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==Die Frischzellentherapie hält sich mit juristischen Kniffen==
 
==Die Frischzellentherapie hält sich mit juristischen Kniffen==
Ursprünglich war die Frischzellentherapie durch die Frischzellenverordnung (§ 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 2 der Verordnung über das Verbot der Verwendung bestimmter Stoffe zur Herstellung von Arzneimitteln) vom 4. März 1997 verboten worden. Dies geschah in der Folge des BSE-Skandals, weil befürchtet worden war, dass Prionen durch die Hirnextrakte von Rindern übertragen werden könnten.
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Ursprünglich war die Frischzellentherapie durch die Frischzellenverordnung (§ 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 2 der Verordnung über das Verbot der Verwendung bestimmter Stoffe zur Herstellung von Arzneimitteln) vom 4. März 1997 verboten worden (Seehofer). Dies geschah in der Folge des BSE-Skandals, weil befürchtet worden war, dass Prionen durch die Hirnextrakte von Rindern übertragen werden könnten.
    
Gegen diese Verordnung zogen ärztliche Befürworter der Frischzelltherapie, die ihre Präparate selbst herstellten, vor Gericht und gewannen. Es handelte sich dabei um
 
Gegen diese Verordnung zogen ärztliche Befürworter der Frischzelltherapie, die ihre Präparate selbst herstellten, vor Gericht und gewannen. Es handelte sich dabei um
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Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschied am 16. Februar 2000 (Az. 1 BvR 420/97), dass die strittigen Vorschriften der vom Bund erlassenen Frischzellenverordnung nichtig seien, weil der Erlass der Verordnung nicht rechtmäßig gewesen sei. Es stünde nicht der Bundesregierung, sondern vielmehr den Regierungen der einzelnen deutschen Bundesländer zu, im Rahmen ihrer rechtlichen Kompetenz ('Medizin ist Ländersache') ein Verbot der Frischzellentherapie auszusprechen. Der Bund sei über das Arzneimittelgesetz lediglich in der Lage, die Zulassung von Fertigarzneimitteln zu regulieren. Da es sich bei den einzeln zubereiteten Frischzellenprodukten, die an den Kliniken der klagenden Ärzte individuell hergestellt und eingesetzt würden, aber nicht um Fertigarzneimittel handele, wäre ein Verbot der Therapie bzw. ein Verbot der dafür notwendigen Herstellung außerhalb der Regulationskompetenz der Bundesregierung.
 
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschied am 16. Februar 2000 (Az. 1 BvR 420/97), dass die strittigen Vorschriften der vom Bund erlassenen Frischzellenverordnung nichtig seien, weil der Erlass der Verordnung nicht rechtmäßig gewesen sei. Es stünde nicht der Bundesregierung, sondern vielmehr den Regierungen der einzelnen deutschen Bundesländer zu, im Rahmen ihrer rechtlichen Kompetenz ('Medizin ist Ländersache') ein Verbot der Frischzellentherapie auszusprechen. Der Bund sei über das Arzneimittelgesetz lediglich in der Lage, die Zulassung von Fertigarzneimitteln zu regulieren. Da es sich bei den einzeln zubereiteten Frischzellenprodukten, die an den Kliniken der klagenden Ärzte individuell hergestellt und eingesetzt würden, aber nicht um Fertigarzneimittel handele, wäre ein Verbot der Therapie bzw. ein Verbot der dafür notwendigen Herstellung außerhalb der Regulationskompetenz der Bundesregierung.
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Die Verordnung hatte die Anwendung von Frischzellen generell untersagt und damit auch ihre direkte Herstellung und Anwendung am Menschen. Das BvErG hat dies für nichtig erklärt und den Ärzten erlaubt, Frischzellenpräparate herzustellen und anzuwenden, solange sie diese nicht aus der Hand geben, sondern selbst in ihrer Klinik oder Praxis verwenden. Allerdings bleibt das Verbot der Herstellung und des Vertriebes von Frischzellenpräparaten im Sinne von Fertigarzneimitteln, die man auf Rezept in jeder Apotheke kaufen konnte und was seit 1987 besteht, weiterhin in Kraft.
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Die Verordnung hatte die Anwendung von Frischzellen generell untersagt und damit auch ihre direkte Herstellung und Anwendung am Menschen. Das BvErG hat dies für nichtig erklärt und den Ärzten erlaubt, Frischzellenpräparate herzustellen und anzuwenden, solange sie diese nicht aus der Hand geben, sondern selbst in ihrer Klinik oder Praxis verwenden. Das Bundesverfassungsgericht hob also dieses Verbot aus formalen Gründen wieder auf, nicht weil sich an den wissenschaftlichen Grundlagen irgendetwas geändert hätte sondern weil Ärzten nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG befugt sind die Herstellung solcher Arzneimittel zu regeln, die sie selbst zur Anwendung bei eigenen Patienten herstellen <ref>http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv102026.html</ref>. Allerdings bleibt das Verbot der Herstellung und des Vertriebes von Frischzellenpräparaten im Sinne von Fertigarzneimitteln, die man auf Rezept in jeder Apotheke kaufen konnte und was seit 1987 besteht, weiterhin in Kraft.
    
Obwohl die Gesundheitsministerien bzw. die Gesundheitsminister der dt. Bundesländer nun am Zuge wären, im Rahmen von Einzelverordnungen die Anwendung der nebenwirkungsbehafteten Frischzellentherapie zu untersagen (was rechtlich durchaus legitim wäre), ist bis heute in diesem Bereich nicht eine einzige deutsche Landesregierung aktiv geworden. Offenbar ist die interne Lobby der wenigen an den Frischzellen exzellent verdienenen Privatärzte noch kraftvoll genug, um über die jeweiligen Parteien ausreichend Einfluss auszuüben. Es wäre aber hoch an der Zeit, dieser Scharlatanerie unter ärztlichem Deckmantel den Hahn endgültig zuzudrehen.
 
Obwohl die Gesundheitsministerien bzw. die Gesundheitsminister der dt. Bundesländer nun am Zuge wären, im Rahmen von Einzelverordnungen die Anwendung der nebenwirkungsbehafteten Frischzellentherapie zu untersagen (was rechtlich durchaus legitim wäre), ist bis heute in diesem Bereich nicht eine einzige deutsche Landesregierung aktiv geworden. Offenbar ist die interne Lobby der wenigen an den Frischzellen exzellent verdienenen Privatärzte noch kraftvoll genug, um über die jeweiligen Parteien ausreichend Einfluss auszuüben. Es wäre aber hoch an der Zeit, dieser Scharlatanerie unter ärztlichem Deckmantel den Hahn endgültig zuzudrehen.
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