Kreationismus: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 20. August 2019, 18:40 Uhr

Kreationismus.jpg
Türkei auf dem letzten Platz

Kreationismus (v. lat. creare erschaffen) ist die Lehre von der Auffassung, dass das Universum bzw. das Leben auf der Erde von einem übernatürlichen Wesen erschaffen wurde. Grundlage kreationistischer Vorstellungen sind meist religiöse Schöpfungsmythen, wie z.B. die Schöpfungsgeschichte im biblischen Buch Genesis.[1]

Auch die weitere Entwicklung des Universums sei nach der Auffassung vieler Ausrichtungen des Kreationismus von fortgesetzten Eingriffen einer höheren Instanz geprägt. Besonders in den USA sind die verschiedenen Strömungen des Kreationismus weit verbreitet, insbesondere von Anhängern des Evangelikalismus.

Kreationisten akzeptieren keine schlussfolgernde Argumentation gegen ihre Auffassung. Diskussionen werden meist mit dem "Totschlagargument" beendet, Gott hätte es so angelegt, dass es danach aussähe, als gäbe es z.B. Evolution, Plattentektonik oder ähnliche Vorgänge in der Natur, die dem Weltbild der Kreationisten eigentlich widersprechen.

Formen des Kreationismus

Man kann verschiedene Strömungen des Kreationismus unterscheiden. Dies sind vor allem:

  • Kurzzeit-Kreationismus (auch: Junge-Erde-Kreationismus): Anhänger vertreten bei wörtlicher Auslegung des biblischen Buchs Genesis die Ansicht, dass die Erde vor höchstens 10.000 Jahren von Gott erschaffen wurde. Wissenschaftliche Datierungsmethoden werden von Kurzzeit-Kreationisten als fehlerhaft verworfen.
  • Langzeit-Kreationismus (auch: Alte-Erde-Kreationismus): Man akzeptiert grundsätzlich das hohe Alter der Erde. Es werden unterschiedliche Schöpfungsmodelle vertreten, z.B. dass zwischen den Schöpfungstagen lange Zeiträume gelegen hätten oder dass es sich bei jedem der sieben Schöpfungstage um ein Äon der Erdgeschichte handelt. Wenn man diese Äonen mit hinreichender Dauer definiert, lassen sich der naturwissenschaftliche und der kreationistische Zeitrahmen harmonisieren. Die Ergebnisse der Astrophysik und der Geologie, darunter auch die Fossilfunde, lassen sich mit einigen Zusatzannahmen halbwegs erklären. Der Streit mit der Naturwissenschaft konzentriert sich dann auf die Darwinsche Selektionstheorie, also das Zufallsprinzip der natürlichen Auslese. An dessen Stelle setzt der Langzeit-Kreationismus eine Folge von göttlichen Schöpfungsakten ein. Darin ähnelt er den Katastrophen-Theorien[2].
  • "Wissenschaftlicher Kreationismus": Dessen Vertreter behaupten, dass Kreationismus eine Wissenschaft ist und eine Alternative zur Evolution darstellt. Sie gehen in der Regel davon aus, dass Gott die Erde in jüngerer Zeit erschaffen hat, und sehen diese Auffassung durch empirische Belege gestützt. So deuten sie beispielsweise Fossilien als Zeugnisse einer globalen Sintflut, wie sie im Buch Genesis geschildert wird.
  • Evolutionistischer Kreationismus: Nach dieser Lehre hat Gott die Lebensformen erschaffen und mit Hilfe der Evolution verändert. Evolutive Veränderungen werden als Resultate direkter göttlicher Einwirkung und nicht von Selektionsprozessen betrachtet. Vielfach wird von einer gezielten evolutiven Höherentwicklung mit dem Endziel „Mensch“ ausgegangen.
  • Schöpfung auf Raten (Progressiver Kreationismus oder fortdauernde Schöpfung): Diese Ansicht besagt, dass die Arten sich in unterschiedlichen Erdzeitaltern durch ein ständiges Eingreifen von Gott gebildet haben und laufend verändern. Das Eingreifen des Schöpfers geschieht meist zu bestimmten Schlüsselzeitpunkten der Erdgeschichte. Diese Sicht akzeptiert die meisten Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften, lehnt aber die moderne Evolutionsbiologie ab oder versucht darzulegen, dass eine natürliche Evolution unplausibel sei. Diese Meinung kann in Kombination mit anderen Alte-Erde-Standpunkten vertreten werden.
  • Theistischer Evolutionismus: Vertreter glauben, dass Gott die Naturgesetze geschaffen hat und in ihrem Rahmen agiert. Sie akzeptieren eine Evolution auf der Basis natürlicher Selektion. Es wird davon ausgegangen, dass Gott gelegentlich steuernd in den Evolutionsprozess eingreift.
  • Intelligent Design-Kreationismus (ID): Diese Strömung vertritt die Auffassung, dass Leben zu komplex sei, um durch natürliche Prozesse entstehen zu können. Als Urheber nehmen ID-Verfechter einen „intelligenten Designer“ an, dessen Eigenschaften jedoch so vage beschrieben werden, dass sich diese Lehre einer wissenschaftlichen Überprüfung entzieht. ID wird häufig als eine eigene, neben dem eigentlichen Kreationismus stehende Strömung betrachtet.
  • Islamischer Kreationismus: Das hohe Alter der Erde wird anerkannt, nicht aber die Evolution. Die Sintflut fand statt, war aber nach dieser Auffassung nur ein regionales Ereignis. Es wird davon ausgegangen, dass Gott permanent in die Welt eingreift. Die Intelligent-Design-Auffassung spielt keine Rolle, da Gott ohne Design agiere.[3]

Als besonders eifrige und aggressive Vertreter des Kreationismus haben sich die Verfechter des so genannten Intelligent Design[4] erwiesen, welche die Aussagen der kreationistischen Weltanschauung für eine wissenschaftliche Theorie halten. Sie versuchten, diese an öffentlichen Schulen in den USA anstelle des naturwissenschaften Biologieunterrichts lehren zu lassen, und konnten als wohl berühmtesten Befürworter sogar George W. Bush von dieser Idee überzeugen. Das wurde allerdings 2005 nach einem Prozess vor dem US-Bundesgericht untersagt (Kitzmiller v. Dover Area School District (2005)).

Es sei daran erinnert, dass nicht nur christliche Fundamentalisten kreationistische Ansichten vertreten, sondern auch islamistische Fanatiker wie Adnan Oktar oder Personen wie Hans-Joachim Zillmer‎.

An dieser Stelle sei auf die umfassenden, sachlichen und gut recherchierten Artikel zu Kreationismus und Intelligent Design in der Wikipedia verwiesen.

Kreationismus in Deutschland

Auch in Deutschland gibt es immer wieder Versuche, kreationistische Inhalte im Biologieunterricht der Schulen zu verankern. Im Jahr 2005 sollte Prof. Siegfried Scherer, Autor des umstrittenen Schulbuchs "Evolution – Ein kritisches Lehrbuch" auf Veranlassung des Thüringer Ministerpräsidenten Dieter Althaus am "Erfurter Dialog" in der Thüringer Staatskanzlei teilnehmen, bei der Kreationisten und Evolutionsforscher über die verschiedenen Ansätze diskutieren sollen. Dazu erklärte Althaus im Magazin "Stern", dass es schließlich "kein abgeschlossenes wissenschaftliches Konzept" zur Entstehung des Lebens auf der Erde gäbe. Erst nach kritischen Berichten in regionalen und überregionalen Medien und Protesten der Opposition im Thüringischen Landtag wurde Scherers Besuch wieder abgesagt. Auch der Kasseler Biologieprofessor Ulrich Kutschera bezeichnete es als "Katastrophe", dass sich der CDU-Politiker Althaus derart engagiere.[5] Auch an den Schulen des Verbandes Evangelischer Bekenntnisschulen e.V. (VEBS) wird Kreationismus gelehrt, wie Berthold Meier, Generalsekretär des VEBS, 2010 gegenüber der Süddeutschen Zeitung einräumte.[6]

Argumente des Kreationismus gegen die Evolutionstheorie

Jesus-dinosaur.jpg
  • Nichtreduzierbare Komplexität (Irreduzible Komplexität): Unter irreduzibel komplex kann ein System verstanden werden, das aus verschiedenen, fein aufeinander abgestimmten Teilen besteht, die alle zum Funktionieren des Ganzen beitragen, so dass die Entfernung jedes einzelnen dieser Teile zum Systemausfall führt.[7] Der Begriff Irreduzible Komplexität geht auf den US-Amerikaner Michael Behe zurück.
Hinter dieser Argumentation verbirgt sich die Behauptung, dass Lebewesen komplexe Strukturen aufweisen, die nicht schrittweise entstanden sein können. Das klassische Beispiel ist die Bakteriengeißel, die aus Einzelkomponenten besteht und nur als Gesamtheit funktioniere. Nach Auffassung von ID-Anhängern widerlege dies den „direkten Darwin'schen Weg", wonach solche Strukturen sukzessive in kleinen, jeweils von der Selektion begünstigten Schritten entstehen. Für die isolierten Komponenten gebe es keinen Selektionsvorteil, die fertige Struktur müsse daher angeblich in einem Sprung entstanden sein.
Dabei wird übersehen, dass komplexe Strukturen auf indirektem Wege entstehen können. Auch wenn die derzeitige Struktur nichtreduzierbar komplex ist, bedeutet das noch lange nicht, dass nicht ein weniger weit entwickelter Vorläufer vorhanden war. Diese Vorläuferstrukturen wurden dann durch Mutation und entsprechenden Selektionsdruck zu den beobachtbaren nichtreduzierbar komplexen Strukturen. Darüber hinaus können die Einzelkomponenten auch auf eine ganz andere Funktion hin selektiert worden sein. Ein klassisches Beispiel sind die Federn der Vögel. Diese Strukturen entstanden vermutlich nicht als Anpassung an das Fliegen, sondern zur Wärmeisolierung. Diese Argumentation war schon seit Darwins Zeiten als Funktionswechsel bekannt. Tatsächlich gilt sogar die Frage als offen, ob es überhaupt nichtreduzierbar komplexe Systeme gibt.[8]
  • Das Unwahrscheinlichkeitsargument: Die Entstehung komplexer Strukturen aus purem Zufall wäre ebenso unwahrscheinlich wie ein Wirbelsturm, der auf einem Schrottplatz ein Auto zusammensetzt. Dem ist entgegen zu halten, dass komplexe Strukturen nicht durch puren Zufall aus dem Nichts entstehen, sondern durch Selektion und Vermehrung aus einfacheren Vorläufern (graduelle Entwicklung). Alle auf diese Weise neu entstandenen Strukturen müssen sich in der Folgezeit bewähren (Selektion), wobei sich die erfolgreichen stärker vermehren als die fehlerhaften und innerhalb der Population anreichern. Dann kommt "der nächste Sturm" und damit weitere Änderungen, die auf den vorhergehenden Änderungen aufbauen. Andererseits ist durch die Präadaptation (Ausbildung von neuartigen Merkmalen, bevor der Selektionsdruck einsetzt) der Zufall bereits stark eingeschränkt, weil diese die Entwicklungsrichtung bereits vorgibt. Die Annahme reinen Zufalls ist daher grundsätzlich verkehrt; beispielsweise entsteht aus einem Flügel nicht einfach wieder eine Pfote.[9]
  • Die Entstehung des Lebens aus unbelebter Materie könne von der Evolutionstheorie nicht erklärt werden. Dies ist ein reines Propaganda-Argument, denn der Ursprung des Lebens ist überhaupt nicht Gegenstand der Evolutionstheorie.

Kreationismus und Repression der Darwinschen Evolutionstheorie in der Türkei

Die Giordano Bruno Stiftung (hpd) schreibt am 12. Januar 2017 zum Thema (Zitat):

..Die türkische Regierung führt seit Jahren einen beispiellosen Propagandafeldzug gegen die Evolutionstheorie.
Sie sorgte dafür, dass der kreationistische "Atlas der Schöpfung" von Harun Yahya eine Auflage von mehreren Millionen Exemplaren erreichte und an viele Schulen des Landes verteilt wurde, und ließ Internetfilter entwickeln, mit denen Webseiten zur Evolutionstheorie nicht mehr aufgerufen werden konnten.
Vergeblich haben türkische Wissenschaftler vor den Folgen dieser Wissenschaftsfeindlichkeit gewarnt.
Um sie zu unterstützen und türkischsprachigen Kindern einen Einblick in die faszinierende Welt der Evolution zu geben, hat das Evokids-Projekt heute eine türkische Fassung des Lehrfilms "Big Family – Die phantastische Reise in die Vergangenheit" veröffentlicht.
[10]

Unter Muslimen liegt der Anteil der Evolutionsleugner deutlich höher als bei Christen. So streiten 76 Prozent der türkischen und 59 Prozent der deutschen Lehramtsstudenten muslimischen Glaubens die Aussage ab, dass sich der Mensch aus affenartigen Vorfahren entwickelt hat.
Ein Lehrer aus Ankara erhielt einen Verweis, als er im Unterricht auf die Darwinsche Evolutionstheorie einging und die Schulbehörde von der Mutter eines Schülers davon erfuhr.[11][12]

Vertreter

Vertreter kreationistischer Anschauungen im deutschsprachigen Raum sind beispielsweise:

Siehe auch

Literatur

  • Charles Darwin: On the Origin of Species by Means of Natural Selection, or the Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life. John Murray, London 1859. Online-Version
  • Ulrich Kutschera (Hrsg.): Kreationismus in Deutschland. Fakten und Analysen. LIT Verlag Berlin-Hamburg-Münster 2007

Weblinks

Quellen