GFE-Skandal: Unterschied zwischen den Versionen

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image:GFE ESS.jpg|Das BHKW mit dem ungenau beschriebenen ESS
 
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Version vom 18. November 2020, 13:59 Uhr

GFE-Generator
Erfinder Hans-Ullrich Strunk bei Secret-TV
Durchsuchung bei der GFE[1]
Falscher Diplomatenpass des Scheinstaats "Germanitien" von Karl Meyer, Mitglied des Zentralrat Souveräner Bürger. (Bild: Polizei Bayern)
verurteilter Horst Kirsten bei Jo Conrad 2020
GFE-Keuler Hans Peter Einberger bei Jo Conrad (2014)
GFE-Keuler Rudolf Rottler bei Jo Conrad (2014)

Der GFE Skandal bezeichnet eine bandenmässig organisierte Betrugsmasche mit vermeintlich extrem effizienten BHKW-Pflanzenölmotoren durch die Betreiber der Nürnberger Firma Gesellschaft zur Förderung erneuerbarer Energien mbH (GFE). Noch bevor es zum Gerichtsverfahren und der Insolvenz der GFE kam, wurde bekannt dass einzelne Verantwortliche in Kontakt zur Reichsbürgerbewegung standen. Der GFE - Skandal hinterliess rund 1400 Geschädigte Anleger und Kunden. Laut Süddeutscher Zeitung war der GFE-Skandal einer der größten Betrugsfälle mit Umwelttechnik seit Jahren.[2] Hinter dem Firmengeflecht der GFE Group in Franken (GFE ENERGY AG, GFE mbH, GFE Distribution GmbH und GFE Production GmbH) mit zwei Aktiengesellschaften in der Schweiz stecken teils dubiose Hintermänner. Einige der Verurteilten waren bereits vorher wegen Vermögensdelikten vorbestraft und waren in Fälle von Anlagebetrug mit Umwelttechnik verwickelt. Nach Anzeigen von geschädigten GFE-Kunden wurde 2010 ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen 17 Beschuldigte eröffnet und acht mutmaßliche Betrüger verhaftet. Später kam es zur Verurteilung mehrerer Täter.

Seit Insolvenz, und insbesondere nach Verurteilung der Veranwortlichen tauchen Verschwörungstheorien auf, nach denen das angeblich erfolgreiche Funktionsprinzip der BHKW-Motoren durch ungenannte Energiekonzerne oder die Bundesregierung Deutschland untersrückt würden. Obwohl keine einschränkenden Patente dazu bekannt sind, und somit jeder das Funktionsprinzip praktisch umsetzen kann, ist kein entsprechendes Produkt am Markt. Einige Unternehmen bieten jedoch ebenfalls Motoren mit Wassergemischen als Treibstoff an. Geringe Wasserbeimischungen zu herkömmlichen Kraftstoffen sind möglich.

Als Erfinder gelten Karl Meyer und Hans-Ullrich Strunk[3], der seit 2013 eigene Webseiten zum Beweis der Seriösität der ehemaligen GFE betreibt.[4][5]

Das unmögliche Geschäftmodell

Die Firma GFE bot in der Werbung Blockheizkraftwerke (BHKW) mit Pflanzenölmotoren in verschiedenen Leistungsklassen an. In der Werbung war die Rede von physikalisch unmöglichen Wirkungsgraden von 70 Prozent. Der extrem hohe Wirkungsgrad wurde mit der Beimischung von Wasser zum Kraftstoff Rapsöl erklärt. Demnach mische man in einem ESS-Aggregat (ESS: Energy Saving System) Rapsöl mit Wasser. In der ESS-Vorichtung sollte eine "Nano-Emulsionstechnik" zum Einsatz kommen, bei der eine Mischung aus Wasser und Rapsöl in den BHKW-Motor eingespritzt wird. Wasser sollte in der Emulsion 80% ausmachen. Die Motoren selbst sollten von der Firma Deutz stammen.

Käufern wurde der Motor zum Kauf angeboten, mit versprochenen 20 Jahre langen hohe Renditen. Den gutgläubigen Käufern wurde für 20 Jahre eine monatliche Aufstellmiete zwischen 1.000 und 2.500 Euro in Aussicht gestellt. Der Kauf eines BHKW sollte sich demnach für die Kunden als gute und vermeintlich sichere Rendite lohnen. Aus einer einmaligen Investition von beispielsweise 40.000 Euro wären binnen 20 Jahren 240.000 Euro geworden. Angeboten wurden Blockheizkraftwerke mit Leistungen zwischen 30 und 100 Kilowatt, bei Kosten von etwa 12.000 Euro pro 10 kW Leistung. Zwar wurden dann die Anzahlungen angenommen, der Motor wurde aber in der Regel nie geliefert, da er sich angeblich noch in einer Phase der Verbesserung befinden würde. Insgesamt flossen von etwa 1.000 bis 1.400 Kunden etwa 30 bis 50 Millionen Euro an die GFE. Viele der betrogenen Kunden verschuldeten sich. Andere verloren ihre Rücklagen für das Alter.[6] Nach Presseberichten fuhren die GFE-Hintermänner PKW der Marken Bentley, Maserati oder Ferrari. Die eingesammelten Gelder verwendeten die Täter größtenteils für sich selbst. Zudem wurden Einnahmen in die Schweiz verschoben. Es wurden nur so viele Kraftwerke gebaut wie nötig war, um einen Geschäftsbetrieb vorzuspiegeln.

Ein Gutachten des TÜV ergab einen tatsächlichen Wirkungsgrad von 28,6 Prozent bei Betrieb mit Rapsöl. Bei einem ersten Messversuch sei der mit dem Rapsölgemisch betriebene Motor mehrmals abgestorben, beim zweiten nach einer Betriebszeit von 18 Minuten. Ein Dauerbetrieb sei nicht möglich gewesen. Der TÜV stellte fest dass die GFE Blockheizkraftwerke nicht wirtschaftlich betrieben werden könnten. Die Brennstoff-, Wartungs- und Nebenkosten würden die nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz erzielbare Einspeisevergütung übersteigen.[7]

Thema Wasserdiesel und Wasserbeimengungen bei Verbrennungsmotoren

Die hier beschriebenen Emulsionen aus Dieselkraftstoff und Wassen haben nichts mit der bekannten Technik der Wassereinspritzung aus der konventionellen Motorentechnik zu tun. Dabei wird in den Ansaugtrakt eines aufgeladenen Kolbenmotors oder im Verdichter einer Gasturbine destilliertes Wasser oder ein Wasser-Alkohol-Gemisch in die Verbrennungsluft eingespritzt. Die verdunstende Flüssigkeit hat eine kühlende Wirkung und vermindert die Verdichtungsarbeit. Das Verfahren dient aber nicht der Wirkungsgradsteigerung.

Wasserdiesel ist in der konventionellen Motorentechnik eine Emulsion von Wasser und Dieselkraftstoff. Zur dauerhaften, gleichmäßigen Vermischung beider Stoffe werden bestimmte Emulgatoren (Tenside) zugefügt. Ein übliches Mischverhältnis ist 15 % Wasser, 5 % Emulgatoren und 80 % Diesel. Bei der Nutzung dieses speziellen Kraftstoffgemisches wird die Verbrennungstemperatur im Zylinder herabgesetzt, es entsteht weniger Abwärme und der Ausstoß von Stickoxiden sinkt um bis zu 30 %. Der Wasseranteil in den eingespritzten Kraftstofftröpfchen verdampft explosionsartig, was den Dieselkraftstoff weiter zerstäubt und zu einer gleichmäßigeren und vollständigeren Verbrennung führt. Wegen des höheren Gewichts von Wasserdiesel sinkt aber die Tankreichweite. Zur Zeit fehlen geeignete Emulgatoren, die das Wasser-Diesel-Gemisch längere Zeit stabil halten können. Bisherige Erfahrungen in Deutschland sind ernüchternd.[8] In Frankreich wurde in den 90er Jahren eine zeitlang Wasserdiesel unter der Marke Aquazole von Elf-Aquitaine angeboten. Erfinder war Charles Miriel. Es handelte sich dabei um eine Emulsion aus 85 % Dieselkraftstoff, 13% Wasser und einem Emulgator (2%). Eine Studie zeigte jedoch, dass bei mit Aquazole betriebenen Autobussen in Paris die Motorenleistung abnahm und der Treibstoffverbrauch um 10% gegenüber reinem Diesel anstieg. Daher wurde dieses Vorhaben aufgegeben. Die Existenz derartiger Forschung und die Praxistets widerlegen die Behauptungen, dass entsprechende Forschung "unterdrückt" werde.

Der Prozess

Wegen des Verdachts des gewerbs- und bandenmäßigen Betruges im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Blockheizkraftwerken wurde von der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth ein Ermittlungsverfahren gegen 17 Beschuldigte eingeleitet.[9] Acht Verdächtige wurden verhaftet.[10][11] Die GFE wies jede Schuld von sich und beschuldigte vielmehr den Erfinder Karl Meyer und dessen Lebensgefährtin Claudia Aumüller-Karger.

Im Februar 2014 wurde GFE-Gründer Horst Kirsten wegen Betrugs zu neun Jahren Gefängnis verurteilt, Karl Meyer zu fünfeinhalb Jahren. Auch alle anderen elf Angeklagten wurden zu drei- bis sechsjährigen Haftstrafen verurteilt.[12] Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft werde gegen über 40 weitere Personen ermittelt. Die Verurteilten waren für schuldig befunden worden, mit ihren nicht funktionierenden Kleinkraftwerken 1.417 Kunden um mehr als 62 Millionen Euro betrogen zu haben.

Der verurteilte Kirsten bemüht sich seit seiner Verbüssung der Haftstrafe darum, den seiner Zeit angebotenen Motor mit Wundereigenschaften als Realität darzustellten. So trat er im September 2020 im Werbekanal Bewusst TV von Jo Conrad auf. Auch betreibt er eine Webseite auf der er seine Behauptungen zur GFE darstellt.

Verbindungen in die Reichsbürger- und Esoterikszene

Einer der Verurteilten war das Zentralrat Souveräner Bürger-Mitglied Karl Meyer und dessen Lebensgefährtin, die Heilpraktikerin Claudia Aumüller-Karger (DIE PROFIS Ltd). Meyer wurde von Hans-Ullrich Strunk unterstützt, und ebenfalls als Erfinder des Wundermotors bezeichnet. Meyer und Aumüller-Karger waren zeitweise "Rechtssachverständige der kommissarischen Reichsregierung" von Wolfgang Günter Ebel. Zu Beginn der Reichsbürgerbewegungen nannten sich die ersten entsprechenden Gruppen "kommissarische Reichsregierungen". Laut Nürnberger Zeitung vom 20. August 2012 wurde Meyer von Münchner Bundespolizisten auf Grund eines Nürnberger Haftbefehls am Flughafen München festgenommen, und war im Besitz eines gefälschten Passes des Scheinstaats Germanitien. Meyer war auf dem Heimweg von Tunis.[13] Meyer und Aumüller-Karger hatten für den Motor 300.000 Euro erhalten. Der Zentralrat Souveräner Bürger (ZSB) ist im Umfeld der Reichsbürgerbewegung angesiedelt. Der ZSW betrieb eine "Erbschänke zum Schwan", die sich als Bestandteil eines Scheinstaates namens Germanitien bezeichnet ("Wir gehören dem Staat Germanitien-Gesamtdeutschland an. Die Abgabenordung (AO) der Bundesrepublik Deutschland findet keine Anwendung für Germaniten.").

Miterfinder Strunk trat bei Secret-TV auf[14] und ist Leiter einer esoterischen "Projektgruppe Genesis-enfowa" (auch "Akademie für ganzheitliche Wissenschaft und naturrichtige Technik"), die an ein "elektrisches Weltbild und ein elektrisches Verständnis der Abläufe im Kosmos" glaubt.[15] Strunk gründete auch einen "Volksgerichtshof für Erneuerung", der eine inzwischen anonyme Webseite betreibt, die Verschwörungstheorien verbreitet, nach denen die GFE Opfer eines Komplotts der Behörden und der Elektroenergieversorgerbranche sei.[16] Strunk veröffentlichte auch im rechtsoffenen Esoterikblatt Magazin2000plus.[17]

Bilder

Siehe auch

  • Freie-Energie-Geschäftsmodelle
  • egm international aus Papenburg als Erfinderin eines "Wirbelwandlerverfahrens" (engl. EGM-VORTEX-TRANSDUCER-TECHNOLOGY) mit einem patentierten "hyperbolischen Trichter", mit dem man herkömmlichen Kraftstoffen (Diesel oder Rapsöl) bis zu 75% Wasser sowie CO2 beimischen könne, um den Erntefaktor (ERoEI) von Kraftwerken zu erhöhen. Der gestreckte Treibstoff (auch als Papenburger Kraftstoff bezeichnet) soll zu einer Kostenersparnis von bis zu 70% führen.
  • Firma LESA Maschinen GmbH bietet ein zukünftiges, mit Holz befeuertes Blockheizkraftwerk (30 kW) an, das einen Wirkungsgrad erreichen soll, der mit den Gesetzmäßigkeiten der Physik nicht vereinbar ist. Kernstück der Erfindung ist ein "Mischdampf-Motor", eine Wärmekraftmaschine, die mit einem Gemisch aus Benzol und Wasser als Arbeitsmedium funktionieren soll.

Weblinks

Quellennachweise