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Gesundbeten (Gebetsheilung, engl. intercessory prayer) ist eine Form des Geistheilens, bei der die Heilung einer Erkrankung durch intensive Gebete oder Fürbitten erfolgen soll. Dies soll auch durch Dritte geschehen können, die nicht einmal mit der erkrankten Person direkt in Kontakt stehen müssen (Fernheilung). Die Bedeutung der Gebetsheilung unterscheidet sich in den verschiedenen Religionen. Besonders die Anhänger von Christian Science bedienen sich des Gesundbetens, wobei sie ganz oder teilweise auf reguläre medizinische Versorgung verzichten, was bereits zu Todesfällen geführt hat.[1]

Gebetsheilung im Christentum

 
Kranke in Hoffnung auf Heilung in Lourdes
 
Ex Voto Gaben in einer brasilianischen Kirche (Igreja do Bomfim)

Im Christentum sind Gebete und Fürbitten für Kranke bekannt. Praktiken sind einerseits das persönliche Gebet und die persönliche Fürbitte für andere Personen, andererseits Seelsorgeangebote durch Pastoren, Priester und Krankenhausseelsorger bis hin zur so genannten Krankensalbung und Ölsalbung. Auch gibt es spezielle Heilungsgottesdienste.

Dabei wird auf eine Heilung oder Besserung der Krankheit gehofft, bis hin zu regelrechten Wunderheilungen und Remissionen im Falle ansonsten nicht oder schlecht behandelbarer Zustände. Alleine durch Gebete erzielte Wunderheilungen sind aus der Bibel in Form von Anekdoten berichtet und werden seitdem zahlreich berichtet. Derartige Wunderheilungen werden beispielsweise gegenwärtig dem verstorbenen Papst Johannes Paul II. unterstellt und sind Voraussetzung für seine geplante Heiligsprechung.

Dennoch gibt es keinen bekannten kausalen (ursächlichen) Zusammenhang zwischen Gebet und Heilung, der wissenschaftlich gesichert wäre und sich von einem Placeboeffekt und allgemeiner Hebung der Lebensqualität unterschiede. Die Mehrheit der wissenschaftlichen Studien zum Thema konnte keine gesundheitsfördernde Wirkung von Gebeten feststellen.[2][3][4][5][6][7] Die "American Cancer Society" schreibt, dass es keine wissenschaftliche Grundlage dafür gibt, dass Gebetsheilung Gebrechen heilen könne. Auch sei es dann zu Todesfällen und unerwünschten Zuständen gekommen, wenn einzig auf Gebetsheilung gesetzt wurde:

...available scientific evidence does not support claims that faith healing can actually cure physical ailments..."Death, disability, and other unwanted outcomes have occurred when faith healing was elected instead of medical care for serious injuries or illnesses...Available scientific evidence does not support claims that faith healing can cure cancer or any other disease. Even the "miraculous" cures at the French shrine of Lourdes, after careful study by the Catholic Church, do not outnumber the historical percentage of spontaneous remissions seen among people with cancer. However, faith healing may promote peace of mind, reduce stress, relieve pain and anxiety, and strengthen the will to live.[8]

Nach eingetretener Heilung oder Besserung einer Krankheit, die von Gläubigen auf Gesundbeten oder eine Einwirkung im Zusammenhang mit dem christlichen Glauben zurückgeführt werden, hinterlassen manche Personen eine Votivgabe (auch ex voto von Ex voto suscepto); beispielsweise in Kirchen.

Tote durch Gebet

 
Ehepaar Catherine und Herbert Schaible aus Philadelphia (USA)[9]
 
Madeline Neumann (11)

In den USA gehen zwei Todesfälle von Kindern, die verhindert hätten werden können, auf das Verhalten des strenggläubigen Ehepaares Catherine und Herbert Schaible aus Philadelphia, Mitglieder der fundamentalchristlichen "First Century Gospel Church", zurück. Die Eltern erlaubten keine ärztlichen Behandlungen ihrer Kinder, da diese "Sünde" seien. Zuerst starb 2009 ihr kleiner zweijähriger Sohn Kent an einer Lungenentzündung, die sie nicht behandeln ließen. Im Prozess rechtfertigten sich die Eltern mit dem Argument, dass nur der Glaube an Gott eine heilende Wirkung habe. Sie wurden schließlich zu zehn Jahren Haft auf Bewährung wegen "involuntary manslaughter" verurteilt. Vier Jahre nach Verurteilung litt ihr zweiter Junge, der acht Monate alte Brandon, unter starkem Husten und Durchfall, und wieder ließen die Eltern keine Behandlung zu. Auch dieses Kind verstarb.[10][11]

Das elfjährige Mädchen Madeline Kara Neumann aus Weston in Wisconsin (USA) litt an einer bekannten Zuckerkrankheit (Typ I). Als sich ihr Zustand im Jahre 2008 massiv verschlechterte, beschlossen ihre fundamentalchristlich eingestellten Eltern nicht etwa ärztliche Hilfe zu holen, sondern begannen für ihr Kind zu beten, bis es am Ostersonntag 2008 verstarb. Der letzte Arztbesuch des Mädchens lag acht Jahre zurück. Der ermittelnden Polizei erklärten ihre Eltern den Tod damit, dass ihr Kind angeblich zu wenig Glauben gehabt habe[12] und zu wenig Menschen für sie gebetet hätten. Ihre Mutter glaubte auch, dass ihr Kind nach dem Tode wieder auferstehen könne.

Ein ähnlicher Fall ereignete sich in Minnesota im Jahre 1989, als ein ebenfalls elfjähriges Mädchen mit Zuckerkrankheit starb, da es nicht effektiv behandelt worden war. Ihre Eltern orientierten sich nach der Christian Science.[13]

Im März 2008 starb in Clackamas County, Oregon (USA), laut ABC-News ein 15-monatiger Säugling an einer Lungenentzündung, die durch geeignete Antibiotika behandelbar gewesen wäre. Die Eltern setzten stattdessen auf eine tödliche Gebetstherapie.[14] Sie waren Mitglieder einer christlichen Sekte aus Oregon, die den Glauben an wirksame Geistheilungen verbreitet und der weitere 20 Todesfälle dieser Art zugeschrieben werden.

Am 15. Oktober 2008 starb ein 16-jähriger Junge an Herzversagen, weil seine Eltern ein heilendes Gebet einem ärztlichen Eingriff vorzogen. Die Eltern waren Anhänger der Followers of Christ Church in Oregon City, Oregon (USA).[15]

2008 wurde im US-Staat Oregon das Ehepaar Jeff und Marci Beagley verurteilt, da es von einem Gericht für schuldig am Tode ihres 16 Jahre alten Sohnes Neil befunden wurde (criminally negligent homicide). Den Eltern wurde nachgewiesen, dass sie als Mitglieder der Followers of Christ Church ihrem Sohn medizinische Hilfe vorenthielten. Neil starb an Komplikationen einer angeborenen Fehlbildung und Verlegung der ableitenden Harnwege. Diese Fehlbildung hätte behandelt werden können. Die Tochter des Ehepaares, Raylene Worthington, war zuvor vom Vorwurf des Totschlags freigesprochen worden. Sie hatte, zusammen mit ihrem Ehemann (der wegen Misshandlung verurteilt wurde), eine Behandlung ihrer 1 Monate alten Tochter unterlassen, die an einer Lungenentzündung erkrankt war und starb. Auch sie war Mitglied der Followers of Christ Church. Nach mehreren vermeidbaren Todesfällen bei „geistheilenden“ Familien der Followers of Christ Church wurde 1999 im Bundesstaat Oregon ein Gesetz verabschiedet, das es über 15-jährigen Jugendlichen erlaubt, sich selbst gegen den Willen der Eltern in medizinische Behandlung zu begeben.[16]

Eine wissenschaftliche Studie fand in der Fachliteratur für den zwanzigjährigen Zeitraum von 1975 bis 1995 172 Todesfälle von Kindern, deren Eltern sich zu Sekten bekennen, bei denen die Geistheilung eine gängige Praxis ist und die den Kindern ärztliche Hilfe aus religiösen Gründen vorenthielten. Bei 140 dieser Kinder wäre nach Ansicht der Studienautoren ein Überleben bei effektiver Therapie sehr wahrscheinlich gewesen und bei weiteren 18 wäre ein Überleben gut möglich gewesen. Bis auf drei Fälle hätte ärztliche Versorgung den Kindern in irgendeiner Weise helfen können.[17]

Studien

Zur Wirkung von Gebeten auf die Gesundheit gibt es zahlreiche Studien, die u.a. zu bestätigen scheinen, dass diese sich positiv auf Patienten auswirken, so z.B. nach Herzoperationen. Forschungen darüber sind allerdings zum Teil interessengeleitet. Die sehr einflussreiche Templeton Foundation, die sich zum Ziel gesetzt hat, Wissenschaft und Religion miteinander zu verbinden, fördert solche Studien. Diese Stiftung ist gemessen am Anlagevermögen einer der weltweit größten Investmentfonds (Jahresetat von 40 Millionen Dollar). Sie lobt den Templeton-Preis, die weltweit höchst dotierte Auszeichnung für einzelne Personen, aus. Mit ihr werden Verdienste an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Religion ausgezeichnet. Die Auszeichnung ist nicht an eine bestimmte Religion oder ein besonderes Gottesbild gebunden. (Wikipedia zu John Marks Templeton und denTempleton-Preis)

Dies führt dann zu Studien, die Fernwirkungen von Gebeten auf Herzoperierte untersuchen, oder zu Aussagen, dass regelmäßiger Kirchgang die Lebenserwartung um fünf bis sieben Jahre verlängere. Bei genauerer Betrachtung dieser Studien sind diese Aussagen jedoch methodisch nicht haltbar, weil beispielsweise die Probandenzahl zu gering war oder die Kriterien für den Therapieerfolg nicht nachvollziehbar sind. Andere Wirkfaktoren auf die Gesundheit werden zudem nicht mitbetrachtet, z.B. dass ein frommer Christ gesund lebt, weil er z.B. keinen Alkohol trinkt. Möglicherweise sind bei gesundheitsbewussten, nichtchristlichen Gemeinschaften ähnliche Ergebnisse feststellbar.[18]

Eine Wirkung von Gebeten auf die Gesundheit des Menschen ist somit nicht bewiesen.

Eine breit angelegte Studie der Harvard Medical School in Boston an 1.800 Patienten, die sich wegen verengter Herzkranzgefäße einer Bypass-Operation unterziehen mussten, zeigte, dass Gebete von Fremden keinerlei Wirkung auf die Gesundheit der Patienten hatten.

Dabei wurden die Patienten in drei Gruppen eingeteilt. Nur in zwei Gruppen wurde für die Patienten gebetet. Den Teilnehmern der ersten Gruppe sagte man, dass für sie eventuell gebetet würde; für sie wurde dann tatsächlich auch gebetet. Der zweiten Gruppe teilte man das Gleiche mit, doch betete man nicht für sie. Der dritten Gruppe sagte man, dass für sie mit Sicherheit gebetet würde, was dann auch getan wurde. Gebetet wurde von Nonnen und Mönchen, die die Namen der Patienten mitgeteilt bekamen und in ihre Fürbitte die Formel einschließen sollten. Es stellte sich heraus, dass die Häufigkeit von Komplikationen bei den Patienten, die unsicher waren, ob für sie gebetet wurde, gleich groß war und bei 50 Prozent lag, unabhängig davon, ob für sie gebetet wurde oder nicht. Die Kosten von rund zwei Millionen Euro wurden von der Templeton-Stiftung aufgebracht. [19]

Eine ausführliche Darstellung der Daten- und Studienlage zum in den USA beliebten Fürbittegebet (intercessory prayer) bei Krankheit ist in der englischen Wikipedia zu finden.

Die Mantra II-Untersuchung

In den USA wurde im Rahmen eines "Mantra II"-Experiments untersucht, ob "Gesundbeten aus der Ferne" eine Verbesserung der Heilungschancen bei Herzpatienten erzielen kann. An der Untersuchung nahmen mehr als 700 Patienten in neun Kliniken teil. Es beteten verschiedene Gruppen für bestimmte Patienten. Die Gebetsgruppen (Christen, Muslime, Juden und Buddhisten) versammelten sich auf Geheiß der Wissenschaftler außerhalb des Krankenhauses, also weit weg vom Patienten. Bei der Studie wurden 371 Patienten Gebetsgruppen zugeordnet, 377 Kranke bekamen keinen Beistand dieser Art. Zusätzlich erhielten die Hälfte der Patienten eine Therapie am Krankenbett, bei der sie unter anderem Musik hören konnten und von anderen Menschen berührt wurden. Die andere Hälfte der Kranken bekam nichts dergleichen. Die US-Forscher stellten trotz intensiver Gebete keine Verbesserung für die Herzpatienten fest. Das eindeutige Fazit: «Beten für Patienten, die andernorts behandelt werden, oder eine Therapie am Bett mit Musik und Berührung verbessert nicht messbar die klinischen Ergebnisse», fassen die Autoren unter Leitung von Prof. Mitchell Krucoff von der Duke University in Durham (US-Staat North Carolina) zusammen.[20]

Weblinks und Quellen

Quellenverzeichnis

  1. http://www.kgw.com/news/Verdict-reached-in-trial-of-parents-in-faith-healing-death-83365387.html
  2. R. C. Byrd: Positive therapeutic effects of intercessory prayer in a coronary care unit population; in: South Med J. 81/7 (1988), S. 826–829; PMID 3393937.
  3. M. W. Krucoff u. a.: Integrative noetic therapies as adjuncts to percutaneous intervention during unstable coronary syndromes: Monitoring and Actualization of Noetic Training (MANTRA) feasibility pilot; in: Am Heart J. 142/5 (2001), S. 760–769; PMID 11685160.
  4. M. W. Krucoff u. a.: Music, imagery, touch, and prayer as adjuncts to interventional cardiac care: the Monitoring and Actualisation of Noetic Trainings (MANTRA) II randomised study; in: Lancet 366/9481 (2005), S. 211–217; PMID 16023511.
  5. K. S. Masters, G. I. Spielmans: Prayer and health: review, meta-analysis, and research agenda; in: J Behav Med. 30 (2007), S. 329–338. PMID 17487575.
  6. K. S.  Masters u. a.: Are there demonstrable effects of distant intercessory prayer? A meta-analytic review; in: Ann Behav Med 32 (2006), S. 21–26; PMID 16827626.
  7. H. Benson u. a.: Study of the Therapeutic Effects of Intercessory Prayer (STEP) in cardiac bypass patients: a multicenter randomized trial of uncertainty and certainty of receiving intercessory prayer; in: Am Heart J 151, S. 934–942; PMID 16569567.
  8. Faith Healing. Making Treatment Decisions. American Cancer Society. Juni 2009. [1]
  9. http://www.huffingtonpost.com/2013/04/23/herbert-catherine-schaible_n_3138001.html
  10. http://www.dailymail.co.uk/news/article-1353071/Christian-parents-shunned-medicine-prayer-son-died-spared-prison.html
  11. http://www.pro-medienmagazin.de/?id=gesellschaft&news[action]=detail&news[id]=6562
  12. http://www.foxnews.com/story/0,2933,341574,00.html
  13. Minnesota Supreme Court Entscheidung (1991) im Falle State v. McKown
  14. http://abcnews.go.com/Health/story?id=4550151&page=1
  15. http://www.koinlocal6.com/news/state/story.aspx?content_id=3424bfb7-66fb-4aec-97da-a3e663b544e6
  16. http://www.kgw.com/news/Verdict-reached-in-trial-of-parents-in-faith-healing-death-83365387.html
  17. Asser SM, Swan R., Child fatalities from religion-motivated medical neglect, Pediatrics. 1998 Apr;101(4 Pt 1):625-9
  18. http://www.focus.de/wissen/wissenschaft/forschung-und-technik-gesundbeten-geht-nicht_aid_210508.html
  19. http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/studie-gesundbeten-bleibt-bei-herzkranken-ohne-erfolg/698684.html
  20. Krucoff MW, Crater SW, Gallup D, Blankenship JC, Cuffe M, Guarneri M, Krieger RA, Kshettry VR, Morris K, Oz M, Pichard A, Sketch MH Jr, Koenig HG, Mark D, Lee KL. Music, imagery, touch, and prayer as adjuncts to interventional cardiac care: the Monitoring and Actualisation of Noetic Trainings (MANTRA) II randomised study. Lancet. 2005 Juli, 6-22;366(9481):211-7.