Diskussion:Kinesiologie

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Kinesiologie als Therapie ?

Kann denn Kinesiologie überhaupt eine therapeutische Wirkung haben (wie im Artikel angeführt)? Es wird damit doch nur "diagnostiziert" und nicht behandelt, oder? EsoTypo 00:25, 5. Jan. 2009 (CET)

kläre ich in den nächsten Tagen. Aber aus eigener Erfahrung kann ich es bejahen. Deceptor 00:34, 5. Jan. 2009 (CET)
Ich habe die Kat "Überarbeiten" dazugetan, damit wir die Klärung des Therapieaspektes nicht vergessen (siehe oben). Und wie gehen wir mit dem unten stehenden Artikel um? Bleibt der hier auf der Diskuseite oder soll der in den Artikel eingearbeitet werden? --EsoTypo 13:47, 24. Jul. 2009 (CEST)

Kann man hieraus was entnehmen?

http://www.sgipt.org/schulpsy/kines0.htm:

Schule versucht derzeit ungewöhnliche Wege zu gehen, um mit Schwierigkeiten und Problemen fertig zu werden. Vor dem Hintergrund fehlender Erfolge herkömmlicher pädagogischer und psychologisch begründeter Verfahren scheint sie auf der Suche nach neuen erfolgreichen bzw. -versprechenden Konzepten bei der "Kinesiologie" gelandet zu sein. Der folgende Beitrag möchte Kinesiologie in

1. ihrem diagnostischen und therapeutischen Anspruch,

2. ihrer epidemiehaften Ausbreitung und

3. ihrer berufs- und schulpolitischen Konsequenz

kritisch betrachten.


1. Kinesiologie in ihrem diagnostischen und therapeutischen Anspruch

"Kinesiologie" - was ist damit gemeint?

Wörtlich übersetzt heißt Kinesiologie Bewegungslehre. Im engeren Sinn versteht sich die sogenannte Kinesiologie als ein diagnostisch - therapeutisches System zur Beurteilung und Behandlung von Störungen. Sie schöpft aus verschiedenen Quellen (physiologische Inhalte werden mit fernöstlichen und auch eher esoterischen Gedanken vermengt) und beruht auf der Annahme einer Körper, Geist und Seele durchdringenden Energie. Kinesiologen behaupten, über das Testen von Muskelspannungen sowohl Blockierungen im Energiefluß sowie die blockierenden Faktoren erfassen zu können. Zentrale Rolle spielt nach Auffassung von DIAMOND (1993) die Thymusdrüse, die den gesamten Energiehaushalt des Körpers überwache. Ein Zusammenwirken zwischen Thymusaktivität und der Koordination und Integration rechter und linker Gehirnhemisphäre wird postuliert. Eine Störung des Energieflusses soll mit Hilfe spezifischer Bewegungen und der Stimulation verschiedener Körperstellen behoben werden. Durch körperliche Übungen (gymnastische Übungen mit Kreuzen der Körpermitte, Stimulieren von Druckpunkten) wird eine Aufhebung von Denk-, Gefühls- und Erlebnisblockaden angestrebt. Auswirkungen dieser Übungen auf komplexe Persönlichkeitsvariablen wie Emotionen und körperliche Befindlichkeiten (z.B. Angst, Ärger, sexuelle Spannungen, Hunger, Übelkeit, ...) sowie im Fall der "educational kinesiology" (EDU-Kinesiologie) auch auf die Lernfähigkeit von Kindern werden behauptet.

Kinesiologie eine diagnostisch - therapeutische Methode?

C. GOLDNER(1) führt die "Kinesiologie" im Rahmen seines Beitrags über esoterische Diagnose und Therapieformen auf. Durch den Muskeltest würde jedwede Form von Streßfaktoren, die einen geheimnisvollen Energiefluß im Körper beeinträchtigten, erfaßt. ("Der Körper lügt nicht"(2)). Kritisch wird in dem Beitrag auch das Therapiesystem "Touch for health" angemerkt, in dem die Kinesiologie Heilung durch Handauflegung anbietet. (Siehe auch "Die heilende Kraft der Emotionen"(3))

Der Glaube an kausal - lineare Zusammenhänge zwischen somatischen und psychischen Prozessen bildet den theoretischen Hintergrund der Schule. So schreibt DIAMOND bezüglich des Muskeltests: "Wie Sie beim Lesen dieses Buchs lernen werden, läßt sich durch das Testen dieses Muskels in kaum mehr als einer Minute feststellen, welche negativen Haltungen uns zu einer gegebenen Zeit beeinflussen, und diese können anschließend sofort korrigiert werden."(4) Ein direkter Zusammenhang zwischen der Spannung des Deltamuskels und Haltung im Sinn von Einstellung wird postuliert.

Wissenschaftliche Aussagen und fernöstliche Glaubenssätze werden vermengt. (Rückgriff auf das von von der chinesischen Akupunkturmedizin postulierte Meridiansystem, in dem die Lebensenergie (Ch 'i ) durch den Körper fließt) Dem Benutzer wird ein Glaubensbekenntnis abverlangt. "Kinesiologie" entzieht sich dadurch der exakten wissenschaftlichen Erfassung. Es wird die Bereitschaft vorausgesetzt, sich darauf einzulassen. Es ist damit nicht mehr klar, wo der Punkt liegt, ab dem sich der Anwender zu einer These zu bekennen hat.

"Kinesiologische Diagnostik" verspricht (zu) viel

Das Muskeltestverfahren behauptet von sich, ein Breitband - Diagnostikum zu sein. Mit ihm wird nicht nur der gestörte Bewegungsfluß nachgewiesen, sondern es werden alle für einen blockierten Bewegungsfluß verantwortlichen Wirkfaktoren indiziert. Durch den Muskeltest würden jedwede Form von Streßfaktoren, die einen geheimnisvollen Energiefluß im Körper beeinträchtigten, erfaßt. ("Der Körper lügt nicht"(5). Von schädlichen Umwelteinflüssen (Kleidungsstoffe, Farben, Toilettenartikel, Beleuchtungskörper, Haushaltsbrennstoffe, ....) angefangen bis hin zu Beziehungen bzw. Gedanken, lassen sich alle auf die psychische und physische Gesundheit wirkenden Einflüsse in ihrer Bedeutung für die Person austesten. DIAMOND berichtet sogar darüber, daß er den Muskeltest durchführt, um Kaufentscheidungen besser treffen zu können. (DIAMOND, 1993(b), S. 79)

Das Muskeltestverfahren entspricht einem Lügendetektor-Vorgehen, auch wenn dies DIAMOND bestreitet: "Der Test ist kein Lügendetektor, sondern eher ein Wahrheitsfinder."(6) Der Proband scheint sich nicht widersetzen zu können. Sein Wille scheint keinen Einfluß auf das Prozedere nehmen zu können. Gefühle des Ausgeliefertseins und Manipuliertwerdens werden von einigen Versuchspersonen berichtet, die kinesiologische Diagnostik erfahren haben. So erachtet das niedersächsische Kultusministerium die Anwendung des Muskeltests in der Schule als problematisch.(7)

Die "Stiftung Warentest" äußert sich kritisch zu dem Muskeltest, wie er von Kinesiologen praktiziert und propagiert wird: "In einer Studie von 1992 mit dem Titel "Die andere Medizin" heißt es: Die Muskeltestung ist rein subjektiv und kann manipuliert werden. Auch gebe es keine wissenschaftliche Dokumentation darüber, ob der Test wirklich herausfinden kann, was behauptet wird." (Zitiert nach SEIDL(8))

Eine Gefahr des ausschließlichen Anwendens des Muskeltestverfahrens liegt im Verzicht auf die Suche nach weiteren Ursachen von Störungen, etwa im sozialen Umfeld von lerngestörten Kindern. Systemische Anteile an Störungen werden leicht aus den Augen verloren. Das Verfahren könnte somit sogar systemstabilisierenden Charakter haben. (Auf Schule bezogen hieße das am Beispiel der Legasthenie: nicht der Lese- oder Rechtschreibunterricht soll sich ändern. Die Kinder müssen nur entsprechende gymnastische Übungen durchzuführen, um Leseprobleme zu überwinden.)

Das therapeutische Vorgehen entbehrt empirischer Evaluation

Kinesiologie macht sich breit unter Verwendung einer Terminologie, wie sie von Neurologen, Orthopäden, Psychiatern, Psychologen und Allgemeinmedizinern gebraucht wird. Sie vermischt ihre Begrifflichkeit mit fernöstlichen Gesundheitskonzepten, wobei sie die Ganzheitlichkeit ihres Ansatzes unterstreicht: "Was Heiler zwischen Hawaii, Amerika und Tibet je praktiziert haben, was in alten Heilbüchern steht, ist wieder aufgelebt, manchmal neu und in Variationen zusammengemixt, immer die Ganzheitlichkeit von Körper, Geist und Seele beschwörend."(9)

Es ist unklar, wo bei der Kinesiologie die These beginnt. Motorische Trainingsverfahren mögen durchaus eine positive Wirkung auf den Bewegungsapparat und die Koordinationsfähigkeit besitzen. Zweifelsohne sind daran hirnphysiologische Prozesse beteiligt. (Siehe auch VESTER, 1975(10). Edukinesthetik behauptet jedoch kausale Zusammenhänge zwischen Bewegungsabläufen und ihren Wirkungen auf die Persönlichkeit. Zu vermissen ist eine wissenschaftliche Sach- und Redlichkeit, die eine Wirkung motorischer Trainingsverfahren auf den entsprechenden motorischen bzw. visumotorischen Komptenzzuwachs beschränkt. Statt dessen werden komplexe persönlichkeitsspezifische Veränderungen postuliert. (DIAMOND, 1993(a,b))

Einem therapeutischen Ansatz, der die Wechselwirkung zwischen Person und Umwelt berücksichtigt, steht bei Kinesiologen ein Rezeptwissen gegenüber, das bei einer bestimmten Symptomatik ein exakt umschriebenes Verfahren empfiehlt. (DIAMOND, 1993 (a, b); DENNISON, 1989) Die Wirkung kinesiologischer Übungen auf komplexe menschliche Verhaltensweisen ist bislang nur hypothetisch und nicht empirisch nachgewiessen. (Das Argument, daß es derzeit viele Dinge gebe, die noch nicht empirisch überprüft seien und die es dennoch gäbe, lasse ich als kritischer Mensch an dieser Stelle nicht gelten.)

Nachdenklich stimmt die Tatsache, daß mit ein und demselben Verfahren unterschiedlichste Störungen "behandelt" werden. Kinesiologie findet sowohl bei Legasthenie als auch bei depressiver Symptomatik Anwendung.

Schnelle Hilfe wird versprochen: "Therapeuten" kinesiologischer Ausrichtung benötigen häufig nur wenige Stunden, um durchgreifende Erfolge zu erzielen. "Durch einen einfachen Muskeltest können Sie Ihren emotionalen Zustand - oder den einer anderen Person - herausfinden. Sie können ihn sofort verbessern und damit eine höhere Lebensenergie erreichen"(11) . So heißt es im Werbetext eines Augsburger Trainingsinstituts für Kinesiologen: "Durch individuelles Training und gezielte Beratung lasssen sich oft in wenigen Wochen bedeutende Verhaltensänderungen erreichen, die sich auch im Notenbild äußern. " (12) DENNISON berichtet von augenblicklicher Heilung einer Leseschwäche: "Nachdem sie die Überkreuzbewegungen durchgeführt hatte, klingelte das Telefon; ich stand mit dem Rücken zu ihr, als sie laut zu lesen begann. Zu meiner Verwunderung las nun eine Stimme, die sich ganz anders anhörte, die nun von perfektem Ausdruck, Worterkennung und Verständnis gekennzeichnet war. Es war eine andere Judy, sie war entspannt, selbstsicher und zuversichtlich."(13) In dieser Therapie-Geschwindigkeit, die ans Wunderbare zu grenzen scheint, mag einerseits das Verführerische des Angebots für Klienten und vermittelnde Instanzen und andererseits auch der Widerstand von "konservativ" arbeitenden Therapeuten begründet liegen. "Diagnose, Beratung und Therapie sind nun ein freudiges Abenteuer. Lehren und Lernen müssen nie mehr Plackerei sein."(14) Müssen sich diese nicht gekränkt fühlen ob der "Rückständigkeit" und "Ineffektivität" ihrer Behandlungsstrategien. "Mit dieser Dennison-Lateralitäts-Bahnung kann jede Person mit homolateralem Bewegungsmuster auf das natürliche Überkreuz-Muster eingestimmt werden. Die Korrektur ist augenblicklich und tiefgreifend, sie sollte aber zur Festigung noch über einen Zeitraum von ca. sechs Wochen täglich durchgeführt werden."(15)Mühsame therapeutische Kleinarbeit wird mit einer globalen simplen Methode umgangen. Den Klienten wird die Möglichkeit einer anstrengungsfreien Therapie suggeriert.

Empirische Nachweise der propagierten Therapieeffekte werden in wissenschaftlichen Beiträgen nicht berichtet. Hansjörg HEMMINGER von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Stuttgart bezeichnet Kinesiologie als "eine außerwissenschaftliche Lehre und Methode ohne jegliche wissenschaftliche Plausibilität."(16)

Im Rahmen neuerer Evaluationsuntersuchungen zu psychotherapeutischen Behandlungsformen wird das Verfahren nicht erwähnt. In deutsch- und englischsprachigen wissenschaftlichen Zeitschriften lassen sich in den vergangenen fünf Jahren keine Artikel finden, die Nachweise über die postulierten Effekte lieferten. Nachgewiesene Effekte beschränken sich auf Entwicklungserfolge im Bereich der psychomotorischen Koordination. So berichten SIFFT/KHALSA(17) von signifikanten Auswirkungen der "Dennison-Lateralitäts-Bahnung" auf die Reaktionszeit. CAMMISA(18) beschreibt signifikante Auswirkungen des EDU-Kinesiologie-Trainingsprogramms auf die visumotorische Koordinationsfähigkeit bei lernbehinderten Kindern - insbesondere eine Verbesserung der Bewegungswahrnehmung. Zusammenhänge zwischen kinesiologischen Übungen und Persönlichkeitsveränderungen wie sie von DIAMOND behauptet werden, finden sich nur im Insider-Feld der Kinesiologen. In der empirischen psychologischen Forschung sind sie nicht zu entdecken. (In der medizinischen Fachliteratur finden sich dagegen eine Unzahl von Beiträgen, die physiologische und biochemische Prozesse - ausgelöst durch bewegungstherapeutischen Übungen - beschreiben.) Effekte kinesiologischer Therapiemaßnahmen auf den Bewegungsapparat sowie auf motorische und visumotorische Koordinationsvorgänge werden in vorliegendem Beitrag nicht hinterfragt. Daß Bewegungsübungen auch auf Bewegungskoordination im Rahmen des Schreibens sich positiv auswirken, bleibt unumstritten.(19) Solchen Bewegungsübungen stimmt auch das niedersächsische Kultusministerium zu, nachdem anfänglich "Kinesiologische Übungen im Unterricht" verboten wurden. "Wir haben nichts gegen Bewegungsübungen."(20)


2. Kinesiologie breitet sich epedemiehaft aus

Kinesiologie provoziert Abhängigkeiten zwischen "Meistern" und "Schülern" - zwischen "Gurus" und "Bedürftigen". Sie erinnert an eine sektenähnliche Vereinigung.

Sekten und sektenähnliche Bewegungen erhalten ihre Nahrung aus einem Bedürfnis nach Heilslehren. Wie Heidrun GRAUPNER in ihrem Beitrag "Mit einer Aura von 190 Volt"(21) berichtet, fallen viele auf ihrer Lösungssuche auf den Hoffnungszauber und die Heilsversprechen des postmodernen Therapiebetriebs herein. "Patienten aber, bei denen die Schulmedizin kein Mittel mehr weiß, suchen dann verzweifelt nach einem neuen Hoffnungszauber, und sei dieser noch so teuer." Bei der Auflistung der Angebote wird neben Pendeln, Bachblüten und Heilen durch Kristalle von GRAUPNER auch die Kinesiologie genannt. Der Glaube an die Machbarkeit wächst in dem Maße, in dem sich Personen mit den ihnen zu Verfügung stehenden Ressourcen und Verhaltensweisen in ihrer Wirklichkeit nicht mehr zurecht finden können. Betrachten wir die gegenwärtige Schulwirklichkeit(22), so läßt sich eine große Offenheit gegenüber möglichen Heilslehren feststellen. Das immer stärkere Umsichgreifen läßt sich mit Vorsicht aus dem Scheitern der herkömmlichen pädagogisch-psychologischen Möglichkeiten beziehungsweise aus dem ihnen zugebilligten Platz in der Schulrealität erklären. Die versprochene schnelle Wirkung kinesiologischer Einflußnahme auf lern- und verhaltensauffällige Kinder macht ihr Angebot für Lehrer und Berater im Raum Schule, die unter Handlungsdruck stehen, noch attraktiver.

Von der Kinesiologie werden Suchende, die von der Sehnsucht nach einer heilen Welt getrieben werden, angesprochen. Ihnen scheinen die augenblicklichen Möglichkeiten, die ihnen die bisherige beraterische Praxis im Raum Schule anbieten, zu wenig befriedigend. (Siehe auch Hugo STAMM (23). Dies erklärt vielleicht auch den Zulauf , den Kinesiologen derzeit verbuchen können. Obwohl, wie oben bereits dargestellt, Kinesiologie weder theoriefähig gelten noch therapeutisch ernst genommen werden kann (Siehe HEMMINGER, 1994 ) breitet sie sich dennoch unter Lehrern und Heilpraktikern rasant aus: die Nachfrage nach Seminaren am Freiburger Institut für Angewandte Kinesiologie (IAK) ist nach Auskunft der Veranstalter sehr groß. (SEIDL, 1995)

Werden Sekten auch an dem Ausmaß gemessen, mit dem sie ihre Anhänger verführen, so können die Versprechen, mit denen Kinesiologen ihre Jünger "fangen" durchaus nahelegen, die Kinesiologie zu diesen Gruppierungen zu zählen: sowohl das Tempo, mit dem Veränderungen prophezeit werden als auch die Einfachheit, wie der Patient das gewünschte Ziel erreichen kann ("Ganz ohne langwierige und nervige Gespräche"), stellen sich als Elemente der Verführung dar, mit denen Jünger und neue Apostel gewonnen werden.

Beim Informationsabend des oben erwähnten Augsburger Trainingsinstituts werden unter anderem die Einkunftsmöglichkeiten diskutiert. "Für PädagogInnen mit Interesse an freier Beratungstätigkeit (auch nebenberuflich) bietet sich ein neues und reizvolles Berufsfeld mit sehr guten wirtschaftlichen Möglichkeiten."(24) Eine als Kinesiologin examinierte Lehrerin rühmt sich, mit dieser neuen Einnahmequelle durchaus ihren bisherigen traditionellen Beruf an den Nagel hängen zu können.

3. Kinesiologie unter berufs- und schulpolitischen Gesichtspunkten

Kinesiologie unter berufsethischen Grundsätzen

Soweit Kinesiologie in der Schule und im Unterricht Anwendung findet, können sich Kinder und Eltern nicht dagegen aussprechen beziehungsweise haben sie nicht die Möglichkeit diesem Verfahren explizit zuzustimmen. "Auch gibt es Fälle, in denen Lehrer kinesiologische Übungen anwendeten, ohne zuvor Eltern zu informieren."(25) Sollte die Kinesiologie die von ihr behaupteten Effekte besitzen, so würde sie eine Manipulation darstellen, der sich das Klientel nicht mehr entziehen könnte. Kinder würde manipuliert, um sich in einer gewünschten Richtung zu verhalten. (Konzentration beispielsweise könnte durch eine bestimmte Übung provoziert werden - unabhängig vom Unterrichts. Störungen könnten ausgeschaltet und auch langweilige Unterrichtsprozesse so durchgesetzt werden.)

Andere therapeutische Verfahren setzen eine Zustimmung des Klienten voraus: so muß sich der Klient auf das Autogene Training einlassen wollen, um Effekte für das eigene Erleben zu gewinnen, die über eine bloße Imagination hinausgehen. Wollen wir den Kinesiologen Glauben schenken, so würden ihren Übungen zwangsläufig und automatisch Persönlichkeitsveränderungen folgen.

Hemminger wertet Kinesiologie allerdings als "weltanschaulich und religiös neutral". Seiner Meinung nach bestehe kein Anlaß, die kinesiologische Methode für besonders gefährlich zu halten.

Kinesiologie und Schulpsychologie

Kinesiologische Arbeit steht moderner schulpsychologischer Erkenntnis entgegen. Wird dort die Wechselwirkung zwischen bestimmten Symptomen auf Seiten der Schüler in Zusammenhang mit der Schulwirklichkeit gesehen, so versuchen Kinesiologen Symptome durch die Behandlung von Symptomträgern (Schüler) zu beseitigen. Statt Schule weiterzuentwickeln und ihren Wert an den Bedürfnissen und Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen zu messen, werden die Nutzer des Schulsystems behandelt und funktionsfähig gemacht. - Es ist zu wünschen, daß nicht in dieser Verkehrung der Grund zu suchen ist, daß Kinesiologie in den Fortbildungsangeboten der Staatlichen Schulämter zu finden ist.

Therapie nach kinesiologischen Gesichtspunkten geschieht grundsätzlich individuell am Symptomträger. Komplexe Zusammenhänge werden vernachlässigt. Systemisches Denken ist ausgeblendet. Die Schul- und Familienwirklichkeit wird nicht explizit mit einbezogen.

Kinesiologie unter schulpolitischen Gesichtspunkten

Entspricht Kinesiologie nicht der augenblicklichen Tendenz, Ordnung in einer immer unübersichtlicheren Welt wiederzufinden? Ist es nicht wunderbar, Störungen mit Hilfe körper- und hirngymnastischer Übungen zu korrigieren und neue Ordnungen zu finden? Ist es nicht verführerisch, "brain-gym" statt "school-change" anzubieten? Ist dies nicht ein Angebot, auf das Schulverwaltung zurückgreifen muß angesichts augenblicklicher Probleme in Schulen? So mag es nicht verwunderlich erscheinen, wenn die "Wunderwaffe Kinesiologie" in der Zwischenzeit sogar Bestandteil der offiziellen regionalen und überregionalen Lehrerfortbildung darstellt.

Schulpsychologen befürworten es, Bewegung vermehrt in Schule zu integrieren und so einem verkopften, ausschließlich linkshemisphärisch orientiertem Unterricht entgegenzuwirken. Sie begrüßen eine Veränderung von Schule in die Richtung einer "bewegten Schule", die den Wechsel von Spannung und Anspannung sowie ein ganzheitliches Lernen mit allen Sinnen unterstützt Daß eine solche Entwicklung nicht mit einer Ideologisierung unter kinesiologischen Vorzeichen verwechselt werden darf, versuchte dieser Beitrag aufzuzeigen.

0815 21:38, 27. Nov. 2008 (CET)