Chlorine Dioxide Solution: Unterschied zwischen den Versionen

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==Quellennachweise==
 
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Version vom 27. August 2020, 11:16 Uhr

CDL-Lösung des Anbieters vitalundfitmit100.de. Beworben wird das Mittel als Biozidprodukt bzw. Desinfektionslösung. Literpreis: knapp 200 € [1]
Chlordioxid-Chemikalienhändler Mark Scott Grenon und Joseph Timothy Grenon bei ihrer Verhaftung in Kolumbien 2020

Chlorine Dioxide Solution (abgekürzt CDS oder Chlordioxidlösung/CDL) ist der Name für pseudomedizinische Produkte, die in Wasser gelöstes Chlordioxid-Gas enthalten. Die Methode ist weitgehend identisch mit der CDI-Methode. CDS-Produkte werden für Interessierte als Alternative zum nicht zugelassenen Wunderheilmittel MMS angeboten. Bei den CDS/CDL-Fertigprodukten erübrige sich das notwendige Mischen von Natriumchlorit mit einer Säure (Zitronensäure oder Salzsäure). Allerdings müsse nun das CDL im Kühlschrank aufbewahrt werden, da es sich ab 11 Grad verflüchtige. Auch müsse es nun angeblich viermal so hoch dosiert werden wie das vorherige MMS.

Es gibt auch Händler, die Chlordioxid in Form von zwei Komponenten anbieten, die vom Käufer zur CD-Lösung gemischt werden sollen. Die niederländische Herstellerfirma TwinOxide BV gibt zwei Sicherheitsdatenblätter zu den Komponenten A/rot und B/blau heraus. Darin sind als Inhaltsstoffe Chlordioxid und Natriumhydrogensulfat genannt. Wie gesetzlich vorgeschrieben wird der Umgang bei Kontakt mit beiden Substanzen beschrieben.[2][3] Auch gibt es mittlerweile tragbare elektrochemische Reaktoren zu kaufen, die fertige chlordioxhaltige Lösungen herstellen und für den Hausgebrauch gedacht sind. Auf diese Weise kann das Arzneimittelrecht umgangen werden, da die Kunden den Wirkstoff dann aus frei verkäuflichen Substanzen selbst herstellen können.

Wie MMS ist CDS/CDL kein in Deutschland zugelassenes Arzneimittel. Chlordioxid ist ein potenten Desinfektionsmittel mit entsprechendem Profil für unerwünschte Wirkungen, insbesondere bei oraler Einnahme und dem Einatmen von ClO2-Gasen. Es war früher in Deutschland unter der Lebensmittelzusatzstoff-Nummer E926 zur Behandlung von Lebensmitteln zugelassen. Aus gesundheitlichen Gründen ist es heutzutage aber nicht mehr zur Behandlung von Lebensmitteln erlaubt.

Die Fachzeitschrift Critical Care berichtete im Oktober 2014 über einen 75 jährigen männlichen Patienten ohne G6PD-Mangel, der nach Einnahme von Chlordioxid (in MMS) eine Hämolyse (Platzen von roten Blutkörperchen) erlitt und in einem Krankenhaus mit einer Blutspende behandelt werden musste. Er litt nach der Einnahme von 100 Tropfen von MMS an Luftnot und einem starken Krankheitsgefühl. Das Hämoglobin erreichte einen Wert von 5,1 gr/dL, sein Urin war dunkel verfärbt, als Zeichen der Auflösung der roten Blutkörperchen. Der Mann hatte das nicht zugelassene Mittel über das Internet erworben. Chlordioxid oxidiert und inaktiviert bekanntermassen das Sauerstoff-bindende Hämoglobin der roten Blutkörperchen zu Methämoglobin, ein Zustand der Methämoglobinämie genannt wird.[4]. Bereits zuvor war über Hämolysen durch MMS und Chlordioxid berichtet worden.

Behandlungsexperimente der COVID-19 Erkrankung mit Chlordioxid

Im Frühjahr 2020 wurde bekannt dass in Südamerika Behandlungsversuche an COVID-19 Patienten mit Chlordioxid durchgeführt wurden. Genannte werden die Länder Ecuador und Kolumbien. Dabei wurde das gasförmige Chlordioxid in Wasser gelöst und die Patienten bekamen die Lösung zur oralen (über den Mund) Einnahme. Näheres dazu findet sich im Artikel zu Andreas Kalcker. Vor Chlordioxid zur Einnahme wird von Seiten verschiedener Aufsichtsbehörden gewarnt. Es liegt keine Fachliteratur vor, die einen positiven therapeutischen Effekt im Sinne einer Wirksamkeit bei der COVID-19 Krankheit oder anderen Infektionserkrankungen für Chlordioxid belegt. (Stand: Ende April 2020) Therapeuten die im Rahmen von Experimenten oder Menschenversuchen Substanzen wie Chlordioxid bei Erkankungen einsetzen, müssen im Falle von Vergiftungen oder im Falle des Versäumnisses effektive Therapien einzusetzen, die Verantwortung für den Einsatz übernehmen. In Leitlinien von deutschen medizinischen Fachgesellschaften ist Chlordioxid nicht als Arzneimittel verzeichnet.

Um von der fehlenden Evidenz für eine Anwendung von Chlordioxid abzulenken, wird in der Befürworterszene gerne auf eine Art "Strohmann-Argumentation" zurückgegriffen. Demnach würde die Anwendung von Chlordioxid von Seiten der wissenschaftlichen Medizin nicht wegen fehlender Evidenz und Gefahren abgelehnt werden, sondern weil wirtschaftliche Interessen der Pharmaindustrie die Einführung von Chlordioxid verhinderten. Tatsächlich aber werden in der Medizin zahlreiche zugelassene Arzneimittel jeden Tag eingesetzt, deren Patent schon lange abgelaufen ist, und die inzwischen zu sehr niedrigen Preisen in Ländern wie Indien oder China in großer Menge hergestellt werden. Siehe dazu den Artikel Angebliche Unterdrückung nicht patentierbarer Wirkstoffe in der Medizin.

Chlordioxid in Südamerika

In Südamerika wird Promotion für die Anwendung von Chlordioxid von der Dominikanischen Republik aus betrieben. Dort ist eine Scheinkirche mit dem Namen "Iglesia Génesis II de Cura y Sanación"[5] aktiv.

Nach nicht überprüfbaren Gerüchten sollen in Südamerika und Ungarn Menschenversuche mit Chlordioxid an COVID-19 Patienten durchgeführt worden sein. Auch von Madrid ist die Sprache. So gibt es Informationen dass MMS-Händler und Ärzte Hand in Hand Chlordioxid bei COVID-19 in Ecuador eingesetzt haben, wobei in diesem Falle eine Gruppierung AEMEMI genannt wird. Es handelt sich dabei um die "Asociacion Ecuatoriana de Medicos Expertos en Medicina Integrativa" (ecuadorianische Vereinigung von Alternativmedizinern). Genannt wird ein Arzt namens Roberto Garcia als Koordinator. Die Rede ist von mindestens 198 Patienten bei zwei Versuchen. Der Behandlungserfolg soll 97% betragen haben. Dieser Wert wurde dadurch berechnet dass bei einem der Menschenversuche von 104 Teilnehmern drei gestorben seien (101 Überlebende = 97%). Allerdings bleibt unklar warum das Überleben dem eingesetzten Chlordioxid zugeschrieben wird. Auch in Kolumbien sollen an einem Hospital San Carlos in Bogotá COVID-19 Patienten behandelt werden. Als Namen werden die Behandler Eduardo Insignares-Carrione (Firma Magnofarma/Barranquilla und Gründer einer Fundación Génesis), Yohanny Andrade und Oswaldo Leyva genannt. Das kolumbianische Instituto Nacional de Vigilancia de Medicamentos y Alimentos (Invima) veröffentlichte im Juli 2018 eine Warnung vor MMS. MMS darf in Kolumbien nicht verkauft werden.[6] In Budapest (Ungarn) sollen ebenfalls COVID-19 Patienten mit Chlordioxid behandelt worden sein, genannt werden die Namen Maria Wittmann, Kristof Kaly-Kullai, Zoltán Noszticzius (Solumium Ltd. - Mundwasser mit Chlordioxid) und Laszlo Rosivall.

In einer Pressemitteilung von Mai 2020 heisst es, dass der Arzt Yiovanny Andrade inzwischen vom Krankenhaus San Carlos entlassen wurde. Dieser habe auf rein "privater Basis" drei Patienten mit COVID-19 mit Chlordioxid behandelt. Von einer Studie ist nicht die Rede. Des weiteren distanzierte sich das Krankenhaus von San Carlos von dieser experimentellen Therapie, da es nicht von den eigenen Krankenhausärzten genehmigt sei. Auch gehöre Chlordioxid nicht zu den angewandten Mitteln des Krankenhauses. Veröffentlichungen zu Chlordioxid-Anwendungen werde es von Krankenhausseite nicht geben. Darüber hinaus kündigte das Krankenhaus an, dass es Ergebnisse einer internen Untersuchung, wie angefordert, an das Bezirksgesundheitssekretariat und an die Kontrollbehörden übersenden werde.[7]

"WHO-Studie" zu Chlordioxid und COVID-19

Im April 2020 wurde bekannt, dass der MMS-Aktivist Andreas Kalcker in Behandlungsexperimente der COVID-19 Erkrankung mit Chlordioxid mit einbezogen ist, die als Anwendungsbeobachtungen in Kolumbien und Spanien durchgeführt werden. Es geht dabei um eine experimentelle Anwendung von chlordioxidhaltigen wässrigen Lösungen bei angeblich an COVID-19 Erkrankten in Kolumbien, und offenbar auch in Madrid. Da die Studie am 13. April 2020 in einem Studienregister (NCT04343742) der US-amerikanischen National Library of Medicine (NIH) angemeldet wurde[8], sprechen die Initiatoren dabei fälschlich von einer "WHO-Studie", obwohl keinerlei Zusammenhang zur Weltgesundheitsorganisation erkennbar ist. Die Finanzierung erfolgt durch eine kolumbianische Genesis Foundation. Als Studienleiter lässt sich Oswaldo Leyva ermitteln, unter Mitarbeit von Eduardo Insignares-Carrione, Yohanny Andrade und Blanca Bolano. Alle sind der Genesis Foundation zuzuordnen. Die Studie soll an einem San Carlos Hospital in Cundinamarca/Bogota durchgeführt werden. Laut Studienanmeldung sollen 20 an COVID-19 erkrankte Patienten an dem Versuch teilnehmen. Die Teilnehmer sollen nicht durch eine so genannte Randomisierung rekrutiert werden, sondern sollen aus medizinischen Person bestehen, welches sich mit dem CoV-2 Virus infizierte. Die Teilnehmer erhalten täglich eine 0,3% ige Chlordioxidlösung (entsprechend 3000 ppm), erkennbar an einer gelblichen Färbung. (In Deutschland ist für Trinkwasser eine maximale Konzentration von 0,5 ppm zulässig) Demnach erhalten die Teilnehmer 150 ml Flaschen, die Chlordioxid in 3000 ppm - Konzentration enthalten. Jeden Tag soll 10 ml der Flüssigkeit in einem Liter Wasser gelöst werden, was eine Konzentration von 30 ppm ergeben würde. Die 1 l - Lösung soll dann pro Tag in stündlichen Teilmengen getrunken werden. Insgesamt ergibt sich dabei eine Aufnahme von 30 mg Chlordioxid pro Tag. Die Menge der zugeführten Chlordioxidlösung soll dabei dem Gesundheitszustand angepasst werden und täglich gesteigert werden. Nach Angaben von Kalcker sei die Studie sechs Jahre lang vorbereitet worden und es seien Tierversuche durchgeführt worden. Veröffentlichungen sollen ab Juni vorgestellt werden.

Die finanzierende “Fundación Génesis” (Fundación Génesis para el desarrollo del ser integral - Psicología transpersonal) aus Bogotá ist eine Gründung von Eduardo Insignares Carrione, der der "wissenschaftliche Leiter" der Firma Magnofarma ist.[9] Magnofarma stellt unter anderem homöopathische Mittel und Schüsslersalze her. Über den Verein lässt sich ansonsten nichts herausfinden. Gleichzeitig gibt es eine andere fundacion genesis aus Bogota aus dem Bereich der Suchthilfe und mit eigenem facebook-Profil, die jedoch mit dem Verein von Insignares nichts zu tun hat.

Obwohl die Studie in Kolumbien durchgeführt wird, warnte das kolumbianische Instituto Nacional de Vigilancia de Medicamentos y Alimentos (Invima) im Juli 2018 explizit vor MMS und Chlordioxid. MMS darf in Kolumbien nicht verkauft werden.[10]

Siehe auch

Quellennachweise

  1. [1] Webshop mit CDL-Lösung
  2. http://www.naturpur24.de/pdf/Datenblatt-CDLA.pdf
  3. http://www.naturpur24.de/pdf/Datenblatt-CDLB.pdf
  4. Daniel Burke, Bishoy Zakhary, Evgeny Pinelis: Acute Hemolysis Following an Overdose of Miracle Mineral Solution in a Patient With Normal Glucose-6-Phosphate Dehydrogenase Levels, Critical Care, Okt. 2014, doi:10.1378/chest.1988668
  5. Iglesia Génesis II de Cura y Sanación - Genesis II Church of Health & Healing, Barrio Casandra Damiron, Santa Cruz, 81000, Barahona Dominican Republic
  6. https://app.invima.gov.co/alertas/ckfinder/userfiles/files/ALERTAS%20SANITARIAS/medicamentos_pbiologicos/2018/Junio/Alerta%20No_%20%23077-2018%20-%20MMS%20%E2%80%93%20Milagroso%20Suplemento%20Mineral%20.pdf
  7. https://www.semana.com/nacion/articulo/coronavirus-medico-suministro-dioxido-de-cloro-a-tres-pacientes-en-bogota/669009
  8. ClinicalTrials, National Library of Medicine, "Determination of the Effectiveness of Oral Chlorine Dioxide in the Treatment of COVID 19".
    ClinicalTrials.gov Identifier: NCT04343742
    Recruitment Status : Recruiting
    First Posted : April 13, 2020
    Last Update Posted : April 13, 2020
    Sponsor: Genesis Foundation
    Link:
  9. http://www.magnofarma.com/Doctor-Eduardo-Insignares.html
  10. https://app.invima.gov.co/alertas/ckfinder/userfiles/files/ALERTAS%20SANITARIAS/medicamentos_pbiologicos/2018/Junio/Alerta%20No_%20%23077-2018%20-%20MMS%20%E2%80%93%20Milagroso%20Suplemento%20Mineral%20.pdf