Hevert Arzneimittel

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Hevert Geschäftsführung (Bild: "IT-Mittelstand", Heft 04 / 2011)

Die Hevert Arzneimittel GmbH & Co. KG ist ein deutsches Pharmaunternehmen aus D-55569 Nußbaum bei Bad Sobernheim. Hevert stellt über 100 Arzneimittel her. Es handelt sich dabei vorwiegend um Heilmittel aus der Naturheilkunde und Homöopathika, z.B. wird ein D4-(10.000-fach verdünntes) Strophanthin-Präparat angeboten. Hevert bietet aber auch Mittel wie "Hevert Dorm Tabletten" an, die das Antihistaminikum Diphenhydramin enthalten.

Nach eigenen Angaben gehört das Familienunternehmen Hevert zu den "zehn bedeutendsten Homöopathie-Herstellern" und zu den "führenden deutschen Herstellern von homöopathischen und pflanzlichen Arzneimitteln sowie hochdosierten Vitaminpräparaten".

Hevert klagte gegen den Arzneiverordnungs-Report (AVR) 97, der in einer "verfügungsbeklagten Ausgabe" mit zum Teil seitenlangen Textschwärzungen erscheinen musste. Anlass war das "umstrittene Arzneimittel" Hevert Ginkgo Biloba Comp.[1]

Im Januar 2017 wurde Hevert Arzneimittel rechtskräftig in letzter Instanz dazu verurteilt, die Behauptung zu unterlassen, dass ein bestimmtes homöopathisches Präparat die Selbstheilungskräfte stärke. Der Bundesgerichtshof hatte die Beschwerde des Unternehmens gegen ein Urteil des OLG Koblenz vom Januar 2016 nicht zugelassen.[2] Hevert verbreitete eine Stellungnahme, in der es heißt:

"Wir haben eine Stärkung der Selbstheilungskräfte beansprucht, weil wir der Auffassung waren, dass dies ein allgemein anerkanntes Prinzip ist, wie die Homöopathie überhaupt wirkt... Wenn man Google bemüht, ist es eine Aussage, die häufig verwendet wird für homöopathische Arzneimittel.”

Im Oktober 2019 wurde Hevert mit dem Negativpreis "Goldener Aluhut" ausgezeichnet.

Die Firma

Gegründet wurde Hevert im Jahre 1956 durch Dorothea und Emil Hevert. Nach Leitung durch Wolfgang Hevert wird das Unternehmen heute in dritter Generation von Mathias Hevert geführt. Emil Hevert war zuvor für das Pharmaunternehmen Mauch-Göppingen tätig. Bereits bei Mauch hatte sich Emil Hevert mit den Methoden des Laienbehandlers und Pastors Emanuel Felke befasst. Felke war in seinen letzten Lebensjahren eng mit dem Gründer der Firma Mauch, dem Apotheker Richard Mauch, befreundet und hatte sich von diesem seit 1922 seine "Felke-Komplexmittel" herstellen lassen.

Nach langem Rechtsstreit mit der Firma Helopharm in Berlin wurde 1963 der ursprüngliche Name "Hesopharm" aufgegeben und der Name "Hevert Pharmazeutische Erzeugnisse" gewählt.

Seit 2006 stiftet Hevert jährlich einen mit 5.000 Euro dotierten "Dr. Wolfgang Hevert Preis" für Veröffentlichungen auf dem Gebiet einer Ganzheitsmedizin.

Die Hevertoplex-Reihe

Hevert bietet insbesondere Heilmittel der Hevertoplex-Reihe an. Es handelt sich dabei um Mittel aus der Komplexmittelhomöopathie.

Berufung auf Lehmpastor Felke

Eine große Anzahl der Rezepturen, die den Hevert Arzneimitteln zugrunde liegen, entstammt Ideen von Schülern des protestantischen Pastors Erdmann Leopold Stephanus Emanuel Felke (1856-1926), der als "Lehmpastor" bekannt wurde und auch in Bad Sobernheim wirkte. Der Medizinlaie Felke war Mitinitiator der Komplexmittelhomöopathie und Praktiker einer pseudomedizinischen Augendiagnostik, der Iridologie, die bereits zu seinen Lebzeiten kritisiert wurde und für die in späteren Studien kein Nachweis einer Eignung erkannt werden konnte. Seit 1984 gibt es auch ein Felke-Institut für Iridologie. Felke wurde in insgesamt 16 Prozessen wegen Körperverletzung und zuletzt sogar wegen fahrlässiger Tötung angeklagt, aber stets freigesprochen. Im Dorf Repelen, später ebenso in Bad Sobernheim, zog er einen regelrechten Kurbetrieb im Rahmen einer "Felke-Bewegung" und "Jungbornbewegung" auf. Kurende bewegten sich nach der Lehre unbekleidet, was zu Irritationen in der Umgebung, zum Vorwurf der "Gefährdung der Sittlichkeit" und zu einer angeordneten Schließung 1899 führte. Felke geriet auch in die Kritik von Kirchenoberen und musste wegen eines "Seitensprungs" sein Pastorenamt 1912 aufgeben.

Hevert ließ einen Werbefilm mit dem Titel "Pastor Felke und die Komplexmittelhomöopathie" produzieren.

Lobbyfinanzierung und "virale" Internetaktivitäten

Verlinkung zum eigenen Lobbyisten Claus Fritzsche auf Webseiten der Firma Hevert
Hevert-Webseite zum "direkten Dialog" mit der Außenwelt
Naso-Mat Kampagne der Werbefirma Polivox

Hevert ist kreativ in der internetbasierten Vermarktung eigener Produkte und sponsort über mehrere Jahre zusammen mit anderen Pharmaunternehmen den jährlichen Finanztopf von 43.000 Euro des Lobbyprojekts CAM-Media-Watch, das maßgeblich von Claus Fritzsche gesteuert wird. Auf den Webseiten wird zum Fritzsche-Projekt CAM Media Watch verlinkt.

Heverts Internetaktivitäten lassen auch auf die Anwendung von Methoden des viralen Marketing zur Außendarstellung eigener Produkte schließen. Als 2010 auf der Satire-Webseite "Sheng Fui" ein belustigter Artikel über eine homöopathische Ein-Cent-Spendenaktion von Hevert erschien,[3] erreichten den Seitenbetreiber unter dem Nick "Manu7" offenbar mit Absicht naiv formulierte Homöopathie- und Hevert-freundliche Kommentare, die die Firma und die Spendenaktion lobten. In den Kommentaren zum Artikel meldete sich offiziell eine Hevert-Mitarbeiterin mit einer Stellungnahme zu Wort. Im weiteren Verlauf schalteten sich auf der Kommentarseite verschiedene Anwender ein, die begeistert über die Firma Hevert und die von ihr vertriebenen Präparate berichteten. Teilweise wurden auch unwahre Behauptungen aufgestellt, etwa dass homöopathische Mittel vor der Zulassung auf ihre Wirksamkeit geprüft werden: "Alle Arzneimittel welche in Deutschland auf dem Markt sind müssen die Wirkung beim Bundesinstitit für Arzneimittel beweisen, sonst dürfen Sie nicht werben, das gilt auch für homöopathische Sachen. Das Sinusitis ist bewiesen sonst hätte es keine Genehmigung für Schnupfen zu werben und dürfte nicht Arzeimittel schreiben. Meine Freundin ist PTA in ner Apo und kennt sich da aus". Bei Sheng Fui stellte man erstaunt fest, dass alle Kommentare von nur einem Rechner kamen - und zwar dem der Firma Hevert. Um eine Stellungnahme gebeten, kam eine Mail von einem angeblichen Mitarbeiter von einem anonymen Rechner mit anonymer Mailadresse.[4][5]

Zur Vermarktung des Produkts Zincum Valerianicum Hevert N (Zincum Valerianicum Hevert N ist eine Wohltat für die Nerven) wurde von der Werbefirma Polivox eine Internetaktion gestartet, bei der nach Eingabe des Namens eines Freundes "virtuelle Streicheleinheiten" verschickt werden konnten.[6] Polivox kreierte auch die Naso-Mat-Kampagne für das Hevert-Produkt Sinusitis Hevert SL.

Umgang mit Kritik an Homöopathie

Versuch den wissenschaftlichen Studienstand zur Homöopathie unter Strafe zu stellen (2019)

2019 versuchte das Pharmaunternehmen Hevert die Kritik der Homöopathie quasi unter Strafe zu stellen.[7] So berichtete am 24. Mai 2019 über twitter eine Kritikerin der Homöopathie, Natalie Grams, von der Firma Hevert eine Unterlassungserklärung erhalten zu haben. Sie sollte an Hevert Abmahnkosten zahlen und eine verpflichtende Erklärung unterschreiben, in der sie bekunden soll in der Öffentlichkeit nicht mehr zu behaupten dass die Wirksamkeit homöopathischer Präparate nicht über den Placebo-Effekt hinausgeht. Wenige Tage zuvor war bereits der taz-Journalist Bernd Kramer[8] von einem Hevert-Anwalt aufgefordert worden "die homöopathie abwertende außerungen in jeder Form, einschließlich von veröffentlichungen zukünftig zu unterlassen".[9] Auch der Bremer Pharmakologe Gerd Glaeske erhielt 2019 eine Hevert-Abmahnung.[10][11] Wie das Medienmagazin "Journalist" im Juli 2019 meldete, bezeichnete Hevert die eigenen Abmahnversuche als "konstruktiven Austausch".[12]

Bisher existiert jedoch in der Medizin kein allgemein akzeptierter Konsens über etwaige Effekte einer homöopathischen Behandlung, die über den Placeboeffekt hinausgingen. Auch fehlt dazu ein mögliches wissenschaftlich einleuchtendes mögliches Wirkprinzip. Nach aktueller Evidenzlage entsprechen die erzielbaren Wirkungen einer homöopathischen Behandlung denen des Placeboeffekts. Während im wissenschaftlichen Bereich sachliche Kritik erwünscht und unabdingbar ist, stellt der Versuch Kritik pauschal abzustrafen einen Verstoss gegen das (in Deutschland im Grundgesetz verankerte) Recht auf freie Meinungsäusserung dar.

1997/1998 mahnte Hevert den Fischer-Verlag wegen des Arzneiverordnungs-Report (AVR) '97 des arzneimittel-telegramm ab. Der Report erschien mit geschwärzten Textstellen.

Weblinks



Quellennachweise