Hilgers Systems Medicine

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HSM-Erfinder Arnold Hilgers (Bild: Fliege.de)
Mitstreiter Christian De Bruijn

Hilgers Systems Medicine (HSM) ist eine Krankheitslehre des in Belgien lebenden deutschen Arztes Arnold Hilgers, die dieser Mitte der 1980er Jahre erfand. Die Hilgers Systems Medicine fand keine wissenschaftliche Rezeption. Völlig unkritische Beachtung fand sie hingegen in einer Zeitschrift des ehemaligen ARD-Pfarrers Jürgen Fliege.[1] Auch ist unklar, wer außer Hilgers die Methode überhaupt anwendet, da eine HSM-Therapeutenliste nur über einen Email-Kontakt zugesandt wird. Als ein möglicher Anwender wird in Internetforen der Düsseldorfer Arzt Rainer Ihle genannt. In Internetforen berichten Patienten von hohen Kosten der Behandlung und erforderlichen – und teilweise im Ausland durchzuführenden – Laboruntersuchungen.

Allgemeines

Die von Arnold Hilgers entwickelte Krankheitslehre der "Hilgers System Medicine" weist dem Immunsystem sowie Umweltgiften eine entscheidende Bedeutung für eine Vielzahl an Erkrankungen zu, nach Hilgers von "A wie ADHS bis Z wie Zoster-Infektion". Kern der Lehre ist, "daß die meisten Erkrankungen durch Erreger verursacht werden". Dabei bezieht Hilgers diese Idee auch auf chronische Erkrankungen wie CFS (Chronisches Erschöpfungssyndrom), MS (Multiple Sklerose) und Krebs.

Die zur HSM aufgestellten Behauptungen stellen eine eigene Krankheitslehre dar, die in Teilen mit der wissenschaftlichen Medizin unvereinbar ist oder sich lediglich auf in der Medizin diskutierte Hypothesen und ausgesuchte Literatur berufen kann. Nach Hilgers sei seine "wahrhaft revolutionäre" HSM-Methode rein naturwissenschaftlich bzw. molekularmedizinischer Natur. Sie sei trotz Anfeindungen und "Verboten, Undank, Marginalisierung, Unverständnis und Ausgrenzung" in der Lage, "selbst solche Krankheiten zu behandeln, gegen die bisher kein Kraut gewachsen schien". Zum Nachweis der gemeinten Anfeindungen präsentiert Hilgers auf seinen Webseiten seinen Schriftverkehr mit Ärztekammer, Sozialgerichten und Versicherungen. Um auf seine Methode aufmerksam zu machen, betreibt Hilgers mehrere Internetseiten und ruft auch Patienten dazu auf, Patientenberichte einzuschicken, die anonym veröffentlicht werden sollen. Danksagungen und Patientenlob sind jedoch auf Grund der Bestimmungen des deutschen Heilmittelwerbegesetzes in Deutschland ungesetzlich.

Analogien existieren zur Zellularmedizin von Matthias Rath und zur orthomolekularen Medizin. Eine ähnliche Methode stammt vom belgischen Arzt Kenneth "Kenny" De Meirleir. Ein Mitstreiter von Hilgers ist der Niederländer Christian de Bruijn (Christianus De Bruijn), der mit Hilgers dessen EURIMM-Institut (der Firma Sanoplan untergeordnet) leitet. De Bruijn war auch Gutachter der umstrittenen Nanopartikelanalyse der Firma Indago.[2][3] Weitere Lobbyorganisationen zur Hilgers-Lehre sind ein offenbar mittlerweile geschlossenes MedPlus Institute (MedPlus-clinic / MedPlus Labs GmbH), sowie das 2010 gegründete Arnold Hilgers Institute (AHI) in Heidelberg. Inwieweit das AHI mehr darstellt als eine von Hilgers betriebene Internetseite, ist nicht ersichtlich.

Durch die Schreibweise HSM® suggerieren Hilbers und die Brüsseler Firma Sanoplan, die HSM-Produkte verkauft, dass HSM eine geschützte Marke sei. Eine Marke HSM im Zusammenhang mit Hilbers' Erfindung exitiert aber nicht. Es gibt jedoch seit 2008 die Wortmarke HSM – vom Gen zum Menschen, die im Besitz der ebenfalls belgischen Firma Advanced Health Solutions N.V. ist. Über diese Firma in Overijse bei Brüssel ist wenig in Erfahrung zu bringen; andere Markenrechte als an HSM – vom Gen zum Menschen besitzt sie offenbar nicht.

Behauptete Indikationen und Anwendungsbereiche

Die jeweiligen Behauptungen zu Immunsystem-bezogenen und durch Gifte entstandenen Erkrankungen reichen nach Hilgers von "A wie ADHS bis Z wie Zoster-Infektion". Das Spektrum der Erkrankungen ist weit gefächert und umfasst auch Erkrankungen völlig unterschiedlicher Art, die durch ein und dieselbe Methode der HSM beeinflussbar sei. Dies ist ein typisches Merkmal für "Allheilmethoden" und Bestandteil der Zehn Indizien für Quacksalberei des pharmakritischen Berliner Arznei-Telegramms. Insbesondere nennt Hilgers folgende Krankheiten und Zustände, die durch seine Methode positiv beeinflussbar seien:

Autoimmunerkrankungen, SLE, Rheuma, Multiple Sklerose, Alzheimer, Parkinson, Herz- u. Gefäßerkrankungen, Polyneuropathie, Schmerzsyndrome, Depressionen (teilweise), Psychosen (mind. 45%), Burn-out, Allergien, Infertilität, Aneurysma, Asthma, Angst, Arterienverkalkung, Arthritis, Atemwegserkrankungen (chron.), Basedow, Borreliose (chron.), CFS und CFIDS, Colitis ulcerosa, Demenz, EBV-Infektion (chron.), Embolien, Fibromyalgie, Gefäßerkrankungen (chron.), Hashimoto, Herzerkrankungen (chron.), hyperkinetisches Syndrom, Hypertonie, Kardiomyopathie, Lebererkrankungen, Morbus Crohn, Migräne, Myokarditis, Narkolepsie, Nervenerkrankungen (chron.), Panikattacken, PMS, Polyneuropathie, rheumatische Arthritis, Sarkoidose, Thrombosen, Tinnitus, Tuberkulose (therapieresistent), Tumore (komplementäre Behandlung), Zoster-Infektion (rezidiv) und ADHS.[4]

Bei Krebs lägen im Sinne einer "molekularen Onkologie" "die gleichen Symptome und Immunstörungen wie bei CFS" vor, weshalb auch bei Krebs eine individuelle HSM-Immuntherapie zusammen mit einer herkömmlichen onkologischen Behandlung als komplementäre Massnahme angesagt sei.

Therapeutischer Arm der HSM

Therapeutisch kommen in der HSM diverse Produkte der Hilgers-Firma Sanoplan (Sanostar, PowerPack, Sanovir, SP-Omega 3 - Marine Liquid und Gammaplan) zum Einsatz sowie die in der Pseudo- und Alternativmedizin bekannte Vitamin-C-Infusion. In diesem Zusammenhang ist von Nutriceuticals-Kombinationen die Rede, die ausschließlich als Nahrungsergänzungsmittel angeboten werden und eigentlich nur über Sanoplan, also nicht über Apotheken, erhältlich sein sollen. Die Produkte werden von Sanoplan offenbar nicht selbst hergestellt, sondern teilweise von der US-amerikanischen Firma Douglas Laboratories Europe bezogen und umetikettiert. So heißt beispielsweise das Sanoplan-Produkt Sanocystrol bei Douglas Ultra Preventive.

Die Produkte sollen Vitalstoffe und Vitamine sowie weitere Substanzen enthalten und erinnern an Mittel aus der orthomolekularen Medizin oder Zellularmedizin nach Matthias Rath:

  • Sanostar-Pack (126 Euro) enthält 1 Gr. L-Carnitin, 0,2 Gramm R-Liponsäure, 0,8 Gr. Folsäure und 0,6 Gr Biotin
  • Power-Pack (115 Euro) enthält Taurin, Q10, Max-Carnitine, L-Carnitin
  • Sanovir-Pack (98 Euro) enthält ein Olivenblattextrakt, die Aminosäure L-Lysin, Katzenkralle (Cat´s Claw, Uncaria tomentosa siehe Maca), Gammalinolensäure, ein Probiotikum sowie eine geheimnisvolle "Viral remedy" mit der Aminosäure Lysin
  • Sano-Cystrol-Pack (98 Euro) mit Vitaminen und Spurenelementen (Vit. C, Vit E, Selen, L-Cystein, Lycopene, Proanthocyanidine aus Traubenkernen, Fruchtextrakte usw)
  • Gammaplan (57 Euro) enthält Gammalinolensäure
  • Omega 3 Fischöl-Produkte

Sanoplan bietet auch einen Power-Pack XXL folgendermaßen an: "Power Pack XXL ist ein Riegel mit 30 Prozent Proteinen für den Aufbau einer starken und fettfreien Muskulatur sowie 44 Prozent Kohlenhydraten für mehr Power beim Krafttraining. Ein leckerer Riegel in den Geschmackssorten Classic und Banane mit Schokoladenüberzug und dabei wenig Fett. Die extra-große Unterstützung während des Muskelaufbautrainings!"

Hilgers und das chronische Erschöpfungssyndrom

Hilgers befasste sich ausführlicher mit dem Chronischen Erschöpfungssyndrom (auch als CFS bekannt), das in Deutschland etwa Ende der achziger Jahre als mögliche eigenständige Krankheit aus den USA "herüberschwappte". Obwohl aus Expertensicht die Ursache der Störung nicht sicher bekannt ist[5][6], es keinen Labortest gibt und auch keine gesicherte Therapie für das chronische Erschöpfungssyndrom bekannt ist, entwickelte Hilgers eine eigenständige Lehre zur Entstehung des CFS und eine darauf aufbauende Therapie und "Multisystemanalyse". Im Sinne eines "chemischen AIDS"[7] solle demnach das CFS auf schädliche Umwelteinflüsse und ungenannte Erreger zurückgehen. Hilgers sieht im CFS auch eine Zivilisationskrankheit, die sich als "Mutter aller Erkrankungen" herausgestellt habe:

"Bei CFS handelt es sich um eine immer weitere Kreise ziehende Zivilisationskrankheit, die, wenn unbehandelt, als „Mutter aller Erkrankungen“ z.B. in MS oder Krebs münden kann."[8]

Zu den gemeinten Umweltgiften wird auf eine private Webseite aus Österreich verlinkt. Genannt werden dort erstaunlicherweise aber auch Substanzen (z.B. Fraßgifte), von denen lediglich bekannt ist, dass sie eine Unverträglichkeitsreaktion verursachen, keine chronische Krankheiten. Auch exotische Nahrungsmittel oder körpereigene Substanzen werden genannt. Genannt werden explizit: Hämagglutinine in Bohnen, Proteaseinhibitoren in Gemüsen, Blausäure in Nahrungsmitteln, Schwarze Holunderbeeren, Kohl- und Krautarten, Nitrate, Oxalsäure, Solanin, Biogene Amine und Histamin, Capsaicin in Paprika und Cayenne-Pfeffer, Myristicin in der Muskatnuss, toxische Stoffe in essbaren Pilzen, Glycyrrhin in Lakritze, Koffein im Kaffee, Lactobacillus casei in Fischkonserven und in Käse, erhitzte und oxidierte Fette, 3,4-Benzpyren, Zinksalze, Schwermetallionen im Trinkwasser und in Nahrungsmitteln, Konservierungsmittel, Lebensmittelfarben, Phosphorsäuren, Kochsalz, Propionsäure und Propionate, Sorbinsäure, Benzoesäure, Milchsäure, Weinsäure, Zitronensäure, Ameisensäure, Essigsäure, Bernsteinsäure, Bernsteinsäureanhydrid, Adipinsäure, Fumarsäure, Malonsäure, Süßungsmittel Saccharin und Cyclamat, Glutaminsäure (Glutamat), Gelatine, Pectin, Stärke, Alginat, Agar.[9]

Sanoplan

Die Firma Sanoplan b.v.b.a. in Brüssel vertreibt Produkte zur Hilgers Systems Medicine. Es handelt es sich um eine Briefkastenfirma an der Anschrift des "Sint-Anna Business Centre".[10] Das Sint-Anna Business Centre bietet explizit "virtuelle Büros" mit Telefonservice und Postnachsendung an[11] und untersagt das Anbringen von Firmenschildern seiner Kunden. Zur Sanoplan gehört auch das Brüsseler "Europäische Institut für molekulare Medizin, angewandte Immunologie und Umweltmedizin" (EURIMM, vormals in Maastricht und vormals genannt ""Europäisches Institut für angewandte Immunologie und Umweltmedizin"). Das EURIMM wurde von Hilgers und dem Niederländer Christian de Bruijn (Christianus De Bruijn) geleitet und ist seit 2004 ein Unternehmen von Sanoplan b.v.b.a.

Die Anschrift von Hilgers' ehemaliger Praxis in Düsseldorf wird von der Firma Sanoplan als "Kontaktbüro Deutschland" oder auch "Düsseldorfer HSM®-Filiale" genannt. Hier residiert die Firma MedPlus Medical Services UG. [12] Geschäftsführerin ist die Kosmetikerin Birgit Schorn, die hier ansonsten das Kosmetikstudio "Schön am Rhein" betreibt.

Kritik

Im Internet finden sich Berichte ehemaliger enttäuschter Patienten, die auf die hohen Kosten einer HSM-Behandlung hinweisen, die auch privat zu begleichen sind, da offenbar in einer Vielzahl von Fällen Krankenkassen die Kosten nicht übernommen hatten. Ebenfalls in die Kritik gerieten Hilgers privat zu bezahlenden Labortests bei CFS, die ihm von Seiten der Ärztekammer Nordrhein-Westfalen den Vorwurf der "Abzocke" einbrachten. Genaue Angaben zu den Test werden nicht veröffentlicht, sie sind quasi "geheim". Für das Chronische Erschöpfungssyndrom (CFS) gibt es keinen wissenschaftlich anerkannten Labortest. Die Hilgers-Firma Sanoplan verweist für die proprietäre HSM-Diagnostik auf die "Düsseldorfer HSM®-Filiale".

Einer der Tests soll ein Gentest zu einem "archaischen-angeborenen Immunsystem" sein. Nach Berichten in Internetforen mussten die Patienten die Kosten für teure Bluttests übernehmen, die angeblich nur "im Ausland" möglich gewesen seien, und deren Laborergebnis trotz Bezahlung nicht mitgeteilt worden sein sollen, so dass sich der Verdacht ergab, dass die Untersuchung nie stattfand.[13]

Siehe auch

Quellennachweise

  1. Dagmar Heib: Der Immundefekt - Ursachen und Therapie des chronischen Müdigkeitssyndroms CFS, Fliege 06/2008 []
  2. http://xy44.de/indago/debruijn.html
  3. http://xy44.de/indago/debruijn-2.html
  4. http://mysanoplan.com/tl/mit-hsm-behandelbare-erkrankungen.html
  5. Afari N, Buchwald D (2003). "Chronic fatigue syndrome: a review". Am J Psychiatr 160 (2): 221–36. DOI:10.1176/appi.ajp.160.2.221. PMID 12562565
  6. "Chronic Fatigue Syndrome Causes". Centers for Disease Control and Prevention. 15.10.2010
  7. http://www.zeit.de/1994/37/das-grosse-gaehnen/seite-1
  8. http://arnold-hilgers-institute.com/tl/patientenbrief.html
  9. http://www2.vobs.at/bio/human/h-toxisch-1.htm
  10. Sint-Annacenter
  11. http://www.sintannacenter.be/en/virtual_office.htm
  12. Center für chronische Erkrankungen und Gesundheitsprävention (MedPlus Medical Services UG). Kaiserswertherstr. 93, 40476 Düsseldorf, www.myhealth-center.de
  13. Zitat eines Patienten Odin vom 3.7.2009, 09:41 - AW: Frage zu MedPlus - Dr. med. Hilgers, Düsseldorf - odin.
    Hallo Lola, vielen Dank für deine Nachricht. Das die Therapie unter Umständen helfen kann und auch von seriösen Ärzten eingesetzt wird ist mir bekannt. Es geht viel mehr darum, dass mir erklärt wurde, man müsse Blut ins Ausland schicken, da die Untersuchungen in Deutschland nicht möglich sind und könne anschließend die Krankheitsursache nennen und entsprechend behandeln. Für diese Untersuchung habe ich eine Unsumme bezahlt und nie ein Ergebnis gesehen. Daher habe ich die Vermutung, dass die Untersuchung nie stattgefunden hat. Die Rechnung dazu kam von Sanaplan. Dort werden aber Nahrungsergänzungsmittel verschickt (Adresse ist eine Briefkastenfirma) und keine Laboruntersuchungen gemacht. Im übrigen hast du recht, auch die in deutschen Laboren gemachten Untersuchungen sind total überteuert. Ich möchte der Sache auf den Grund gehen und bin daher für jede Info dankbar. Alle anderen kann ich nur warnen, wer diese Praxis betritt kann arm werden. Ich weiß von einem Herrn, der in knapp 4 Monaten dort 70 000 Euro (siebzigtausend), kein Tippfehler, losgeworden ist. Die Leute werden ja in den Glauben versetzt, dass man nun hier helfen kann. Man hat dir diesen Vortrag sicher auch gehalten. Liebe Grüße Odin [1]