Glaubensgemeinschaft Zwölf Stämme

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Die Glaubensgemeinschaft zwölf Stämme (auch Tabitha's Place, The Vine Christian Community Church, Northeast Kingdom Community Church, The Messianic Communities, Community Apostolic Order oder Therapeutic Healing Environment) ist eine christlich-fundamentalistische Glaubensgemeinschaft, die sich als bibeltreu und urchristlich sieht. Der Name "12 Stämme" bezieht sich auf die Zwölf Stämme Israels des Tanachs, der hebräischen Bibel, und die zwölf Apostel. Der in den 70er Jahren in den USA von einem Gene Spriggs gegründeten Sekte sollen weltweit etwa 2.000 Menschen angehören. Die Sekte entstand als Zweig aus der nordamerikanischen "Northeast Kingdom Community" in Island Pond (US Staat Vermont), deren Gründer Elbert Eugen Spriggs (geb. 1937) war.

Mitglieder der Zwölf Stämme leben und arbeiten in Kommunen, die streng hierarchisch gegliedert sind. Die männlichen Mitglieder werden „Brüder“, die weiblichen „Schwestern“ genannt. Letztere sind ersteren untertan. Männer tragen in aller Regel Bärte und langes Haar. Frauen tragen weite Hosen, Röcke oder Kleider. Auf persönliches Eigentum wird verzichtet.

Im Jahr 2001 wurden die Eltern (Michel und Dagmar Ginoux) eines Kleinkindes in Frankreich zu einer zwölfjährigen Haftstrafe verurteilt, weils sie es unterließen, ihr Kind, das an einer behandelbaren Fehlbildung des Herzens und Rachitis litt, medizinisch behandeln zu lassen. Weitere französische Mitglieder der Zwölf Stämme erhielten wegen verschiedener Delikte und wegen Unterlassung von Impfungen Geldstrafen.

Eine Gruppe von deutschen Mitgliedern der Glaubensgemeinschaft zwölf Stämme soll Ende 2016 in die tschechische Republik ausgewandert sein. Das berichtete die „Augsburger Allgemeine“.[1] Hintergrund sind Berichte über behördliche Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verweigerung des Schulbesuchs an öffentlichen Schulen.[2]

Homeschooling und Ablehnung der Schulpflicht

In Deutschland wurden die Zwölf Stämme insbesondere durch ihre vehemente Ablehnung der Schulpflicht wahrgenommen. Die eigenen Kinder sollen nämlich „unbeeinflusst von modernen Strömungen“ streng nach biblischen Grundsätzen aufwachsen. Auf Ablehnung stößt insbesondere der in Deutschland praktizierte Sexualkundeunterricht und die Vermittlung der Evolutionslehre. Die Evolutionstheorie wird als Widerspruch zu biblischen Schöpfungsaussagen interpretiert und abgelehnt (siehe: Kreationismus).

Der Streit zwischen der Sekte und den Behörden eskalierte 2002, als die Polizei Kinder mit Bussen zur Schule brachte. Doch schon am nächsten Tag blieben alle wieder zu Hause und ließen sich von ihren eigenen Lehrern unterrichten. Die Eltern zahlten auch das verhängte Ordnungsgeld nicht, deshalb mussten sieben Väter zwischen sechs und 16 Tage lang eine sogenannte "Erzwingungshaft" absitzen. Daraufhin erhielten die Zwölf Stämme die Erlaubnis, Kinder an einer "Ergänzungsschule" privat selbst zu unterrichten, an der weder Sexualkunde noch die Evolutionstheorie Unterrichtsgegenstand sind. Laut Schulamt genügten die "Lehrer" staatlichen Anforderungen nicht, und im Unterricht werde ein Menschenbild vermittelt, das Mann und Frau als nicht gleichberechtigt erachtet.

In Frankreich unterrichtet die Sekte ebenfalls selbst. Um Kontrollen durch Aufsichtsbehörden zu verhindern, wurden bei angekündigten Kontrollen schulpflichtige Kinder nach Spanien gebracht. Auch in Frankreich kam es zu Vorwürfen der Kindesmisshandlung.

2014 untersagte das Verwaltungsgericht Augsburg einem Zwölf-Stämme Verein den Betrieb einer eigenen Schule.[3]

Berichte über Kindesmisshandlungen

Im Mai 2012 berichtet das Nachrichtenmagazin Focus von Gewalt gegen Schüler durch Stockschläge und von rassistischen Unterrichtsinhalten auf einem Gut Klosterzimmern in der Gemeinde Deiningen im Nördlinger Ries.[4] Seit dem Jahr 2000 lebt dort die Sekte Zwölf Stämme. Die Süddeutsche Zeitung berichtete über Gewalt gegen Kleinkinder mit Weidenruten und Sicherheitsnadeln.[5]

Presseberichten zufolge wurde den Eltern aufgrund neuerlicher Aussagen von sieben Zeugen über Misshandlungsvorfälle das Sorgerecht entzogen und am 5. September 2013 insgesamt 40 Kinder aus den Standorten der Sekte in Klosterzimmern bei Deinigen sowie Wörnitz in Pflegefamilien verbracht.[6]

Gerichtsurteile

Im Januar 2015 wurden zwei weibliche Mitglieder der Sekte wegen gefährlicher Körperverletzung zu jeweils 9 Monaten (und 180 Sozialstunden) und 6 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Auch besteht weiterhin für einen Großteil der Eltern nur ein eingeschränktes Besuchsrecht für ihre Kinder.[7]

Im Juni 2016 berichtete die Wochenzeitschrift DER SPIEGEL über die Verurteilung der der Sekte "Zwölf Stämme" angehörenden 56-jährigen Lehrerin Marina Peters zu einer Haftstrafe von zwei Jahren ohne Bewährung durch das Landgericht Augsburg, wegen Körperverletzung und Misshandlung. Die Frau hatte ihre Schüler regelmäßig geschlagen. Gegen die Frau wurde direkt Haftbefehl erlassen, sie wurde noch im Gerichtssaal festgenommen. Der Vorsitzende Richter des Landgerichts Augsburg begründete dies mit Fluchtgefahr.

Im September 2013 hatte die Polizei wegen der Prügelvorwürfe rund 40 Kinder aus den Gemeinschaften der Sekte im schwäbischen Klosterzimmern bei Deiningen und im mittelfränkischen Wörnitz geholt und in Heimen sowie Pflegefamilien untergebracht. Vor einiger Zeit hatte die Gemeinschaft deshalb angekündigt, Deutschland zu verlassen und sich in Tschechien und anderen europäischen Nachbarländern niederzulassen.[8]

Vermittlung rassistischer Lehrinhalte

Nach Angaben von ehemaligen Schülern seien sie in der Schule gelehrt worden, dass "Afrikaner verflucht sind" und "Neger den Weißen dienen müssen". Martin Luther King und andere seien vom "Geist des Teufels" angestiftet worden, sich für die Gleichheit einzusetzen.

Presseartikel

Weblinks

Quellenachweise