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==Artikel in Welt am Sonntag==
 
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''...An einem Samstagabend im September steht Marcus V. auf der Bühne im Pforzheimer Kongresszentrum; der 44-Jährige trägt einen schwarzen Anzug, ein weißes Einstecktuch, die Haare streng zurückgekämmt. Es läuft die Jahresgala seiner Firma truu, Hersteller von knapp 4000 Euro teuren Wasserfilteranlagen für Haushalte.<br>Mitarbeiter haben für diesen Abend 89 Euro Eintritt gezahlt. Mit bayerischem Akzent erzählt V.: In einer kleinen Garage hätten sie vor zehn Jahren die ersten Anlagen zusammengeschraubt. Jetzt seien die dabei, den Weltmarkt zu stürmen.<br>Dann tritt Stargast Holger Stromberg auf die Bühne, Koch der deutschen Fußball-Nationalmannschaft beim WM-Titel 2014. Shakehands mit den Bossen. Botschaft des Abends: Schaut her, wie erfolgreich wir sind!<br>In den vergangenen Tagen jedoch ist es im Unternehmen unruhig geworden. Es geht um eine interne Bekanntmachung von V., wonach er Scientologe sei. Mitarbeiter fragen sich: Unterwandern Scientologen die Firma? Denn in Seminaren wird ahnungslosen Mitarbeitern offenbar verdeckt die Methodik der Sekte näher gebracht. Ex-Mitarbeiter werfen Marcus V. zudem vor, sie an die Sekte herangeführt und betrogen zu haben – um Hunderttausende Euro. WELT AM SONNTAG recherchiert seit Wochen in dem Fall.<br>„Marcus hat mich zu Scientology gebracht“, sagt Britta G., die Marcus V. Geld anvertraut hat und der Sekte beitrat. „Er hat mich ausgenutzt.“ Dies scheint kein Einzelfall zu sein. Anke S., lange für das Unternehmen tätig, erzählt: „Marcus sagte, meine Tochter und ich sollten einen Scientology-Kurs in Berlin oder Hannover machen.“ Auch sie berichtet von nicht beglichenen Schulden.<br>3400 Scientologen gibt es laut Verfassungsschutz in Deutschland. Jedes vierte Mitglied wohnt in Baden-Württemberg – Firmensitz von truu. Scientologen versuchen, sich in der Gesellschaft zu verankern; über Tarnorganisationen, über Datingportale – und durch das Infiltrieren von Firmen. Sabine Riede, Leiterin der Beratungsstelle Sekten-Info Nordrhein-Westfalen, erklärt die Taktik: „Menschen in Führungspositionen für Scientology gewinnen, die dann ihre Angestellten ködern, und diese wiederum ihre Bekannten.“ Sie betreute mehrere Fälle, in denen Angestellte für Scientology geködert wurden. Der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg bestätigt: „Scientology ist bemüht, durch Unterwanderungen von Firmen ihre Einflussmöglichkeiten zu vergrößern.“ Vieles deutet darauf hin, dass bei truu seit Jahren Scientologen arbeiten.<br>Da ist Marcus V., einer der Bosse im Firmenverbund um truu, zu dem truu wasserweik, truu realestate, truu mobility und truu service gehören. Geschäftspartner Timo K. wird als CEO von truu partner ltd. geführt, einer Firma mit Sitz in Zypern. Zusammen traten sie bei der Jahresgala in Pforzheim auf. Dass Marcus V. Scientologe ist, bestätigen Weggefährten; über eine Nähe von K. zur Sekte ist hingegen nichts bekannt.<br>Weggefährten beschreiben Marcus V. als durchaus charmant, aber auch als aufbrausend und manipulativ. Intern habe er ein Kontrollsystem geschaffen, das Mitarbeiter durch tägliche „Calls“, „Checksheets“ und „Profi Power Weekends“ überwache. Auf Instagram-Bildern posiert er auf Schnellbooten und feiert das Leben auf der Überholspur. Hashtags: „MillionaireLifestyle“ oder „BuildYourEmpire“. Einer seiner Abonnenten: Scientology London.<br>Weitere ehemalige und aktive Mitarbeiter weisen Verbindungen zu Scientology auf. Konrad A., Chefingenieur, soll der Sekte angehören. Sein Name findet sich bereits auf Listen über Scientology-Mitglieder aus dem Jahr 2000. Auf Facebook gefallen ihm ein Buch des Sekten-Gründers oder eine Organisation, die Scientology zugerechnet wird. Das Gleiche gilt für Klaus-Dieter W., der für truu arbeitete und ebenfalls Scientologe sein soll. Beide äußerten sich nicht dazu. Insider nennen weitere Namen. Fließt Geld, das durch truu erwirtschaftet wurde, zu Scientology? Belege dafür gibt es nicht. Jedoch sei es üblich, dass Scientologen ständig zu Spenden aufgerufen werden, sagt Expertin Riede.<br>Britta G., 51, dachte, dass Marcus V ein Freund sei. Bis 2015 besuchte er sie mehrmals in ihrem Wohnort Kiel, wo er Wasser-Infoabende veranstaltete. 2014 hätte Marcus V. ihr eröffnet, dass er Scientologe sei. Die Sekte habe ihn zu einem besseren Menschen gemacht, soll er geschwärmt haben. Er sei mit ihr zur Scientology-Zentrale nach Hamburg gefahren, wo sie Tests absolvierte. Nach eineinhalb Jahren bei Scientology merkte Britta G., wo sie hineingeraten war und stieg aus.<br>40.000 Euro habe sie der Sekte gezahlt. Mehr Geld überwies sie der Firma um Marcus V. Laut einem Vertrag zahlte sie 100.000 Euro als Einlage ein und wurde stiller Gesellschafter bei Wasserweik. Marcus V. soll sie zudem dazu animiert haben, 220.000 Euro in Immoweik zu investieren. Es waren ihre Ersparnisse. Marcus V. hätte ihr eine gute Rendite in Aussicht gestellt. Sie sagt, dass sie bis heute auf ihr Geld warte und finanzielle Probleme habe.<br>Der Anwalt von Britta G. möchte Strafanzeige wegen Untreue und Betrug einreichen. Auch Anke S. übt Kritik. Sie vertrieb Wasserfilteranlagen, gab Vorträge. Auch sie sagt, dass truu ihr für ausstehende Provisionen Geld schulde, wohl Tausende Euro; genau weiß sie es nicht, weil man ihr den Zugang zum Betriebssystem gesperrt habe. Chatverläufe zeigen, dass sie Marcus V. über Monate vergeblich um Zahlung offener Beträge bat. Oft sei sie mit Marcus V. aneinandergeraten. 2014 soll dieser ihr gesagt haben, sie müsste ruhiger werden, empfahl ihr das „Dianetik“-Buch von Scientology. „Ich habe das gelesen und dachte mir: was für ein Schmarren“, sagt Anke S. Marcus V. habe ihr empfohlen, einen Kurs bei der Sekte zu belegen. Sie lehnte ab. Fast jeden Monat veranstaltet truu in Hotels „Profi Power Weekends“ für bis zu 200 Personen. Mitarbeiter sollen regelmäßig teilnehmen, zahlen pauschal 150 Euro pro Seminar. Offiziell geht es um eine Kommunikations- und Verkaufsschulung. Guckt man sich die Inhalte an, könnte man meinen, es handele sich um ein verdecktes ScientologySeminar. Fotos zeigen ein an die Wand projiziertes Dreieck. An den Ecken Schlagworte: Kommunikation – Realität – Zuneigung. Expertin Riede: „Das Dreieck ist – mit minimalen Abweichungen – eine Kopie des A-R-K-Dreiecks von Scientology.“ Das Dreieck, Symbol der Sekte, steht für Affinität, Realität und Kommunikation. Auch Arbeitsblätter des truu-Seminars zeigen Parallelen zu Inhalten der Sekte. An manchen Stellen scheint es sich fast um eine Persönlichkeitsschulung zu handeln. Auszug aus Übung 1: „Öffne dann deine Augen und entscheide im HIER und JETZT, dass DU diese Person ab JETZT bist.“
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''...An einem Samstagabend im September steht Marcus V. auf der Bühne im Pforzheimer Kongresszentrum; der 44-Jährige trägt einen schwarzen Anzug, ein weißes Einstecktuch, die Haare streng zurückgekämmt. Es läuft die Jahresgala seiner Firma truu, Hersteller von knapp 4000 Euro teuren Wasserfilteranlagen für Haushalte.<br>Mitarbeiter haben für diesen Abend 89 Euro Eintritt gezahlt. Mit bayerischem Akzent erzählt V.: In einer kleinen Garage hätten sie vor zehn Jahren die ersten Anlagen zusammengeschraubt. Jetzt seien die dabei, den Weltmarkt zu stürmen.<br>Dann tritt Stargast Holger Stromberg auf die Bühne, Koch der deutschen Fußball-Nationalmannschaft beim WM-Titel 2014. Shakehands mit den Bossen. Botschaft des Abends: Schaut her, wie erfolgreich wir sind!<br>In den vergangenen Tagen jedoch ist es im Unternehmen unruhig geworden. Es geht um eine interne Bekanntmachung von V., wonach er Scientologe sei. Mitarbeiter fragen sich: Unterwandern Scientologen die Firma? Denn in Seminaren wird ahnungslosen Mitarbeitern offenbar verdeckt die Methodik der Sekte näher gebracht. Ex-Mitarbeiter werfen Marcus V. zudem vor, sie an die Sekte herangeführt und betrogen zu haben – um Hunderttausende Euro. WELT AM SONNTAG recherchiert seit Wochen in dem Fall.<br>„Marcus hat mich zu Scientology gebracht“, sagt Britta G., die Marcus V. Geld anvertraut hat und der Sekte beitrat. „Er hat mich ausgenutzt.“ Dies scheint kein Einzelfall zu sein. Anke S., lange für das Unternehmen tätig, erzählt: „Marcus sagte, meine Tochter und ich sollten einen Scientology-Kurs in Berlin oder Hannover machen.“ Auch sie berichtet von nicht beglichenen Schulden.<br>3400 Scientologen gibt es laut Verfassungsschutz in Deutschland. Jedes vierte Mitglied wohnt in Baden-Württemberg – Firmensitz von truu. Scientologen versuchen, sich in der Gesellschaft zu verankern; über Tarnorganisationen, über Datingportale – und durch das Infiltrieren von Firmen. Sabine Riede, Leiterin der Beratungsstelle Sekten-Info Nordrhein-Westfalen, erklärt die Taktik: „Menschen in Führungspositionen für Scientology gewinnen, die dann ihre Angestellten ködern, und diese wiederum ihre Bekannten.“ Sie betreute mehrere Fälle, in denen Angestellte für Scientology geködert wurden. Der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg bestätigt: „Scientology ist bemüht, durch Unterwanderungen von Firmen ihre Einflussmöglichkeiten zu vergrößern.“ Vieles deutet darauf hin, dass bei truu seit Jahren Scientologen arbeiten.<br>Da ist Marcus V., einer der Bosse im Firmenverbund um truu, zu dem truu wasserweik, truu realestate, truu mobility und truu service gehören. Geschäftspartner Timo K. wird als CEO von truu partner ltd. geführt, einer Firma mit Sitz in Zypern. Zusammen traten sie bei der Jahresgala in Pforzheim auf. Dass Marcus V. Scientologe ist, bestätigen Weggefährten; über eine Nähe von K. zur Sekte ist hingegen nichts bekannt.<br>Weggefährten beschreiben Marcus V. als durchaus charmant, aber auch als aufbrausend und manipulativ. Intern habe er ein Kontrollsystem geschaffen, das Mitarbeiter durch tägliche „Calls“, „Checksheets“ und „Profi Power Weekends“ überwache. Auf Instagram-Bildern posiert er auf Schnellbooten und feiert das Leben auf der Überholspur. Hashtags: „MillionaireLifestyle“ oder „BuildYourEmpire“. Einer seiner Abonnenten: Scientology London.<br>Weitere ehemalige und aktive Mitarbeiter weisen Verbindungen zu Scientology auf. Konrad A., Chefingenieur, soll der Sekte angehören. Sein Name findet sich bereits auf Listen über Scientology-Mitglieder aus dem Jahr 2000. Auf Facebook gefallen ihm ein Buch des Sekten-Gründers oder eine Organisation, die Scientology zugerechnet wird. Das Gleiche gilt für Klaus-Dieter W., der für truu arbeitete und ebenfalls Scientologe sein soll. Beide äußerten sich nicht dazu. Insider nennen weitere Namen. Fließt Geld, das durch truu erwirtschaftet wurde, zu Scientology? Belege dafür gibt es nicht. Jedoch sei es üblich, dass Scientologen ständig zu Spenden aufgerufen werden, sagt Expertin Riede.<br>Britta G., 51, dachte, dass Marcus V ein Freund sei. Bis 2015 besuchte er sie mehrmals in ihrem Wohnort Kiel, wo er Wasser-Infoabende veranstaltete. 2014 hätte Marcus V. ihr eröffnet, dass er Scientologe sei. Die Sekte habe ihn zu einem besseren Menschen gemacht, soll er geschwärmt haben. Er sei mit ihr zur Scientology-Zentrale nach Hamburg gefahren, wo sie Tests absolvierte. Nach eineinhalb Jahren bei Scientology merkte Britta G., wo sie hineingeraten war und stieg aus.<br>40.000 Euro habe sie der Sekte gezahlt. Mehr Geld überwies sie der Firma um Marcus V. Laut einem Vertrag zahlte sie 100.000 Euro als Einlage ein und wurde stiller Gesellschafter bei Wasserweik. Marcus V. soll sie zudem dazu animiert haben, 220.000 Euro in Immoweik zu investieren. Es waren ihre Ersparnisse. Marcus V. hätte ihr eine gute Rendite in Aussicht gestellt. Sie sagt, dass sie bis heute auf ihr Geld warte und finanzielle Probleme habe.<br>Der Anwalt von Britta G. möchte Strafanzeige wegen Untreue und Betrug einreichen. Auch Anke S. übt Kritik. Sie vertrieb Wasserfilteranlagen, gab Vorträge. Auch sie sagt, dass truu ihr für ausstehende Provisionen Geld schulde, wohl Tausende Euro; genau weiß sie es nicht, weil man ihr den Zugang zum Betriebssystem gesperrt habe. Chatverläufe zeigen, dass sie Marcus V. über Monate vergeblich um Zahlung offener Beträge bat. Oft sei sie mit Marcus V. aneinandergeraten. 2014 soll dieser ihr gesagt haben, sie müsste ruhiger werden, empfahl ihr das „Dianetik“-Buch von Scientology. „Ich habe das gelesen und dachte mir: was für ein Schmarren“, sagt Anke S. Marcus V. habe ihr empfohlen, einen Kurs bei der Sekte zu belegen. Sie lehnte ab. Fast jeden Monat veranstaltet truu in Hotels „Profi Power Weekends“ für bis zu 200 Personen. Mitarbeiter sollen regelmäßig teilnehmen, zahlen pauschal 150 Euro pro Seminar. Offiziell geht es um eine Kommunikations- und Verkaufsschulung. Guckt man sich die Inhalte an, könnte man meinen, es handele sich um ein verdecktes ScientologySeminar. Fotos zeigen ein an die Wand projiziertes Dreieck. An den Ecken Schlagworte: Kommunikation – Realität – Zuneigung. Expertin Riede: „Das Dreieck ist – mit minimalen Abweichungen – eine Kopie des A-R-K-Dreiecks von Scientology.“ Das Dreieck, Symbol der Sekte, steht für Affinität, Realität und Kommunikation. Auch Arbeitsblätter des truu-Seminars zeigen Parallelen zu Inhalten der Sekte. An manchen Stellen scheint es sich fast um eine Persönlichkeitsschulung zu handeln. Auszug aus Übung 1: „Öffne dann deine Augen und entscheide im HIER und JETZT, dass DU diese Person ab JETZT bist.“<br>Öffentlich hat sich truu ein Hochglanzimage mit prominenten Werbebotschaftern geschaffen. Neben dem Koch Stromberg empfiehlt auch Professor Ingo Froböse die Wasserfilteranlagen. Der Wissenschaftler der Sporthochschule Köln verfasste sogar ein Gutachten. Doch das Geschäft mit dem Wasser ist umstritten. Verbraucherzentralen sagen, dass die Qualität von Trinkwasser in Deutschland hoch sei. Ob man die Anlagen tatsächlich braucht, daran gibt es Zweifel.<br>Froböse zeigte sich auf Anfrage zu den Scientology-Verbindungen geschockt. Davon höre er zum ersten Mal. Er habe veranlasst, seine Gutachten vorerst aus dem Internet nehmen zu lassen. Sollten die Vorwürfe stimmen, werde man die Kooperation ganz beenden. TV-Koch Stromberg und truu-Boss Timo K. ließen Anfragen unbeantwortet.<br>WELT AM SONNTAG hat auch Marcus V. einen Fragenkatalog geschickt. In seiner Antwort ging er auf konkrete Fragen nicht ein, teilte jedoch mit, nicht mehr Geschäftsführer von truu zu sein. Welches truu-Unternehmen meint er konkret? Erfolgte die Kündigung gerade erst? Dies ließ Marcus V. unbeantwortet. A ktuelle Unterlagen weisen ihn als Gesellschafter und Geschäftsführer im truuKomplex aus.<br>Betriebsintern nahm Marcus V. in der vergangenen Woche ausführlicher Stellung, berichten Beteiligte. In einem sogenannten „Zoom-Call“, einem Videotelefonat mit rund 70 Mitarbeitern, offenbarte er sich: Er sei Scientologe, seit 15 Jahren. Da er erpresst werde, sehe er sich gezwungen, das nun öffentlich zu machen. Es gäbe wohl noch einen weiteren Angestellten, der zur Sekte gehöre, mehr sei da nicht. Er, also Marcus V., würde klar zwischen Scientology und der Firma trennen. An diesem Wochenende findet wieder ein „Profi Power Weekend“ statt.''
Öffentlich hat sich truu ein Hochglanzimage mit prominenten Werbebotschaftern geschaffen. Neben dem Koch Stromberg empfiehlt auch Professor Ingo Froböse die Wasserfilteranlagen. Der Wissenschaftler der Sporthochschule Köln verfasste sogar ein Gutachten. Doch das Geschäft mit dem Wasser ist umstritten. Verbraucherzentralen sagen, dass die Qualität von Trinkwasser in Deutschland hoch sei. Ob man die Anlagen tatsächlich braucht, daran gibt es Zweifel.
 
Froböse zeigte sich auf Anfrage zu den Scientology-Verbindungen geschockt. Davon höre er zum ersten Mal. Er habe veranlasst, seine Gutachten vorerst aus dem Internet nehmen zu lassen. Sollten die Vorwürfe stimmen, werde man die Kooperation ganz beenden. TV-Koch Stromberg und truu-Boss Timo K. ließen Anfragen unbeantwortet.<br>WELT AM SONNTAG hat auch Marcus V. einen Fragenkatalog geschickt. In seiner Antwort ging er auf konkrete Fragen nicht ein, teilte jedoch mit, nicht mehr Geschäftsführer von truu zu sein. Welches truu-Unternehmen meint er konkret? Erfolgte die Kündigung gerade erst? Dies ließ Marcus V. unbeantwortet. A ktuelle Unterlagen weisen ihn als Gesellschafter und Geschäftsführer im truuKomplex aus.<br>Betriebsintern nahm Marcus V. in der vergangenen Woche ausführlicher Stellung, berichten Beteiligte. In einem sogenannten „Zoom-Call“, einem Videotelefonat mit rund 70 Mitarbeitern, offenbarte er sich: Er sei Scientologe, seit 15 Jahren. Da er erpresst werde, sehe er sich gezwungen, das nun öffentlich zu machen. Es gäbe wohl noch einen weiteren Angestellten, der zur Sekte gehöre, mehr sei da nicht. Er, also Marcus V., würde klar zwischen Scientology und der Firma trennen. An diesem Wochenende findet wieder ein „Profi Power Weekend“ statt.''
 

Version vom 20. Januar 2020, 22:30 Uhr

Artikel in Welt am Sonntag

...An einem Samstagabend im September steht Marcus V. auf der Bühne im Pforzheimer Kongresszentrum; der 44-Jährige trägt einen schwarzen Anzug, ein weißes Einstecktuch, die Haare streng zurückgekämmt. Es läuft die Jahresgala seiner Firma truu, Hersteller von knapp 4000 Euro teuren Wasserfilteranlagen für Haushalte.
Mitarbeiter haben für diesen Abend 89 Euro Eintritt gezahlt. Mit bayerischem Akzent erzählt V.: In einer kleinen Garage hätten sie vor zehn Jahren die ersten Anlagen zusammengeschraubt. Jetzt seien die dabei, den Weltmarkt zu stürmen.
Dann tritt Stargast Holger Stromberg auf die Bühne, Koch der deutschen Fußball-Nationalmannschaft beim WM-Titel 2014. Shakehands mit den Bossen. Botschaft des Abends: Schaut her, wie erfolgreich wir sind!
In den vergangenen Tagen jedoch ist es im Unternehmen unruhig geworden. Es geht um eine interne Bekanntmachung von V., wonach er Scientologe sei. Mitarbeiter fragen sich: Unterwandern Scientologen die Firma? Denn in Seminaren wird ahnungslosen Mitarbeitern offenbar verdeckt die Methodik der Sekte näher gebracht. Ex-Mitarbeiter werfen Marcus V. zudem vor, sie an die Sekte herangeführt und betrogen zu haben – um Hunderttausende Euro. WELT AM SONNTAG recherchiert seit Wochen in dem Fall.
„Marcus hat mich zu Scientology gebracht“, sagt Britta G., die Marcus V. Geld anvertraut hat und der Sekte beitrat. „Er hat mich ausgenutzt.“ Dies scheint kein Einzelfall zu sein. Anke S., lange für das Unternehmen tätig, erzählt: „Marcus sagte, meine Tochter und ich sollten einen Scientology-Kurs in Berlin oder Hannover machen.“ Auch sie berichtet von nicht beglichenen Schulden.
3400 Scientologen gibt es laut Verfassungsschutz in Deutschland. Jedes vierte Mitglied wohnt in Baden-Württemberg – Firmensitz von truu. Scientologen versuchen, sich in der Gesellschaft zu verankern; über Tarnorganisationen, über Datingportale – und durch das Infiltrieren von Firmen. Sabine Riede, Leiterin der Beratungsstelle Sekten-Info Nordrhein-Westfalen, erklärt die Taktik: „Menschen in Führungspositionen für Scientology gewinnen, die dann ihre Angestellten ködern, und diese wiederum ihre Bekannten.“ Sie betreute mehrere Fälle, in denen Angestellte für Scientology geködert wurden. Der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg bestätigt: „Scientology ist bemüht, durch Unterwanderungen von Firmen ihre Einflussmöglichkeiten zu vergrößern.“ Vieles deutet darauf hin, dass bei truu seit Jahren Scientologen arbeiten.
Da ist Marcus V., einer der Bosse im Firmenverbund um truu, zu dem truu wasserweik, truu realestate, truu mobility und truu service gehören. Geschäftspartner Timo K. wird als CEO von truu partner ltd. geführt, einer Firma mit Sitz in Zypern. Zusammen traten sie bei der Jahresgala in Pforzheim auf. Dass Marcus V. Scientologe ist, bestätigen Weggefährten; über eine Nähe von K. zur Sekte ist hingegen nichts bekannt.
Weggefährten beschreiben Marcus V. als durchaus charmant, aber auch als aufbrausend und manipulativ. Intern habe er ein Kontrollsystem geschaffen, das Mitarbeiter durch tägliche „Calls“, „Checksheets“ und „Profi Power Weekends“ überwache. Auf Instagram-Bildern posiert er auf Schnellbooten und feiert das Leben auf der Überholspur. Hashtags: „MillionaireLifestyle“ oder „BuildYourEmpire“. Einer seiner Abonnenten: Scientology London.
Weitere ehemalige und aktive Mitarbeiter weisen Verbindungen zu Scientology auf. Konrad A., Chefingenieur, soll der Sekte angehören. Sein Name findet sich bereits auf Listen über Scientology-Mitglieder aus dem Jahr 2000. Auf Facebook gefallen ihm ein Buch des Sekten-Gründers oder eine Organisation, die Scientology zugerechnet wird. Das Gleiche gilt für Klaus-Dieter W., der für truu arbeitete und ebenfalls Scientologe sein soll. Beide äußerten sich nicht dazu. Insider nennen weitere Namen. Fließt Geld, das durch truu erwirtschaftet wurde, zu Scientology? Belege dafür gibt es nicht. Jedoch sei es üblich, dass Scientologen ständig zu Spenden aufgerufen werden, sagt Expertin Riede.
Britta G., 51, dachte, dass Marcus V ein Freund sei. Bis 2015 besuchte er sie mehrmals in ihrem Wohnort Kiel, wo er Wasser-Infoabende veranstaltete. 2014 hätte Marcus V. ihr eröffnet, dass er Scientologe sei. Die Sekte habe ihn zu einem besseren Menschen gemacht, soll er geschwärmt haben. Er sei mit ihr zur Scientology-Zentrale nach Hamburg gefahren, wo sie Tests absolvierte. Nach eineinhalb Jahren bei Scientology merkte Britta G., wo sie hineingeraten war und stieg aus.
40.000 Euro habe sie der Sekte gezahlt. Mehr Geld überwies sie der Firma um Marcus V. Laut einem Vertrag zahlte sie 100.000 Euro als Einlage ein und wurde stiller Gesellschafter bei Wasserweik. Marcus V. soll sie zudem dazu animiert haben, 220.000 Euro in Immoweik zu investieren. Es waren ihre Ersparnisse. Marcus V. hätte ihr eine gute Rendite in Aussicht gestellt. Sie sagt, dass sie bis heute auf ihr Geld warte und finanzielle Probleme habe.
Der Anwalt von Britta G. möchte Strafanzeige wegen Untreue und Betrug einreichen. Auch Anke S. übt Kritik. Sie vertrieb Wasserfilteranlagen, gab Vorträge. Auch sie sagt, dass truu ihr für ausstehende Provisionen Geld schulde, wohl Tausende Euro; genau weiß sie es nicht, weil man ihr den Zugang zum Betriebssystem gesperrt habe. Chatverläufe zeigen, dass sie Marcus V. über Monate vergeblich um Zahlung offener Beträge bat. Oft sei sie mit Marcus V. aneinandergeraten. 2014 soll dieser ihr gesagt haben, sie müsste ruhiger werden, empfahl ihr das „Dianetik“-Buch von Scientology. „Ich habe das gelesen und dachte mir: was für ein Schmarren“, sagt Anke S. Marcus V. habe ihr empfohlen, einen Kurs bei der Sekte zu belegen. Sie lehnte ab. Fast jeden Monat veranstaltet truu in Hotels „Profi Power Weekends“ für bis zu 200 Personen. Mitarbeiter sollen regelmäßig teilnehmen, zahlen pauschal 150 Euro pro Seminar. Offiziell geht es um eine Kommunikations- und Verkaufsschulung. Guckt man sich die Inhalte an, könnte man meinen, es handele sich um ein verdecktes ScientologySeminar. Fotos zeigen ein an die Wand projiziertes Dreieck. An den Ecken Schlagworte: Kommunikation – Realität – Zuneigung. Expertin Riede: „Das Dreieck ist – mit minimalen Abweichungen – eine Kopie des A-R-K-Dreiecks von Scientology.“ Das Dreieck, Symbol der Sekte, steht für Affinität, Realität und Kommunikation. Auch Arbeitsblätter des truu-Seminars zeigen Parallelen zu Inhalten der Sekte. An manchen Stellen scheint es sich fast um eine Persönlichkeitsschulung zu handeln. Auszug aus Übung 1: „Öffne dann deine Augen und entscheide im HIER und JETZT, dass DU diese Person ab JETZT bist.“
Öffentlich hat sich truu ein Hochglanzimage mit prominenten Werbebotschaftern geschaffen. Neben dem Koch Stromberg empfiehlt auch Professor Ingo Froböse die Wasserfilteranlagen. Der Wissenschaftler der Sporthochschule Köln verfasste sogar ein Gutachten. Doch das Geschäft mit dem Wasser ist umstritten. Verbraucherzentralen sagen, dass die Qualität von Trinkwasser in Deutschland hoch sei. Ob man die Anlagen tatsächlich braucht, daran gibt es Zweifel.
Froböse zeigte sich auf Anfrage zu den Scientology-Verbindungen geschockt. Davon höre er zum ersten Mal. Er habe veranlasst, seine Gutachten vorerst aus dem Internet nehmen zu lassen. Sollten die Vorwürfe stimmen, werde man die Kooperation ganz beenden. TV-Koch Stromberg und truu-Boss Timo K. ließen Anfragen unbeantwortet.
WELT AM SONNTAG hat auch Marcus V. einen Fragenkatalog geschickt. In seiner Antwort ging er auf konkrete Fragen nicht ein, teilte jedoch mit, nicht mehr Geschäftsführer von truu zu sein. Welches truu-Unternehmen meint er konkret? Erfolgte die Kündigung gerade erst? Dies ließ Marcus V. unbeantwortet. A ktuelle Unterlagen weisen ihn als Gesellschafter und Geschäftsführer im truuKomplex aus.
Betriebsintern nahm Marcus V. in der vergangenen Woche ausführlicher Stellung, berichten Beteiligte. In einem sogenannten „Zoom-Call“, einem Videotelefonat mit rund 70 Mitarbeitern, offenbarte er sich: Er sei Scientologe, seit 15 Jahren. Da er erpresst werde, sehe er sich gezwungen, das nun öffentlich zu machen. Es gäbe wohl noch einen weiteren Angestellten, der zur Sekte gehöre, mehr sei da nicht. Er, also Marcus V., würde klar zwischen Scientology und der Firma trennen. An diesem Wochenende findet wieder ein „Profi Power Weekend“ statt.