Leugnung von Infektionskrankheiten

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Tollwut-Virus
Tödliche Tollwut beim Menschen. Bildquelle: Wikimedia Commons
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Die Leugnung von Infektionskrankheiten ist ein gesellschafliches Randphänomen, welches im Umfeld von Impfgegnern, Anhängern der Homöopathie und analoger Gesundheitslehren (anthroposophische Medizin) anzutreffen ist. Die generelle Leugnung von Infektionskrankheiten spielt auch im Bereich bestimmter religiöser Gruppierungen eine Rolle.

Die Idee von lebenden Krankheitserregern taucht erstmals im 1. Jahrhundert v. Chr. auf. Marcus Terentius Varro (geb. 116 v. Chr.) meinte, dass die Luft der Sümpfe verderblich sei, weil sie von winzigen Tierchen geschwängert wäre, die in die Nase, in den ganzen Körper eindrängen. Erst durch die Erfindung des Lichtmikroskops gelang der direkte Nachweis von Krankheitserregern. Der Jesuit Athanasius Kircher (1601–1680) veröffentlichte die Entdeckung massenhaft kleinster Würmer, die er in der Luft, im Wasser, im Boden, in Milch, Käse, faulen Pflanzenteilen sowie im Blut und im Eiter Pestkranker gefunden hatte. Die Bedeutung der Mikroorganismen als Krankheitsverursacher blieb jedoch zunächst noch verborgen. Diese Rolle wurde erstmals im 19. Jahrhundert bei einer durch das Bacterium prodigiosum (Serratia marcescens) hervorgerufenen „Speisekrankheit“ erkannt. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts befand sich der Disput zwischen Kontagionisten und Antikontagionisten (Anhänger der Miasmenlehre) in einer Hochphase, der mit den wachsenden wissenschaftlichen Erkenntnissen endete (Robert Koch und Louis Pasteur). Allerdings hielt sich in dieser Zeit auch eine Zeitlang eine alternative Hypothese, die des historischen Pleomorphismus. Anhänger des Pleomorphismus (Pierre Jacques Antoine Béchamp in Frankreich, Günther Enderlein in Deutschland) standen der aufkommenden Hypothese der Infektion durch pathogene Erreger ablehnend gegenüber. Die Pleomorphisten wollten nicht an von aussen eindringende Erreger glauben. Noch heute (2015) finden sich einige wenige Anhänger des Pleomorphismus.

Im deutschsprachigen Raum dürfte der deutsche Biologe Stefan Lanka der bekannteste Vertreter einer Leugnung von Infektionskrankheiten sein.[1] Auch der ehemalige deutsche Arzt Ryke Geerd Hamer, der österreichische Impfgegner Johann Loibner und Karl Probst sind Anhänger der Leugnung von Infektionskrankheiten.

Geleugnet wird die Existenz von Infektionskrankheiten durch Bakterien, Viren oder Pilze. Die Existenz der jeweiligen Infektionskrankheit (Beispiel: Malaria, Ebolafieber, Tollwut) wird auf Grund der hohen Fallzahlen und des hohen Bekanntheitsgrades (auch vor Entdeckung von Krankheitserregern)wird zumeist nicht geleugnet. Die jeweiligen Infektionskrankheiten werden zu nicht durch Krankheitserreger bedingten Krankheiten umgedeutet. So schreibt Stefan Lanka:

.."Aber noch weniger faßbar ist, daß in der heutigen Wissenschaftsliteratur verschwiegen wird, daß 1793 in Amerika, das damals tolerant und viel weniger durch die Kirche beeinflußt war als Europa, ganz klar bewiesen wurde, daß »Seuchen«, also das vermehrte Auftreten von Krankheiten, nicht durch Mikroben verursacht werden können! Sondern durch Fäkalien, »Leichengift« (besonders Tierleichen, die bei Dürren und Mißernten immer zuerst verendeten, da sie dann nicht mehr gefüttert und gewässert wurden!) im Wasser und verdorbene Lebensmittel verursacht werden.."[2]

Auffällig ist in der Szene der Leugner von Infektionskrankheiten die geringe Bereitschaft sich mit wissenschaftlicher Literatur und der aktuellen Evidenzlage in der wissenschaftlichen Medizin auseinander zu setzen. Auffällig ist auch die häufig zu beobachtende hohe Bereitsschaft absurdesten Verschwörungstheorien Glauben zu schenken oder diese zu erfinden und in Umlauf zu bringen. Eine weitere Auffällig betrifft eine Hinwendung zu einer Scheinwelt in der der Mensch den stets positiven Seiten der Natur ausgesetzt sei nach dem Motto "Die Natur tut nur Gutes" (siehe: Bambi-Syndrom)

Die Szene der Leugner von Infektionskrankheiten ist zwar zahlenmässig sehr klein, aber relativ agressiv. Kritik an der Szene führte in der Vergangenheit zur Androhung von Gewalt. Als 2015 der Arzt David Bardens den Virenleugner Stefan Lanka erfolgreich zur Zahlung von 100000 Euro verklagte, musst er sich durch einen Bodyguard schützen lassen nachdem er bedroht wurde.

Varianten

Unterschieden werden kann zwischen den Leugnern der Existenz von Viren, Bakterien und Pilzen sowie einem Personenkreis, der zwar die Existenz von Viren, Bakterien und Pilzen bejaht, aber gleichzeitig die Existenz von Infektionskrankheiten leugnet.

Leugnung der Bedeutung und Existenz (menschen-)pathogener Viren

Ebola-Virus
Ebola-Patient

Laut WHO starben im Jahr 2002:

  • 2,7 Millionen Menschen an AIDS
  • 103.000 Menschen an Hepatitis B
  • Etwa 70.000 Menschen sterben jedes Jahr an der Tollwut.

Ein immer wieder gern vorgebrachtes Argument gegen die Existenz von pathogenen Viren sind die Henle-Koch-Postulate aus dem 19. Jahrhundert. So formulierte Koch 1890 auf der 10. Internationalen Medizinischen Konferenz in Berlin:

"[...] drittens, dass er von dem Körper vollkommen isoliert und in Reinkultur hinreichend oft umgezüchtet, imstande ist, von neuem die Krankheit zu erzeugen [...]".

Koch bringt hier zum Ausdruck, dass der vermutete Erreger für eine Erkrankung aus dem erkrankten Individuum isoliert und bei einer Übertragung auf ein gesundes Individuum dieselben Krankheitssymptome auslösen muss. Der Begriff Virus geht auf Cornelius Aulus Celsus aus dem ersten Jahrhundert vor Christus zurück, der diesen erstmalig verwendete. Gemeint waren hiermit "Gifte", welche Krankheiten übertrugen. So wurde der Begriff auch eine ganze Zeit in seiner Bedeutung verwendet, bis dann im 17. Jahrhundert die ersten Lichtmikroskope entwickelt wurden (bis auf extrem seltene Ausnahmen sind Viren lichtmikroskopisch nicht zu sehen). Ab diesem Zeitpunkt wurden nur noch solche "Erreger" als Virus bezeichnet, welche man im Lichtmikroskop nicht sehen konnte. Erste Versuche und Befunde, welche zu dem heutigen Verständnis des Wortes Virus beitrugen, fanden 1892 durch Dimitri I. Iwanowski und 1898 durch Martinus Willem Beijerinck, Friedrich Löffler und Paul Frosch statt. Dies war also lange nach Kochs Rede in Berlin. Was Koch 1890 nämlich nicht wissen konnte, waren die Schwierigkeiten der Kultivierung von Viren. Mit Bakterien - und Koch war Bakteriologe - ist es relativ einfach, auch wenn es die eine oder andere Schwierigkeit gibt. Mit Viren sieht es jeoch anders aus. Influenza-Viren werden trotz aller Fortschritte noch immer in Hühnereiern vermehrt, da sie sich nicht wie Bakterien auf Nährplatten züchten lassen. Außerdem verbietet sich aus einsichtigen Gründen die Isolierung eines Erregers, um ihn dann auf einen gesunden Menschen zu übertragen. Derartige Versuche mit Menschen sind verboten, es gibt aber (leider) gut dokumentierte (Un)Fälle, bei denen sich drei Mitarbeiter mit dem HI-Virus bei ihrer Arbeit infiziert haben. Die Infektionsquelle war jedoch kein infiziertes Material von Patienten, sondern klonierte Viren, also deren reine DNA. Eine dieser drei Personen entwickelte nach 68 Monaten Pneumocycstis pneumonia, ein für die AIDS-Symptome wichtiges Kriterium. Weiterhin lag der CD4-Wert bei 50. Gesunde Personen weisen einen CD4-Wert von 500-1.200 auf. Da diese Person erst 83 Monate nach der Infektion mit einer Behandlung begann, ziehen hier auch nicht die Argumente des AIDS-Kritikers Peter Duesberg. Duesberg behauptete lange Zeit, dass die eigentlichen AIDS-Symptome nicht durch die HI-Viren ausgelöst werden, sondern durch Drogen (Poppers) und ungesunden (homosexuellen) Lebenswandel.

Leugnung der Bedeutung und Existenz (menschen-)pathogener Bakterien und Parasiten

Erreger Clostridium tetani (Tetanus)
Starrkrampf bei Cl. tetani. Bildquelle: Wikimedia Commons
Cl. tetani-Infektion
Kutane Leishmaniose (Aleppobeule) durch Leishmanien
Gangrän nach Infektion mit der Bakterie Haemophilus influenzae[3]

Infektionskrankheiten sind nach wie vor weltweit Todesursache Nummer 1. Laut WHO starben im Jahr 2002:

  • 3,95 Millionen Menschen an akuten Atemwegserkrankungen (z.B. nach Lungenentzündung und Grippe)
  • 1,79 Millionen Menschen an Durchfallerkrankungen – überwiegend Kinder
  • 1,56 Millionen Menschen an Tuberkulose – hauptsächlich Erwachsene
  • 1,27 Millionen Menschen an Malaria
  • 294.000 Menschen an Keuchhusten – überwiegend Kinder
  • 214.000 Menschen an Tetanus, ausgelöst durch die Bakterie Clostridium tetani

HIV-AIDS Leugnung

HIV/AIDS-Leugner, entweder als Einzelperson oder Organisation auftretend, bezweifeln die Existenz des Humanen Immundefizienz-Virus (HIV) bzw. den Zusammenhang zwischen dem erworbenen Immunschwächesyndrom (acquired immunodeficiency syndrome, AIDS) und der Infektion durch das Virus. Die pathogenetische Rolle von HIV ist dabei wissenschaftlich nachgewiesen. Zu den bedeutendsten und lautesten HIV/AIDS-Leugnern gehören die Perth-Group und HEAL (Health Education AIDS Liason).

Hauptartikel: HIV/AIDS-Leugnung

Leugnung von Computerviren

Während es eine Szene von Leugnern der Existenz von Viren gibt, gibt es ganz offensichtlich keine entsprechende Szene die die Existenz von Computerviren, Trojanern oder "Würmern" leugnen würde.

Siehe auch

Quellennachweise

  1. Zitat Stefan Lanka: Als wir vor über 10 Jahren bei AIDS begannen, die Infektionstheorie zu überprüfen, waren wir uns der Dimension nicht bewusst. Damals hielten wir AIDS für einen Ausrutscher. Heute haben wir, einfach indem wir konsequent nach den Beweisen gefragt haben, bewiesen, dass die gesamte Infektionstheorie widerlegt ist. Die gesamte Infektionstheorie gründet in Irreführung. Aus: Interview mit Stefan Lanka in FAKTuell 18. November 2006
  2. Stefan Lanka: Infektionstheorie und Pasteur
  3. http://www.cispimmunize.org/mediapgs/slides/182.html