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Durch die Heilpraktiker-Erlaubnis („große Heilpraktikererlaubnis“) ist es dem Heilpraktiker gesetzlich erlaubt, bestimmte körperliche Erkrankungen sowie auch bestimmte psychische Störungen (ohne psychotherapeutische Fachausbildung) zu behandeln. Auszug § 6:  
 
Durch die Heilpraktiker-Erlaubnis („große Heilpraktikererlaubnis“) ist es dem Heilpraktiker gesetzlich erlaubt, bestimmte körperliche Erkrankungen sowie auch bestimmte psychische Störungen (ohne psychotherapeutische Fachausbildung) zu behandeln. Auszug § 6:  
 
:''Für die Zulassung zur Ausübung des Berufs einer Heilpraktikerin oder eines Heilpraktikers ist weder eine medizinische Ausbildung noch eine berufsqualifizierende Fachprüfung erforderlich; der Nachweis einer Fachqualifikation muss nicht erbracht werden. Es findet eine schriftliche sowie mündliche Überprüfung durch das Gesundheitsamt (Amtsarzt) statt. In dieser soll überprüft werden, ob die antragstellende Person so viele heilkundliche Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt, dass die Ausübung der Heilkunde durch sie nicht zu einer Gefahr für die Volksgesundheit wird“.''
 
:''Für die Zulassung zur Ausübung des Berufs einer Heilpraktikerin oder eines Heilpraktikers ist weder eine medizinische Ausbildung noch eine berufsqualifizierende Fachprüfung erforderlich; der Nachweis einer Fachqualifikation muss nicht erbracht werden. Es findet eine schriftliche sowie mündliche Überprüfung durch das Gesundheitsamt (Amtsarzt) statt. In dieser soll überprüft werden, ob die antragstellende Person so viele heilkundliche Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt, dass die Ausübung der Heilkunde durch sie nicht zu einer Gefahr für die Volksgesundheit wird“.''
 
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==Heilpraktiker für Psychotherapie==
 
Die eingeschränkte Heilerlaubnis (sog. „kleiner Heilpraktiker“) erlaubt Personen, nach bestandener Überprüfung, eine Praxis für Psychotherapie ohne Kassenzulassung zu eröffnen. Nachdem 1992 die Möglichkeit zur Therapieerlaubnis  eingeschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie rechtlich durchgesetzt wurde, gelten analog zu dem Vorgenannten die gesetzlichen Vorgaben auch für den Heilpraktiker eingeschränkt für Psychotherapie („kleiner Heilpraktiker“). Diese sind in dem § 8.2 der Durchführungsordnung spezifiziert:
 
Die eingeschränkte Heilerlaubnis (sog. „kleiner Heilpraktiker“) erlaubt Personen, nach bestandener Überprüfung, eine Praxis für Psychotherapie ohne Kassenzulassung zu eröffnen. Nachdem 1992 die Möglichkeit zur Therapieerlaubnis  eingeschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie rechtlich durchgesetzt wurde, gelten analog zu dem Vorgenannten die gesetzlichen Vorgaben auch für den Heilpraktiker eingeschränkt für Psychotherapie („kleiner Heilpraktiker“). Diese sind in dem § 8.2 der Durchführungsordnung spezifiziert:
 
:''Auszug § 8.2: „Bei sonstigen antragstellenden Personen, die glaubhaft versichern, sich ausschließlich im Bereich der Psychotherapie heilkundlich betätigen zu wollen, ist eine auf das Gebiet der Psychotherapie eingeschränkte Überprüfung Ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten vorzunehmen. Dabei sind insbesondere ausreichende Kenntnisse der psychologischen Diagnostik, der Psychopathologie und der klinischen Psychologie nachzuweisen. Solche antragstellende Personen müssen zudem ausreichende Kenntnisse über die Abgrenzung heilkundlicher Tätigkeit, insbesondere im psychotherapeutischen Bereich, gegenüber Ärztinnen und Ärzten und allgemein als Heilpraktikerin oder Heilpraktiker tätigen Personen vorbehaltenen heilkundlichen Behandlungen aufweisen sowie ferner ausreichende diagnostische Fähigkeiten in Bezug auf das einschlägige Krankheitsbild haben und die Befähigung besitzen, die Patienten entsprechend der Diagnose psychotherapeutisch zu behandeln“.''
 
:''Auszug § 8.2: „Bei sonstigen antragstellenden Personen, die glaubhaft versichern, sich ausschließlich im Bereich der Psychotherapie heilkundlich betätigen zu wollen, ist eine auf das Gebiet der Psychotherapie eingeschränkte Überprüfung Ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten vorzunehmen. Dabei sind insbesondere ausreichende Kenntnisse der psychologischen Diagnostik, der Psychopathologie und der klinischen Psychologie nachzuweisen. Solche antragstellende Personen müssen zudem ausreichende Kenntnisse über die Abgrenzung heilkundlicher Tätigkeit, insbesondere im psychotherapeutischen Bereich, gegenüber Ärztinnen und Ärzten und allgemein als Heilpraktikerin oder Heilpraktiker tätigen Personen vorbehaltenen heilkundlichen Behandlungen aufweisen sowie ferner ausreichende diagnostische Fähigkeiten in Bezug auf das einschlägige Krankheitsbild haben und die Befähigung besitzen, die Patienten entsprechend der Diagnose psychotherapeutisch zu behandeln“.''
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Zum Vergleich:
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*Facharzt für Psychotherapie: die Ausbildungsdauer dauert mindestens 11 Jahre
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*Psychologischer Psychotherapeut: die Ausbildungsdauer beträgt mindestens 8 Jahre
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*Heilpraktiker für Psychotherapie: keine Ausbildung erforderlich, nur eine Prüfung zur ,Gefahrenabwehr‘ bei einem Amtsarzt
 
==Überschätzungen eigener Fähigkeiten und die tödlichen Folgen==
 
==Überschätzungen eigener Fähigkeiten und die tödlichen Folgen==
 
HP sind dazu verpflichtet, schwer kranke Patienten zum Arzt zu schicken. Einem Heilpraktiker, der diese Grenzen nicht erkennt bzw. nicht danach handelt, kann die Berufserlaubnis entzogen werden. Ein Heilpraktiker darf also das Unterlassen der Inanspruchnahme notwendiger ärztlicher Hilfe nicht veranlassen oder Patienten in der Nichtinanspruchnahme bestärken (VGH Baden-Württemberg, 02.10.2008 Aktenzeichen 9 S 1782/08 -). Er hat auch die Aufforderung zur Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe zu dokumentieren. Das Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg kam angelegentlich einer schwerwiegenden Fehldiagnose im Jahr 2008 zu dieser Entscheidung.<ref>Beschluss des VGH&nbsp;Mannheim vom 2.&nbsp;Oktober 2008. Aktenzeichen 9&nbsp;S&nbsp;1782/08, NJW&nbsp;2009,&nbsp;458</ref> Patienten dürfen nicht im Glauben gelassen werden, der Besuch beim HP ersetze eine ärztliche Behandlung, so der Richter. Ein HP hatte geklagt, nachdem er seine Zulassung verloren hatte. Er hatte einer seiner Patientinnen mit einer bioelektrischen [[Bioresonanz]]methode untersucht. Mit dieser Art der Elektro-Akupunktur hatte er einen Krebstumor in ihrer Brust als vermeintlich gutartige Wucherung erklärt. An dieser Diagnose hielt er bis zuletzt fest, auch als das Geschwür auf eine Größe von 24&nbsp;Zentimeter Durchmesser angewachsen und aufgebrochen war und die Patientin bereits stark an Gewicht verloren hatte. Ein Arzt diagnostizierte dagegen einen bösartigen Tumor mit Tochtergeschwülsten, an dessen Folgen die Frau starb. Dem Mann sei die HP-Erlaubnis zu Recht entzogen worden, urteilte das Gericht. Sein Verhalten rechtfertige den Schluss, dass ihm die für die Berufsausübung erforderliche Zuverlässigkeit fehle und die Volksgesundheit gefährdet sei, wenn er die Heilkunde ausübe.<ref>http://www.wiso.zdf.de/ZDFde/inhalt/15/0,1872,7391311,00.html</ref>
 
HP sind dazu verpflichtet, schwer kranke Patienten zum Arzt zu schicken. Einem Heilpraktiker, der diese Grenzen nicht erkennt bzw. nicht danach handelt, kann die Berufserlaubnis entzogen werden. Ein Heilpraktiker darf also das Unterlassen der Inanspruchnahme notwendiger ärztlicher Hilfe nicht veranlassen oder Patienten in der Nichtinanspruchnahme bestärken (VGH Baden-Württemberg, 02.10.2008 Aktenzeichen 9 S 1782/08 -). Er hat auch die Aufforderung zur Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe zu dokumentieren. Das Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg kam angelegentlich einer schwerwiegenden Fehldiagnose im Jahr 2008 zu dieser Entscheidung.<ref>Beschluss des VGH&nbsp;Mannheim vom 2.&nbsp;Oktober 2008. Aktenzeichen 9&nbsp;S&nbsp;1782/08, NJW&nbsp;2009,&nbsp;458</ref> Patienten dürfen nicht im Glauben gelassen werden, der Besuch beim HP ersetze eine ärztliche Behandlung, so der Richter. Ein HP hatte geklagt, nachdem er seine Zulassung verloren hatte. Er hatte einer seiner Patientinnen mit einer bioelektrischen [[Bioresonanz]]methode untersucht. Mit dieser Art der Elektro-Akupunktur hatte er einen Krebstumor in ihrer Brust als vermeintlich gutartige Wucherung erklärt. An dieser Diagnose hielt er bis zuletzt fest, auch als das Geschwür auf eine Größe von 24&nbsp;Zentimeter Durchmesser angewachsen und aufgebrochen war und die Patientin bereits stark an Gewicht verloren hatte. Ein Arzt diagnostizierte dagegen einen bösartigen Tumor mit Tochtergeschwülsten, an dessen Folgen die Frau starb. Dem Mann sei die HP-Erlaubnis zu Recht entzogen worden, urteilte das Gericht. Sein Verhalten rechtfertige den Schluss, dass ihm die für die Berufsausübung erforderliche Zuverlässigkeit fehle und die Volksgesundheit gefährdet sei, wenn er die Heilkunde ausübe.<ref>http://www.wiso.zdf.de/ZDFde/inhalt/15/0,1872,7391311,00.html</ref>
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Das Oberlandesgericht Köln hatte entschieden, dass Heilpraktiker-Behandlungen von HIV-positiven Patienten nur unter der Voraussetzung zulässig sind, dass eine kompetente Aufklärung des Patienten durch einen Arzt sichergestellt ist. Der Arzt muss den Patienten kontinuierlich beraten und über den Stand der Infektion beim Patienten informiert werden. Nach diesem Urteil des OLG Köln reiche es nicht aus, dass der Patient lediglich von einem Facharzt für Laboratoriumsmedizin beraten wird, zu dessen Aufgaben die Beratung von Patienten in der Regel nicht gehört.<ref>Urteil OLG Köln, Aktenzeichen 5 U 30/03, 5 U 31/03</ref>
 
Das Oberlandesgericht Köln hatte entschieden, dass Heilpraktiker-Behandlungen von HIV-positiven Patienten nur unter der Voraussetzung zulässig sind, dass eine kompetente Aufklärung des Patienten durch einen Arzt sichergestellt ist. Der Arzt muss den Patienten kontinuierlich beraten und über den Stand der Infektion beim Patienten informiert werden. Nach diesem Urteil des OLG Köln reiche es nicht aus, dass der Patient lediglich von einem Facharzt für Laboratoriumsmedizin beraten wird, zu dessen Aufgaben die Beratung von Patienten in der Regel nicht gehört.<ref>Urteil OLG Köln, Aktenzeichen 5 U 30/03, 5 U 31/03</ref>
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==Heilpraktiker Laborgemeinschaft==
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In Hamburg existiert eine "Laborgemeinschaft für ganzheitliche Medizin". Sie wurde im Februar 1999 von Heilpraktikern gegründet. Geleitet wird sie von drei Betriebswissenschaftlern, ein Arzt für Laboratoriumsmedizin fehlt. Die Arbeit wird von mehreren Medizinisch-Technischen Assistentinnen (MTA) gemacht. Heilpraktiker aus ganz Deutschland können für 200 Euro Anteile am Labor erwerben, und dann Rechnungen als "selbsterbrachte Leistung im ausgelagerten Teil meiner Praxis" abrechnen. Das Labor berechnet für ein Profil ungefähr 50 Euro, dass dann für ~200 - 300 Euro als eigenerbracht dem Patienten in Rechnung gestellt wird.
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Die Laborgemeinschaft bieten insbesondere exotische Tests an, die in der Medizin nicht oder nur selten eingesetzt werden:
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*Mikronährstoffdiagnostik
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*Pregnenolon
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*Kynurenin und IDO-Aktivität
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*Melatonin im Speichel
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*M2-PK Tumormarker-Test (siehe dazu: [https://www.arznei-telegramm.de/html/2007_06/0706059_02.html],[https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/97322/IGeL-Monitor-sieht-keine-Nutzenbelege-fuer-Frueherkennung-von-Darmkrebs-mittels-M2-PK-Stuhltest] und [https://www.igel-monitor.de/igel-a-z/igel/show/m2-pk-test-zur-frueherkennung-von-darmkrebs.html])
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*oxidiertes LDL-Cholesterin, totale oxidative Kapazität (TAS),  Adrenalin-Stress-Index,
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*Jodsättigungstests
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*IgG-Testverfahren zur Diagnostik einer Allergie oder Überempfindlichkeit auf Nahrungsmittel
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*Urinuntersuchungen auf angebliche toxische Metallbelastungen
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*Lymphozytentransformations-Tests (LTT)
    
==Heilpraktiker und Behandlungen von Krebskranken==
 
==Heilpraktiker und Behandlungen von Krebskranken==
 
Wenn ein Heilpraktiker öffentlich Werbung für Behandlungen von Krebserkrankungen betreibt, liegt ein Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz vor.
 
Wenn ein Heilpraktiker öffentlich Werbung für Behandlungen von Krebserkrankungen betreibt, liegt ein Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz vor.
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==Zitate==
 
==Zitate==
 
*''..„Wir wollen ja nicht wissenschaftlich arbeiten, das ist Empirie, also Erfahrungsheilkunde. Das haben wir von unseren Vätern, Urvätern, und wenn Sie wollen von den Indianern. Also das sind uralte Heilmethoden, die wir anwenden, und wir nehmen nicht für uns in Anspruch, dass wir sagen: wir arbeiten wissenschaftlich. Das wollen wir gar nicht.“'' (Zitat von Klaus Wischmann, Vorsitzender des Bremer Heilpraktikerverbandes)
 
*''..„Wir wollen ja nicht wissenschaftlich arbeiten, das ist Empirie, also Erfahrungsheilkunde. Das haben wir von unseren Vätern, Urvätern, und wenn Sie wollen von den Indianern. Also das sind uralte Heilmethoden, die wir anwenden, und wir nehmen nicht für uns in Anspruch, dass wir sagen: wir arbeiten wissenschaftlich. Das wollen wir gar nicht.“'' (Zitat von Klaus Wischmann, Vorsitzender des Bremer Heilpraktikerverbandes)
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* Stern Online vom 20.April 2017: [http://www.stern.de/gesundheit/anousch-mueller-unheilpraktiker-heilpraktiker-tipps-serioes-6856408.html Zehn Tipps, woran Sie unseriöse Heilpraktiker erkennen]
 
* Stern Online vom 20.April 2017: [http://www.stern.de/gesundheit/anousch-mueller-unheilpraktiker-heilpraktiker-tipps-serioes-6856408.html Zehn Tipps, woran Sie unseriöse Heilpraktiker erkennen]
 
* Stern Online vom 21.April 2017: [http://www.stern.de/gesundheit/wie-unserioese-heilpraktiker-menschenleben-gefaehrden-7418788.html Wie unseriöse Heilpraktiker Menschenleben gefährden]
 
* Stern Online vom 21.April 2017: [http://www.stern.de/gesundheit/wie-unserioese-heilpraktiker-menschenleben-gefaehrden-7418788.html Wie unseriöse Heilpraktiker Menschenleben gefährden]
 
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* https://www.tagesschau.de/investigativ/swr/vollbild-heilpraktiker-101.html
 
==Quellennachweise==
 
==Quellennachweise==
 
<references/>
 
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