Mess- und Korrektionsmethodik nach Haase

Hans-Joachim Haase

Die Mess- und Korrektionsmethodik nach Haase (MKH, Mess- und Korrektionsmethodik nach Hans-Joachim Haase) ist eine pseudomedizinische Behandlungsmethode einer angenommenen so genannten Winkelfehlsichtigkeit, und im eigentlichen Sinne ein Versuch, mit Hilfe so genannter Prismengläser in Brillen (Prismenbrille) Ermüdungserscheinungen beim Sehen und damit auch eine Lese-Rechtschreibstörung (LRS) zu bessern. Auch zur Senkung des Ritalinbedarfs wird die MKH gelegentlich angeführt.

Die Methode geht auf den Augenoptiker und Uhrmacher Hans-Joachim Haase (1915-2001) zurück. Haase ist Mitbegründer der "Internationalen Vereinigung für Binokulare Vollkorrektion" (IVBV), die als Verein der MKH-Befürworter angesehen wird. In ihr finden sich hauptsächlich Augenoptiker.

Exakte Messungen der Augenstellung haben gezeigt, dass die MKH der wissenschaftlichen Begründung entbehrt. Eine über Placeboeffekte hinausgehende Wirkung der MKH ist nicht belegt.

Die Methode ist interessanterweise nur auf den deutschsprachigen Raum beschränkt; weder in den francophonen Ländern und Landesteilen noch im englischsprachigen Raum hat sich die MKH durchgesetzt. Versuche seitens des Vereins IVBV, die MKH in den USA zu etablieren, misslangen.

Begriff Winkelfehlsichtigkeit

Bei der so genannten Winkelfehlsichtigkeit handelt es sich nicht um die Bezeichnung einer primär vorhandenen Fehlsichtigkeit (wie die Kurzsichtigkeit oder Weitsichtigkeit). Vielmehr ist die Bezeichnung "Winkelfehlsichtigkeit" in der Augenheilkunde nicht existent und wird von den meisten Augenoptikern, Augenärzten und Strabologen als Kunstbegriff mit zweifelhaftem und wissenschaftlich nicht validiertem Behandlungskonzept abgelehnt.

Behandler nach der MKH verwenden Prismenbrillen, um eine derartige "Winkelfehlsichtigkeit" zu erreichen, die dann als vermeintliche "Ruhestellung" bezeichnet wird. Obwohl zur Messung von Schielabweichungen normalerweise verschiedene Methoden angewendet werden, beschränken sich die Mitglieder der IVBV auf die Mess- und Korrektionsmethodik nach Haase am Polatestgerät.

Schulpsychologen, Lehrer, Kindergärtnerinnen und Logopäden verweisen gelegentlich Legastheniker und ihre Eltern an Optiker oder Augenärzte zur MKH-Pola-Testung und Prismenbrillenverschreibung. Dabei können hohe Kosten entstehen, da Prismengläser teuer sind.

Sowohl in der Durchschnittsbevölkerung als auch unter Legasthenikern lässt sich bei 70 bis 80% der Personen eine Heterophorie messen. Da also bei Legasthenikern wie bei Nicht-Legasthenikern die Heterophorie gleich häufig vorkommt, kann sie kaum eine ursächliche Rolle spielen.

Polatest

Die Firma Zeiss stellt ein Gerät namens Polatest zur Diagnostik der MKH-Winkelfehlsichtigkeit her (Pola-Zeigertest). Der Pola-Test wurde von Haase eingeführt. Haase nahm an, dass die Bildruhelage im Zentrum der maximalen Sehschärfe, also in der Fovea, nicht immer zentral, sondern unterschiedlich verschoben sein kann und nannte das Winkelfehlsichtigkeit oder Fixationsdisparation, umgangssprachlich "verstecktes Schielen". Je nach Art der Fixationsdisparation (sechs Typen werden unterschieden) kommt dabei im Laufe der Zeit noch ein versteckter Schielwinkel zum Vorschein (das Auge "entspannt"), sodass die Prismen oft von Zeit zu Zeit verstärkt werden müssen.

Es ist ein Kunstfehler, bei Kindern eine Brille und insbesondere eine Prismenbrille ohne vorangegangene Zykloplegie zu verordnen. Solche Untersuchungen sind allerdings wegen der Gabe von pupillenerweiternden Tropfen dem Augenarzt vorbehalten.

Die Pola-Test-Apparatur ist nur bei wenigen Augenärzten und Optikern aus dem Umfeld des Vereins IVBV zu finden.

Unerwünschte Wirkungen

In etwa 30% der Fälle werden die Prismen in den Brillen schrittweise so weit verstärkt, dass bei Nichtgebrauch der Prismenbrille eine bleibende Schielstellung der Augen entsteht und es zum Sehen von Doppelbildern kommt. Dies kann dazu führen, dass zu einer Schieloperation geraten wird.[1]

Literatur

  • Miriam Kromeier, Christina Schmitt, Michael Bach, Guntram Kommerell. Bessern Prismen nach Hans-Joachim Haase die Stereosehschärfe?. Klin Monatsbl Augenheilkd 2002; 219(6): 422-428. DOI: 10.1055/s-2002-32883 [1]
  • Miriam Kromeier, Christina Schmitt, Michael Bach, Guntram Kommerell. Beeinflussen Prismen nach Hans-Joachim Haase die Augenprävalenz? Klin Monatsbl Augenheilkd 2002; 219(12): 851-857. DOI: 10.1055/s-2002-36951
  • M. Kromeier, C. Schmitt, M. Bach, G. Kommerell: Vergleich zwischen dissoziierter und assoziierter Heterophorie. Der Ophthalmologe, Heft Volume 99, Number 7 / Juli 2002. Seiten 549-554. DOI: 10.1007/s003470100550
  • V. Schroth, W. Jaschinski. Assozierte Heterophorie und Vorn-hinten-Asymmetrie der Prävalenz eines Auges Klin Monatsbl Augenheilkd 2006; 223(3): 233-242. DOI: 10.1055/s-2005-858852
  • M. Kromeier, G. Kommerell. Gelingt eine prismatische Korrektion des kleinwinkligen Einwärtsschielens mit der Mess- und Korrektionsmethodik nach Hans-Joachim Haase? Klin Monatsbl Augenheilkd 2006; 223(1): 29-35. DOI: 10.1055/s-2005-858865
  • Kommerell, G.: (2001) Theoretische Basis der MKH widerlegt. Stellungnahme zur Presseerklärung des Wissenschaftlichen Beirats der IVBV vom Februar 2001. Der Augenarzt, 76-77.
  • Kommerell G: Was können Prismen in der Brille bewirken? Aus Forschung und Wissenschaft. (2002) Zeitschrift für Legasthenie und Dyskalakulie 24, S. 2-8 [2]
  • Gerling, J. et al.: Fixationsdisparation am Pola-Zeigertest: nicht repräsentativ für die Augenstellung unter natürlichen Sehbedingungen, Klin Monatsbl Augenheilkd 212: 226-233 (1998)
  • Gerling, J. et al.: Ist die Feststellung einer Fixationsdisparation mit der MKH verlässlich?, Klin Monatsbl Augenheilkd 216: 400-410 (2000)
  • Goersch, H.: Winkelfehlsichtigkeit - das Messergebnis der MKH, N Optiker J (NOJ) 12: 10-13 (1995)

Weblinks

Quellennachweise