Die Meerwassertherapie nach Quinton ist eine pseudomedizinische Behandlungsmethode, bei der Meerwasser zu vermeintlichen Therapiezwecken eingesetzt wird. Erfinder ist René Quinton (geb. 1867 in Chaume-en-Brie, gest. 1925 in Paris oder Grasse), ein französischer autodidaktischer[1] Laboratoriumsassistent (nach anderen Quellen Physiologe oder Biologe) einer französischen Universität (College de France). Quinton widmete sich nach dem Gymnasium zunächst jahrelang dem Reisen und Schreiben von Romanen und Theaterstücken. Seine Interessen für die Biologie führten ihn zum damaligen Präsidenten der französischen Akademie der Wissenschaften, Étienne-Jules Marey, der ihn trotz fehlenden Universitätsstudiums als Mitarbeiter einstellte. Quinton widmete ihm Jahre später sein Werk über Meerwasser. Später wurde Quinton Gründer der Pilotenvereinigung Ligue nationale aérienne. Quinton stellte um die Jahrhundertwende 1900 Tierversuche mit Meerwasserinjektionen an Hunden an und veröffentlichte zum Thema sein Werk "L'eau de mer, milieu organique". Quinton soll das Meerwasser durch Verdünnung mit destilliertem Wasser isoton (zu Blut) gemacht haben und soll eine "kalte Sterilisierung" angewendet haben, ein Verfahren, das auch als "Quintonisierung" bekannt wurde. Die Quintonsche Meerwassertherapie war zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Zeit lang in Westeuropa populär; es wurden eigene Heilanstalten gegründet, in denen insbesondere Schwangere behandelt wurden.

Quinton wird nachgesagt, als Erster die Hypothese über eine chemische Ähnlichkeit von Meerwasser und Blut aufgestellt zu haben.

Im deutschsprachigen Raum ist die Methode wenig verbreitet.

Aktuell werden Meerwasserampullen für die Meerwassertherapie nach Quinton von der spanischen Pharmafirma Laboratorios Quinton angeboten. In Spanien kostet ein Liter Meerwasser etwa 100 Euro. Im englischsprachigen Raum werden entsprechende Produkte als "Marine Plasma", Quinton Isotonic, Océan Plasma, Ocean Matrix oder Marine Serum bezeichnet.

Von Befürwortern wurden Quinton-Meerwasserampullen auch zu einer vermeintlichen Therapie der Cholera in Haiti eingesetzt. Im Sinne einer regelrechten Verschwörungstheorie wurde dabei suggeriert, dass die MW-Ampullen einen unterscheidbaren Effekt zu viel preiswerterer WHO-Trinklösung (ORS/WHO) und zu isotonischer Kochsalzlösung hätten[2]. Sterile isotonische Kochsalzlösung (mit 9 g Kochsalz pro Liter und Osmolarität von 308 mosmol/l) sowie mit steriler Vollelektrolytlösung wird weltweit in großen Mengen Flüssigkeitsverlusten und Elektrolytverlusten erfolgreich bei Infektionskrankheiten entgegengewirkt. Die gegenüber den teuren Meerwasserprodukten viel preiswertere WHO-Trinklösung ist eine effektive Behandlungsmaßnahme bei schweren Durchfallerkrankungen wie Cholera oder Ruhr. Konzept und Zusammensetzung wurden von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) implementiert und sind insbesondere in Ländern mit begrenzten Ressourcen ein wesentlicher Pfeiler der Therapie beim Auftreten epidemischer infektiöser Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts. Die Trinkwasserlösung kann, wenn sie in ausreichenden Mengen vorhanden ist, entscheidend zur Eindämmung der Zahl der Todesopfer beitragen. Eine N2 Packung Elotrans (aus der Apotheke) reicht zur Herstellung von 4 Litern WHO-Trinklösung, das entspricht etwa einem Literpreis von 1,25 Euro für einen Endverbraucher.

Als Befürworter gilt der spanische Immunologe Jóse Miguel Sempere Ortells aus Alicante, der im April 2015 als Referent auf der MMS-Promotionveranstaltung Spirit of Health Kongress auftreten soll.

Methode

Bei der Meerwassertherapie nach Quinton wird dem Kunden entweder in Ampullen abgefülltes Meerwasser subcutan (unter die Haut) oder intravenös (in eine Vene) injiziert. Das Meerwasser wird nach Quinton aus 10 Metern Wassertiefe gewonnen. Vor Gebrauch wird es mit destilliertem Wasser verdünnt. Zur Verdünnung gibt es zwei Varianten: hypertonische und isotonische Lösungen. Durch Filtration (0,22µ, ohne Temperaturerhöhung) sollen entsprechende Produkte steril sein, wobei völlig unklar ist, wie dabei pathogene Bakterien und Viren abgetötet werden sollen. Ein Kontakt zu Metallen soll unterbunden werden.

In Frankreich ist nur die Gabe von Meerwasser zum Trinken erlaubt. Seit 1982 ist die Injektion von Meerwasser in Frankreich nach aufgetretenen Nebenwirkungen verboten.[3]

Es gibt auch Anwendungen von Meerwasser als Meerwassertrinkkur oder zur Vernebelung.

Befürworter dieser Methode glauben, dem Körper auf diese ungewöhnliche Weise Spurenelemente zuführen zu können.

Homöopathische Meerwasserpräparate

Es gibt auch homöopathisch aufbereitete (verdünnte) Meerwasserpräparate, z.B. das "Stauffer Nordseewasser" (D4) gegen Kröpfe und Drüsenschwellungen und homöopathische "Aqua marina"-Präparate. Homöopathische Meerwasserpräparate werden von den Pharmaunternehmen Schwabe, Madaus und Isowerk angeboten.

Plankton "Vortex-Wolken" und "Quinton Plasma"

Heutige Anbieter von Produkten mit Bezug auf Rene Quinton wollen ihre Meerwasserabfüllungen aus so genannten "Vortex-Wolken" ("Planktonwolken") der Meere gewinnen. Gemeint sind hier Gebiete mit hohem Algenwachstum. Das Algenplankton soll aus Anbietersicht als so genanntes "marines Plasma" oder "Quinton Plasma" zu einer "Regeneration" des Körpers beitragen.

Meerwassertrinkkur und "Meerwasservernebelung"

Aktuell liefern mehrere Pharmaunternehmen in Westerland/Sylt (Kurwasserwerk), in Borkum, Bremen, Juist, Hage (Meersalzsiederei Ulrich Sabarth) zum Trinken bestimmtes Meerwasser. Ein Anbieter ist auch die Biomaris GmbH aus Bremen, die unter anderem isotonische und unverdünnte MW-Ampullen anbietet.

Siehe auch

  • Osmotherapie, Injektionen hypertonischer Traubenzuckerlösungen

Literatur

  • Quinton, Rene: "L'eau de mer, milieu organique", 1904

Weblinks

Quellennachweise