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== Institutionalisierung ==
 
== Institutionalisierung ==
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Da die Einrichtungen zur Grundlagenforschung Anfang des 20. Jahrhunderts jüdischen Wissenschaftlern eine besondere Integrationschance boten <ref>Jörg Behrmann: ''Integrationschancen jüdischer Wissenschaftler in Grundlagenforschungsinstitutionen im frühen 20. Jahrhundert.'' In: Walter Grab (Hrsg.): ''Juden in der deutschen Wissenschaft.'' Internationales Symposium, April 1985. München 1985. (Jahrbuch des Instituts für Deutsche Geschichte, Beiheft 10.) S. 281–327</ref>, waren überproportional viele geistige Väter des modernen physikalischen Weltbildes wie zum Beispiel Albert Einstein, [[Max Born]] und [[Wolfgang Pauli]] jüdischer Abstammung. Aus diesem Grund wurde im Zuge der [[Kritik_an_der_Relativitätstheorie#Chauvinismus_und_Antisemitismus|Auseinandersetzungen um die Relativitätstheorie Albert Einsteins]] bereits in den 20er Jahren die abstrakte ''jüdische Physik'' im Gegensatz zur begreifbaren ''Deutschen Physik'' konstruiert.
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Da die Einrichtungen zur Grundlagenforschung Anfang des 20. Jahrhunderts jüdischen Wissenschaftlern eine besondere Integrationschance boten <ref>Jörg Behrmann: ''Integrationschancen jüdischer Wissenschaftler in Grundlagenforschungsinstitutionen im frühen 20. Jahrhundert.'' In: Walter Grab (Hrsg.): ''Juden in der deutschen Wissenschaft.'' Internationales Symposium, April 1985. München 1985. (Jahrbuch des Instituts für Deutsche Geschichte, Beiheft 10.) S. 281–327</ref>, waren überproportional viele geistige Väter des modernen physikalischen Weltbildes wie zum Beispiel Albert Einstein, Max Born und Wolfgang Pauli jüdischer Abstammung. Aus diesem Grund wurde im Zuge der Auseinandersetzungen um die Relativitätstheorie Albert Einsteins bereits in den 20er Jahren die abstrakte ''jüdische Physik'' im Gegensatz zur begreifbaren ''Deutschen Physik'' konstruiert.
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Das Jahr 1933 brachte durch die [[Gleichschaltung]] und Entlassung jüdischer Wissenschaftler eine Zäsur in der Wissenschaftsorganisation, bei der Vertreter der ''Deutschen Physik'' Machtpositionen erlangten. Am 1. Mai 1933 wurde Johannes Stark vom Reichsinnenminister zum neuen Präsidenten der [[Physikalisch-Technische Reichsanstalt|Physikalisch-Technischen Reichsanstalt]] eingesetzt, 1934 folgte die Präsidentschaft der wichtigen Forschungsförderungseinrichtung ''[[Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft]].'' Im selben Jahr wurde allerdings auch sein Anspruch auf den Vorsitz der [[Deutsche Physikalische Gesellschaft|Deutschen Physikalischen Gesellschaft]] vereitelt, die Vergabe des Nobelpreises an [[Werner Heisenberg]] 1933 schwächte die Position der ''Deutschen Physik'' zusätzlich.
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Das Jahr 1933 brachte durch die Gleichschaltung und Entlassung jüdischer Wissenschaftler eine Zäsur in der Wissenschaftsorganisation, bei der Vertreter der ''Deutschen Physik'' Machtpositionen erlangten. Am 1. Mai 1933 wurde Johannes Stark vom Reichsinnenminister zum neuen Präsidenten der [[Physikalisch-Technische Reichsanstalt|Physikalisch-Technischen Reichsanstalt]] eingesetzt, 1934 folgte die Präsidentschaft der wichtigen Forschungsförderungseinrichtung ''Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft.'' Im selben Jahr wurde allerdings auch sein Anspruch auf den Vorsitz der Deutschen Physikalischen Gesellschaft vereitelt, die Vergabe des Nobelpreises an Werner Heisenberg 1933 schwächte die Position der ''Deutschen Physik'' zusätzlich.
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Die Gruppe um Lenard und Stark erwies sich zunächst als klein, aber politisch einflussreich. Lenard übernahm die Aufgabe des Ideologen mit Beraterfunktion beim Reichskultusminister [[Bernhard Rust]]; Stark war der einflussreiche Organisator. Stark prägte den Begriff „weißer Jude“ für nichtjüdische, im ideologischen Gefüge der Nationalsozialisten ''[[arisch]]e'', Vertreter der Relativitäts- und Quantentheorie. In der SS-Zeitung ''Das Schwarze Korps'' vom 15. Juli 1937 griff er mit diesem Begriff vor allem Werner Heisenberg an. Ein politischer Erfolg der deutschen Physik war die Besetzung des Münchner [[Arnold Sommerfeld|Sommerfeld]]-Lehrstuhls durch den ''Deutschen Physiker'' Wilhelm Müller im Jahre 1939, für den ursprünglich Werner Heisenberg vorgesehen war.
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Die Gruppe um Lenard und Stark erwies sich zunächst als klein, aber politisch einflussreich. Lenard übernahm die Aufgabe des Ideologen mit Beraterfunktion beim Reichskultusminister Bernhard Rust; Stark war der einflussreiche Organisator. Stark prägte den Begriff „weißer Jude“ für nichtjüdische, im ideologischen Gefüge der Nationalsozialisten ''arische'', Vertreter der Relativitäts- und Quantentheorie. In der SS-Zeitung ''Das Schwarze Korps'' vom 15. Juli 1937 griff er mit diesem Begriff vor allem Werner Heisenberg an. Ein politischer Erfolg der deutschen Physik war die Besetzung des Münchner Arnold Sommerfeld-Lehrstuhls durch den ''Deutschen Physiker'' Wilhelm Müller im Jahre 1939, für den ursprünglich Werner Heisenberg vorgesehen war.
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Aber schon zuvor verloren Lenards und Starks Anhänger an Einfluss, weil die moderne Physik ihre Nützlichkeit in zahlreichen Forschungsprojekten beweisen konnte. Zu ihnen zählte beispielsweise das [[Uranprojekt]]. Dennoch war die Situation derart angespannt, dass die beiden Physiker [[Wolfgang Finkelnburg]] und [[Otto Scherzer]] versuchten, eine endgültige und offizielle Klärung der wissenschaftlichen Standpunkte zu erreichen. Im November 1940 kam es zu einer heute als ''Münchner Religionsgespräch'' bezeichneten Aussprache zwischen Vertretern der ''Deutschen Physik'' ([[Rudolf Tomaschek]], Alfons Bühl, Ludwig Wesch und Wilhelm Müller) und unter anderem [[Carl Ramsauer]], [[Georg Joos]], [[Hans Kopfermann]] und [[Carl Friedrich von Weizsäcker]] als Vertreter der modernen Physik. Darin sollten die Vertreter der ''Deutschen Physik'' wissenschaftlich unverrückbare Tatsachen der modernen Physik öffentlich anerkennen und die unerträglichen politischen Angriffe dagegen einstellen. Die schriftliche Vereinbarung hielt im Wesentlichen fest:
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Aber schon zuvor verloren Lenards und Starks Anhänger an Einfluss, weil die moderne Physik ihre Nützlichkeit in zahlreichen Forschungsprojekten beweisen konnte. Zu ihnen zählte beispielsweise das Uranprojekt. Dennoch war die Situation derart angespannt, dass die beiden Physiker Wolfgang Finkelnburg und Otto Scherzer versuchten, eine endgültige und offizielle Klärung der wissenschaftlichen Standpunkte zu erreichen. Im November 1940 kam es zu einer heute als ''Münchner Religionsgespräch'' bezeichneten Aussprache zwischen Vertretern der ''Deutschen Physik'' (Rudolf Tomaschek, Alfons Bühl, Ludwig Wesch und Wilhelm Müller) und unter anderem Carl Ramsauer, Georg Joos, Hans Kopfermann und Carl Friedrich von Weizsäcker als Vertreter der modernen Physik. Darin sollten die Vertreter der ''Deutschen Physik'' wissenschaftlich unverrückbare Tatsachen der modernen Physik öffentlich anerkennen und die unerträglichen politischen Angriffe dagegen einstellen. Die schriftliche Vereinbarung hielt im Wesentlichen fest:
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* Die [[Theoretische Physik|theoretische Physik]] ist ein notwendiger Bestandteil der Physik;
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* Die theoretische Physik ist ein notwendiger Bestandteil der Physik;
 
* Die spezielle Relativitätstheorie gehört zum festen Bestandteil der Physik, bedarf aber der weiteren Nachprüfung;
 
* Die spezielle Relativitätstheorie gehört zum festen Bestandteil der Physik, bedarf aber der weiteren Nachprüfung;
 
* Die vierdimensionale Darstellung von Naturvorgängen ist ein mathematisches Hilfsmittel und keine neue Raum- und Zeitanschauung;
 
* Die vierdimensionale Darstellung von Naturvorgängen ist ein mathematisches Hilfsmittel und keine neue Raum- und Zeitanschauung;
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