Galilei-Vergleich

Als Galilei-Vergleich (Galileo gambit, Galileo fallacy, Galileo Defense Fallacy, Galilei persecution fallacy, Galileo Syndrome) werden rhetorische Argumentationsstrategien verstanden, unzulänglich untermauerte oder gar lächerliche Ansichten durch einen Vergleich der eigenen Person mit dem italienischen Wissenschaftler Galileo Galilei aufzuwerten.

Anwender des Galilei-Vergleichs erhoffen sich durch dieses rhetorische Stilmittel eine vorgetäuschte Plausibilität der eigenen Ansichten. Es soll auf schlagfertige Weise Gegenansichten abwerten, insbesondere Expertenansichten und Expertenkonsense, und eigene Ansichten gegen Kritik abschirmen. Da Galilei zu seinen Lebzeiten bei der Vorstellung seiner (inzwischen allgemein akzeptierten) Theorie einer um die Sonne rotierenden Erde verlacht worden sei, sei Ablehnung und Heiterkeit tatsächlich als eine Bestätigung der eigenen Ansichten zu werten. Galilei-Vergleicher weisen sich so eine scheinbar unangreifbare Opferrolle des Andersdenkenden zu. Verspottet zu werden ist jedoch keineswegs ein Beweis dafür, Recht zu haben.

Eine Gruppierung aus dem Kreis der Anhänger der Klimalüge nennt sich in Berufung auf Galileo Galilei und ihrer wissenschaftlichen Außenseiterstellung "The Galileo Movement".

Galileo Galilei

Galileo Galilei (15. Februar 1564 - 8. Januar 1642) war ein italienischer Philosoph, Mathematiker, Physiker und Astronom. Bekannt ist, dass er ein tiefgläubiger Katholik war und sich dennoch in bestimmten Fragen auf Konfrontationskurs mit Dogmen der damaligen katholischen Kirche befand. Mehr als drei Jahrhunderte benötigte die katholische Kirche, um ihr damaliges Fehlurteil zu revidieren: Im November 1992 sprach Papst Johannes Paul II von "tragischen Missverständnissen" und von fehlerhafter Interpretation der Heiligen Schrift durch die Mehrzahl der Theologen.

Semmelweis-Vergleich

Mitunter kann auch ein Bezug zum ungarischen Arzt Ignaz Philipp Semmelweis (1818 - 1865) beobachtet werden. Semmelweis hatte das Kindbettfieber auf mangelnde Hygiene bei Ärzten und Krankenhauspersonal zurückgeführt. Im Rahmen einer Untersuchung mit Einsatz von desinfizierender Chlorlösung gelang es ihm, die Sterblichkeitsrate bei seinen Patientinnen von 12,3 auf zwei bis drei Prozent zu senken. Seine Hygieneempfehlung wurde von Kollegen seiner Zeit jedoch abgelehnt. Nur wenige Ärzte unterstützten ihn. Heute ist die Hygiene ein wichtiges präventives Element in der evidenzbasierten Medizin. Protagonisten abwegiger und mit anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen inkompatibler Hypothesen berufen sich gelegentlich selektiv auf Semmelweis und die damalige Ablehnung seiner später als richtig erkannten Schlussfolgerungen als eine vermeintliche Regel. Dem Schicksal der von Semmelweis angeregten Hygienevorschriften und der damaligen häufigen Ablehnung im Kollegenkreis steht jedoch die viel häufigere Akzeptanz von evidenzbasierten Neuerungen durch andere Wissenschaftler entgegen, die sich tatsächlich durchsetzten.

Zitate

  • Michael Hohner (ratioblog) schrieb im August 2011 zum Thema:[1]
Man kennt das: Eine abenteuerliche Behauptung wurde aufgestellt. Gute Belege fehlen. Die Behauptung wird widerlegt. Der ursprüngliche Behaupter ist uneinsichtig und verheddert sich in der Diskussion in Fehlschlüssen. Bleibt als letzter Ausweg das Galileo-Gambit: Über Galileo haben sie früher auch gelacht, und ihr wisst ja, wie das ausging. Hier wird impliziert, dass eine Ansicht, der heftig widersprochen wird, am Ende doch richtig ist. Das ist ein Non Sequitur. Tatsächlich ist es wahrscheinlicher, dass eine Tatsachenbehauptung, die weitgehend Widerspruch aus der Fachwelt erntet, letztlich falsch ist. Unabhängig von solchen Wahrscheinlichkeitsüberlegungen muss aber das Argument auf seinen eigenen Beinen stehen können. Ein Nachweis von Richtigkeit muss über interne Konsistenz und Belege erfolgen, nicht über Rezeption. Galileo hatte diese Belege, und der Widerstand gegen ihn erwuchs nicht aus der Ansicht, seine Erkenntnisse wären falsch.
  • Florian Freistetter in seinem Blog So ein Schmarrn! (Artikel: [1])
Wer Esoterik kritisiert, hat Angst vor der Wahrheit!”
..Allzu oft sehen sich Esoteriker und Pseudowissenschafter in der Tradition Galileo Galileis – der wurde schließlich auch kritisiert, obwohl er Recht hatte [...] Galileo Galilei wurde tatsächlich kritisiert und verfolgt, weil er behauptete, dass sich die Erde um die Sonne bewegt und nicht die Sonne um die Erde. Aber was viele, die sich mit ihm vergleichen, gerne vergessen: Galilei hat das nicht einfach nur behauptet!
Es war das, was er aus seiner wissenschaftlichen Forschung gefolgert hatte. Galileis Behauptungen basierten auf Daten, Beobachtungen und Berechnungen. Auf Messungen, die nachvollziehbar und reproduzierbar waren, weswegen sich seine Hypothesen ja auch trotz aller ideologischen Angriffe von Seiten der Kirche durchgesetzt haben.
Es reicht eben nicht aus, kritisiert zu werden, um recht zu haben. Recht hat man dann, wenn sich die eigene Behauptung belegen lässt. Bei Galileo war das der Fall, genau so wie bei Alfred Wegener, Ignaz Semmelweis und all den anderen Wissenschaftern, deren Hypothesen anfangs auf Kritik stießen und erst später anerkannt wurden. Und eben weil sie recht hatten, erinnern wir uns heute noch an ihre Leistungen.
Im Gegensatz zu denjenigen, die nicht recht hatten, bei denen die Kritik völlig gerechtfertigt war.”

Weblinks

Quellennachweise