Feingold-Diät: Unterschied zwischen den Versionen

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Die '''Feingold-Diät''' ist eine umstrittene Diät aus dem Bereich der [[Alternativmedizin]] der zu therapeutischen Zwecken bei hyperaktiven Kindern angewandt wird.
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Die '''Feingold-Diät''' ist eine umstrittene Diät aus dem Bereich der [[Pseudomedizin]], die zu therapeutischen Zwecken bei Kindern mit ADHS angewandt wird.
  
Die Feingold Diät ist eine in den USA recht verbreitete alternative Therapie, die vom kalfornischen Allergologen Dr. med. Benjamin Feingold zu Beginn der 1970iger Jahre erstmals propagiert wurde. Seine These lautete, dass bestimmte natürliche Farbstoffe oder in Früchten vorkommende, entzündungslindernde Substanzen die eigentliche Ursache von Hyperaktivität und kindlicher Lernschwäche seien. Er behauptete, mit seiner Diät in bis zu 50% der Fälle eine Heilung bewerkstelligen zu können. In den USA gründete sich sogar eine Feingold Association of the United States (FAUS). Nach deren Gründung stieg das öffentliches Interesse an dieser Diät deutlich an.
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==Entstehung==
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Vor allem in den USA ist die Feingold-Diät eine verbreitete Therapie, die vom kalfornischen Allergologen Dr. med. Benjamin Feingold erstmals zu Beginn der 1970er Jahre propagiert wurde. Seine These lautete, dass bestimmte natürliche oder synthetische Farbstoffe, Phosphate oder in Früchten vorkommende, entzündungslindernde Substanzen die eigentliche Ursache von Hyperaktivität und kindlicher Lernschwäche seien. Er behauptete, mit seiner Diät in bis zu 50% der Fälle eine Heilung zu erreichen. Feingold fasste seine Ideen im Jahr 1975 in seinem Buch "Why your child is hyperactive" zusammen. In den USA gründete sich sogar eine Feingold Association of the United States (FAUS).<ref>Internetseite der Organisation: www.feingold.org</ref> Nach deren Gründung stieg das öffentliche Interesse an dieser Diät deutlich.
  
Gemäß den Vorgaben Feingolds musste man bei der Durchführung seiner Diät den Lebenstil und das Essverhalten ändern, um die zu verzehrenden Mahlzeiten von Schadstoffen zu 'reinigen'. Hyperaktive Kinder (zum Thema ADHS siehe seriöse Quellen wie www.ag-adhs.de oder www.juvemus.de) sollten bei der Zubereitung der Nahrung helfen. Ihre Eltern sollten [[Nahrungsergänzungsmittel]] und rezeptpflichtige Arzneimittel meiden und lediglich Mittel wie Zahnpasten, Mundwasser, Parfüm oder andere von der FAUS zugelassenen Hilfsmitteln nutzen. Nach Feingold mussten seine Vorgaben exakt eingehalten werden, denn nur dies würde eine 100%ige Heilungschance nach sich ziehen. Ein minimales Abweichen jedoch (z.B. ein einziger Biss in ein nicht erlaubtes Nahrungsmittel oder die Zufuhr nicht erlaubter Getränke) würde ein Scheitern der Behandlung nach sich ziehen oder die Heilungschancen um mindestens 1-2 Tage auf Null reduzieren.
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==Durchführung==
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Gemäß den Vorgaben Feingolds musste bei der Durchführung seiner Diät der Lebenstil und das Essverhalten geändert werden, um die zu verzehrenden Mahlzeiten von Schadstoffen zu 'reinigen'.  
  
Mit dieser typischen Vorgehensweise, nämlich dem Aufbau unhaltbarer Diätvorgaben sowie der Verschiebung der Schuld des vorhersehbaren Versagens der Therapie auf den angeblich die Diätvorschriften nicht korrekt einhaltenden Patienten, konnte Feingold über Jahrzehnte hinweg sein Quacksalbersystem aufrecht erhalten.
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Feingolds Lehre zufolge sind natürliche und künstliche Zusatzstoffe, sogenannte Salicylate, aus der täglichen Nahrung zu verbannen. Zu den natürlichen Salicylaten gehören Inhaltsstoffe von Äpfeln, Aprikosen, Brombeeren, Erdbeeren, Pflaumen, Stachelbeeren, Pfirsichen, Orangen und Gurken. Nahrungsmittel mit künstlichen Salicylaten sind Bockwürste, Eiscreme, Wein, alle Teearten, Margarine, Süßigkeiten und Diätgetränke.<ref>http://web4health.info/de/answers/adhd-diet-feingold.htm</ref> Später erweiterte Feingold diese auszuschließenden Stoffe noch um Zahnpasta, Mundwasser, Hustentropfen und -pastillen, Deodorants, Parfum, Desinfektionsmittel, Insektizide, Fingerfarben, Vanillin, Karamell, Vitaminpräparate, Kindermedikamente und Speisefett.<ref>http://www.zappelphilipp.de/feingold.htm</ref>
  
Als die Behauptungen Feingolds jedoch in einer klinischen Studie untersucht wurden und deren Resultate von Wender im Jahre 1986 überprüft wurden, stellte sich heraus, dass gerade 1% der ADHS-Kinder eine glaubwürdige Verbesserung der Symptomatik während der Diät erfuhren. Dies liegt noch unterhalb der Spontanheilungsrate von ADHS und lässt sogar den Verdacht aufkommmen, dass diese Diät mehr schadet als nutzt. Die Feingold-Diät wird in der Fachliteratur zurecht als unwirksam bezeichnet (Baumgaertel 1999).
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Zudem sollten [[Nahrungsergänzungsmittel]] und rezeptpflichtige Arzneimittel gemieden werden und lediglich von der FAUS zugelassenen Produkte bei Zahnpasta, Mundwasser, Parfüm oder andere von der FAUS zugelassene Hilfsmittel zulässig sein. Ebenfalls erlaubt sind Bananen, Datteln, Pampelmuse, Kiwis, Zitronen, Papayas, Birnen, Ananas, Wassermelone, Sojabohnensprossen, Bohnen, rote Rüben, Brokkoli, Kohl, Karotten, Blumenkohl, Kopfsalat, Pilze, Zwiebeln, Erbsen, Kartoffeln, Spinat, süsser Mais und Zucchini. Anstelle von Zucker sind geringe Mengen an [[Honig]] erlaubt.<ref>Heidi Homann: [http://www.adhs-deutschland.de/Portaldata/1/Resources/PDF/2_9_Ernaehrung/Sind_angemessenes_Verhalten,_Konzentration_und_Aufmerksamkeit_doch_essbar.pdf Möglichkeiten und Grenzen einer Diät bei ADS] S. 4</ref>
  
Kinder sollten der Feingold-Diät nicht ausgesetzt werden, weil sie sowohl einseitig ist als auch eine Schuld an einer Normabweichung (ADHS ist keine Krankheit!) dem Essverhalten der Kinder zuschiebt. Dadurch werden die kindlichen Patienten, die es im Leben schwer genug haben, weiter unter Druck gesetzt, weil ihr auffälliges Verhalten auf den Verzehr angeblich schädlicher Nahrungsmittel geschoben wird. Gleichzeitig wird durch das Verbot sinnvoller Heilmittel den Kindern der Weg zur medikamentösen Begleittherapie verwehrt. Die Szene der Feingold-Anhänger ist zudem sektenähnlich strukturiert. Jegliche Kritik am mittlerweile verstorbenen 'Guru Benjamin Feindold' wird als persönlicher Angriff gewertet und mit massivem Druck beantwortet (vgl. auch Psychosekten).
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Hyperaktive Kinder sollten bei der Zubereitung der Nahrung helfen. Nach Feingold waren seine Vorgaben exakt einzuhalten, denn nur dies bewirke eine 100%ige Heilungschance. Ein minimales Abweichen jedoch (z.B. ein einziger Biss in ein nicht erlaubtes Nahrungsmittel oder der Genuss nicht erlaubter Getränke) führe zum Scheitern der Behandlung oder reduziere die Heilungschancen für mindestens 1-2 Tage auf Null.
  
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Mit dieser typischen Vorgehensweise, nämlich dem Aufbau unhaltbarer Diätvorgaben sowie der Verschiebung der Schuld des vorhersehbaren Versagens der Therapie auf den angeblich die Diätvorschriften nicht korrekt einhaltenden Patienten, konnte Feingold über Jahrzehnte hinweg sein System aufrecht erhalten.
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==Wirksamkeit==
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Als die Behauptungen Feingolds jedoch in einer klinischen Studie untersucht und deren Resultate von Wender im Jahre 1986 überprüft wurden, stellte sich heraus, dass nur 1% der ADHS-Kinder eine glaubwürdige Verbesserung der Symptomatik während der Diät erfuhr. Dies liegt noch unterhalb der Spontanheilungsrate von ADHS und lässt sogar den Verdacht aufkommmen, dass diese Diät mehr schadet als nutzt. Die Feingold-Diät wird in der Fachliteratur zu Recht als unwirksam bezeichnet.<ref>Baumgaertel A: Alternative and controversial treatments for Attention- Deficit/Hyperactivity Disorder, Ped Clin North Am, 46, 977-992, 1999</ref>
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Kinder sollten der Feingold-Diät nicht ausgesetzt werden, weil sie sowohl einseitig ist als auch die Schuld an ihrem Zustand dem Essverhalten der betroffenen Kinder zuweist. Dadurch werden die kindlichen Patienten unter weiteren Druck gesetzt, weil ihr auffälliges Verhalten auf dem Verzehr angeblich schädlicher Nahrungsmittel beruhe. Gleichzeitig wird durch das Verbot sinnvoller Heilmittel den Kindern der Zugang zur medikamentösen Begleittherapie verwehrt. Die Szene der Feingold-Anhänger ist zudem [[Sekte|sektenähnlich]] strukturiert. Jegliche Kritik am mittlerweile verstorbenen Benjamin Feingold wird als persönlicher Angriff gewertet und mit massivem Druck beantwortet (vgl. auch Psychosekten).
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==Siehe auch==
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*[[Oligoantigene Diät nach Egger]]
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*[[Phosphatdiät nach Hafer]]
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*[[Zuckermythen]]
 
==Weblinks==
 
==Weblinks==
*http://www.quackwatch.org/01QuackeryRelatedTopics/feingold.html
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*Stephen Barret: [http://www.quackwatch.org/01QuackeryRelatedTopics/feingold.html Quackwatch] zur Feingold-Diät (engl.)
  
 
==Quellennachweise==
 
==Quellennachweise==
* Baumgaertel A: Alternative and controversial treatments for Attention- Deficit/Hyperactivity Disorder, Ped Clin North Am, 46, 977-992, 1999
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<references/>
  
{{Paralex}}
 
 
[[category:Diät]]
 
[[category:Diät]]
 
[[category:Therapie in der Pseudomedizin]]
 
[[category:Therapie in der Pseudomedizin]]
[[category:Überarbeiten AM zu PM]]
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[[category:fragwürdige Therapie bei ADHS]]
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[[category:Kinder]]

Aktuelle Version vom 10. Dezember 2019, 09:25 Uhr

Die Feingold-Diät ist eine umstrittene Diät aus dem Bereich der Pseudomedizin, die zu therapeutischen Zwecken bei Kindern mit ADHS angewandt wird.

Entstehung

Vor allem in den USA ist die Feingold-Diät eine verbreitete Therapie, die vom kalfornischen Allergologen Dr. med. Benjamin Feingold erstmals zu Beginn der 1970er Jahre propagiert wurde. Seine These lautete, dass bestimmte natürliche oder synthetische Farbstoffe, Phosphate oder in Früchten vorkommende, entzündungslindernde Substanzen die eigentliche Ursache von Hyperaktivität und kindlicher Lernschwäche seien. Er behauptete, mit seiner Diät in bis zu 50% der Fälle eine Heilung zu erreichen. Feingold fasste seine Ideen im Jahr 1975 in seinem Buch "Why your child is hyperactive" zusammen. In den USA gründete sich sogar eine Feingold Association of the United States (FAUS).[1] Nach deren Gründung stieg das öffentliche Interesse an dieser Diät deutlich.

Durchführung

Gemäß den Vorgaben Feingolds musste bei der Durchführung seiner Diät der Lebenstil und das Essverhalten geändert werden, um die zu verzehrenden Mahlzeiten von Schadstoffen zu 'reinigen'.

Feingolds Lehre zufolge sind natürliche und künstliche Zusatzstoffe, sogenannte Salicylate, aus der täglichen Nahrung zu verbannen. Zu den natürlichen Salicylaten gehören Inhaltsstoffe von Äpfeln, Aprikosen, Brombeeren, Erdbeeren, Pflaumen, Stachelbeeren, Pfirsichen, Orangen und Gurken. Nahrungsmittel mit künstlichen Salicylaten sind Bockwürste, Eiscreme, Wein, alle Teearten, Margarine, Süßigkeiten und Diätgetränke.[2] Später erweiterte Feingold diese auszuschließenden Stoffe noch um Zahnpasta, Mundwasser, Hustentropfen und -pastillen, Deodorants, Parfum, Desinfektionsmittel, Insektizide, Fingerfarben, Vanillin, Karamell, Vitaminpräparate, Kindermedikamente und Speisefett.[3]

Zudem sollten Nahrungsergänzungsmittel und rezeptpflichtige Arzneimittel gemieden werden und lediglich von der FAUS zugelassenen Produkte bei Zahnpasta, Mundwasser, Parfüm oder andere von der FAUS zugelassene Hilfsmittel zulässig sein. Ebenfalls erlaubt sind Bananen, Datteln, Pampelmuse, Kiwis, Zitronen, Papayas, Birnen, Ananas, Wassermelone, Sojabohnensprossen, Bohnen, rote Rüben, Brokkoli, Kohl, Karotten, Blumenkohl, Kopfsalat, Pilze, Zwiebeln, Erbsen, Kartoffeln, Spinat, süsser Mais und Zucchini. Anstelle von Zucker sind geringe Mengen an Honig erlaubt.[4]

Hyperaktive Kinder sollten bei der Zubereitung der Nahrung helfen. Nach Feingold waren seine Vorgaben exakt einzuhalten, denn nur dies bewirke eine 100%ige Heilungschance. Ein minimales Abweichen jedoch (z.B. ein einziger Biss in ein nicht erlaubtes Nahrungsmittel oder der Genuss nicht erlaubter Getränke) führe zum Scheitern der Behandlung oder reduziere die Heilungschancen für mindestens 1-2 Tage auf Null.

Mit dieser typischen Vorgehensweise, nämlich dem Aufbau unhaltbarer Diätvorgaben sowie der Verschiebung der Schuld des vorhersehbaren Versagens der Therapie auf den angeblich die Diätvorschriften nicht korrekt einhaltenden Patienten, konnte Feingold über Jahrzehnte hinweg sein System aufrecht erhalten.

Wirksamkeit

Als die Behauptungen Feingolds jedoch in einer klinischen Studie untersucht und deren Resultate von Wender im Jahre 1986 überprüft wurden, stellte sich heraus, dass nur 1% der ADHS-Kinder eine glaubwürdige Verbesserung der Symptomatik während der Diät erfuhr. Dies liegt noch unterhalb der Spontanheilungsrate von ADHS und lässt sogar den Verdacht aufkommmen, dass diese Diät mehr schadet als nutzt. Die Feingold-Diät wird in der Fachliteratur zu Recht als unwirksam bezeichnet.[5]

Kinder sollten der Feingold-Diät nicht ausgesetzt werden, weil sie sowohl einseitig ist als auch die Schuld an ihrem Zustand dem Essverhalten der betroffenen Kinder zuweist. Dadurch werden die kindlichen Patienten unter weiteren Druck gesetzt, weil ihr auffälliges Verhalten auf dem Verzehr angeblich schädlicher Nahrungsmittel beruhe. Gleichzeitig wird durch das Verbot sinnvoller Heilmittel den Kindern der Zugang zur medikamentösen Begleittherapie verwehrt. Die Szene der Feingold-Anhänger ist zudem sektenähnlich strukturiert. Jegliche Kritik am mittlerweile verstorbenen Benjamin Feingold wird als persönlicher Angriff gewertet und mit massivem Druck beantwortet (vgl. auch Psychosekten).

Siehe auch

Weblinks

  • Stephen Barret: Quackwatch zur Feingold-Diät (engl.)

Quellennachweise

  1. Internetseite der Organisation: www.feingold.org
  2. http://web4health.info/de/answers/adhd-diet-feingold.htm
  3. http://www.zappelphilipp.de/feingold.htm
  4. Heidi Homann: Möglichkeiten und Grenzen einer Diät bei ADS S. 4
  5. Baumgaertel A: Alternative and controversial treatments for Attention- Deficit/Hyperactivity Disorder, Ped Clin North Am, 46, 977-992, 1999