Gerson-Diät: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 13. Januar 2009, 17:28 Uhr

Der deutschstämmige Arzt Max Gerson (1881-1959) entwickelte im Laufe seines Lebens mehrere umstrittene Diäten zur Behandlung schwerer Krankheiten wie Tuberkulose oder Krebs, die als Gerson-Diäten bekannt wurden. Nach seinem Tode wurden seine Therapien von Familienmitgliedern fortgeführt. Sie spielen insbesondere in mexikanischen Privatkliniken eine Rolle.

Max Gerson

Max Gerson wurde 1881 im deutschen Wongrowitz geboren. Er studierte in Breslau, Würzburg, Berlin und Freiburg Humanmedizin und arbeitete während des III. Reiches an der Berliner Charité unter dem Chirurgen Ferdinand Sauerbruch.

Gerson gelangte mit verschiedenen diätetischen Verfahren zu zweifelhaftem Ruf in den 1920er Jahren. Glaubt man dem Gerson-Institut (http://www.gerson.org/aboutdrmax.shtml), so litt Gerson an schwerer Migräne und hat diese allein durch eine Migräne-Diät überwunden. Auf dieser Basis entwickelte Gerson dann eine Tuberkulosediät, die einige Aufmerksamkeit erreichte und ihm die Bekanntschaft von Ferdinand Sauerbruch an der damals berühmten Berliner Charité einbrachte.

Die Gerson Anti-Tuberkulose Diät

Tuberkulose war in der vorantibiotischen Ära und vor allem in der Nachkriegszeit des I. Weltkrieges ein erhebliches öffentliches Gesundheitsproblem. In der Weimarer Zeit starben zehntausende Tuberkulosekranke jedes Jahr, weil keine wirksame Therapie zur Verfügung stand. In der Regel wurde den betroffenen Patienten, soweit dies möglich war, das infizierte Lungengewebe chirurgisch entfernt. Dieser Eingriff war Routine und durch Ferdinand Sauerbruch als dem deutschen Chirurgen, der die Thoraxchirurgie erst begründet hatte, vervollkommnet worden. Es war also naheliegend, dass Gerson mit seiner Anti-Tuberkulose-Diät bei Sauerbruch an der Charité landete. Sauerbruch wurde eigenen Angaben zufolge zufällig auf Gerson aufmerksam (Sauerbruch et al. 1926). Er war sich allerdings der Vielzahl fragwürdiger Methoden im Bereich der damaligen Tuberkulosetherapie bewusst. So schrieb er: "Wer die unzähligen Mittel kennt, die mit großer Begeisterung in steter Folge gegen diese Seuche angepriesen worden sind, der weiß auch, wie rasch sie alle wieder vom Markte verschwanden, und wird vorsichtiger Zurückhaltung volles Verständnis entgegenbringen" (Sauerbruch et al. 1926).

Was war die Gerson-Diät gegen Tuberkulose?

Im älteren medizinischen Schrifttum der 1920er und 1930er Jahre finden sich vor allem in der Münchner Medizinischen Wochenschrift einige Artikel über die Gerson'sche Diät. In der ältesten Publikation von Sauerbruch (Berlin), Herrmannsdorfer (München) und Gerson (Bielefeld) Über Versuche, schwere Formen der Tuberkulose durch diätetische Behandlung zu beeinflussen (Sauerbruch et al. 1926), waren die Autoren der Auffassung, dass man durch Änderungen der Nahrungsaufnahme auf den Krankheitsverlauf einwirken könne.

Sauerbruch hatte zwei Mitarbeiter seiner Klinik, Dr. A. Herrmannsdorfer und Prof. Schmidt, zu Gerson nach Bielefeld entsandt, um dessen Diät zu studieren. Man kam zur Auffassung, dass sie überprüfenswert sei. Das bayerische Kultus- und das bayerische Finanzministerium waren bereit, sich an der Studie finanziell zu beteiligen. Durch die Militär-Sanitätsbehörden (Generalarzt Prof. Selling, Generaloberärzte von Heuß und Lehle) wurden Räumlichkeiten und Geräte beschafft. Das Wohlfahrtsamt der Stadt München förderte die Untersuchung ebenso. Die Ehefrau und die Tochter von Dr. Herrmannsdorfer sorgten für die Herstellung der diätetischen Kost und leiteten die Küche.

Ab März 1925 behandelten Sauerbruch, Herrmannsdorfer und Gerson eine nicht näher benannte Zahl von Tuberkulosekranken mit folgenden diätetischen Vorgaben:

  • verbotene Speisen: Kochsalz, Konserven jeder Arzt, geräuchertes oder gewürztes Fleisch, Wurst und Schinken, Essig, Maggi, Bouillonwürfel
  • beschränkt erlaubte Speisen: frisches Fleisch (bis 500 g pro Woche), Eingeweide (Bries, Hirn, Leber, Lunge, Nieren, Milz), frische Fische, Pfeffer, Liebigs Fleischextrakt, Bier ('Hellbier' oder Malzbier), Malaga, Rotwein (als Zusatz zu Speisen), Kaffee, Tee, Kakao (zum Färben der Milch)
  • erlaubte Speisen: Milch (1-1.5 Liter/Tag) in jeder Zubereitungsform, Butter, Obst jeder Art, Salat und Gemüse (nicht abgebrüht, nur frisch), rohe Presssäfte aus Gemüsen als Zusatz zu Suppen und anderen Speisen, Mehl jeder Arzt, Eier (z.B. in Majonnaise, Pudding), Reis, Zucker, Olivenöl und Schmalz, reichlich Gewürze (um den Kochsalzmangel zu verdecken)
  • besondere Arzneien: Phosphorlebertran (45 g/Tag) und Mineralogen (Kationen: Kalzium, Magnesium, Strontium, Natrium, Wismut, Aluminium; Anionen: Phosphorsäure, Sulfate, Thiosulfate, Kieselsäure, Karbonate, Brom, Salizyl- und Milchsäure; Albumin als Bindemittel) 3 mal täglich nach dem Essen 1 gehäufter Teelöffel.

Kernaussage dieser Diätform laut Sauerbruch et al. (1926): Kochsalzentziehung und gleichzeitige Überschwemmung des Körpers mit anderen Mineralien ist nach unserer Auffassung das Besondere dieser Ernährungsart.

Obgleich diese erste Publikation der sog. Sauerbruch-Herrmannsdorfer-Gerson-Diät im Januar 1926 erfolgte, die bisherige Diätstudie also bereits über ein halbes Jahr dauerte, teilten die Autoren keine Resultate ihrer Untersuchung mit. Es wurde zwar in diesem Artikel eine weitere Publikation angekündigt, sie erfolgte aber nicht.

Frühe Kritik in der Ärzteschaft

Das fragwürdige Publikationsverhalten von Sauerbruch et al. (1926) gab schnell Anlass zur Kritik. So bemängelten Prof. A. Baemeister und Polizei-Medizinalrat Dr. P. Rehfeldt (1929): "Die Gerson-Herrmannsdorfersche Diät zur Heilung der Tuberkulose steht augenblicklich im Vordergrund des Interesses für die Behandlung der Tuberkulose. Leider ist diese sowohl theoretisch wie praktisch noch völlig ungeklärte und in ihren Wirkungen und Folgen noch unübersehbare Behandlungsmethode aus den medizinischen Fachblättern in die gesamte populäre Presse übergegangen. Die Tageszeitungen, die illustrierten Blätter, Frauenzeitungen usw. haben ihrem Leserkreise die günstigen Wirkungen der kochsalzfreien Ernährung zur Heilung der Tuberkulose, vor allem auch der Lungentuberkulose, als bereits feststehende Tatsache gebracht und einen Optimismus bei den Kranken und ihren Angehörigen erweckt [...], der zu ernster Sorge berechtigt."

Baemeister und Rehfeld (1929) kritisierten vor allem die hohe Dosis an Phosphorlebertran. Die eingenommene Phosphormenge pro Tag (0.025 g) lag um ein Vielfaches über der damals angenommenen, sicheren Höchstmenge (0.001 g): Es handelt sich also um sehr große Mengen eines stark wirkenden Giftes, welche durch lange Zeit, durch Monate hindurch einem tuberkulosekranken Menschen einverleibt werden sollen.

Wird Phosphor dem Organismus zugeführt, kann er zu Gewichtszunahme führen. In den 1930er Jahren wurde dies gerade im Bereich der TBC-Behandlung als 'Behandlungserfolg' fehlinterpretiert. Nur weil der ursprünglich abgemagerte Patient an Gewicht zeitweise zunahm, bedeutete dies noch lange keine Heilung.

Deutliche Nebenwirkungen unter Gerson-Diät

Baemeister und Rehfeldt (1929) veröffentlichten eine umfangreiche Einzelfallbeschreibung eines 26-jährigen Akademikers, der seine hauptsächlich einseitige Lungentuberkulose 3 Monate lang bei den Autoren hatte behandeln lassen. Danach hatte er die Gerson-Diät ausprobiert und litt bereits nach wenigen Tagen an heftigen Durchfällen und entwickelte am 11. Tag ein juckendes, papulöses Exanthem an Gesicht, Rumpf und Extremitäten. Dieses verschwand, als der Phosphorlebertran abgesetzt wurde. Zwei Tage später begann er wieder mit der Lebertraneinnahme und erlitt 6 Tage später einen anaphylaktischen Schock. Daraufhin unterblieb naheliegenderweise die Lebertraneinnahme, so dass sich der Patient langsam wieder erholte. Am 6. Tag nach diesem schweren Ereignis war er wieder bewusstseinsklar, litt aber unter Gedächtnisstörungen. Baemeister und Rehfeldt (1929) führten diese Komplikationen auf eine kontinuierliche Phosphorvergiftung zurück. Sie meinten: "Zusammenfassend müssen wir mit allem Nachdruck darauf hinweisen, daß wir die angegebene Dosierung des Phosphorlebertrans - besonders auf lange Zeit hinaus gegeben - für eine ernste Gefährdung der Kranken halten und vor der Verwendung so hoher Dosen nachdrücklich warnen. Wir halten dabei den Phosphorlebertran [...] für einen bedeutsamen Faktor in der ganzen Diätbehandlung der Tuberkulose, durch dessen Wirkung eine Reihe der erzielbaren Erfolge auch ohne Diät erklärt werden können."

Gerson senkt den Phosphoreintrag in der Diät

Aufgeschreckt durch die Kritik von Baemeister und Rehfeldt (1929) versuchte sich Gerson (1930) in Schadensbegrenzung. In dem entsprechenden Beitrag reduzierte er plötzlich die Empfehlung des Lebertrans deutlich oder verzichtete sogar vollständig darauf. Er schob die angebliche Wirksamkeit seiner Diät auf Chlorentziehung und Überschüttung mit Vitaminen und Mineralsalzen.

So einfach ließ man Gerson aber nicht davon kommen. Neuerlich kritisierten Baemeister und Rehfeldt (1930) Gersons Ausführungen. Sie erkannten und begrüßten korrekt, dass er auf einmal die Phosphorlebertrandosis reduziert hatte. Sie wiesen aber auch darauf hin, dass es nur der Phosphor im Lebertran war, der in hohen Dosierungen zur Gewichtszunahme und damit zur nur scheinbaren Heilung der Patienten führte. Wurde die Dosierung des Phospholebertrans reduziert, war auch die Gewichtszunahme dementsprechend niedriger. Zusätzlich kritisierten die Autoren die nur scheinbar kochsalzarme Diät von Gerson. Nachberechnungen hatten ergeben, dass nicht 1.6-2.1 g Kochsalz täglich zugeführt würden, sondern mit 7.7 g mehr als die dreifache Menge.

Gerson gerät in Fachkreisen unter Druck

Die Kritik an Gersons Diät nahm deutlich zu. Im Jahr 1930 distanzierten sich Ferdinand Sauerbruch und sein Kollege Hermannsdorfer von den Gerson'schen Diätvorschriften. Dies geschah offensichtlich vor dem Hintergrund der Gesundheitsgefährdung durch den zu hohen Phosphoreintrag. Alexander (1930) meinte in diesem Zusammenhang: "Beim Studium der Gersonschen Veröffentlichungen kann man sich des Gefühls nicht erwehren, als wenn von einer durchgearbeiteten und bis zu Ende entwickelten Methode vorläufig keine Rede sein könne. Auf die verschiedenen Widersprüche hat schon Baemeister hingewiesen. Ich erinnere noch an die Vorschriften wegen Phosphorlebertran: Im September 29 wird von Gerson bedingungslos dieses Mittel als regelmäßige Zugabe vorgeschrieben. Im März 30 liest man schon, das derselbe Autor seit 1/2 Jahr (!) zuerst gar keinen Lebertran gibt und dann wesentlich kleinere Dosen. Auch sonst muß man vielfach den Eindruck gewinnen, als wenn G. in der Diagnose und Beurteilung der Kranken nicht immer den erforderlichen kritischen Maßstab anlegte."

Gerson geht nach Amerika

Im Jahre 1938 verliess Max Gerson Deutschland und emigrierte in die USA. Nachdem er zunächst in New York einen Zwischenstopp eingelegt hatte, gründete er in Kalifornien das Gerson Institute (Imperial Beach, California). Als Gerson 1959 starb, hatte man seine Tuberkulose-Kur in Fachkreisen längst vergessen. Sie lebte allerdings in modifizierter Form als Gerson-Diät gegen Krebs fort. Auch in dieser Form taumelte sie von Skandal zu Skandal, wird aber immer noch im US-amerikanischen Raum und zunehmend auch von esoterisch angehauchten Heilpraktikern angepriesen. Nicht selten werden die angeblichen Erfolge der Gerson-Diät gegen Tuberkulose verfälschend dargestellt, um Tumorpatienten die entsprechende Krebsdiät verkaufen zu können. Beide Wunderkuren sind nachweislich wirkungslos.

Gerson-Diät gegen Krebs

Gerson war während der Zeit des Nationalsozialismus an der Berliner Charité als Mitarbeiter von Ferdinand Sauerbruch bis zum Jahre 1938 tätig. Danach verließ er Deutschland, um zunächst in New York eine Praxis zu eröffnen und Privatpatienten zu behandeln.

In der onkologischen Naturheilkunde wurde Gerson ab dem II. Weltkrieg dadurch bekannt, dass er die, nach ihm selbst benannte, Gerson-Diät gegen Krebs propagierte. Diese wurde und wird immer noch jährlich von Tausenden von Patienten angewendet. Den Patienten wird eine rohe, vegetarische Gemüsekost mit frisch gepressten Säften angeboten, wobei zusätzlich mittels vier verschiedener Einläufe (u.a. mit Kaffeelösung) und unter Einnahme von 2-3 Gläsern frischem Kalbsleberserum täglich Giftstoffe aus dem Körper ausgeleitet werden sollen. Weitere Kennzeichen seiner Diät sind Kochsalzarmut, massive Einschränkung von Fett, zeitweise Einschränkung von Protein und die Gabe von Kalium, Jod und Vitamin C. Die Diät wurde aber später modifiziert. Das Kalbsleberserum hatte bei einigen Patienten zu erheblichen Gesundheitsschäden geführt und wurde in der Folge durch Karottensaft ersetzt (Weizmann 1998).

Besieht man sich die Diätvorschriften von Gerson näher, so ist zu erkennen, dass es sich bei seiner Methode um eine anfänglich strenge Gewichtsreduktionsdiät handelt, bei der der Patient Gewicht dadurch verliert, dass ihm die Fett- und Proteinzufuhr abgedreht wird. Diese Vorgehensweise ähnelt einer abgeschwächten Form der Nulldiät, wie sie beim Heilfasten benutzt wird. Flüssigkeitsverluste werden durch reichliche Flüssigkeitsaufnahme ausgeglichen und dem Elektrolytverlust wird durch Kaliumgabe entgegengewirkt, wobei der Verlust von Natrium bewusst in Kauf genommen wird.

Die Gabe von Mega-Dosen an Vitamin C, wie sie von Max Gerson propagiert wurde, ist bei Krebspatienten in fortgeschrittenem Stadium leider völlig wirkungslos. So gaben Creagan et al. (1979) 123 Krebspatienten, die an verschiedenen Tumorarten litten (u.a. kolorektales Karzinom, Pankreas-, Lungen- und Magenkarzinom) randomisiert, doppelblind und placebokontrolliert 10 g Vitamin C oral pro Tag, aufgeteilt in 4 Einzeldosen und dies solange, bis die Patienten an ihrem Tumorleiden verstorben waren. Es zeigte sich bei der Analyse der Überlebenszeitspannen, dass sich die Überlebenszeiten der 60 Vitamin C-behandelten Patienten in keiner Weise von jenen der 63 Placebo-behandelten Tumorpatienten unterschieden. Creagen et al. (1979) sprachen sich deshalb gegen die Gabe von Vitamin C-Megadosen bei Tumorerkrankten aus.

Die Therapie bleibt in der Familie

Als Dr. Gerson im Jahre 1959 starb, übernahm seine Tochter, die Ärztin Charlotte Gerson-Strauss, seine Therapie und propagierte diese u.a. im Hospital de Baja California - einem umgebauten Motel im mexikanischen Tijuana.

Tijuana liegt sehr nahe an der US-amerikanischen Grenze und hat sich auf Grund der laxen Rechtsvorschriften und miserablen Kontrollinstanzen des Gesundheitsbereichs in Mexiko, dessen Polizei- und Justizapparat zudem nicht selten korrupt ist, zu einem El Dorado für Anbieter fragwürdiger Therapieverfahren entwickelt.

Frau Gerson-Strauss verlangte für ihre Saft- und Einlauf-Kur von Krebspatienten die stolze Summe von bis zu $ 4.000 pro Behandlungswoche. Dabei mussten die Patienten bei Aufnahme in die Klinik ein Formular unterschreiben, dass das propagierte Verfahren keinerlei Anspruch auf Wirksamkeit, auch nicht bei Krebs, erhebe (Anonymous 1993).

Behauptungen der therapeutischen Wirkungen halten keiner Prüfung stand

Fr. Gerson-Strauss behauptete, dass die Gerson-Diät selbst bei Krebspatienten im Endstadium in bis zu 50% der Fälle Remissionen erzeugen könne und Norman Fritz, Vizepräsident des Gerson-Institutes, wollte sogar eine Remissionsrate von 70-80% bei Patienten mit Melanomen oder metastasierendem Lungenkarzinom erreicht haben. Selbst bei Gehirntumoren sei die Remissionsrate 30% gewesen (Anonymous 1993).

Diese Behauptungen, die zu Beginn der 80er Jahre aufgestellt worden waren, erschienen deshalb erstaunlich, weil bereits im Jahre 1947 das National Cancer Institute Behandlungsfälle von Max Gerson nachprüfen ließ. Das New York County Medical Society Committee befragte 10 Patienten, die die Gerson-Diät durchgemacht hatten und konnten keinen Hinweis auf eine Wirksamkeit der von Max Gerson selbst proklamierten Heilungen finden. Die NCI prüfte sogar die 50 Fallberichte nach, die Gerson in seinem Büchlein "A Cancer Therapy: Results of Fifty Cases" aufgeschrieben hatte und welches auch in deutscher Sprache verkauft wird. Die NCI stellte fest, dass die dort mitgeteilten Berichte qualitativ so schlecht waren, dass man mit ihnen keine Wirksamkeit der Gerson-Diät beweisbar war (Anonymous 1993). Das hinderte natürlich weder Max Gerson noch seine Nachfolger, dieses Buch weiter als den Beweis für die Wirksamkeit der Gerson-Diät zu benutzen. Auf der Homepage des Gerson-Institutes, das sich mittlerweile im US-amerikanischen Kalifornien befindet, wird derzeit die 6. Auflage für $ 19,90 angeboten.

Das Ungemach, das das National Cancer Institute der Gerson-Diät Anfang der 1950er Jahre bereitete, sprach sich sogar in der damaligen deutschen Naturheilkundeszene herum. Schon im ersten Band der Zeitschrift Erfahrungsheilkunde war 1951 Folgendes zu lesen: "Im Jahre 1945 und 1949 veröffentlichte Gerson in medizinischen Zeitschriften Arbeiten über eine Kombination seiner Rohkostdiät mit Chemotherapie, womit er Krebsfälle geheilt habe. Diese Angaben, die Gerson offensichtlich in gutem Glauben gemacht hat, da unter seiner Behandlung die Schmerzen der Patienten nachließen und manche Patienten sich viel besser und kräftiger fühlten, konnten nicht belegt werden und haben eine wohlbegründete Kritik hervorgerufen, die, wie in solchen Fällen üblich, mit großer Bitterkeit vermischt war." (Erfahrungsheilkunde 1951/52). Blättert man in späteren Bänden dieser der Alternativmedizin zugewandten Zeitschrift, so fällt auf, dass die Gerson-Diät seit dieser Zeit keine Erwähnung mehr gefunden hat. Dies mag auch daran liegen, dass Diät-Therapien bei Krebspatienten eine vergleichsweise untergeordnete Rolle spielen. Die US-Professorin Barrie Cassileth befragte im Jahre 1984 insgesamt 660 Krebspatienten hinsichtlich der Häufigkeit der Nutzung paramedizinischer Verfahren. Nicht einmal 10% von ihnen (n=63) gaben an, diätetische Maßnahmen zusätzlich zur konventionellen Therapie zu nutzen (Cassileth et al. 1984).

Nachprüfungen zeigen, dass die Diät erfolglos und gefährlich ist

Frau Gerson-Strauss behauptete beispielweise, dass der österreichische Arzt Peter Lechner herausragende Erfolge mit der Gerson-Diät bei 70 Patienten erreicht hätte, obwohl diese Patienten bereits jenseits jeglicher therapeutischen Möglichkeiten gewesen waren. Als Lechners Bericht genauer nachgeprüft wurde, fanden sich gerade einmal 29 Fallberichte, die allesamt konventionell behandelt worden waren und Lechners privat veröffentlichter Bericht bot keinerlei Anhalt dafür, dass die Gerson-Diät auch nur im Ansatz erfolgreich gewesen wäre (Anonymous 1993).

Im Jahre 1989 besichtigte ein Team aus britischen Forschern die Gerson-Klinik, um sich die besten Fälle der Klinik anzusehen und psychologische Untersuchungen durchzuführen. Die Ärzte stellten fest, dass sich die Patienten nach der Diät zwar subjektiv besser fühlten, aber es war ebenso offensichtlich, dass in keinem Fall eine Verbesserung des objektiven Befundes vorhanden war.

Bisher gibt es keine einzige Studie der Gerson-Klinik bzw. des Gerson-Institutes, in der glaubwürdig eine Langzeituntersuchung der behandelten Patienten durchgeführt wurde und dies trotz der Tatsache, dass es die Diät bereits seit den 1940er Jahren gibt. Aber Norman Fritz, Leiter des Gerson-Institutes, hatte dafür bereits 1986 eine wunderbare Ausrede: diese Follow-ups seien einfach zu teuer und die dafür notwendige Arbeitsleistung könne nicht bereit gestellt werden. Zwar wurde im Jahre 1987 von einem Vertreter des Gerson Institutes (G. Hildenbrand) im Newsletter der Klinik eine 10-Jahres-Studie bei 4.000 Patienten angekündigt (Anonymous 1993), aber mittlerweile sind 13 Jahre verstrichen und bisher findet sich nichts über diese riesige Studie in der medizinischen Fachpresse.

Gerson-Klinik propagiert Wirksamkeit der Diät bei Melanom-Patienten

In einer von der Gerson Research Organization, San Diago (Kalicornien/USA) veröffentlichten Studie wurde über die 5-Jahres-Überlebensraten von Hautkrebspatienten berichtet, die neben der Gerson-Diät u.a. auch Kaffee-Einläufe erhalten hatten. Die Mortalitätsraten 5 Jahre nach Diagnosestellung der Gerson-Studie zeigt die folgende Aufstellung im Vergleich zu Überlebensraten eines 4.000-köpfigen Kollektivs (DeVita et al. 1997).

  • Gerson-Studie: im Stadium IA (Clark II; Tumordicke n. Breslow bis 0,75 mm) waren von 4 Pat. nach 5 Jahren keiner verstorben (= 0% Mortalitätsrate) .Fachliteratur: Die 10-Jahres-Überlebensrate liegt bei solchen Melanomen in der Regel bei 90-95%.
  • Gerson-Studie: im Stadium IB (Clark III; Tumordicke n. Breslow 0,75 - 1,5 mm) waren von 7 Patienten nach 5 Jahren keiner verstorben (0% Mortalitätsrate). Fachliteratur: Die 10-Jahres-Überlebensrate liegt bei solchen Melanomen in der Regel bei ebenfalls bis zu 95%.
  • Gerson-Studie: im Stadium II (Clark IV; Tumordicke n. Brewslow 1,5 bis 4 mm) waren von 3 Pat. nach 5 Jahren keiner verstorben (0% Mortalitätsrate). Fachliteratur: Die 10-Jahres-Überlebensrate liegt bei solchen Melanomen in Abhängigkeit von der Tumordicke zwischen 60% (2.5-4.0 mm) bis 80% (1.50-2.49 mm).
  • Gerson-Studie: im Stadium IIIA (Clark V; Tumordicke n. Breslow über 4 mm; ggf. bereits umgebende Lymphknoten befallen und Metastasen vorhanden) waren von 20 Pat. nach 5 Jahren 3 verstorben (20% Mortalitätsrate). Fachliteratur: Die 10-Jahres-Überlebensrate liegt bei solchen Melanomen zwischen 30-40%.
  • Gerson-Studie: im Stadium IIIB (großer Lokaltumor mit Lymphknotenbefall und z.T. mit großen Fernmetasasen) waren von 15 Pat. nach 5 Jahren 7 verstorben (46,6% Mortalitätsrate). Fachliteratur: Die 5- und 10-Jahres-Überlebensraten betragen in diesem Stadium 45% bzw. 13%.
  • Gerson-Studie: im Stadium IVA/B (großer Lokaltumor mit Lymphknotenbefall und ausgedehnten Fernmetastasen) waren von 104 Pat. (18 im Stadium IVA - davon 11 verstorben; 86 im Stadium IVB, davon alle verstorben) nach 5 Jahren 97 verstorben (93,2% Mortalitätsrate). Fachliteratur: Die 5-Jahres-Überlebensrate bei Patienten im Stadium IVB liegt bei 2%.

Über eine nicht nach Gerson behandelte Patientengruppe, die hätte als Kontrollgruppe fungieren können, wurde in der Studie nicht berichtet. Die Autoren (Hildenbrand et al. 1995) suchten sich lediglich Überlebensraten aus Vergleichsstudien heraus und kamen zu der Überzeugung, dass ihre Behandlungserfolge - gemessen an der Überlebensrate - besser sei als jene konventioneller Behandlungsethoden.

Diese Einschätzung ist jedoch fragwürdig, da in der gesamten Studie kein Wort darüber verloren wird, wie die Patienten nun tatsächlich behandelt wurden. Weder wird erwähnt, ob die Patienten konventionell onkologisch therapiert wurden, noch wurde berichtet, wie genau die Tumordiagnose gesichert wurde. Da die Autoren über 14 Patienten berichten, die sie nach Studienbeginn aus der Bewertung ausschlossen (drei davon, weil es sich bei der Erkrankung nicht um ein malignes Melanom gehandelt hatte!), ist unklar, ob die Diagnose wirklich professionell gestellt worden war.

Die Autoren verglichen ihre Überlebensraten mit anderen aus der Fachliteratur, beschränkten sich dabei aber stets auf Resultate von mindestens ebenso kleinen Erhebungen - z.T. waren die in der Vergleichsliteratur untersuchten Patientenzahlen deutlich geringer als jene in der Gerson-Studie. Da Überlebensraten-Analysen umso ungenauer sind, je kleiner das beobachtete Kollektiv ist und auch in der Gerson-Studie die Verteilung der Patienten in die einzelnen Tumorstadien unausgewogen ist, ist es durchaus wahrscheinlich, dass sich die scheinbar etwas besseren Überlebensraten der Gerson-Befürworter in einer größeren Untersuchung nicht derart darstellen dürften. Dies deshalb, weil es in der Gerson-Studie nur eine einzige (!) Tumor-Gruppen gibt, die ausreichend mit Fallzahlen besetzt sind, um eine tendenzielle Bewertung der Überlebensraten durchzuführen - nämlich auf der Basis der 86 Patienten im Stadium IVB. Und dass bei so schwer erkrankten Patienen die Überlebensraten nach 5 Jahren auf 0% geschrumpft sind, erstaunt nicht. Unter konventioneller Behandlung ist das leider zur Zeit auch der Fall.

Die Gerson-Studie ist eine kaum verwertbare Quelle, weil die Überlebensraten von Melanompatienten von verschiedenen Faktoren abhängen. Der möglichst frühzeitigen Entdeckung des Tumors, der gleichzeitig noch möglichst flach, einen geringen Durchmesser und nicht in die tieferen Hautschichten eingedrungen sein sollte. Nur dann sind die 5- und 10-Jahresüberlebensraten gut. Da bereits kleine Unterschiede in der Tumorgröße bei Diagnosestellung einen erheblichen Einfluss auf die Prognose des Patienten haben, muss gerade bei solchen Studien strikt auf eine exakte Dokumentation, histologische Untersuchung und Größenbestimmung des Tumors geachtet werden. Sich - wie die Autoren der Gerson-Studie - bei der Überlebenszeitanalyse auf Fallzahlen von 4 (Stadium IA), 7 (Stadium IB) oder 18 (Stadium IVA) zu beschränken, ist deshalb fragwürdig, weil diese Patientenzahlen für eine statistische Überlebenszeitanalyse viel zu niedrig sind. Den nicht im onkologischen Fach bewanderten Leser mögen zwar die scheinbar besseren Überlebensraten der nach Gerson behandelten Patienten beeindrucken, jedoch ist dies ein Analogieschluss auf der Basis einer viel zu kleinen Untersuchungsgruppe, die zudem extrem ungleich verteilt war.

Gerson-Therapie verursacht Natriummangelzustände, Sepsis und Todesfälle

In verschiedenen Krankenhäusern der US-Stadt San Diego wurden in der Zeit von 1980-1986 nämlich 13 Patienten eingeliefert, die eine Gerson-Behandlung durchgemacht hatten. Sie wiesen eine massive bakterielle Infektion (Sepsis) mit dem Erreger Campylobacterfetus auf, was darauf zurückzuführen war, dass Gerson-Therapeuten den Patienten Injektionen mit unsterilen Lösungen in die Leber appliziert hatten. Keiner der 13 Patienten war bei Einlieferung krebsfrei gewesen. Ein Patient starb innerhalb einer Woche nach Aufnahme an seinem Krebsleiden. Fünf weitere Patienten waren in komatösem Zustand eingeliefert worden, der u.a. auf massiven Natriummangel zurückgeführt werden konnte. In anderen Fallberichten wurde über massive Infektionen und Todesfälle auf Grund von Elektrolytverschiebungen berichtet, die sich bei Patienten ereignet hatten, die Gerson'sche Kaffee-Einläufe erhalten hatten (Istre et al. 1982, Eisele und Reay 1980).

Gerson's Institute im Internet

Das Gerson-Institute hat eine Präsenz im Internet und zwar unter den Adressen www.gerson.com und www.gerson.org. Besucht man die Seiten, erkennt man schnell, dass die Standardargumentation primär auf zwei Faktoren basiert: der Verleumdung konventioneller Behandlungsmethoden und der unkritischen Überhöhung des Übervaters Max Gerson. Verstärkt wird dies durch eine Hauszeitung (Healing Online). Natürlich finden sich auch ein paar Wundergeheilte auf der Seite, deren Krankengeschichten aber so knapp sind, dass man aus ihnen nichts Relevantes hinsichtlich der Wirksamkeitsbeurteilung entnehmen kann.

Von der Gerson-Diät wird abgeraten

Eine ganze Reihe von onkologischen Fachgesellschaften, nicht zuletzt auch die Schweizer Krebsliga und die Deutsche Krebsgesellschaft, warnen seit vielen Jahren vor der Nutzung solcher Tumordiäten. Das subjektive Wohlbefinden, welches die Gerson-Diät ohne Zweifel bei einer Reihe von Patienten erzeugen kann, basiert primär darauf, dass durch die Hungerdiät endogene Morphine freigesetzt werden, wie es auch bei anderen Fastenkuren der Fall ist. Man pusht sich durch Hungern in ein Stimmungshoch, das nach Beendigung der Kur sogar noch ein paar Wochen anhalten kann. Dass man sich dabei die letzten Reserven aus dem Leibe hungert, wird sich in diesem Erkrankungsstadium kaum ein Tumorpatient eingestehen. Das Gefährliche an solchen Tumor-Diäten, die für den Patienten körperlich z.T. stark belastend sind, ist, dass man sich selbst eine Heilung einredet und sich damit mehr oder weniger effektiv für eine gewisse Zeit den Blick auf die gesundheitliche Wirklichkeit blockiert.

Quellennachweise

  • Baemeister A, Rehfeldt P: Phosphorlebertran und die Gerson-Herrmannsdorfersche Diät zur Heilung der Tuberkulose. Münch Med Wschr, Nr.49, 2050-2053, 1929
  • Gerson M: Phosphorlebertran und die Gerson-Herrmannsdorfersche Diät zur Heilung der Tuberkulose. Münch Med Wschr, Nr.12, 478-480, 1930
  • Sauerbruch F, Herrmannsdorfer A, Gerson M: Über Versuche, schwere Formen der Tuberkulose durch diätetische Behandlung zu beeinflussen. Münch Med Wschr, 73(2), 47-51, 1926
  • Anonymous: Questionable Methods of cancer management: "Nutritional" therapies. CA Cancer J Clin, 43, 309-319, 1993
  • Cassileth BR, Lusk EJ, Strouse TB, Bodenheimer BJ: Contemporary unorthodox treatments in cancer medicine. Annals Internal Med, 101, 105-112, 1984
  • Creagan ET, Moertel CG, O'Fallon JR, Schutt AJ, O'Connell J, Rubin J, Frytak S: Failure of high-dose vitamin C (ascorbic acid) therapy to benefit with advanced cancer. N Engl J Med, 301, 687-690, 1979)
  • DeVita VT, Hellman S, Rosenberg SA: The Principles of Oncology. Lippincott-Raven Publ., Philadelphia, USA, 5. Ed., S.1957-1958, 1997
  • Eisele JW, Reay DT: Deaths related to coffee enemas. JAMA, 244, 1608-1609, 1980
  • Erfahrungsheilkunde: Kabinett der offenbaren und geheimen Heilmeister. Gerson, der Diät-Reformer. Erfahrungsheilkunde, Band 1, 407, 1951/52
  • Hildenbrand GL, Hildenbrand LC, Bradford K, Cavin SW: Five-year survival rates of melanoma patients treated by diet therapy after the manner of Gerson: a retrospective review. Altern Ther Health Med, 1, 29-37, 1995
  • Istre GR, Kreis K, Hopkins RS: An outbreak of amebiasis spread by colonic irrigation at a chiropractic clinic. N Engl J Med, 307, 339-342, 1982

 Weizmann S: Alternative nutritional cancer therapies. Int J Cancer, Suppl.11, 69-72, 1998

Dieser Text ist ganz oder teilweise von Paralex übernommen