Die Helsana-Studie war eine begleitende wissenschaftliche Studie aus der Schweiz zu ökonomischen Aspekten der Alternativmedizin.

Es handelt sich bei dieser wissenschaftlichen Untersuchung um eine gesundheitsökonomische Analyse der Wirkungen des Einbezuges komplementärmedizinischer Leistungen in die Krankenversicherung. Sie hat in der Schweiz für massiven politischen Wirbel gesorgt, da sie Mehrkosten komplementärer Verfahren nachweist, obgleich diese keine Verbesserung der Gesundheitslage erbringen. In Österreich und Deutschland blieb diese Studie, wohl auch wegen exzellenter Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit der komplementären Szenen (v.a. Akupunktur und Homöopathie) nahezu unbeachtet.

Beginnend im Oktober 1993 erhielten 7.500 zufällig ausgewählte Versicherte der schweizer Krankenkasse Helvetia während 3 Jahren kostenlos eine Zusatzversicherung für Alternativmedizin. Das Zusatzpaket umfasste eine Behandlung durch einen Arzt/Naturarzt, wobei Kosten für Behandlungen durch Akupunktur, Homöopathie, Neuraltherapie, Phytotherapie, anthroposophische Medizin und Osteopathie bis zu einem Betrag von SF 500,-/Jahr (1993/94) bzw. bis SF 1000,-/Jahr (1995) übernommen wurden. Medikamentenkosten, die aufgrund von Verordnungen anfielen, wurden nur innerhalb des jeweiligen Maximalbetrages erstattet. Die normale Grundversicherung der Helvetia-Versicherten wurde also kostenlos um einen Alternativ-Grundsockel erweitert.

Zusätzlich wurde Teilnehmern auf freiwilliger Basis ein weiteres, Extra-Paket namens Helsana angeboten. Hierbei wurden Behandlungen durch einen Naturarzt bis zu SF 1500/Jahr oder einen Arzt bis zu SF 2.000/Jahr übernommen, Heilanwendungen durch einen Arzt/Naturarzt waren bis zu SF 1000/Jahr gedeckt und es wurden auch stationäre Kosten bis zu SF 1000/Jahr übernommen, so dass im Idealfall bis zu SF 4.000/Jahr an Alternativmedizin erstattungsfähig war. Die erstattungsfähigen Verfahren entsprachen jenen in der oben genannten zusätzlichen Alternativ- Grundsockel-Versorgung.

Die Untersuchung teilte sich nunmehr auf in drei Gruppen:

  • Grundversicherung OHNE Alternativmedizin (n=670.109)
  • Grundversicherung PLUS Alternativ-Grundsockel (auch Experimentgruppe genannt) (n=7.682) mit 500-1000 SF/Jahr Erstattung
  • Grundversicherung PLUS erweitertem Alternativ-Grundsockel (Helsana-Gruppe) mit bis zu SF 4000/Jahr Erstattung

Während der Beobachtungsperiode traten aus der Grundversicherung 17.9%, aus der Experimentgruppe 14.2% und aus der Helsana-Gruppe 19.5% aus.

Die Messung des subjektiven Gesundheitszustandes erfolgte mit einem standardisierten Erhebungsbogen (SF-36; 36-Item-Short-Form Health Survey).

Da vielfach - u.a. auch von Homöopathen - behauptet wird, der Einsatz von Alternativmedizin senke Behandlungskosten, ist es interessant festzustellen, dass nach einer umfassenden Einbeziehung alternativer Methoden in dieser Studie keine Kostensenkung resultierte. Vielmehr wurden alternativmedizinische Leistungen zusätzlich zu denjenigen der Hochschul- medizin benutzt. In Geld ausgedrückt fielen pro Jahr in der Kontrollgruppe ohne jegliche alternativmedizinische Zusatzversorgung sogar geringgradig niedrigere Ausgaben als in der Experimentgruppe an.

Jahr Experimentgruppe Kontrollgruppe

  • 1992 1.367 SF 1.360 SF
  • 1994 1.697 SF 1.6657SF
  • 1995 1.888 SF 1.858 SF

Eine ausschließliche Inanspruchnahme alternativmedizinischer Behandlungsverfahren fand in der Experiment- und der Kontrollgruppe 1992 überhaupt nicht statt. Kein einziger Patient schien auf die alleinige Wirkung dieser Methoden zu vertrauen. 1995 war der Anteil nur gering, gradig höher, nämlich 0.6% (Experimentgruppe) bzw. 0.4% (Kontrollgruppe), wobei in der Kontrollgruppe nicht erstattet wurde.

Schul- und Alternativmedizin kombiniert wurden 1992 in 0.6% (Experimentgruppe) bzw. 0.5% (Kontrollgruppe) der Versicherten benutzt, während 1995 die Anteile bei 6% (Experimentgruppe) bzw. 4.4% (Kontrollgruppe) lagen. In der Helsana-Gruppe (also bis zu SF 4000/Jahr Erstattung alternativer Verfahren), lag der Anteil ausschließlicher Nutzung dieser Verfahren bei 0.5% (1992) und stieg auf 2.1% (1995) an. Eine Kombination lag 1992 bei 8.4% und 1995 schon bei 28.5% vor.

Die oben tabellarisch beschriebenen Zahlen der Jahre 1992-1995 spiegeln nur einen relativ geringen Kostennachteil der alternativen Verfahren im Vergleich zur Hochschulmedizin wieder. Deutlicher wird der Unterschied dann, wenn die Patienten verglichen werden, die sich mit Helsana-Zusatzversicherung versahen und deren Kostenverhalten den Patienten ohne Helsana-Zusatzversicherung (also normale Hochschulmedizin plus ggf. kostenlosem Alternativ-Sockel) gegenübergestellt wird.

Zu betonen ist, dass die Helsana-Zusatzversicherten in der Regel deutlich jünger waren als die kostenlos zusatzversicherten und somit auch einen besseren Gesundheitsgrad aufwiesen. Trotzdem ergab sich 1995 am Ende des Versuches, dass Helsana-Patienten insgesamt mit SF 2.154 erheblich mehr Kosten verursachten als die gemischte Kontrollgruppe aus hochschulmedizinisch und/oder mit Alternativ-Grundsockel ausgestatteten Versicherten (SF 1719). Der Unterschied betrug fast 20%, wobei die Helsana-Versicherten trotz besseren SF-Indexes und jüngeren Alters sowohl höhere schulmedizinische (SF 1.956) als auch alternativmedizinische (SF 197) Kosten verursachten als die Vergleichsgruppe (SF 1.701 respektive SF 18).

Hinzuzufügen ist, dass vor Beginn der Studie die Versicherten in der Experimental- und der Helsana-Gruppe bezüglich ihrer Befürwortung alternativer Verfahren befragt wurden. In der Experimentalgruppe befürworteten diese Verfahren 17% und in der Helsana-Gruppe 40%. Alternativ- und Hochschulmedizin wurden in 37% (Experimentalgruppe) bzw. 41% (Helsana) befürwortet.

Die Studie kommt insgesamt zu dem Resultat, dass diejenigen Personen, die alternative Methoden von der Krankenkasse vergütet erhielten, unabhängig vom Geschlecht, dem Alter, der schweizerischen Sprachregion und dem Gesundheitsstatus - deutlich höhere durchschnittliche Kosten aufwiesen als jene Versicherten, die keine kostenpflichtige alternativmedizinische Zusatzversicherung (oder gar keine alternative Therapie) angeboten erhalten hatten.

Ein bemerkenswertes Zusatzresultat der Studie ergab die Auswertung der SF-36-Fragebogenresultate. Personen, die hochschulmedizinische Leistungen in Anspruch nahmen, wiesen unabhängig von den kontrollierten soziodemographischen Variablen und der Höhe der Heilkosten - einen schlechteren Gesundheitsstatus auf als Versicherte, die keine schulmedizinischen Leistungen in Anspruch nahmen. Patienten, die demnach ärztliche Hilfe suchten, waren deutlich kränker als jene, die keine ärztliche Hilfe benötigten - ein auf der Hand liegender Effekt. Bedeutsam ist jedoch, dass bei denjenigen Patienten, die Alternativmedizin in Anspruch nahmen, der Unterschied zu jenen, die diese Verfahren nicht verwendeten, ausgesprochen gering war. Dies deutet darauf hin, dass Personen, die Alternativmedizin benutzten, im Vergleich zu denjenigen, die schulmedizinische Leistungen abriefen, einen deutlich besseren Gesundheitszustand aufwiesen. Auch läßt sich aus der Untersuchung folgern, dass die Inanspruchnahme von Alternativmedizin in einem deutlich weniger starken Zusammenhang mit gesundheitlichen Problemen steht als bei denjenigen, die schulmedizinische Leistungen abrufen.

Aus den Ergebnissen der Helsana-Studie lässt sich folgern, dass

  • Alternativmedizin teurer als Schulmedizin ist und zwar desto teurer, je bereitwilliger eine Kasse (selbst bei kostenpflichtiger Zusatzversicherung) Therapien zu übernehmen bereit ist.
  • Nutzer von Alternativmedizin weniger krank als jene Patienten sind, die ernsthafte ärztliche Hilfe benötigen. Alternativpatienten verursachen trotz jüngeren Alters und vergleichbarem Gesundheitszustand bereits vorzeitig höhere Kosten im hochschulmedizinischen Sektor und erhöhen diese Kosten weiter durch die zusätzliche Nutzung alternativer Verfahren.
  • von der Alternativmedizin primär der Leistungsanbieter profitiert, nicht aber der Patient und schon gar nicht die Versichertengemeinschaft.

Quellennachweise

  • Sommer JH, Bürgi M, Theiss R: Komplementärmedizin in der Krankenversicherung. Schweizer Medizinischen Wochenschrift, 128 (Suppl.), 1-128, 1998
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