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serbische Geistheiler Karadzic und Minic

Als Geistheilen, oder geistiges Heilen (englisch faith-healing) werden Versuche bezeichnet, Heilungen bei Erkrankungen durch religiöse oder esoterisch inspirierte Einwirkungen ohne Anwendung von Heilmitteln oder Medikamenten zu erzielen. Unterstellt wird hierbei, dass der Geist eines entsprechend begabten Heilers in der Lage wäre, psychogen positiv auf den Erkrankten einzuwirken, und zwar nach Aussagen der Befürworter teilweise auch bei schweren Krankheiten. Angeblich sollen in der wissenschaftlichen Medizin Wirksamkeitsnachweise für diese Heilungen vorliegen, tatsächlich aber werden die dem Geistheilen zugrunde liegenden Mechanismen dem Placebo-Effekt zugeschrieben, über den Placeboeffekt hinausgehende Wirkungen sind unbekannt.

bekannte Formen des Geistheilens

 
Spirituelle Scheinoperation



Tote durch Gebet

 
Madeline Neumann (11)

Das elfjährige Mädchen Madeline Kara Neumann aus Weston in Wisconsin (USA) litt an einer bekannten Zuckerkrankheit (Typ I). Als sich ihr Zustand im Jahre 2008 stark verschlechterte, beschlossen ihre fundamentalchristlich eingestellten Eltern nicht etwa ärztliche Hilfe zu holen, sondern begannen stattdessen solange für ihr Kind zu beten, bis es am Ostersonntag 2008 tot war. Der letzte Arztbesuch des Mädchens lag acht Jahre zurück. Der ermittelnden Polizei erklärten ihre Eltern den Tod damit, dass ihr Kind angeblich zu wenig Glauben gehabt hätte [1] und dass zuwenig Menschen für sie gebetet hätten. Ihre Mutter glaubte sowieso, dass ihr Kind nach dem Tode wieder auferstehen könne.

Ein ganz ähnlicher Fall ereignete sich in Minnesota im Jahre 1989, als ein ebenfalls elfjähriges Mädchen mit Zuckerkrankheit starb, da es nicht effektiv behandelt worden war. Ihre Eltern orientierten sich nach der Christian Science [2].

Im März 2008 starb in Clackamas County im Staate Oregon der USA laut ABC-news ein 15 monatiger Säugling an einer Lungenentzündung die durch geeignete Antibiotika behandelbar gewesen wäre. Die Eltern setzten stattdessen auf eine tödliche Gebetstherapie [3]. Die Eltern waren Mitglieder einer christlichen Sekte aus Oregon die den Glauben an wirksame Geistheilungen verbreitet und der weitere 20 Todesfälle dieser Art zugeschrieben werden.

Eine wissenschaftliche Studie fand in der Fachliteratur für den zwanzigjährigen Zeitraum von 1975 bis 1995 172 Todesfälle von Kindern mit Eltern, die sich zu Sekten bekennen, bei denen die Geistheilung eine gängige Praxis ist und die den Kindern ärztliche Hilfe aus religiösen Gründen vorenthielten. Bei 140 dieser Kinder wäre nach Ansicht der Studienautoren ein Überleben bei effektiver Therapie sehr wahrscheinlich gewesen und bei weiteren 18 wäre ein Überleben gut möglich gewesen. Bis auf drei Fälle hätte ärztliche Versorgung den Kindern in irgendeiner Weise helfen können [4].

Bundesverfassungsgericht: Werbeverbot für Geistheiler

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil entschieden, dass Geistheiler ihre Werbung im Internet nicht verbreiten dürfen. Eine derartige Werbung verstoße gegen das Heilmittelwerbegesetz, welches u.a. Kranke gegen Übertreibungen und Beeinflussungen in der Werbung schützen soll. Anlass zu diesem Urteil war eine Werbung von Geistheilern im Internet, die versprach einen Beckenschiefstand ohne Körperberührung in sekundenschnelle beheben zu können. In einem zivilrechtlichen Verfahren wurden die Geistheiler verurteilt, diese Werbung zu unterlassen. Dagegen hatten sie Verfassungsbeschwerde eingelegt und die Heilung als einen spirituellen Vorgang bezeichnet, der folglich nicht unter das Heilmittelwerbegesetz falle. (Aktenzeichen: 1 BvR 1226/06, Urteil vom 20. 3. 2007) [5] [6].

Rechtliche Lage in England und Europa

In England ist das Geistheilen relativ populär. In London sahen sich Geistheiler und Wahrsager im Mai 2008 veranlasst vor dem Büro des Premierministers gegen ein neues Verbraucherschutz-Gesetz zu protestieren. Mit ihm sollen Verbraucher vor Betrug geschützt werden. Der seit 1951 in england geltende "Fraudulent Mediums Act", mit dem Schwindel durch Wahrsager, Geistheiler und Medien unterbunden werden soll, wird am 26. Mai durch ein EU-Verbraucherschutz-Gesetz ersetzt. Unter dem bisherigen Gesetz mussten die Kläger den Beklagten betrügerische Absichten nachweisen, um erfolgreich ein Urteil zu erstreiten. Durch die neue EU-Richtlinie gegen "Unlautere Geschäftspraktiken" (2005/29/EG) sind es nun die Beschuldigten, die nachweisen müssen, dass sie nicht betrügen oder anfällige Kunden nötigen. Eine Vereinigung von englischen Geistheilern namens "Spiritual Workers' Association" (SWA) befürchtet nun erfolgreiche Klagen von Skeptikerorganisationen, Kirchen und Privatpersonen. Zudem erkenne der Versuch die "spirituelle Arbeit" dem Verbraucherschutz zu unterstellen, diese Tätigkeiten nicht als angebliche Religion an und degradiere sie stattdessen zu einem Konsumprodukt wie jedes andere auch. "Wenn ich jemand heile, möchte ich mich nicht gleichzeitig sagen müssen, dass ich selbst eigentlich nicht daran glaube, nur, um mich vor möglichen Schadensforderungen zu schützen", erklärt Carole McEntee-Taylor, die Mitbegründerin der SWA.

Literatur

  • New York Times: Faith-healing couple guilty in meningitis death of child, 12. September 1984.
  • NY Times vom 11.6.1997 :Faith healers sentenced in daughter's death
  • Dyer O, Parents jailed after child dies of diabetes, BMJ. 1993 Nov 13;307(6914):1232-3
  • Daileader C., Child abuse or deep faith: medical neglect as a result of spiritual beliefs, Med Moral Newsl. 1999 Jan-Feb;36(1-2):1-5
  • Hughes RA., The death of children by faith-based medical neglect, J Law Relig. 2004-2005;20(1):247-65.
  • Hartsell JL., Mother may I ... live? Parental refusal of life-sustaining medical treatment for children based on religious objections, Tenn Law Rev. 1999 Winter;66(2):499-530
  • Berkowitz CD., Fatal child neglect. Adv Pediatr. 2001;48:331-61.
  • Anderson JJ., Capital punishment of kids: when courts permit parents to act on their religious beliefs at the expense of their children's lives , Vanderbilt Law Rev. 1993 Apr;46(3):755-77

Weblinks

Quellennachweise

  1. http://www.foxnews.com/story/0,2933,341574,00.html
  2. Minnesota Supreme Court Entscheidung (1991) im Falle State v. McKown
  3. http://abcnews.go.com/Health/story?id=4550151&page=1
  4. Asser SM, Swan R., Child fatalities from religion-motivated medical neglect, Pediatrics. 1998 Apr;101(4 Pt 1):625-9
  5. http://www.berufsrecht-aktuell.de/43/
  6. http://www.agpf.de/inf98-4.htm