Kiweno - Test

Der Kiweno Test ist ein umstrittener, vom Kunden selbst durchführbarer Bluttest, der Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Allergien gegen Lebensmittel nachweisen soll. Er wird aktuell über das Internet beworben und kann für etwa 100 € online erworben werden. Anbieter ist in Österreich die Firma Kiweno[1], in Deutschland die Firma Biovis. Kiweno-Gründerin ist Bianca Gfrei, die behauptet, selbst von einer Lebensmittelunverträglichkeit betroffen zu sein.

Kiweno beruft sich auch auf das nur in der Alternativmedizin bekannte Leaky-Gut Syndrom. Demnach sei der menschliche Darm durch "einseitige Ernährung", Stress und Umweltbelastungen so stark geschädigt, dass sich Risse in der Darmschleimhaut bildeten. Durch diese kleinen Öffnungen würden Nahrungsbestandteile in die Blutbahn gelangen, die dort zu einer Immunantwort führen, was sich wiederum in der Bildung von Antikörpern äußere. Dies erzeuge im Organismus eine dauerhafte Entzündung, wenn die betroffenen Nahrungsmittel immer wieder aufgenommen würden. Folgen seien eine verlangsamte Stoffwechselaktivität und Symptome wie Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Verdauungsbeschwerden, Kopfschmerzen und Hautunreinheiten. Sogar Krankheitsbilder wie Migräne, die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Gelenkbeschwerden, chronischer Schnupfen und Übergewicht werden mit Nahrungsunverträglichkeiten in Verbindung gebracht. Das Leaky-Gut Syndrom ist wissenschaftlich nicht anerkannt.[2] Bei der deutschen Wikipedia findet sich kein Eintrag zum Leaky-Gut Syndrom. Bei der englischsprachigen Wikipedia findet sich ein kritischer Eintrag dazu: "Leaky gut syndrome is a hypothetical, medically unrecognized condition.." (hypothetischer, medizinisch nicht anerkannter Zustand). Bei Kunden, die die Ergebnisse des Tests erhalten, kann eine völlig unbegründete Angst vor angeblich krankmachender Nahrung erzeugt werden, mit der Folge, dass sie ihren Speiseplan oft dramatisch einschränken. Bestimmte IgG4-Antikörper entstehen einfach dadurch, dass ein Mensch zuvor bestimmte Lebensmittel zu sich genommen hat. Bereits 2009 hielt eine immer noch gültige Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie (EAA-CI), der Österreichischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (ÖGAI) sowie der Fachgesellschaften der Schweiz und Deutschlands fest, dass die Bildung von IgG4-Antikörpern ein völlig gesunder Vorgang ist und nur aussagt, dass man das jeweilige Lebensmittel konsumiert hat.

Aufgrund der fehlenden Aussagekraft werden diese Tests in der wissenschaftlichen Medizin mit gutem Grund nicht angewendet. Wie wenig aussagekräftig die Testergebnisse von Kiweno sind, offenbart ein Versuch, der in Österreich von "futurezone" durchgeführt wurde. Ein Proband schickte je eine Blutprobe von seiner linken und seiner rechten Hand ein, mit dem verblüffenden Ergebnis, dass die linke Hand auf 9 Nahrungsmittelbestandteile reagiert, während die rechte Hand 38 Unverträglichkeiten aufweist. Für die Firma Kiweno sei dies ein bedauerlicher Einzelfall.[3]

Testablauf und Nachweismethodik

Der Kunde führt den Test zu Hause selbst durch und schickt eine Blutprobe an das jeweilige Labor. Dort werden die Blutproben auf Ig4-Antikörper gegen Eiweiße in Lebensmitteln getestet. Die Blutprobe soll auf 70 Allergene in Nahrungsmitteln getestet werden. Genannt werden beispielsweise Weizen, Gluten und Milch, aber auch Intoleranzen gegenüber Nüssen, Obst und Gemüse, Fleisch und Gewürzen.

Via E-Mail oder SMS bekommt der Kunde innerhalb von fünf Werktagen eine Benachrichtigung, dass die Ergebnisse auf der Online-Plattform zur Verfügung stehen.

Kritik am Kiweno Test

In Österreich wurde der Test von Experten als nicht für die gemeinten Zwecke geeignet eingestuft. Zitat Petra Ziegelmayer, Leiterin des Komitees für klinische Allergologie der Österreichischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (ÖGAI):

“Unabhängig davon, ob Sie spezifische IgG-Antikörper mit einem quantitativen oder semi- bzw. nichtquantitativen Verfahren messen lassen, gibt ein IgG-Nachweis nur eine Information über eine erfolgte Exposition und eine immunologische Auseinandersetzung Ihres Immunsystems mit dem wiederholt zugeführten Nahrungsmittel, erlaubt aber keinesfalls eine Aussage über eine Allergie oder Allergiebereitschaft. ... Allergien sind immunologisch determiniert und durch spezifische IgE-Antikörper nachweisbar. Es gibt verschiedene andere immunologische und nicht-immunologische Nahrungsmittelunverträglichkeiten, die z.B. vorübergehend infektassoziiert oder enzymbasiert sein können. Keine dieser Unverträglichkeiten sind mit einem IgG-Test nachweisbar, ein sicherer Nachweis ist nur der klinische Kausalzusammenhang.”

Die ÖGAI hatte 2009 eine Leitlinie veröffentlicht, in der IgG-Antikörpertests strikt abgelehnt werden. Darüber hinaus, so das ÖGAI-Dokument, könnten die „irreführende Interpretation von Testergebnissen“ anschließend als Begründung für „ungerechtfertigte und häufig einschneidende Diäten“ verwendet werden, die wiederum „zu erhöhtem Leidensdruck, eingeschränkter Lebensqualität, zur Verunsicherung oder sogar Gefährdung der betroffenen Personen“ führen könnten.

“Vorhandenes IgG4 sollte keineswegs als Auslöser für eine Überempfindlichkeit angesehen werden ... Nahrungsmittelspezifisches IgG4 liefert keine Hinweise auf eine (drohende) Nahrungsmittelallergie oder -intoleranz, sondern stellt im Gegenteil eine natürliche Immunantwort nach Kontakt mit Nahrungsmittelbestandteilen dar. Die Bestimmung von IgG4-Antikörpern gegen Nahrungsmittel ist daher irrelevant für den laborgestützten Nachweis einer Nahrungsmittelallergie oder -intoleranz und sollte im Zusammenhang mit nahrungsmittelassoziierten Beschwerden nicht durchgeführt werden.”

In der Leitlinie der der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) in Zusammenarbeit u.a. mit der ÖGAI aus dem Jahr 2015 heißt es:

„Bestimmungen von Immunglobulin G(IgG)- oder IgG4-Antikörpern bzw. Lymphozytentransformationstests mit Nahrungsmitteln erlauben keine Unterscheidung von Gesunden und Erkrankten, weder bei Nahrungsmittelallergie noch bei Nahrungsmittelunverträglichkeit. Die mangelnde diagnostische Spezifität bedingt viele positive Befunde bei Gesunden. Nahrungsmittelspezifisches IgG oder IgG4 zeigt lediglich, dass das Individuum wiederholt Kontakt mit dem entsprechenden Nahrungsmittel gehabt hat und stellt eine physiologische Reaktion des Immunsystems auf ein Fremdprotein dar. Die Proliferation von Lymphozyten nach Stimulation mit Nahrungsmitteln und das IgG bzw. IgG4 gegen Nahrungsmittel im Serum können bei Allergikern erhöht sein. Jedoch sind beide Tests wegen ihrer Streuung und der unzureichenden Spezifität nicht zur individuellen Diagnostik einer Überempfindlichkeit auf Nahrungsmittel geeignet.“

Siehe auch

Literatur

  • Stapel SO, Asero R, Ballmer-Weber BK, Knol EF, Strobel S, Vieths S, Kleine-Tebbe J; Testing for IgG4 against foods is not recommended as a diagnostic tool: EAACI Task Force Report., Allergy. 2008 Jul;63(7):793-6. doi: 10.1111/j.1398-9995.2008.01705.x. Epub Mai 2008
  • Jenkins M1, Vickers A., Unreliability of IgE/IgG4 antibody testing as a diagnostic tool in food intolerance. Clin Exp Allergy. 1998 Dec;28(12):1526-9

Weblinks

Quellennachweise

  1. KIWENO GmbH, Daniel Swarovskistraße 69, A-6067 Absam, Österreich
    Geschäftsführer: Bianca Gfrei, Robert Fuschelberger
  2. http://www.quackwatch.com/01QuackeryRelatedTopics/fad.html
  3. http://futurezone.at/digital-life/kiweno-im-test-bestaetigung-skepsis-und-ein-einzelfall/195.989.628