Frank Dammasch

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Frank Dammasch (geb. 1956) ist ein psychoanalytisch ausgerichteter Kinder- und Jugend-Psychotherapeut aus Frankfurt/Main. Er promovierte in den Fächern Soziologie und Pädagogik, besitzt aber keinen akademischen Abschluss in den Studiengängen Medizin oder Psychologie. Ferner ist er an der Fachhochschule Frankfurt/Main, Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit tätig.[1]

Dammasch fällt besonders durch seine ADHS/Ritalin-Kritik auf. Für ihn ist ADHS immer die Folge einer "frühen und oft persistierenden Beziehungsstörung mit den primären Bezugspersonen, die sich als Verhaltensstörung zeigt" - eine Spekulation, die keinerlei wissenschaftlich fundierte Nachweise hat. Dammasch weist damit die Schuld den Müttern der betroffenen Kindern zu.

Obwohl ihm aufgrund seines Werdegangs der medizinisch-naturwissenschaftliche Hintergrund für eine angemessene kritische Würdigung fehlt, weigert Dammasch sich, im Hirnstoffwechsel bedingte Ursachen für ADHS überhaupt nur in Erwägung zu ziehen. Demzufolge lehnt er die medikamentöse Behandlung von ADHS komplett ab. Gegen die Psychiatrie erhebt er Vorwürfe, indem er behauptet, ihre Vertreter nähmen den Menschen nicht als Individuum wahr, sondern würden ihn lediglich mit den 4 Buchstaben ADHS etikettieren und reduzieren; des Weiteren sei ADHS als Syndrom nur zur Vermarktung von Ritalin erfunden worden.[2]

Dammasch ist neben Hans von Lüpke Mitautor des u.a. von Gerald Hüther und Marianne Leuzinger-Bohleber herausgegebenen Buches über ADHS "Frühprävention statt Medikalisierung. Theorie, Forschung, Kontroversen" aus den Schriften des Sigmund-Freud-Instituts (2. Auflage, 2006). Dieses Buch wird auch im Antipsychiatrieverlag vertrieben.

Zitate

Dammasch fällt durch seine besonders kruden und hoch spekulativen, aber wissenschaftlich unhaltbaren Behauptungen über ADHS auf, die in erster Linie die Mütter als Ursache für diese Störung verantwortlich macht. Anhand seines Aufsatzes mit einem Fallbeispiel sind diese Ansichten gut erkennbar. So äußert er:

  • "Diese Reduzierung des Subjekts Kind auf drei oder vier Buchstaben einer rein deskriptiv psychiatrischen Diagnose ist uns als analytische Kinderpsychotherapeuten fremd. Wir sind es gewohnt, unseren psychoanalytischen Blick auf die jeweils einzigartigen, aus der individuellen Biografie heraus begründeten Ursachen psychischer Störungen zu richten."

Im Stil der Pseudomediziner, die gegen die Schulmedizin zu Felde ziehen, macht Dammasch hier Front gegen Psychiater, indem er diese bezichtigt, "Kurzdiagnosen" mit "4 Buchstaben" zu stellen. Gleichzeitig erhöht er seine Zunft selbst, indem er vorgibt, das jeweilige Kind "individuell" und einzigartig zu sehen, ähnlich, wie es Pseudomediziner mit ihrem Begriff "ganzheitlich" tun.

Weiterhin verkennt bzw. bestreitet Dammasch, dass aus wissenschaftlicher Sicht ADHS als eine durchaus sehr differenziert wahrzunehmende biopsychosoziale Störung aufgefasst wird, die sich auf genetisch-neurobiologischer Grundlage entwickelt. ADHS wird international mit Hilfe eines Mehrachsenmodells beschrieben (siehe DSM), um auch die psychosoziale Ebene dieser Störung abzubilden.

Weiter berichtet er aus seiner Praxis:

  • "Ein Vater sagte mir z.B.: "Ich bin froh, dass das Kind jetzt einen Namen hat [...] Wenn mein Kind sich wieder mal unmöglich benimmt, sage ich mir, es hat ADS, es ist krank, es kann ja nichts dafür und dann schaffe ich es manchmal wieder, mich zu beruhigen." Wir sehen hier, dass die vereinfachende Diagnose ADS/ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, bzw. Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom) schon als solche auf manche Eltern beruhigend wirkt und den Zirkel von Aggression und Gegenaggression zumindest für einen Augenblick unterbrechen hilft. Das beunruhigend und chaotisch Unverständliche bekommt einen angstvermindernden Namen."

Dammasch verkennt allerdings, dass die ADHS-Diagnose keineswegs zu mehr sozialer Anerkennung der Eltern und Kinder führt. Ein hyperaktives Kind ist eher eine nervliche Herausforderung für die Eltern als beängstigend. Auch ignoriert er, dass aggressives Verhalten sich bei weitem nicht generell bei Kindern mit ADHS zeigt. Der Analytiker aber etikettiert "hyperaktive" Kinder pauschal als aggressiv.

  • "Das befreit darüber hinaus bisweilen von Gefühlen der Ohnmacht, auch der ohnmächtigen Wut und insgesamt von elterlichen Schuldgefühlen, bei der Erziehung des eigenen Kindes nicht genügend gut gewesen zu sein."

Dammasch impliziert hier, die Eltern seien durch Erziehungsfehler schuld, wenn das Kind ADHS hat, eine wissenschaftlich unhaltbare Meinung,[3] die auch Hans-Reinhard Schmidt, Reinhard Voß und Gerald Hüther vertreten.

  • "Die psychiatrische Diagnose, die so beruhigend für die Eltern ist, beunruhigt allerdings viele Fachkräfte und Forscher im psychosozialen Bereich. Eine heftige Kontroverse zwischen Befürwortern und Kritikern der ADHS-Diagnose ist entbrannt, hat alte Gräben zwischen den "Genetikern" und den "Umweltlern" neu aufgerissen. Die von den rein biologisch-genetisch orientierten Ärzten betriebene Bindung der Behandlung von ADHS im Schlepptau amerikanischer Verhältnissen an ein Psychopharmakon hat zur Verschärfung der Debatte beigetragen."

Ein weiteres Stilmittel, das auch andere Vertreter unwissenschaftlicher Methoden anwenden, ist der Aufbau eines Feindbildes, in dessen Gegensatz z.B. der jeweilige Psychoanalytiker, Homöopath, Hameranhänger seine eigenen Methoden als etwas Positives herausstellen kann. Hier sind es die "biologisch-genetisch orientierten Ärzte", die "amerikanischen Verhältnisse" und die "Psychopharmaka".

Entsprechend fährt er fort, als er über ein von ihm beobachtetes Kind berichtet und subjektive, unbewiesene Spekulationen in das Kind hinein deutet:

  • "Ihrer Angst vor dem Alleinsein entkommt sie durch radikale Flucht in die Außenwelt."
  • "Sie dreht passiv Erlittenes in Aktion um, wird vom Opfer zum Täter."
  • "Warum hat Elvira eine solch panische Angst davor, sich ihren Wünschen nach Geborgenheit und Halt zu nähern?"

Aus den Beobachtungen heraus wird geschlussfolgert, dass Hyperaktivität eine Beziehungsstörung sei. Woher Dammasch diese Erkenntnis gewinnt, bleibt sein Geheimnis, ebenso wie folgende Aussage:

  • "In den Gesprächen mit der Mutter wird mir klar, dass die abrupte Trennung des Mannes auch die Mutter in verwirrende Hektik und Hyperaktivität gebracht hat. Mutter und Tochter zeigen in ihrer aktiven antidepressiven Art, mit dem plötzlichen Verlust umzugehen, eine sie verbindende Gemeinsamkeit. Mögen Psychiater in dieser Gemeinsamkeit einen Beleg für die Vererbung von ADHS erkennen, verstehe ich dies eher als eine Identifikation der Tochter mit den mütterlichen Umgehensweisen."

Nach der weiteren Beobachtung eines Kindes kommt Dammasch zu folgenden generellen Schlussfolgerungen, die er auf alle Fälle von ADHS überträgt; in der Wissenschaft eine unzulässige Verfahrensweise, vom Einzelfall auf generelle Verhältnisse zu schließen:

  • "Die Hyperaktivität eines Kindes basiert immer auf einer frühen und oft persistierenden Beziehungsstörung mit den primären Bezugspersonen, die sich als Verhaltensstörung zeigt."

Das ist eine sehr gewagte Behauptung, denn eine solche globale Aussage verlangt wissenschaftliche Studien und Statistiken, die Dammasch nicht vorweisen kann. Dieser monokausale Erklärungsansatz ist eine pauschale Reduzierung der ADHS-Ursachen auf frühkindliche Beziehungsstörungen zur primären Bezugsperson. Damit unternimmt der Autor das, was er anderen vorwirft: die Reduzierung eines Menschen auf eine pauschale Kurzddiagnose.

  • "Überproportional häufig sind traumatische Trennungserlebnisse des betroffenen Kindes selbst oder transgenerationale Traumata der Mutter festzustellen, die sie unverstanden in die frühe Beziehung mit ihrem Kind einbringt."

Gemäß der Dogmen der Psychoanalyse sind meist die Mütter schuld. Es wird aber nicht geklärt, warum und weshalb ein Kind nach einer "traumatischen Trennung" hyperaktiv wird, andere aber nicht.

  • "Der Vater ist als emotional haltender und verstehender Dritter in der Familie entweder abwesend oder er steht außerhalb einer ambivalent verwickelten Mutter-Kind Dyade."

Ebenso entspricht es dem Menschenbild der Psychoanalyse, dass der Vater meist schwach oder abwesend ist, wie bei fast allen analytischen Erklärungsmodellen anderer psychischer Erkrankungen.

  • "Der impulsive Bewegungsdrang des Kindes dient der Flucht vor dem eigenen Innenleben und der emotionalen Nähe in einer Beziehung."
  • "Die aktive Flucht nach Vorne hat die Funktion, die Angst vor der regressiven Wiederkehr früher Ohnmachtserfahrungen im Zaum zu halten."
  • "Der Stimulationsdrang des Kindes hat eine psychisch stabilisierende Funktion für die Mutter. Oft dient die Hyperaktivität des Kindes der Mutter als Antidepressivum. In diesen Fällen hält die Stimulation durch das Kind die Mutter psychisch lebendig."

Diese Behauptungen entbehren jeder wissenschaftlichen Erklärbarkeit und Nachvollziehbarkeit. Es ist nicht dargelegt, anhand welcher Erkenntnisse Dammasch diese Aussagen getroffen hat. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass Impulsivität und Bewegungsdrang in Folge einer Neurotransmitterstörung auftreten. Hyperaktivität ist keinesfalls das charakteristische Symptom von ADHS. Eine Verhaltensstörung ist nicht immer bei ADHS-Betroffenen vorhanden. Auswirkungen auf die Beziehung zu nahen Bezugspersonen sind nach übereinstimmender wissenschaftlicher Sichtweise nicht ursächlich auf eine Beziehungsstörung zurückzuführen.

Trotz der offensichtlich unhaltbaren Spekulationen über das Kind meint Dammasch am Ende:

  • "Ich habe versucht zu zeigen, dass die Diagnostizierung eines Kindes mit den vier Buchstaben ADHS nicht wirklich hilfreich ist."

Allerdings kann Dammasch selbst auch keinen Nachweis liefern, dass seine Methode dem Kind geholfen hat. Dazu findet man auch keine einzige Bemerkung in seiner Ausführung, sondern es geht weiter mit der Bedienung seines Feindbildes, Schuldzuweisungen an die Eltern und der Ignoranz der Tatsache, dass auch menschliches Verhalten biologisch determiniert ist:

  • "Im Gegenteil - die von der Psychiatrie angebotene Biologisierung und Medikalisierung sozialer Probleme entlastet viele Eltern zwar subjektiv und führt zur explosionsartigen Verbreitung der Diagnose."
  • "Sie verführt aber vor allem dazu, den Blick von den problematischen Beziehungserfahrungen fort und zum angeblich vererbten Hirnstoffwechsel hin zu wenden."
  • "Ein Kind mit einer hirnorganischen Krankheit zu haben, ist für viele Eltern leichter zu akzeptieren, als die Erkenntnis, dass auch sozial problematische Beziehungserfahrungen die Bildung der kindlichen Persönlichkeit formen. Mit der Diagnose ADHS wird das störende individuelle Verhalten eines Kindes und seiner Eltern zum Bestandteil eines gesellschaftlich anerkannten medizinischen Verstehensmodells."
  • "Die Diagnose und medikamentöse Behandlung birgt aber die Gefahr, sich allzu schnell von dem Kind mit seinen individuellen sozialen Erfahrungen zu entfernen und es zum Teil eines medizinischen Kategoriensystems zu machen."
  • "Die biologistisch denkenden Mediziner wiederum müssten anerkennen, dass die Reifung des menschlichen Gehirns wesentlich im Rahmen der frühen sozialen Beziehungserfahrungen geprägt wird."

Siehe auch

Weblinks

Quellenverzeichnis