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Als '''Deutsche Physik''' (''Deutsche Physik nach Stark'', auch ''Arische Physik'') wird ein paraphysikalisches Weltbild unter einigen deutschen Physikern in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bezeichnet, in welchem physikalische und rassistische Ansichten untrennbar vermischt wurden. So war das Weltbild der ''Deutschen Physik'' einerseits nationalsozialistisch geprägt und lehnte andererseits die von Albert Einstein entwickelte Relativitätstheorie und die Quantenmechanik ab. Diese beiden Standpunkte wurden dabei in einen ideologischen Bezug zueinander gesetzt.
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Als '''Deutsche Physik''' (''Deutsche Physik nach Stark'', auch ''Arische Physik'') wird ein [[Paraphysik|paraphysikalisches]] Weltbild unter einigen deutschen Physikern in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bezeichnet, in welchem physikalische und rassistische Ansichten untrennbar vermischt wurden. So war das Weltbild der ''Deutschen Physik'' einerseits nationalsozialistisch geprägt und lehnte andererseits die von Albert Einstein entwickelte Relativitätstheorie und die Quantenmechanik ab. Diese beiden Standpunkte wurden dabei in einen ideologischen Bezug zueinander gesetzt.
    
''Deutsche Physik'' ist auch der Titel eines vierbändigen Lehrbuches (1936) von Philipp Lenard, das die Entwicklungen der modernen Physik auf der Basis der klassischen Physik etwa mit Hilfe der Äthertheorie zu erklären versucht.
 
''Deutsche Physik'' ist auch der Titel eines vierbändigen Lehrbuches (1936) von Philipp Lenard, das die Entwicklungen der modernen Physik auf der Basis der klassischen Physik etwa mit Hilfe der Äthertheorie zu erklären versucht.
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== Vorgeschichte ==
 
== Vorgeschichte ==
Anfang des 20. Jahrhunderts war in fast allen naturwissenschaftlichen Disziplinen ein Umsturz des klassischen Weltbildes spürbar. In der Physik stießen vor allem zwei Entwicklungen die klassischen Denkweisen um: Max Planck|Plancks Einführung des Energiequants, das der klassischen Wellen- und Äthervorstellung vom Ursprung des Lichts widersprach und mit klassischen Begriffen von Kausalität und Determiniertheit nicht mehr in Einklang stand, sowie Einsteins spezielle Relativitätstheorie, die die Naturgesetze vom Bewegungszustand des Beobachters abhängig machte und von den Gegnern als „allgemeiner Relativismus“ und „materialistisches Spiel ohne Werte“ aufgenommen wurden. Beide Entwicklungen führten in den 1920er Jahren zu einem fundamentalen Umdenken in der akademischen Physik, das einen regelrechten Kulturkampf zwischen Befürwortern und Gegnern der modernen Physik nach sich zog.
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Anfang des 20. Jahrhunderts war in fast allen naturwissenschaftlichen Disziplinen ein Umsturz des klassischen Weltbildes spürbar. In der Physik stießen vor allem zwei Entwicklungen die klassischen Denkweisen um: Max Plancks Einführung des Energiequants, das der klassischen Wellen- und Äthervorstellung vom Ursprung des Lichts widersprach und mit klassischen Begriffen von Kausalität und Determiniertheit nicht mehr in Einklang stand, sowie Einsteins spezielle Relativitätstheorie, die die Naturgesetze vom Bewegungszustand des Beobachters abhängig machte und von den Gegnern als „allgemeiner Relativismus“ und „materialistisches Spiel ohne Werte“ aufgenommen wurden. Beide Entwicklungen führten in den 1920er Jahren zu einem fundamentalen Umdenken in der akademischen Physik, das einen regelrechten Kulturkampf zwischen Befürwortern und Gegnern der modernen Physik nach sich zog.
    
Dabei waren die Gegner der modernen Physik vor allem in der älteren Generation von Naturforschern zu finden, die sich im untergegangenen Kaiserreich als bedrohte Elite von Kulturträgern verstanden. Zu ihnen gehörten auch die Protagonisten der ''Deutschen Physik'', die Nobelpreisträger Philipp Lenard und Johannes Stark. Früh schon stigmatisierte diese Elite die Unzulänglichkeiten des Materialismus der modernen Gesellschaft als jüdisch, der größte Teil dieser „deutschen Mandarine“ trat in seiner konservativen politischen Tradition ins antisemitische Lager über.<ref>Fritz K. Ringer: Die Gelehrten. Der Niedergang der deutschen Mandarine 1890–1933. Stuttgart 1983. (Erstauflage: The Decline of the German Mandarins. Cambridge, Mass. 1969.)</ref> Im Gegensatz dazu gab es vor allem in der jüngeren Generation eine weitverbreitete Ablehnung der klassischen Physik. Heute wird die Entwicklung der Quantentheorie in den 20er Jahren mit ihren unanschaulichen und scheinbar paradoxen Grundaussagen als Kind dieser Geisteshaltung betrachtet.<ref>Paul Forman: ''Weimar Culture, Causality, and Quantum Theory, 1918–1927: Adaption by German Physicists and Mathematicians to a Hostile Intellectual Environment.'' In: ''Historical Studies in the Physical Sciences 3'' (1971), S. 1–115.</ref>
 
Dabei waren die Gegner der modernen Physik vor allem in der älteren Generation von Naturforschern zu finden, die sich im untergegangenen Kaiserreich als bedrohte Elite von Kulturträgern verstanden. Zu ihnen gehörten auch die Protagonisten der ''Deutschen Physik'', die Nobelpreisträger Philipp Lenard und Johannes Stark. Früh schon stigmatisierte diese Elite die Unzulänglichkeiten des Materialismus der modernen Gesellschaft als jüdisch, der größte Teil dieser „deutschen Mandarine“ trat in seiner konservativen politischen Tradition ins antisemitische Lager über.<ref>Fritz K. Ringer: Die Gelehrten. Der Niedergang der deutschen Mandarine 1890–1933. Stuttgart 1983. (Erstauflage: The Decline of the German Mandarins. Cambridge, Mass. 1969.)</ref> Im Gegensatz dazu gab es vor allem in der jüngeren Generation eine weitverbreitete Ablehnung der klassischen Physik. Heute wird die Entwicklung der Quantentheorie in den 20er Jahren mit ihren unanschaulichen und scheinbar paradoxen Grundaussagen als Kind dieser Geisteshaltung betrachtet.<ref>Paul Forman: ''Weimar Culture, Causality, and Quantum Theory, 1918–1927: Adaption by German Physicists and Mathematicians to a Hostile Intellectual Environment.'' In: ''Historical Studies in the Physical Sciences 3'' (1971), S. 1–115.</ref>
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* Werner Heisenberg: ''Deutsche und Jüdische Physik''. Hrsg. von Helmut Rechenberg. München 1992, ISBN 3-492-11676-0.
 
* Werner Heisenberg: ''Deutsche und Jüdische Physik''. Hrsg. von Helmut Rechenberg. München 1992, ISBN 3-492-11676-0.
 
* Freddy Litten: ''Mechanik und Antisemitismus: Wilhelm Müller (1880–1968)''. Institut für Geschichte der Naturwissenschaften, 2000, ISBN 3-89241-035-6.
 
* Freddy Litten: ''Mechanik und Antisemitismus: Wilhelm Müller (1880–1968)''. Institut für Geschichte der Naturwissenschaften, 2000, ISBN 3-89241-035-6.
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==Siehe auch==
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*[[Paraphysik]]
    
== Weblinks ==
 
== Weblinks ==
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*https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/schulmedizin-und-arische-physik
 
*[http://www.lrz-muenchen.de/~Sommerfeld/WissDat/00234.html Wissenschaftlicher Briefwechsel von Arnold Sommerfeld über die ''Deutsche Physik'']
 
*[http://www.lrz-muenchen.de/~Sommerfeld/WissDat/00234.html Wissenschaftlicher Briefwechsel von Arnold Sommerfeld über die ''Deutsche Physik'']
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*http://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2019/05/24/sternengeschichten-folge-339-die-deutsche-physik/
    
==Quellennachweise==
 
==Quellennachweise==
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{{Wikipedia|Wikititel=Deutsche_Physik|Jahr=2010|Monat=5}}
 
{{Wikipedia|Wikititel=Deutsche_Physik|Jahr=2010|Monat=5}}
 
[[category:Parawissenschaft]]
 
[[category:Parawissenschaft]]
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[[category:Paraphysik]]
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