Kammerton A - Verschwörung

Der Begriff Kammerton A - Verschwörung bezieht sich auf eine Verschwörungstheorie, die besagt, dass in Deutschland (bzw. im Deutschen Reich) der für Konzerte relevante Kammerton A ursprünglich eine Frequenz von 432 Hertz (Hz) gehabt habe. Später sei der Kammerton A willkürlich auf 440 Hz festgelegt worden, um angeblich den Hörern der Konzerte zu schaden, da mit 440 Hz eingestimmte Konzerte "unnatürlich" seien. Befürworter einer Kammerton-A (440 Hz)-Verschwörung behaupten, dass beispielsweise musikhörende Autofahrer durch "440 Hz Musik" agressiv seien. Aktuell findet sich Musik verschiedener Bands und Interpreten, die sich auf eine 432-Hz-Einstimmung berufen (Beispiel: Pink Floyd - Dark Side of the Moon)

Bekannte historische Befürworter einer 432-Hz-Konzerteinstimmung waren Giuseppe Verdi, Paul Hindemith und Raimund Schwedeler. Andere, ebenso renommierte Komponisten befürworteten jedoch andere Frequenzen. Bach soll 480 Hz bevorzugt haben und Mozart 421 Hz.

Anhänger

Einer der aktuell engagiertesten Befürworter einer auf 432 Hz eingestimmten Musik ist der schottische Produzent und Musiker Brian T. Collins. Er betreibt die Seite Omega432, die sich mit der 432-Hz-Einstimmung befasst.

Einer der Anhänger und Verbreiter der Kammerton A--Verschwörung war der 2017 verstorbene deutsche ehemalige Arzt, Wunderheiler und Antisemit Ryke Geerd Hamer. Sein Lied Mein Studentenmädchen sollte Wunderheilungen bei Krebskranken durch Daueranhören bewirken, dabei sollte die 432 Hz-Einstimmung eine Rolle spielen. Hamer machte für die Festlegung auf 440 Hz eine Verschwörung gegen das deutsche Volk verantwortlich:

1939, unmittelbar vor dem 2. Weltkrieg, haben aus angeblich unerfindlichen Gründen die sämtlichen jüdisch-englischen Agenten, Pius XII, Sohn des jüd. Rothschildbankdirektors in Rom, Roosevelt, Hitler, Stalin, beide jüd. englische Tavistock-Agenten, Churchill, Franco und Mussolini plötzlich mit gemeinsamem Beschluß den Kammerton A auf völlig unnatürliche 440 Hz umgeändert, offenbar um aus der Musik und unseren Gehirnen die Harmonie herauszunehmen zu Gunsten einer Aggressivität, vermutlich für den Krieg, den sie gemeinsam gegen das deutsche Volk führen wollten und geführt haben. Die 8 Hz Unterschied bedeuten etwa einen Viertelton Höhenunterschied (höher).

Auch die Truther-Musikband VitaVision orientierte sich an 432 Hz. So heißt es im April 2016 auf der Webseite von VitaVision:

Freitag, 15. April 2016 Musik auf 432 Hertz. In dieser Woche haben wir viele interessante Berichte über die Wirkung von Frequenzen auf uns Menschen gelesen. 1939 wurde der Kamerton A von der natürlichen Frequenz 432 Hertz auf 440 Hertz erhöht. Wir haben unsere Instrumente bereits bei der letzten Probe auf die "alte" Frequenz gestimmt und werden diese auch bei unserem nächsten Gig am kommenden Sonntag in der "Scheune Braunschweig" ausprobieren. Wir sind echt gespannt.

Eine typische Interpretation der Kammerton A-Verschwörung (Igor Kelemen) besagt, dass die Stimmfrequenz 440 Hz vom damaligen Deutschen Reich gewählt worden sei, weil ein nicht genannter Militärforscher in der Zeit des ersten Weltkriegs herausgefunden haben wollte, dass 440 Hz als eine besonders schädliche Frequenz anzusehen sei, die gegnerische Truppen demoralisieren könne. Angeblich sollte diese Frequenz Massenpanik, Angst und Hysterie auslösen, weshalb auch später (1939) Goebbels auf die Entdeckung zurückgriffen habe. Auch Lyndon LaRouche behauptete in der Zeitschrift Executive Intelligence Review im Jahre 1988[1], dass Goebbels persönlich auf einer Konferenz in London den Standard A=440Hz durchsetzte, um der Menschheit emotional mit der 440-Hz-Einstimmung zu schaden.

Tatsächlich geht die Einführung aber auf eine internationale Konferenz zurück; das Deutsche Reich war damals Mitglied der I.S.A. Ein Igor Kelemen will auch ein Gerät konstruiert haben, welches 440 Hz eingestimmte Musik automatisch in 432 Hz eingestimmte Musik transponieren könne.

Zur Begründung von angeblich schädlicher 440 Hz-eingestimmter Musik beruft man sich auch auf eine "Tabelle über Planetentöne" aus dem Buch „Die Kosmische Oktave“ des Astrologen Hans Cousto (siehe Phonophorese).

Verschiedene Esoterikkonzepte und die Anthroposophie beziehen sich auf eine 432-Hz-eingestimmte Musik. Manchmal bezieht man sich dabei auf einen Anfangston von 1 Hz (C6), der bei Verdoppelung zu ganzzahligen Zweier-Potenzen führt, die dann als vorteilhaft angesehen werden. Dabei wird aber nicht beachtet, dass die zu Grunde gelegte Sekunde sich von der Dauer eines ganzen Tages ableitet. Rudolf Steiner, Begründer der Anthroposophie, schrieb dazu: "Die Schwingung c = 128 Hz hat, subjektiv gesprochen, beim Anhören etwas wie eine Wärmehülle um sich." Er warnte vor einer höheren Stimmung über 440 Hz, wie sie heutzutage in der Klassik und allgemein üblich ist (440 bis 446 Hz). Er war davon überzeugt, dass sie eine Entwicklung zu unsozialem Verhalten begünstigt und unsere Weiterentwicklung hemmt. Steiner empfahl den Kammerton mit der Frequenz 432 Hz wiederholt mündlich.[2]

Es werden aber auch ganz andere, unterschiedliche Begründungen gegeben. Einmal bezieht man sich auf eine "Schumannfrequenz der Erde" von 8 Hz, wobei aber außer Acht gelassen wird, dass es sich dabei um elektromagnetische Vorgänge handelt, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten und nicht um Schallwellen. Des Weiteren ist die genannte "Schumann-Frequenz" nicht 8 Hz, sondern ein Spektrum um die Mittenfrequenz 7,83 Hz. Andere Konzepte nennen hypothetische "DNA-Schwingungen", Alphawellen im EEG (in Wirklichkeit jedoch keine feste Frequenz, sondern ein Spektrum), Frequenzen des menschlichen Herzens, einen hypothetischen "Herzschlag von Planeten" und so weiter. Andere Begründungen beziehen sich beispielsweise auf einen "Atomphysiker Robert Beck", der herausgefunden haben wollte, dass "Heiler" ein Gehirnwellenmuster von 8 Hz hätten (432 Hz wird dann von 8 Hz abgeleitet). Beck ist Erfinder von pseudomedizinischen Geräten. Auch wird mitunter ein "Institute of Heartmath" in den USA genannt. Dieses habe angeblich festgestellt, dass das Herz im "Zustand der Liebe" auf 8 Hz "schwingen" soll, einer Frequenz weit außerhalb des physiologischen Bereichs. Erfinder von HeartMath ist der Musiker und Hobbypsychologe Doc Childre, der 1991 im kalifornischen Boulder Creek die Firma Institute of HeartMath gründete und auch Inhaber der Firma Quantum Intech Inc. ist.

Völlig anders sind die aus der Betrugsmethode Global Scaling (Hartmut Müller) abgeleiteten Empfehlungen zum Kammerton A. Von Hartmut Müllers Institut wurde kostenpflichtig ein Computerprogramm zum Global Scaling Sound Generator angeboten. Dieses sollte das Komponieren von Musik "auf 453 Hz Basis" möglich machen, weil dies eine Einstimmung auf eine angebliche "Protonenresonanz-Frequenz 453 Hertz" möglich mache. Diese "Protonenresonanz-Frequenz 453 Hertz" und ihre angeblichen Vorteile wurden jedoch nicht nie nachvollziebar begründet oder nachgewiesen.

Die Realität

In den letzten 400 Jahren schwankten die Vorlieben für den Kammerton A zwischen 380 und 500 Hertz.[3] Die meisten europäischen Orchester spielen mit dem Stimmton a'=442 Hz oder 443 Hz. In deutschen und österreichischen Sinfonieorchestern ist eine Einstimmung auf a1 = 443 Hz und in der Schweiz auf a1 = 442 Hz üblich, nicht auf 440 Hz. Die 8 Hz Unterschied bedeuten etwa einen 1/7 Halbton Höhenunterschied. Erst recht gab es zuvor nie eine Festlegung auf eine Frequenz von 432 Hz.[4][5] In vielen anderen Ländern ist der Standard-Kammerton oder Normalstimmton auf a1 = 440 Hertz (Hz) festgelegt.

Der Kammerton 440 Hz wurde 1834 von Johann Heinrich Scheibler, einem Musikwissenschaftler und -instrumentenerfinder vorgeschlagen. Seine Stimmmethode fand Anerkennung, setzte sich aber vorerst nicht gegen die Pariser Stimmung von 435 Hz durch. Die Festlegung auf 440 Hz erfolgte 1939 auf der internationalen Stimmtonkonferenz der International Federation of the National Standardizing Associations in London. Im Oktober 1953 wurde dann diese Frequenz zur ISO-Norm (ISO = International Organization for Standardization mit Sitz in Genf, 166 Mitgliedsländer). In Deutschland folgte das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN) dieser Regelung und erstellte die (nicht verbindliche) DIN 1317-1 für die Norm-Stimmtonhöhe allgemein, -2 der Stimmgabel und -3 der Orgel. Die Norm ist jedoch nur eine Empfehlung an die Mitglieder des DIN, die Entscheidung zu ihrer Anwendung bleibt jedem selbst überlassen. Der Europarat bestätigte diese Norm am 30. Juni 1971.

Kampagnen für 432 Hz

In der Vergangenheit gab es Kampagnen für eine Einführung eines Kammerton a1 von 432. Zu nennen sind:

  • Avaaz-Petition "Retet den Kammerton[6]
  • Gründung des 432 Orchesters unter der Leitung von Ivan Yanakiev (zwölf Streicher)
  • 432 Hz-Kongress in Kirchzarten bei Freiburg

Weblinks

Quellennachweise

  1. Titel „Wie die Nazis die Musik ruinierten"
  2. siehe Maria Renold:“Von Intervallen, Tonleitern, Tönen“
  3. Bruce Haynes: History of Performing Pitch: The Story of "A"
  4. https://de.wikipedia.org/wiki/Kammerton
  5. https://en.wikipedia.org/wiki/A440_%28pitch_standard%29
  6. Avaaz-Petition: https://secure.avaaz.org/ de/petition/Rettet_den_Kammerton/?copy