hier thematisierte Praxis bietet der dänische Augenarzt und Verschwörungstheoretiker Anders Bruun Laursen. Nach Laursens Angaben im Internet sei der aktivierend wirkende Zusatzstoff Squalen in Anthrax-Impfstoffen in einer Konzentration von (Zitat)

34.2 micrograms per billion micrograms of water

enthalten gewesen und habe dadurch 25% von angeblich 697.000 Soldaten geschädigt. Die von Laursen hierbei benutzte Konzentrationsangabe ist völlig ungewöhnlich, verwirrend und gleichzeitig nicht eindeutig. Es drängt sich hier der Verdacht auf, durch Verwendung von billion und micrograms eine für Laien höhere Konzentration zu suggerieren. Billion wird im englischen Sprachraum unterschiedlich verwendet, je nachdem ob die "long scale" oder "short scale" verwendet wird. Üblich ist short scale, das englische Wort billion bedeutet dann 1 000 000 000 (eine Milliarde, 109). Selten findet man die Long-scale-Darstellung, in der das wort billion wie im deutschen eine Billion bedeutet. In seiner kryptischen Konzentrationsangabe kürzt sich zudem micro heraus und ist überflüssig. Eine Umrechnung seiner schwer verwirrenden Konzentrationsangabe ergibt: 34,2 Gramm Squalen / 109 Gramm Wasser, dies entspricht einer Konzentration von 34,2 Mikrogramm Squalen pro Kilogramm Emulsion.

Eine weitere Angabe von Laursen zu Squalen ist zudem falsch. So behauptet er:

As seen on p. 6 of this EMEA document (7), the Pandremix vaccine contains 10,68 mg of squalene per 0,5 ml. This corresponds to 2.136.0000 microgrammes pr. billion microgrammes of water, i.e. one million times more squalene per dose than in (4) [...]

Auch hier verwendet Laursen eine ungewöhnliche und fehlerträchtige Konzentrationsangabe, die zudem falsch ist, da die 10 mg Squalenemulsion nicht in den 0,5 ml des eigentlichen Impfstoffes enthalten sind.