IgG-Lebensmittel-Allergietest: Unterschied zwischen den Versionen

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Bei einigen Anbietern von derartigen Tests wird ein Zusammenhang von möglichen Lebensmittelallergien und dem Übergewicht postuliert. Ein IgG-Nahrungsmitteltest wird in einer Schweizer Zeitschrift mit folgenden Worten beworben: ''Erschöpft durch Eier oder Milch? Krank durch Äpfel, Käse oder Brot? Dick durch Salat und Gurken?''
 
Bei einigen Anbietern von derartigen Tests wird ein Zusammenhang von möglichen Lebensmittelallergien und dem Übergewicht postuliert. Ein IgG-Nahrungsmitteltest wird in einer Schweizer Zeitschrift mit folgenden Worten beworben: ''Erschöpft durch Eier oder Milch? Krank durch Äpfel, Käse oder Brot? Dick durch Salat und Gurken?''
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==Siehe auch==
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*[[Kiweno Test]]
  
 
==Literatur==
 
==Literatur==

Aktuelle Version vom 5. September 2016, 12:35 Uhr

IgG-Lebensmittel-Allergietests sind umstrittene Testverfahren zur Erkennung von Lebensmittelallergien oder Lebensmittelunverträglichkeiten auf Basis eines ELISA-Bluttests (enzyme-linked immunosorbent assay). Ein Nutzen als Allergie-Check ist nicht zu erwarten, da für Allergien ein anderer Typ, nämlich Immunglobuline der Klasse E (IgE) verantwortlich sind. Aus wissenschaftlichen Studien ergeben sich keine Hinweise auf einen Nutzen, da eine hohe Konzentration an IgG nicht mit Allergiesymptomen einhergeht. Ein auffälliger Befund kann Untersuchte unnötig beunruhigen. Meidet ein Patient aufgrund eines auffälligen Immunglobulin-G-Tests bestimmte Nahrungsmittel, kann durch Nahrungsrestriktion und Angstgefühle die Lebensqualität eines Betroffenen erheblich leiden und im Extremfall sogar zu einer Mangelernährung führen. Ein Test auf Immunglobulin G als Allergie-Check ist eine so genannte individuelle Gesundheitsleistung, d.h. die Kosten werden von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen.

Das Verfahren

Das Patientenblut wird dabei auf das Vorhandensein von Antikörpern der Klasse Immunglobulin G (IgG) oder IgG4 getestet. Derartige IgG-Tests können nach Expertenmeinung - im Gegensatz zu IgE-Tests - weder Allergien noch Lebensmittelunverträglichkeiten feststellen und die Ergebnisse sollten daher nicht zu Ernährungsempfehlungen herangezogen werden.[1] Eine Validierung zur Erkennung einer Allergie durch derartige Test liegt bislang nicht vor.[2] Auch zeigte sich im Experiment, dass erhobene Befunde nur wenig reproduzierbar waren.[3]

Üblicherweise ergeben derartige Tests stets eine angebliche Lebensmittelallergie und mit dem Testergebnis erhält der Kunde eine mehr oder weniger lange Liste mit zu meidenden Lebensmitteln. Eine individuelle Beratung erfolgt in der Regel nicht.[4]

Da jedoch bei jeglicher Nahrungsaufnahme der menschliche Körper Antikörper gegen Nahrungsbestandteile entwickelt,[5] hat das alleinige Vorhandensein von IgG-Immunglobulinen gegen Lebensmittel keinen Krankheitswert, sondern zeigt eine völlig normale Reaktionslage an. Jemand, der viel Milch trinkt, wird also ganz natürlich auch viele spezifische IgG-Antikörper gegen Milch im Blut haben und ein IgG-Test fällt positiv aus, obwohl keine Allergie auf Milcheiweiß vorliegt.[6]

Da die Bedeutung von IgG gegen Nahrungsmittel nicht geklärt ist und diese auch bei Gesunden beobachtet werden, ist der Ausschluss einer großen Palette an Nahrungsmitteln eher ein Gesundheitsrisiko als gesundheitsförderlich. Es droht eine einseitige Ernährung oder Mangelernährung.

Die Kosten liegen dabei bei zwischen 80-800 Euro, meist etwa 300 Euro. Gelegentlich wird Kunden der Test zu einer individuellen Immun-Diät geraten, die sich aus den Tests ableitet und kostenpflichtig bestimmt wird. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten nicht. Das Verwaltungsgericht Lüneburg urteilte 2004, dass die IgG-Bestimmung im Gegensatz zur IgE-Bestimmung keine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode zur Austestung einer Lebensmittelallergie ist.[7]

Stellungnahmen zu diesen Testverfahren

Der Ärzteverband Deutscher Allergologen (ÄDA), die Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) und der Deutsche Allergie- und Asthmabund meinen, dass sich bei IgG-Tests im Gegensatz zur Untersuchung von spezifischen IgE-Antikörpern keine Allergieauslöser nachweisen ließen.[8] Im Mai 2009 veröffentlichten fünf große deutschsprachige Allergiegesellschaften eine gemeinsame Leitlinie, die sich strikt gegen die sinnlosen IgG-Bestimmungen richtet.[9] Anerkannte Verfahren zur Erkennung von Nahrungsmittelallergien werden in den aktuellen Leitlinien der DGAKI aufgelistet.

Andere untaugliche Diagnoseverfahren zur Diagnostik von Nahrungsmittelallergien sind Zytotoxizitätstests, Kinesiologie, Bioresonanz- und andere elektrische Verfahren wie beispielsweise Elektroakupunktur[10]

Behauptungen und Ansichten von Herstellern und Anbietern

Anbieter behaupten, dass Nahrungsbestandteile neben geschädigten Darmzellen quasi hindurchschlüpfen und so eine Immunreaktion auslösen können (Leaky-Gut Syndrom). Allerdings wird Eiweiß (als mögliches Allergen) im Magen und im Darm in einzelne Aminosäuren abgebaut, die nicht allergen wirken. Hersteller geben einerseits zu, dass auch nicht-allergen wirkende Lebensmittel zur Bildung spezifischer Antikörper führen, sind jedoch der Meinung, dass bei bestimmten Allergien die entsprechenden IgG-Titer erhöht seien und sich der Nachweis daher diagnostisch eigne. In der Regel kann der Titer jedoch nicht durch den Test alleine bestimmt werden.

Werbeaussagen von Anbietern

Laut Anleitung der Hersteller sollte ein IgG-Test dann durchgeführt, wenn bestimmte Nahrungsmittel nicht gut vertragen werden, Müdigkeit nach Mahlzeiten auftrete, Blähungen, Bauchschmerzen, Völlegefühl, Juckreiz, Hautausschläge, Akne, Übergewicht oder ein Reizdarmsyndrom usw. vorlägen.

Bei einigen Anbietern von derartigen Tests wird ein Zusammenhang von möglichen Lebensmittelallergien und dem Übergewicht postuliert. Ein IgG-Nahrungsmitteltest wird in einer Schweizer Zeitschrift mit folgenden Worten beworben: Erschöpft durch Eier oder Milch? Krank durch Äpfel, Käse oder Brot? Dick durch Salat und Gurken?

Siehe auch

Literatur

  • Kleine-Tebbe, Jörg; Lepp, Ute; Niggemann, Bodo; Werfel, Thomas: Nahrungsmittelallergie und - unverträglichkeit: Bewährte statt nicht evaluierte Diagnostik Dtsch Arztebl 2005; 102 (27) A 1965–1969,
  • Stapel SO, Asero R, Ballmer-Weber BK, Knol EF, Strobel S, Vieths S, Kleine-Tebbe J. Testing for IgG4 against foods is not recommended as a diagnostic tool: EAACI Task Force Report. Allergy. 2008 Jul;63(7):793-6. 16. Mai 2008.
  • Teuber SS, Beyer K.: IgG to foods: a test not ready for prime time. Curr Opin Allergy Clin Immunol. 2007 Jun;7(3):257-8.
  • Jenkins M, Vickers A. Unreliability of IgE/IgG4 antibody testing as a diagnostic tool in food intolerance. Clin Exp Allergy. 1998 Dec;28(12):1526-9.
  • Moneret-Vautrin DA, Kanny G, Frémont S. Laboratory tests for diagnosis of food allergy: advantages, disadvantages and future perspectives. Eur Ann Allergy Clin Immunol. 2003 Apr;35(4):113-9.

Literatur

Weblinks

Anbieter-Weblinks

Quellennachweise

  1. Allergologenverbände warnen vor unseriösem Test auf IgG Verband der Allergologen Brandenburgs
  2. Stapel SO, Asero R, Ballmer-Weber BK, Knol EF, Strobel S, Vieths S, Kleine-Tebbe J. Testing for IgG4 against foods is not recommended as a diagnostic tool: EAACI Task Force Report. Allergy. 2008 Jul;63(7):793-6. Epub 2008 May 16.
  3. Jenkins M, Vickers A. Unreliability of IgE/IgG4 antibody testing as a diagnostic tool in food intolerance. Clin Exp Allergy. 1998 Dec;28(12):1526-9.
  4. Zitiert nach: Sonja Lämmel vom Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB). In: RP-Online vom 6. Dezember 2004: Lebensmittelallergie: Mediziner warnen vor Tests"
  5. Stapel SO, Asero R, Ballmer-Weber BK, Knol EF, Strobel S, Vieths S, Kleine-Tebbe J. Testing for IgG4 against foods is not recommended as a diagnostic tool: EAACI Task Force Report. Allergy. 2008 Jul;63(7):793-6. Epub 2008 May 16.
  6. Zitiert nach: Professor Thomas Werfel / Hautklinik der Medizinischen Hochschule Hannover in RP-Online vom 6. Dezember 2004: Lebensmittelallergie: Mediziner warnen vor Tests
  7. VG Lüneburg, AZ: 1 A 219/02, Urteil vom 26. Mai 2004
  8. http://www.rp-online.de/public/article/wissen/gesundheit/71118/Lebensmittelallergie-Mediziner-warnen-vor-Tests.html
  9. Allergo Journal, Bd.18, S. 267
  10. http://www.aerzteblatt.de/archiv/47571