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===Nebenwirkungen bei Niedrigpotenzen===
 
===Nebenwirkungen bei Niedrigpotenzen===
 
[[image:Notakehl.jpg|Notakehl D3-Zäpfchen|320px|thumb]]
 
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Glaubt man Befürwortern der Homöopathie, so ist deren Anwendung stets nebenwirkungsfrei. Im Hinblick auf die so genannten ''Hochpotenzen'' mag dies plausibel erscheinen. In der Fachliteratur finden sich aber Berichte über Nebenwirkungen aufgrund zu schwach verdünnter Homöopathika, obwohl eine Zulassung als homöopathisches Medikament vorlag.
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Glaubt man Befürwortern der Homöopathie, so ist deren Anwendung stets nebenwirkungsfrei. Im Hinblick auf die so genannten ''Hochpotenzen'' mag dies plausibel erscheinen. In der Fachliteratur finden sich allerdings Berichte über Nebenwirkungen aufgrund zu schwach verdünnter Homöopathika, obwohl eine Zulassung als homöopathisches Medikament vorlag. Die "Zeitschrift für Klassische Homoeopathie" berichtete 2002 über den Fall einer 32-jährigen Patientin, die nach etwa zweiwöchiger Einnahme eines arsenhaltigen homöopathischen Mittels (Ars 6X) an einer Arsenvergiftung verstarb.<ref>Reiter C., Abermann C., "Unkontrollierte Niedrigpotenzeinnahme mit letalem Ausgang", Zeitschrift für Klassische Homoeopathie, 46 1/2002, S. 18-28 </ref>
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Die "Zeitschrift für Klassische Homoeopathie" berichtet 2002 über den Fall einer 32-jährigen Patientin, die nach etwa zweiwöchiger Einnahme eines arsenhaltigen homöopathischen Mittels (Ars 6X) an einer Arsenvergiftung verstarb.<ref>Reiter C., Abermann C., "Unkontrollierte Niedrigpotenzeinnahme mit letalem Ausgang", Zeitschrift für Klassische Homoeopathie, 46 1/2002, S. 18-28 </ref>
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Wissenschaftler um Paul Posadzki von der Abteilung für Komplementärmedizin der Peninsula Medical School in Exeter (Großbritannien) veröffentlichten 2012 eine auf der Auswertung wissenschaftlicher Daenbanken basierende Übersichtsstudie zu Nebenwirkungen der Homöopathie <ref>The International Journal of Clinical Practise, Bd. 66, S. 1178, 2012</ref>. Die Daten stammten von 1159 Patienten, die zwischen 1978 und 2010 in 17 Ländern (darunter auch Deutschland) negative Erfahrungen mit der Homöopathie gemacht hatten. Die Mehrzahl der teils starken Nebenwirkungen waren allergische Reaktionen und Vergiftungen, meist aufgrund zu schwach verdünnter Ausgangsstoffe. Als solche dienen in der Homöopathie auch giftige Schwermetalle wie Arsen, Kadmium oder Quecksilber sowie andere toxische Substanzen wie Kerosin. "Homöopathie hat das Potenzial, Patienten und Konsumenten direkt und indirekt zu schaden", resümierten die Forscher um Posadzki. Die Forscher betonen auch, dass konventionelle Medikamente selbstverständlich viel häufiger Nebenwirkungen zeigen. Man müsse aber auf das Risiko-Nutzen-Verhältnis schauen - und das sehe bei einer unwirksamen Methode wie der Homöopathie schlecht aus.
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Wissenschaftler um Paul Posadzki von der Abteilung für Komplementärmedizin der Peninsula Medical School in Exeter (Großbritannien) veröffentlichten 2012 eine Studie über gesammelte Daten aus wissenschaftlichen Datenbanken zu Nebenwirkungen der Homöopathie.<ref>The International Journal of Clinical Practise, Bd. 66, S. 1178, 2012</ref>. Die Daten stammten von 1159 Patienten, die zwischen 1978 und 2010 in 17 Ländern (darunter auch Deutschland) schlechte Erfahrungen mit der Homöopathie gemacht hatten. Die Mehrzahl der teils starken Nebenwirkungen waren allergische Reaktionen und Vergiftungen - die in der Regel bei lediglich geringfügig verdünnten Ausgangsstoffen auftraten. Dazu zählen in der Homöopathie auch giftige Schwermetalle wie Arsen, Kadmium oder Quecksilber sowie andere toxische Substanzen wie eben Kerosin. "Homöopathie hat das Potenzial, Patienten und Konsumenten direkt und indirekt zu schaden", resümierten die Forscher um Posadzki. Die Forscher betonen jedoch auch, dass konventionelle Medikamente selbstverständlich viel häufiger Nebenwirkungen zeigen. Man müsse aber auf das Risiko-Nutzen-Verhältnis schauen - und das sehe bei einer unwirksamen Methode wie der Homöopathie schlecht aus.
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Als Beispiel für niedrig potenzierte und nebenwirkungsträchtige Mittel kann ein Mittel gegen Bluthochdruck namens „Homviotensin“&nbsp;&reg; genannt werden, das als ''nebenwirkungsfrei'' vermarktet wird, aber einige Phytotherapeutika in ausreichender Konzentration enthält, um pharmakologische Wirkungen zu entfalten. Zitat der Bewerbung: ''Eine Tablette Homviotensin zu 320&nbsp;mg enthält, arzneilich wirksame Bestandteile Reserpinum Trit.&nbsp;D3 32,0&nbsp;mg (HAB1, Vorschrift&nbsp;6); Rauwolfia Trit.&nbsp;D3 32,0&nbsp;mg; Viscum album Trit.&nbsp;D2 32,0&nbsp;mg; Crataegus Trit.&nbsp;D2 64,0&nbsp;mg. Die sonstigen Bestandteile sind Lactose und Magnesiumstearat [...]'' Das Mittel enthält also herzwirksame Substanzen in erheblicher Konzentration. Als Nebenwirkungen werden zusätzlich ''verstopfte Nase und depressive Verstimmung'' genannt. Die meisten homöopathischen [[Komplexmittelhomöopathie|Komplexmittel]] funktionieren nicht homöopathisch, sondern haben eindeutig pharmakologische Wirkungen. Dies wird durch den Einsatz von ''Niedrigpotenzen'' der eingesetzten Urtinkturen erreicht. Damit lassen sich sogar kleinere Studien mit nachgewiesener Wirksamkeit durchführen, die aber dann nicht mehr auf dem Prinzip der Homöopathie basieren, sondern lediglich reproduzierbare Beobachtungen der Pharmakodynamik zeigen. Diese Komplexmittel sind für bestimmte Indikationen zugelassen. Allgemein kann als Faustregel davon ausgegangen werden, dass bei niedrigen Potenzstufen (''kritische Potenz'' im allgemeinen bis etwa&nbsp;D6) eine reguläre unerwünschte Arzneimittelwirkung auftreten kann, weil im Mittel noch nennenswerte Stoffmengen mit dem gesamten Wirkungsspektrum enthalten sind. So können z.B. durch die Anwendung von Mercurius (Quecksilber), Arsenicum (Arsen) oder Nux vomica (Brechnuss), einer Pflanze, die Strychnin-Alkaloide enthält, Vergiftungen hervorgerufen werden. Die kritische Potenz ist abhängig vom Tablettengewicht sowie dem Molekulargewicht der Wirksubstanz und ihrer relativen Wirksamkeit. Als Beispiel soll die kritische Potenz für das Diphtherie-Toxin berechnet werden: das Toxin hat ein Molekulargewicht von 61&nbsp;kDa. Ein einziges Molekül vermag eine Zelle zu töten. Die Tablette möge 10&nbsp;mg wiegen, was etwa einem Kügelchen mit dem Radius 1&nbsp;mm entspricht. 10&nbsp;mg entsprechen 1,6*10^-7&nbsp;Mol bzw. 1*10^17&nbsp;Moleküle Bei einer Potenz von&nbsp;D16, enthält eine 10&nbsp;mg Tablette noch 10&nbsp;Moleküle, bzw. 10&nbsp;potenziell tote Zellen, was eindeutig noch zu unerwünschten Nebenwirkungen führen würde.
 
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Als Beispiel für niedrig potenzierte und nebenwirkungsträchtige Mittel kann hier ein Mittel gegen Bluthochdruck namens „Homviotensin“&nbsp;&reg; genannt werden, das als ''nebenwirkungsfrei'' vermarktet wird, aber einige Phytotherapeutika in ausreichender Konzentration enthält, um pharmakologische Wirkungen zu entfalten. Zitat Bewerbung: ''Eine Tablette Homviotensin zu 320&nbsp;mg enthält, arzneilich wirksame Bestandteile Reserpinum Trit.&nbsp;D3 32,0&nbsp;mg (HAB1, Vorschrift&nbsp;6); Rauwolfia Trit.&nbsp;D3 32,0&nbsp;mg; Viscum album Trit.&nbsp;D2 32,0&nbsp;mg; Crataegus Trit.&nbsp;D2 64,0&nbsp;mg. Die sonstigen Bestandteile sind Lactose und Magnesiumstearat [...]'' Hier sind also herzwirksame Substanzen in erheblicher Konzentration zu finden. Als Nebenwirkungen werden zusätzlich ''verstopfte Nase und depressive Verstimmung'' genannt. Die meisten homöopathischen [[Komplexmittelhomöopathie|Komplexmittel]] funktionieren nicht homöopathisch, sondern haben eindeutig pharmakologische Wirkungen. Dies wird durch den Einsatz von ''Niedrigpotenzen'' der eingesetzten Urtinkturen erreicht. Damit lassen sich sogar kleinere Studien mit nachgewiesener Wirksamkeit durchführen, die aber dann nicht mehr auf dem Prinzip der Homöopathie basieren, sondern lediglich reproduzierbare Beobachtungen der Pharmakodynamik zeigen. Diese Komplexmittel sind für bestimmte Indikationen zugelassen. Allgemein kann als Faustregel davon ausgegangen werden, dass bei niedrigen Potenzstufen (''kritische Potenz'' im allgemeinen bis etwa&nbsp;D6) eine reguläre unerwünschte Arzneimittelwirkung auftreten kann, weil im Mittel noch nennenswerte Stoffmengen mit dem gesamten Wirkungsspektrum enthalten sind. So können z.B. durch die Anwendung von Mercurius (Quecksilber), Arsenicum (Arsen) oder Nux vomica (Brechnuss), einer Pflanze die Strychnin-Alkaloide enthält, Vergiftungen hervorgerufen werden. Die kritische Potenz ist abhängig vom Tablettengewicht sowie dem Molekulargewicht der Wirksubstanz und ihrer relativen Wirksamkeit. Als Beispiel soll die kritische Potenz für das Diphtherie-Toxin berechnet werden: das Toxin hat ein Molekulargewicht von 61&nbsp;kDa. Ein einziges Molekül vermag eine Zelle zu töten. Die Tablette möge 10&nbsp;mg wiegen, was etwa einem Kügelchen mit dem Radius 1&nbsp;mm entspricht. 10&nbsp;mg entsprechen 1,6*10^-7&nbsp;Mol bzw. 1*10^17&nbsp;Moleküle Bei einer Potenz von&nbsp;D16, enthält eine 10&nbsp;mg Tablette noch 10&nbsp;Moleküle, bzw. 10&nbsp;potenziell tote Zellen, was eindeutig noch zu unerwünschten Nebenwirkungen führen würde.
      
Das Berliner Arznei-Telegramm (at) berichtet in seiner Ausgabe 04/12<ref>http://www.arznei-telegramm.de/html/sonder/1204039_03.html</ref> über vier schwerwiegende allergische Reaktionen auf Schimmelpilze im homöopathisch potenzierten Mitteln, darunter Nierenversagen aufgrund interstitieller Nephritis nach Anwendung von Notakehl der Firma Sanum-Kehlbeck (siehe dazu: [[Sanum-Therapie]] und Artikel zu [[Günther Enderlein]]). Das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) berichtet in seinem Pharmakovigilanznachricht vom 8.&nbsp;März 2012 (Abwehr von Gefahren durch Arzneimittel, Stufe&nbsp;II - hier: Penicillium chrysogenum und sonstige Schimmel- und Hefepilz enthaltenden Arzneimittel bis zu einer Potenz von D8<ref>http://www.bfarm.de/SharedDocs/1_Downloads/DE/Pharmakovigilanz/stufenplverf/penicilliumhaltige-am-anhoerung.pdf;jsessionid=753AD580FC30B04434612C7B49A0B675.1_cid103?__blob=publicationFile</ref>) über zwei Fälle in ihrer UAW-Datenbank, bei denen es nach Einnahme des Präparats Notakehl zu einer interstitiellen Nephritis kam, einer mitunter auch allergisch bedingten Nierenentzündung. Das BfArM beruft sich dabei auf Fallberichte aus der DMW.<ref>G. Türkoglu-Raach et al: DMW (2010) 135 (24): S. 1224-1227)</ref> Das Bundesinstitut soll demnach vorhaben, die Registrierung einiger homöopathischer Arzneimittel zu widerrufen, die Schimmel- und Hefepilzextrakte in niedrigen Potenzen (bis D8) enthalten. Genannte werden Präparate mit Candida albicans, Candida parapsilosis, Aspergillus niger, Mucor mucedo, Mucor racemosus, Penicillium chrysogenum, Penicillium glabrum und Penicillium roquefortii. Da dem BfArM bei homöopathischen Präparaten auf Schimmel- und Hefepilzbasis häufig keine Angaben zum DEV vorliegen, ist die Festlegung einer sicheren Grenzpotenz schwierig. In der jetzt vom BfArM als Obergrenze gewählten Potenz&nbsp;D8 liegt die Urtinktur in einer Verdünnung von 1:100.000.000 vor.<ref>http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=41359</ref>
 
Das Berliner Arznei-Telegramm (at) berichtet in seiner Ausgabe 04/12<ref>http://www.arznei-telegramm.de/html/sonder/1204039_03.html</ref> über vier schwerwiegende allergische Reaktionen auf Schimmelpilze im homöopathisch potenzierten Mitteln, darunter Nierenversagen aufgrund interstitieller Nephritis nach Anwendung von Notakehl der Firma Sanum-Kehlbeck (siehe dazu: [[Sanum-Therapie]] und Artikel zu [[Günther Enderlein]]). Das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) berichtet in seinem Pharmakovigilanznachricht vom 8.&nbsp;März 2012 (Abwehr von Gefahren durch Arzneimittel, Stufe&nbsp;II - hier: Penicillium chrysogenum und sonstige Schimmel- und Hefepilz enthaltenden Arzneimittel bis zu einer Potenz von D8<ref>http://www.bfarm.de/SharedDocs/1_Downloads/DE/Pharmakovigilanz/stufenplverf/penicilliumhaltige-am-anhoerung.pdf;jsessionid=753AD580FC30B04434612C7B49A0B675.1_cid103?__blob=publicationFile</ref>) über zwei Fälle in ihrer UAW-Datenbank, bei denen es nach Einnahme des Präparats Notakehl zu einer interstitiellen Nephritis kam, einer mitunter auch allergisch bedingten Nierenentzündung. Das BfArM beruft sich dabei auf Fallberichte aus der DMW.<ref>G. Türkoglu-Raach et al: DMW (2010) 135 (24): S. 1224-1227)</ref> Das Bundesinstitut soll demnach vorhaben, die Registrierung einiger homöopathischer Arzneimittel zu widerrufen, die Schimmel- und Hefepilzextrakte in niedrigen Potenzen (bis D8) enthalten. Genannte werden Präparate mit Candida albicans, Candida parapsilosis, Aspergillus niger, Mucor mucedo, Mucor racemosus, Penicillium chrysogenum, Penicillium glabrum und Penicillium roquefortii. Da dem BfArM bei homöopathischen Präparaten auf Schimmel- und Hefepilzbasis häufig keine Angaben zum DEV vorliegen, ist die Festlegung einer sicheren Grenzpotenz schwierig. In der jetzt vom BfArM als Obergrenze gewählten Potenz&nbsp;D8 liegt die Urtinktur in einer Verdünnung von 1:100.000.000 vor.<ref>http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=41359</ref>
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