Hifi-Voodoo

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Als Hifi-Voodoo (von hifi, high fidelity und der Religion Voodoo, auch Hifi-Esoterik oder Hifi-Glaube) wird umgangssprachlich der Markt für Scharlatanerieprodukte, pseudowissenschaftlich begründete oder wissenschaftlich nicht falsifizierbare Aussagen zu Technik und Zubehör im Bereich der audiovisuellen Heimelektronik bezeichnet, die unter verblindeten Kontrollbedingungen versagen.

Zum Bereich Hifi Voodoo können auch Produkte gezählt werden, bei denen physikalisch zwar prinzipiell eine Wirkung denkbar ist, deren Preis aber in keinem sinnvollen Verhältnis zur Wirkung steht, sofern diese überhaupt nachweisbar ist. Zum handfesten Betrug und zur Esoterik sind fließende Übergänge zu beobachten.

Allgemeines

Hifi-Voodoo-Produkte sind typische Produkte für Endverbraucher und finden sich seltener bei professionellen Anwendern (Rundfunk oder Tonstudios). Das Marketing profitiert davon, dass die Produkte für Endverbraucher nicht vor dem Kauf in Eignungstests auf die Einhaltung der versprochenen Eigenschaften gepüft werden. Der Absatz kann auch davon profitieren, dass enttäuschte Kunden sich aus Scham, auf Wundereigenschaften hereingefallen zu sein, nicht öffentlich melden. Bestimmte Produkte erlangen auch Bedeutung als Statussymbol und werden Besuchern zu Hause stolz vorgeführt (etwa Lautsprecherkabel mit unsinnig großem Kabeldurchmesser). In diesen Fällen sind stark überhöhte Preise durchzusetzen oder technisch überdimensionierte oder unsinnig verkomplizierte Produkte vermarktbar. Aus Verkäufersicht sind bei Käufern hochwertiger Elektroakustik auch Geldausgaben für einen akustisch perfekten Raumumbau plausibel zu machen. Dem Käufer kann scheinbar einleuchtend erläutert werden, dass der Signalzug von der Signalquelle bis zum Lautsprecher qualitativ nicht unterbrochen werden darf. Die Zusatzkosten für überteuerte Verbindungskabel oder bestimmte Wundergeräte erscheinen dann relativ gesehen geringer.

Bei vielen der Produkte muss von einer Art "audiophilem Placebo-Effekt" ausgegangen werden. Das Gedächtnis für Schallempfindungen ist sehr schlecht. Kleine Änderungen der Lautstärke, des Klanges usw. sind nur im direkten Vergleich zu erkennen, bei dem z.B. ein urpsrüngliches und ein klanglich modifiziertes Geräusch wechselweise für jeweils ein paar Sekunden dargeboten werden. Auch dann ist ein bestimmter Mindestunterschied erforderlich, um wahrnembar zu sein. Bei der Empfindungsgröße Lautstärke z.B. liegt diese Unterscheidungsschwelle bei 0.5 dB bis 1 dB[1]

Beispiele für Wunder-Hifi-Produkte

CD/DVD-Conditioner und ähnliches

Dabei handelt es sich um Geräte und Produkte, die nachträglich die Qualität aufgezeichneter Daten auf CDs oder DVDs erhöhen sollen.[2] Die Vorstellung, durch Manipulationen an CDs den Klang zu verbessern, ist jedoch technisch absurd.

  • "Entmagnetisierer" für CDs. Da eine CD keinerlei ferromagnetische Bestandteile enthält, gibt es an ihr nichts zu (ent)magnetisieren. Doch selbst wenn das möglich wäre ist nicht plausibel, wie dadurch die optisch und digital gespeicherte Information beeinflusst werden sollte. Die Geräte kosten 400 bis 500 Euro. Ein 2200 Euro teures Gerät namens Furutech Demag soll auch herkömmliche Schallplatten entmagnetisieren können.
  • Gelegentlich wird behauptet, die Wiedergabe würde sich verbessern, wenn man die Außenkante einer CD abschrägt. Eine Vorrichtung dafür kostet knapp 500 Euro, durch das Anschleifen würde "vagabundierendes Laserlicht" des Abstastlasers unschädlich gemacht und der Klang dadurch "luftiger, räumlicher, freier".
  • Auch ist ein "Original Transformer" erhältlich, der als ein Zauberstab aus einer Bronzelegierung mit "besonders feiner kristalliner Metallstruktur" beschrieben wird. Er wird sogar einzeln in Handarbeit getestet. Auf damit abgeriebene CDs, Kabel, Stecker oder Lautsprecherchassis würde "Energie" übertragen. Das führt laut Hersteller zu einer deutlichen Klangverbesserung. Insbesondere Frauenstimmen auf der CD sollen davon profitieren.

Kabel-Voodoo

  • Lautsprecherkabel. Es sind Lautsprecherkabel im Handel, die einen unnötig großen Leiterquerschnitt aufweisen oder aus unnötig teuren Materialien ("Reinsilber-Kabel") hergestellt werden. Bestrebungen, den Widerstand der Lautsprecherkabel wesentlich unter 1 Ω (Ohm) zu senken, sind aber schon deshalb technisch unsinnig, weil in Reihe mit den Anschlüssen immer der ohmsche Widerstand des Lautsprechers liegt (also der Kupferwiderstand der Schwingspule). bei einem 8-Ohm-Lautsprecher beträgt dieser typisch 3 bis 4 Ω. Für die üblichen Kabellängen im Wohnzimmer reicht deshalb ein Leiterquerschnitt von 1,5 mm2 völlig aus. Die Kapazität zwischen den Leitern eines Lautsprecherkabels kann entgegen den Behauptungen einiger Hifi-Enthusiasten ebenfalls vernachlässigt werden. Ein 10 m langes Kabel hat eine Kapazität von vielleicht 1 nF. Damit ist beträgt der kapazitive Widerstand zwischen den Adern selbst bei 20 kHz noch etwa 8 kΩ und ist damit gegenüber der parallel liegenden Quellimpedanz des Verstärkers von weit unter 1 Ω irrelevant. Auch die Induktivität des Kabels spielt keine Rolle, und zwar schon allein deshalb, weil sie im Ersatzschaltbild in Serie mit der sehr viel größeren Induktivität der Schwingspule des Lautsprechers liegt.[3] Manche Hersteller verkaufen auch so genannte "aktive Lautsprecherkabel" oder es wird ein absurdes Konzept von klanglich "eingebrannten" Kabeln vertreten, die sich von baugleichen Kabeln durch einen besseren Höreindruck unterscheiden würden. Für den Niederfrequenzbereich ist auch der aus der Hochfrequenztechnik bekannte Skineffekt unerheblich.
  • Kabelklang. Es werden Kabel zur Verbindung von Heimelektronikkomponenten beworben, denen vom Hersteller bestimmte Wundereigenschaften zugesagt werden. So gibt es Kabel, bei deren Einsatz es zu einer Erhöhung der Dynamik käme, oder einer "verbesserten Tiefenstaffelung" oder "besonders guten Räumlichkeit". Bei Kabeln mit niedriger Leitungskapazität und einem sehr dünnen Innenleiter kann es bei "hochohmigen" Anwendungen (z.B. Röhrentechnik) zu einem "Mikrofonieeffekt" durch das Kabel selbst kommen.
  • Netzkabel. Auch für die wenigen Meter von Verstärker zur Steckdose werden spezielle Kabel angeboten. Selbst unter Annahme einer "Hochleistungsparty" oder Veranstaltung, bei der zweimal 400 Watt eingesetzt werden, ergeben sich bei 1400 Watt Gesamtleistungsaufnahme Spitzenströme von weniger als 7 A aus dem Netz und bei einem üblichen zwei Meter langen Netzkabel von 0,75 mm2 ergibt sich ein nur sehr geringer und "unhörbarer" Spannungsabfall von 0,6 Volt.

Voodoo-Sicherungen

  • Im Handel sind beispielsweise 19,90 Euro teure Feinsicherungen einer Firma PADIS. Sie sollen die normalen Feinsicherungen ersetzen, wie sie auch in Hifi-Geräten eingebaut sind. Der etwa hundertfach höhere Preis wird damit begründet, dass sie induktionsarm, antimagnetisch und resonanzarm seien, alles Eigenschaften, die auf übliche Schmelzsicherungen aber genauso zutreffen. Der Hersteller bewirbt die Sicherungen damit, dass sich bei Anwendung eine "enorme Steigerung der Feindynamik und Auflösung" einstelle und "Luft um Instrumente und Stimmen greifbarer" erschienen.[4][5]

Vorrichtungen zur Raumklangverbesserung

Dazu gehören

  • Besondere Sockel zur Aufstellung von Lautsprechern
  • Hölzerne Halbkugeln, die entweder auf die elektrischen Geräte und die Kabel direkt gelegt, oder einfach im Raum platziert werden sollen. Die Holzhalbkugeln "harmonisieren" dann die elektromagnetischen Felder. Sie sind mit speziellen Materialien gefüllt und in verschiedenen Größen erhältlich.
  • Ähnlich Gebilde sind auch aus Metall erhältlich, beispielsweise "Eichmann Topper", das sind aus Aluminiumprofil gesägte Klötze, die auf Lautsprecherboxen, Verstärker oder CD-Player gelegt werden, womit ein nicht näher erklärtes "Resonanzproblem" gelöst werden soll. Das Ergebnis sei ein "trockener Bass" und eine "plastischere Abbildung".

Die Rolle der Fachzeitschriften

Bestimmte Fachzeitschriften spielen eine wichtige Rolle bei der Vermarktung von Hifi-Voodoo. Das Veröffentlichen von einschlägigen Anzeigen förderte und fördert weiter den Absatz derartiger Produkte. Hinzu kommen Artikel, in denen diese Produkte lobend erwähnt werden. Der Streit um Hifi-Voodoo-Produkte und entsprechenden Tests führte zu regelrechten Glaubenskriegen, bei denen sich einzelne Publikationen positionierten.

Zitate

  • Schon 1967 war in einem Buch über Hifi-Technik zu lesen: Leider gibt es auf kaum einen vergleichbaren Gebiet eine solche Mischung von Glauben und Aberglauben wie in der HiFi-Stererophonie. Hoffentlich fallen nicht auch Sie in die Hände jenes Fachhändlers der seine Kunden in langen Monologen zu überzeugen sucht, daßss überhaupt nur Lautsprechermembranen aus afrikanischem Steppengras entfernte Aussichten haben, jemals HiFi-Qualität zu vermitteln. Oder jenes Fachhändlers, der in vertraulicher direkter Korrespondenz mit einem maßgeblichen Hersteller von Transistoren erfahren haben will, daß man zukünftig wieder auf Röhren übergehen wird, weil bei Transistoren ein völlig neuartiger und ungeklärter Klirrfaktor entstehe. Diese "vertrauliche" Information gibt er aber fleißig an jeden Kunden weiter.[6]

Weblinks und Literatur

Quellennachweise

  1. E. Zwicker: Psychoakustik. Springer-Verlag, 1982. Kap. 5.1
  2. www.teeundmusik.de/images/lads_stereo_12_2008.jpg
  3. M. Zollner, E. Zwicker: Elektroakustik. 3. Auflage, Kap. 6 "Betriebsverhalten von realen Wandlern". Springer-Verlag 1993
  4. http://www.dienadel.de/PADIS+Progressive+Audio+Distribution+High-End+Performance+Feinsicherung+5x20mm.htm
  5. Bericht über Sicherungen in Stereo 2/2008
  6. Curt Menke: Sterero und HiFi. Das Erlebnis des dredimensonalen Klanges, Seite 74. München: Südwest-Verlag, 1967