Merkmale technisch wirkungsloser Produkte

Als technisch wirkungslose Produkte werden im Folgenden Geräte und andere Erzeugnisse verstanden, die allgemein gesagt positive Effekte oder "Wunderwirkungen" versprechen, welche mit ungewöhnlichen Funktionsweisen erklärt werden. Die Produkte sind dabei oft sehr einfach in der Anwendung. Beispiele sind Aufkleber für Telefone, welche eine angebliche schädliche Wirkung von Mobiltelefonen "neutralisieren" sollen, oder Gebilde, die lediglich durch ihr bloßes Vorhandensein Heizkosten, Strom oder Benzin sparen oder das Wachstum von Pflanzen verbessern sollen. Auch die so genannte Wasserbelebung ist hier zu nennen sowie der umfangreiche Markt an pseudomedizinischen Geräten. Bei aller Verschiedenheit lassen sich bei den Produkten und der Werbung dafür gemeinsame Merkmale feststellen, die sie als Scharlatanerie identifizieren oder zumindest fragwürdig erscheinen lassen.

Beurteilung des Produkts

Ist das Funktionsprinzip plausibel?

Ob das Wirkprinzip eines Gerätes technisch-physikalisch überhaupt möglich ist, ist auch für Fachleute meist nicht auf Anhieb ersichtlich. Oft bietet aber der "gesunde Menschenverstand" eine gute Orientierung, ob es sich um ein zweifelhaftes Produkt handelt. Beispiele: Ein Teller, der Lebensmittel schmackhafter und länger haltbar machen soll, indem er auf diese "Informationen" überträgt, mutet nicht nur unmöglich an, sondern ist es auch. Ein Stab oder Kasten, der außen an einer Wasserleitung befestigt wird, kann nach normalem Empfinden eigentlich keinen Einfluss auf die Wasserqualität haben und hat es auch nicht (für beide Beispielprodukte gibt es etliche Anbieter am Markt). Rätselhaft anmutende selektive Wirkungen und Fernwirkungen sind in aller Regel reine Erfindungen: Warum sollte "informiertes Wasser" schädliche Bakterien und andere Organismen in Swimmingpool und Gartenteich abtöten, wichtige Bakterien im menschlichen Magen-Darm-Trakt jedoch unversehrt lassen? Und Geräte, die bei äußerst geringem Stromverbrauch oder ganz ohne Energiezufuhr im Umkreis von 20 Metern feuchte Mauern trocknen können, gibt es nicht.

Personen mit Grundkenntnissen in z.B. Elektrotechnik können unplausible technische Details auffallen. Gefäße, die mit Kabeln verbunden werden, noch dazu oft einadrigen, und mit denen angeblich "Heilinformationen" von einer Substanz auf eine andere übertragen werden, sind schlicht Unsinn (solche Anordnungen finden sich vor allem bei pseudomedizinischen Geräten, z.B. der Elektroakupunktur nach Voll und verwandten Verfahren, aber auch in der Wasserbelebungsszene).

Wird das Produkt von großen Firmen angeboten?

Je spektakulärer die Behauptungen zur Wirkung eines Produktes, umso unwahrscheinlicher ist es, dass große Hersteller technischer Erzeugnisse es nicht beachten. Angenommen, es wäre tatsächlich möglich, wie von einigen Anbietern behauptet, mit einem außen an der Benzinleitung eines Autos befestigten Kästchen voll Sand (in der Werbung als "informierte Kristalle" o.ä. bezeichnet) den Benzinverbrauch um 15% zu senken. Die Vorstellung, dass die Kraftfahrzeugindustrie dieses Konzept nicht längst zu Wettbewerbszwecken aufgegriffen und optimiert hätte (sondern es statt dessen ein paar Kleinstherstellern überlässt), ist absurd.

Beurteilung der Werbung

Pseudowissenschaftliche Sprache und Verwirrung stiftende Einheiten und Präfixe

Anbieter von Erzeugnissen im Sinne dieses Artikels verwenden gerne eine pseudowissenschaftliche Argumentation, um die angebliche Wirkungsweise ihrer Produkte zu erklären. Oft handelt es sich nur um Wortgeklingel aus seriös anmutenden naturwissenschaftlichen Vokabeln, dessen Substanzlosigkeit aber für Laien schwer zu erkennen ist. Obwohl die Anbieter ihre Werbung im Lauf der Zeit verfeinern, gibt es dennoch einige Merkmale, anhand derer ein Produkt als fragwürdig zu erkennen ist:

  • Anlass zur Skepsis bieten außerdem die Begriffe Energien – Felder – Frequenzenganzheitlich – holistisch – Matrix – nichtlineare Analyse – Schwingungen usw.
  • Hinweise, dass der behauptete Wirkmechanismus "von der wissenschaftlichen Lehrmeinung nicht anerkannt" werde. Solche Bemerkungen werden aus zwei Gründen angeführt. Zum einen werden dadurch juristische Schwierigkeiten wegen unlauterer Werbung vermieden, zum anderen wird damit die Eitelkeit des Kunden angesprochen, der nicht als so engstirnig gelten möchte, dass er nur das glaubt, was irgendwelche Wissenschaftler sagen. Verächtliche Bemerkungen über "die Schulphysik" sind in diesem Zusammenhang ein sicheres Zeichen für ein unseriöses Produkt.
  • Die Behauptung, vor allem bei alternativmedizinischen Produkten, dass ein Nachweis einer positiven Wirkung durch Kinesiologie, Bioresonanz, Elektroakupunktur nach Voll oder Radiästhesie möglich sei, entlarvt das Produkt zuverlässig als Scharlatanerie. Diese Verfahren sind ebenfalls pseudowissenschaftlicher Art und produzieren rein subjektive Ergebnisse; sind sie daher ohne Wert für irgendeinen Nachweis.

Prüfsiegel und Zertifikate

Beliebt sind Angaben wie "Geprüft vom renommierten XY-Institut". Die Aussagekraft solcher Angaben kann aber oft nur von Kennern der Branche beurteilt werden. Im Normalfall hat man von XY noch nie etwas gehört und auch der Prüfbericht, sofern er vom Anbieter zugänglich gemacht wird, ist unverständlich. Zudem gibt es Firmen, die darauf spezialisiert sind, fragwürdigen Erzeugnissen mit eindrucksvollen "Gutachten" eine positive Wirkung zu bescheinigen. Einige dieser Gutachter für Scharlatanerieprodukte werden bei Psiram in entsprechenden Artikeln näher beleuchtet.

Angaben wie "TÜV-geprüft" sind ebenfalls mit Vorsicht zu betrachten. Zwar sind die Technischen Überwachungsvereine bekannte und seriöse Prüfdienstleister, es ist aber unbedingt zu fragen, was der TÜV eigentlich untersucht hat, d.h. ob tatsächlich die Wirksamkeit des Produkts überprüft wurde. Meist handelt es sich nur um Standardprüfungen, ob das Produkt bestimmte Vorschriften oder Normen einhält, z.B. zur elektrischen Sicherheit.

Eine besondere Betonung, dass ein Produkt das CE-Zeichen trägt, ist Augenwischerei. Die CE-Kennzeichnung steht im Zusammenhang mit der Produktsicherheit. Das Zeichen wird nicht verliehen, sondern vom Hersteller selbst angebracht. Er versichert damit, dass das Produkt den geltenden europäischen Richtlinien für die jeweilige Produktgruppe (z.B. elektrische Geräte und Komponenten, Maschinen, Spielzeug, Baustoffe) entspricht, muss dies aber nicht nachweisen, um das Produkt in Verkehr bringen zu dürfen.

Ein anderes Pseudo-Zertifikat ist die Richtlinie 2011/65/EU, auch bekannt als "RoHS-Richtlinie". Diese beschränkt die Verwendung gefährlicher Stoffe in elektrischen Geräten, beispielsweise dürfen Lötstellen kein Blei mehr enthalten. Eine Werbeaussage wie "der Strombooster erfüllt alle notwendigen Zustimmungen und Zertifizierungen, angefangen von CE und EMC Zeichen bis hin zur RoHS Genehmigung" ist daher irreführend und eine Werbung mit dem RoHS-Emblem nichtssagend. Ein Gerät darf nur in den Handel gebracht werden, wenn es RoHS-konform ist. Hierfür hat der Anbieter selbst zu sorgen, das Produkt wird nicht von irgendeiner Stelle "genehmigt".

Referenzen

Gerne wird betont, dass namhafte Konzerne, Universitäten, Armeen oder große Behörden das Produkt angeblich einsetzen. Das ist kein Gütemerkmal. Meistens bedeutet es nur, dass irgendjemand in diesen Einrichtungen das Erzeugnis einmal gekauft hat.

Aussagen von "zufriedenen Kunden" sind ebenfalls wertlos. Auch wenn diese echt anmuten, sind sie kaum nachprüfbar. Außerdem sind Behauptungen wie "nach Einbau des XY-Energieoptimierers sind meine Heizkosten um 20 Prozent gesunken" sehr skeptisch zu betrachten. Welche Daten wurden erhoben und für welchen Zeitraum vor und nach der Installation? Wie wurden andere Einflussfaktoren (milderer oder strengerer Winter, geänderte Gewohnheiten der Hausbewohner usw.) berücksichtigt? Solche Behauptungen sind ohne eine professionelle Analyse, die vor allem das Wunschdenken als Einflussfaktor bei der Beurteilung ausschließt, praktisch nicht zu verifizieren oder zu widerlegen. Oftmals sind dazu aufwändige Laborbedingungen unumgänglich.

Geld-zurück-Garantie

Vordergründig faire Bedingungen wie "bei Nichtfunktionieren erstatten wir den vollen Kaufpreis" sind mit Vorsicht zu betrachten, vor allem wenn betont wird, dass kaum jemals Kunden von dieser Möglichkeit Gebrauch machen würden. Es ist selbstverständlich und muss nicht besonders hervorgehoben werden, dass ein nicht funktionierendes Produkt vom Verkäufer nachgebessert oder zurückgenommen werden muss. Es ist zu prüfen, unter welchen Bedingungen die angebotene Rücknahme erfolgt. Verlangt der Verkäufer vom Kunden womöglich Belege für das Nichtfunktionieren?

Patente und Marken

 
US Patent 4344424: Maulkorb für Übergewichtige. Ein Beispiel für eine absurde, aber patentierte Erfindung

Anbieter technisch fragwürdiger Produkte berufen sich oft auf Patente. Ein Patent (oder ein Gebrauchsmuster, das ist eine Art Patent mit geringeren Anforderungen an die Neuartigkeit als beim "echten" Patent) sagt aber nichts darüber aus, ob eine Erfindung überhaupt funktionieren kann. Die Patentwürdigkeit einer Erfindung ergibt sich aus formalen Kriterien wie der Neuheit und der so genannten Erfindungshöhe; die prinzipielle Funktionsfähigkeit wird nicht geprüft. Die oft zu lesende Behauptung, Anmeldungen für physikalisch unmögliche "Perpetuum-Mobile-Erfindungen" würden von Patentämtern nicht angenommen, stimmt ebenfalls nicht.[1] Auch werden überflüssig oder absurd anmutende Erfindungen patentiert.[2]

Häufig existiert in Wirklichkeit kein oder noch kein Patent, sondern die Erfindung wurde lediglich zum Patent angemeldet. Eine so genannte Offenlegungsschrift, die vom Patentamt üblicherweise 1 1/2 Jahre nach Anmeldung der Erfindung veröffentlicht wird, trägt zwar schon die Nummer des eventuellen späteren Patents, sagt aber nichts über den tatsächlichen Patentstatus aus. Dieser lässt sich durch eine Recherche in Patentdatenbanken[3][4][5][6] herausfinden.

Auch ein Markenschutz wird oft als eine Art Gütesiegel präsentiert. Ein aufdringlich häufig anmutender Gebrauch des Zeichens ® in Verbindung mit dem Produktnamen bedeutet zwar noch nicht, dass das Produkt technisch unwirksam ist, kann aber in Zusammenhang mit anderen hier genannten Kriterien Grund zur Skepsis sein. Irreführende Aussagen wie "beim Patentamt eingetragen" zeigen auf jeden Fall, dass der Anbieter es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt: Eine geschützte Wort- oder Bildmarke sagt nichts über das Produkt aus, hat nichts mit einem Patent oder Gebrauchsmusterschutz zu tun und kann von jedermann erworben werden. Es erfolgt dann ein Eintrag ins Markenregister des jeweiligen Landes. Im Zweifelsfall lohnt sich ein Blick ins Markenregister[7][8][9][10]. Nicht selten stellt sich heraus, dass die Marke nicht existiert oder bereits erloschen ist.

Siehe auch

Viele Beispiele für die hier behandelte Art von Produkten finden sich bei Psiram in folgenden Kategorien:

Quellen

  1. Beispiel für eine Patentanmeldung einer physikalisch abseitigen und nicht funktionsfähigen Erfindung: DE 10238959 A1: Verfahren und Vorrichtungen, die es ermöglichen, mit Hilfe der Schwerkraft andere Energieformen zu erzeugen, die universell und überall genutzt werden können ohne Verbrauch, Vernichtung oder Abschwächung der Schwerkraft und in unbegrenzter Menge zu jeder Zeit und ohne Umweltbelastung. Anmeldetag: 19.08.2002
  2. Erfolgreich patentiert wurden in den USA beispielsweise Schuhkühler, ein Fischbad oder automatische Menschenwaschstraßen. Nicht zuletzt sind im Gesundheitsbereich zahlreiche erteilte Patente bekannt, die sich praktisch kaum umsetzen lassen und als absurd anzusehen sind, etwa eine "Milk" Gun zur Fütterung von Babys, Metallgitter für den Mund von Übergewichtigen oder eine Zentrifuge, die Schwangeren dabei helfen soll, ihr Kind mit Hilfe der Fliehkraft zu gebären (US Pat. 3216423). Eine unterhaltsame Sammlung solcher Patente bietet die Internetseite Totally Absurd Inventions - America's Goofiest Patents!
  3. Das Österreichische Patentamt (Online-Recherche teilweise kostenpflichtig)
  4. Swissreg - Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum
  5. DEPATIS-System des Deutschen Patent- und Markenamtes DPMA
  6. espacenet-Datenbanken des Europäischen Patentamts
  7. DPMAregister - Amtliche Publikations- und Registerdatenbank des Deutschen Patent- und Markenamtes
  8. Swissreg - Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum
  9. TMView – Markensuchmaschine des Europäischen Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt (HABM)
  10. Madrid Express Database der World Intellectual Property Organization WIPO