Biologie totale nach Sabbah

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Claude Sabbah

Biologie totale nach Sabbah (Biologisches Dekodieren, biologie totale des etres vivants, BTEV, dt. Die totale Biologie der Lebewesen, auch: Total Biolog, bio-psycho-généalogie und so weiter) ist eine pseudomedizinische Methode des ehemaligen französischen Arztes Claude Sabbah, die im französischsprachigen Raum anzutreffen und eng an die Germanische Neue Medizin (GNM) angelehnt ist. Die BTEV spielt als Biologisches Dekodieren nach Sabbah nur eine geringe Rolle im deutschsprachigen Raum, da der entsprechende Sektor durch die GNM, die Metamedizin sowie durch diverse Geistheiler besetzt ist. Trotz der Nähe zur GNM werden die Biologie Totale und ihr Erfinder Sabbah von Ryke Geerd Hamer vehement abgelehnt.

Wissenschaftliche Literatur über diese Methode ist in Datenbanken ebenso wenig zu finden wie Veröffentlichungen des Erfinders Claude Sabbah. Das Quebec College of Physicians bezeichnete die Total Biology als Betrug.[1]

Mögliche Behandlungserfolge dieser Methode sind nicht dokumentiert, sondern werden lediglich von Befürwortern anekdotenhaft kolportiert. Die Biologie Totale wird in Belgien auch als Sekte bezeichnet, die die betroffenen Menschen von der Außenwelt abschotte.[2]

Biologie Totale

Sabbah
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Die BTEV wird von ihren Anhängern als ein Weg gesehen, sämtliche Ursachen von Krankheiten mit einfachen, primitiven Ansätzen erklären zu wollen. Sämtliche Erkrankungen seien nach den Spekulationen von Sabbah das Ergebnis von angenommenen biologischen Konflikten, die auf "isolierte Weise" erlebt werden, über so genannte Relais dem Körper vermittelt würden und nie zufällig entstehen könnten. Dabei seien Krankheiten immer als Heilungsvorgänge zu verstehen. Unheilbare Krankheiten gebe es also nach diesem Konzept nicht, sondern lediglich Kranke, welche das von der Natur gegebene Heilungspotential nicht umsetzten, weil sie nicht ausreichend daran arbeiteten, ihre "Konflikte zu lösen". Letztendlich ist also der Schwerstkranke mit schuld an der Entstehung der Krankheit und am möglichen Misserfolg bei ausbleibender Heilung. Sabbah: Das Versagen der Biologischen Deprogrammierung kann das Versagen des Therapeuten sein, der die Herkunft des Konflikts nicht gefunden hat, aber es kann auch [das Versagen] des Patienten sein, dem es nicht gelingt, seinen Konflikt loszulassen.[3] Hilfestellung könne aber der BTEV-Therapeut (der keinerlei medizinische Ausbildung benötigt) geben, indem er die Krankheit "biologisch deprogrammiere" (Déprogrammation Biologique). Bei der Deprogrammierung sind Analogien zur Psychomagie des Psycho-Autodidakten Alejandro Jodorovsky erkennbar, die Hamer nach Zeugenaussagen ebenfalls einsetzt: Der Patient schreibt seine "Konflikte" auf einen Zettel, zerreißt diesen dann und vergräbt die Papierfetzen (zur Not auch in der Erde einer Zimmerpflanze). Jodorovsky und Hamer wandten ähnliche magische Handlungen an, indem sie derartige Konfliktzettel verbrannten.

Das angeblich wissenschaftliche Konzept der BTEV wird von Sabbah typisch pseudowissenschaftlich als ein zu glaubendes System vorgetragen und stieß auf keinerlei Interesse seitens der akademischen Medizin. Das verwendete, verschwurbelte Vokabular ist größtenteils der GNM entnommen. Es werden aber auch eigene Begriffe eingeführt, wie der des Surstress (also "Über-Stress"). 1993 soll Sabbah bei Hamer ein Seminar besucht haben; beide kennen sich also.

Sabbah erklärte selbst, 1.700 Krebspatienten mit seiner Methode behandelt zu haben, von denen angeblich nur zwei gestorben seien. Im Gegensatz zu Hamer ist Claude Sabbah sehr vorsichtig mit öffentlichen Aussagen und mag es ganz und gar nicht, bei der "Arbeit" oder bei Seminaren fotografiert oder gefilmt zu werden. Fotografen werden aggressiv angegangen. So betont er auf seinen Webseiten, dass ärztliche Ratschläge zu beachten seien. Intern, während seiner Seminare, äußerte er sich jedoch anders, wie kanadische Journalisten feststellten, die als Seminarteilnehmer heimlich Videoaufnahmen bei Sabbah in Frankreich machten und diese in einer Sendung von Radio Canada vorstellten.[4] Sabbah ist um so vorsichtiger, als sein Vertreter für Belgien bereits wegen Betruges und illegaler Ausübung eines Heilberufes verurteilt wurde. Der französische Arzt Alain Scohy verlor im September 1996 nach Anwendung der BTEV ebenfalls seine Approbation.[5] Ebenso erging es dem Arzt Gerard Athias.

Ein Unterschied zur GNM ist die Annahme des transgénérationnel, also der möglichen Auswirkungen von Konflikten der eigenen Vorfahren. Nicht nur eigene erlebte Konflikte seien krankheitsauslösend, sondern auch vererbte Konflikte (siehe auch die Psycho-Genealogie nach Schützenberger).

Claude Sabbah

Claude Sabbah ist ein in Nordafrika geborener ehemaliger Arzt. Sabbah wanderte nach Frankreich aus und wurde Arzt. Er gab zwischenzeitlich in Frankreich die Approbation zurück, so dass er nicht mehr praktizieren kann. Sabbah verbreitet, dass er mehr als 1.200 wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht habe; diese finden sich indes nicht in den entsprechenden Datenbanken.

Aktivitäten von Sabbah

Sabbah hielt bis vor kurzem 16-tägige Seminare über seine Lehre in der Nähe von Marseille für 2.000 Euro. Teilnehmer brauchten dabei keinerlei medizinische Qualifikation vorweisen. Sabbah gab bekannt, bislang mehr als 7.500 Personen in seiner Methode ausgebildet zu haben. Des Weiteren hält er weltweit im französisch sprechenden Raum Konferenzen zu seiner Lehre. 2008 ließ Sabbah mitteilen, einen "Unfall" erlitten zu haben und keine Seminare mehr geben zu können. Andererseits ist bekannt, dass er im März 2008 einen Schlaganfall erlitt.

Gefahren der BTEV

Analog zur GNM gehen von dieser Methode große Gefahren für Patienten aus, da im Umfeld der Biologie Totale sich medizinische Laien nach einem 16-Tage-Kurs eine Kompetenz bei schweren Krankheiten anmaßen. Zwei kanadische Journalisten tarnten sich und simulierten Krebserkrankungen, mit denen sie verschiedene BTEV-Therapeuten in Quebec aufsuchten. Fast alle aufgesuchten BTEV-Absolventen versuchten, die falschen Patienten vor versteckter Kamera davon zu überzeugen, bisherige medizinische Therapien abzubrechen. Die Kanadierin Line Fournier aus Prévost meinte sogar, dass der Krebs bereits verschwunden wäre, hätte die (falsche) Patientin nicht eine Therapie angefangen. Mehrere Therapeuten betonten ausdrücklich, dem bisherigen Arzt nichts von den BTEV-Kontakten zu erzählen (bestens bekannte Praxis auch bei der GNM, siehe Fall des Domenico Mannarino).

Todesfälle nach BT Therapie-Experimenten in Belgien

Buchcover Nathalie De Reuck

Der belgische Arzt Charles Berliner aus Brüssel ist überzeugt, dass mindestens 20 Patienten nach einer Behandlung mittels Biologie Totale verstarben. Todkranke meldeten sich bei ihm nach einer BTEV-Behandlung und verstarben. Der Tod einer Brustkrebspatientin aus Eupen (Belgien) wird gerichtlich untersucht, ein BTEV Therapeut namens Louis Vliegen aus Malmedy ist seit 2004 angeklagt, weil seine Klientin fünf Monate lang unbehandelt blieb und sich bei zunehmender Symptomatik schließlich verzweifelt in eine Klink in Liege/Luik begab, in der sie eine Woche danach verstarb.[6][7][8] Auf seinem Anrufbeantworter outete sich Vliegen als Stellvertreter für die BT in ganz Belgien. Der dazu befragte Experte Koen Demyttenaere von der königlichen Universität von Leuven/Louvain sieht die BT als völlig unwissenschaftlich an und beklagt die Tatsache, dass in Belgien der Titel des Therapeuten nicht gesetzlich geschützt sei.[9][10]

2010 wurde das Schicksal der sechzigjährigen Belgierin Jacqueline Starck bekannt, die an Brustkrebs erkrankte, nach der biologie totale behandelt wurde und im Jahre 2007 starb. Ihr Tumor wurde nicht medizinisch behandelt, weil BT-"Therapeuten" sie davon überzeugt hatten, dass sie "nichts" habe, sondern "nur Symptome" zeige, die einen "inneren Konflikt" beweisen würden, dessen Ursache man finden müsse. Alles mögliche wurde veranstaltet: von einer Pseudofamilientherapie über Radiästhesie, schwarze Magie, Kinesiologie und Pendeln. Alles war gut, wenn es bloss nicht Medizin war. Selbst Aspirin war nicht erlaubt. Ein Therapeut behandelte die Kranke aus der Ferne, per Telefon von einem französischen Zentrum aus, und liess sich über gestückelte Postanweisungen bezahlen. Zwei Monate vor ihrem Tod begriff Jaqueline Starck, wie sie betrogen worden war, und bat ihre Tochter Nathalie de Reuck, den Betrug aufzudecken und die Scharlatane anzugehen. Sie übergab dazu ihrer Tochter alle ihre Aufzeichnungen sowie Tonbandmitschnitte mit ihrem "Guru", einem Brüssler Ostheopathen (Zitat vom Tonband: Wenn es nach mir ginge, Chemotherapie oder Radiotherapie würde ich nicht machen. Du weißt, Du kannst Deinen Tumor Dir selbst wegnehmen...pffft...wenn Du Deinen Konflikt nicht löst, dann geht das so weiter)[11] und BT-Therapeuten. Die Tochter veröffentlichte die Horrorgeschichte in einem Buch mit dem Titel "DES CHARLATANS DE LA SANTÉ ONT TUÉ MA MÈRE" (Gesundheits-Scharlatane haben meine Mutter umgebracht)"[12] Das belgische Fernsehen und der Journalist Philippe Dutilleul berichteten über den Fall[13][14][15][16][17][18][19][20][21]

Anderssprachige Psiram-Artikel

Literatur

  • Nathalie de Reuck : "Des charlatans de la sante ont tue ma mere" (Gesundheits-Scharlatane haben meine Mutter umgebracht), Verlag éditions Buchet-Chastel.

Weblinks

Quellennachweise

  1. Aussage Yves Lamontagne, Quebec College of Physicians in einem Radio Canada Interview im Oktober 2008
  2. Aussage von Luc Willems (Open VLD), Vorsitzender der Untersuchungskommission Sekten in Belgien
  3. L’échec de la Déprogrammation Biologique peut être celui du thérapeute qui n’a pas trouvé l’origine du conflit; mais il peut être aussi celui du patient qui n’arrive pas à lâcher son conflit
  4. Radio Canada, Sendung enquete vom 3. Oktober 2008 [1]
  5. http://www.miviludes.fr/IMG/pdf/these_medecine_Guivier_Armelle_2007.pdf
  6. http://www.prevensectes.com/rev0406.htm
  7. Pascale Gruber: L’arène de Sabbah, Artikel in Le Vif-L’Express vom 11. Juni 2004
  8. Armelle Guivier, Dissertation: Risques d'atteinte a l'integrite physiques encourus par les adeptes de sectes, Universität von Franche-Compte-Besancon, Dissertation 07-018 13. April 2007, Seite 97 [2]
  9. http://www.nieuwsblad.be/Article/Detail.aspx?ArticleID=7R1R5FAJ
  10. De Standaard, 23. April 2008
  11. (Zitat vom Tonband: “Moi, ce qui est certain, c’est que chimio ou radio, je ne le ferais pas. Tu sais, tu peux enlever la tumeur… pfffft… si tu n’as pas résolu le conflit, ça continue…” Wenn es nach mir ginge, Chemotherapie oder Radiotherapie würde ich nicht machen. Du weißt, Du kannst Deinen Tumor Dir selbst wegnehmen...pffft...wenn Du Deinen Konflikt nicht löst, dann geht das so weiter)
  12. NATHALIE DE REUCK : "DES CHARLATANS DE LA SANTÉ ONT TUÉ MA MÈRE", Verlag éditions Buchet-Chastel.
  13. "Mort biologique sur ordonnance téléphonique". (RTBF) (Biologischer Tod auf telefonische Anweisung)
  14. http://www.dhnet.be/infos/societe/article/291166/morte-a-cause-d-un-marabout-sa-fille-temoigne.html
  15. http://seulomonde.canalblog.com/archives/2010/01/15/16210339.html
  16. 48519395.jpg
  17. http://www.elle.fr/elle/Societe/News/Nathalie-de-Reuck-Des-charlatans-de-la-sante-ont-tue-ma-mere/(gid)/1119026
  18. http://www.dhnet.be/infos/societe/article/291167/ils-promettaient-de-la-guerir.html
  19. http://www.dhnet.be/infos/societe/article/291166/morte-a-cause-d-un-marabout-sa-fille-temoigne.html
  20. http://blogs.rtlinfo.be/faceaface/2010/02/05/nathalie-de-reuck-on-a-tue-ma-mere
  21. http://seulomonde.canalblog.com/archives/2010/01/15/16210339.html