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Der '''Biodynamische Weinbau''' bezeichnet eine von [[Anthroposophie|Anthroposophen]] betriebene Variante des ökologischen Weinbaus. Er orientiert sich an einer spirituell-[[Esoterik|esoterischen]] Weltanschauung, die auf geheimwissenschaftlichen Vorstellungen einer übersinnlichen Welt des [[Hellsehen|Hellsehers]] und Laienphilosophen [[Rudolf Steiner]], dem Begründer der [[Anthroposophie]], aufbaut. Steiner ging 1923 fälschlich davon aus, dass Weinreben zunehmend degenerieren würden, insbesondere nach verheerenden Schäden durch Reblausepidemien. Solche Behauptungen "degenerierender Reben", "ausgelaugter Böden" und einer Verringerung der Rebenvielfalt werden von Befürwortern des biodynamischen Weinbaus bis heute (2016) unverändert wiederholt.
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Der '''Biodynamische Weinbau''' bezeichnet eine von [[Anthroposophie|Anthroposophen]] betriebene Variante des ökologischen Weinbaus. Er orientiert sich an einer spirituell-[[Esoterik|esoterischen]] Weltanschauung, die auf geheimwissenschaftlichen Vorstellungen einer übersinnlichen Welt des [[Hellsehen|Hellsehers]] und Laienphilosophen [[Rudolf Steiner]], dem Begründer der [[Anthroposophie]], aufbaut. Steiner ging 1923 fälschlich davon aus, dass Weinreben zunehmend degenerierten, insbesondere nach verheerenden Schäden durch Reblausepidemien. Solche Behauptungen über "degenerierende Reben", "ausgelaugte Böden" und eine Verringerung der Rebenvielfalt werden von Befürwortern des biodynamischen Weinbaus bis heute (2018) unverändert wiederholt.
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Die biologisch-dynamische Produktionsmethode im Weinbau wird seit 1924 vom ökologischen Anbauverband vertreten, des heute international geschützten Markenzeichens [[Demeter]] und des Markenzeichens „Biodyn“, beide aus dem Umfeld der Anthroposophie. Etwa 4000 Weinbauern sollen Demeter-Vertragspartner sein (Demeter-Winzer). Nach anderen Angaben gibt es in Deutschland 50 biodynamische Demeter-Weingüter, weltweit 616.
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Die biologisch-dynamische Produktionsmethode im Weinbau wird seit 1924 vom ökologischen Anbauverband vertreten, vom heute international geschützten Markenzeichen [[Demeter]] und vom Markenzeichen „Biodyn“, beide aus dem Umfeld der Anthroposophie. Etwa 4000 Weinbauern sollen Demeter-Vertragspartner sein (Demeter-Winzer). Nach anderen Angaben gibt es in Deutschland 50 biodynamische Demeter-Weingüter, weltweit 616.
    
Demeter-Produkte werden meist in Naturkostläden angeboten und erzielen höhere Verkaufspreise als Vergleichsprodukte. Sie sind am Demeter-Siegel erkennbar. Manche Weingüter arbeiten zweigleisig und wirtschaften parallel biodynamisch und herkömmlich ökologisch/konventionell.
 
Demeter-Produkte werden meist in Naturkostläden angeboten und erzielen höhere Verkaufspreise als Vergleichsprodukte. Sie sind am Demeter-Siegel erkennbar. Manche Weingüter arbeiten zweigleisig und wirtschaften parallel biodynamisch und herkömmlich ökologisch/konventionell.
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Die Vorschriften und Regelungen des biologisch-dynamischen Weinbaus orientieren sich an der 1924 gehaltenen Vortragsreihe „Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft“ von Rudolf Steiner. Steiner entwickelte Rezepturen für acht biodynamische Präparate, die den Boden und die Weinrebe "vitalisieren" sollen. Zu den Präparaten gehören der so genannte "Hornmist" und die "Hornkiesel". Weitere Präparate enthalten Heilpflanzen wie Kamille, Löwenzahn, Brennnessel, Eichenrinde, Schafgarbe oder Baldrian. Auch gibt es bestimmte Kräuteraufgüsse für Weinreben.  
 
Die Vorschriften und Regelungen des biologisch-dynamischen Weinbaus orientieren sich an der 1924 gehaltenen Vortragsreihe „Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft“ von Rudolf Steiner. Steiner entwickelte Rezepturen für acht biodynamische Präparate, die den Boden und die Weinrebe "vitalisieren" sollen. Zu den Präparaten gehören der so genannte "Hornmist" und die "Hornkiesel". Weitere Präparate enthalten Heilpflanzen wie Kamille, Löwenzahn, Brennnessel, Eichenrinde, Schafgarbe oder Baldrian. Auch gibt es bestimmte Kräuteraufgüsse für Weinreben.  
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Brennnesselaufgüsse sollen beispielsweise für "Ausgewogenheit und Harmonie im Weingarten" sorgen. Der Einsatz derartiger Präparate ist durch die geringen eingesetzten Mengen biologisch und gartenbautechnisch sinnlos, da nur wenige Gramm pro Hektar ausgebracht werden. Wie in der Homöopathie muss daher zwingend an eine Wirksamkeit derartiger Präparate geglaubt werden. Das Beschneiden der Reben und die Weinabfüllung erfolgen zu [[Mondmythen|bestimmten Mondphasen]] und nach bestimmten Planetenkonstellationen. So wird beispielsweise bei Vollmond kein Wein abgefüllt. Die als Variante des ökologischen Weinbaus zulässigen Herbizide, Fungizide und Pestizide sind verboten. Zugelassenen sind natürliche Feinde von Krankheitserregern wie Raubmilben, Schlupfwespen und sterilisierte männliche Insekten. Erlaubt sind auch Insektenfallen, Pheromone, Thujaöl-Repellents, Netzschwefel, Calciumhydroxid, Pilz- und Bakterienpräparate (z.B. Bacillus thuringiensis, Granulosevirus), Pyrethrumextrakte, Kaliseife, Azadirachtin aus Azadirachta indica, Eisen-III-Orthophosphat, Gelatine, Kupfer und Rodentizide (in Köderbehältern). Zur Erhöhung des Alkoholgehaltes darf Zucker zugegeben werden. Auch Traubensaftkonzentrate sind zulässig. Erlaubt sind ferner Thiamin, Tartrat , Eiweiß von Demeter-Eiern, Bentonit, Aktivkohle, Kieselgur und Schwefeldioxid.
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Brennnesselaufgüsse sollen beispielsweise für "Ausgewogenheit und Harmonie im Weingarten" sorgen. Der Einsatz derartiger Präparate ist durch die geringen eingesetzten Mengen biologisch und gartenbautechnisch sinnlos, da nur wenige Gramm pro Hektar ausgebracht werden. Wie in der Homöopathie muss daher zwingend an eine Wirksamkeit derartiger Präparate geglaubt werden. Das Beschneiden der Reben und die Weinabfüllung erfolgen zu [[Mondmythen|bestimmten Mondphasen]] und nach bestimmten Planetenkonstellationen. So wird beispielsweise bei Vollmond kein Wein abgefüllt. Die als Variante des ökologischen Weinbaus zulässigen Herbizide, Fungizide und Pestizide sind verboten. Zugelassen sind natürliche Feinde von Krankheitserregern wie Raubmilben, Schlupfwespen und sterilisierte männliche Insekten. Erlaubt sind auch Insektenfallen, Pheromone, Thujaöl-Repellents, Netzschwefel, Calciumhydroxid, Pilz- und Bakterienpräparate (z.B. Bacillus thuringiensis, Granulosevirus), Pyrethrumextrakte, Kaliseife, Azadirachtin aus Azadirachta indica, Eisen-III-Orthophosphat, Gelatine, Kupfer und Rodentizide (in Köderbehältern). Zur Erhöhung des Alkoholgehaltes darf Zucker zugegeben werden. Auch Traubensaftkonzentrate sind zulässig. Erlaubt sind ferner Thiamin, Tartrat , Eiweiß von Demeter-Eiern, Bentonit, Aktivkohle, Kieselgur und Schwefeldioxid.
    
Biodynamische Weinbauern wirtschaften oft "traktorfrei". Traktoren werden nach Möglichkeit durch Pferde bzw. durch vermehrte Handarbeit ersetzt.
 
Biodynamische Weinbauern wirtschaften oft "traktorfrei". Traktoren werden nach Möglichkeit durch Pferde bzw. durch vermehrte Handarbeit ersetzt.
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[[image:Kuhhorn Hornmist.jpg|gesammlte Kuhhörner für Hornmist|300px|thumb]]
 
[[image:Kuhhorn Hornmist.jpg|gesammlte Kuhhörner für Hornmist|300px|thumb]]
 
[[image:Hornmist.jpg|Hornmist|300px|thumb]]
 
[[image:Hornmist.jpg|Hornmist|300px|thumb]]
Hornmist wird in der biodynamischen Landwirtschaft ein hohles Kuhhorn genannt, das mit Kuhmist gefüllt wird. Dieses wird im Herbst in den Boden eines Weinguts eingegraben. Der Inhalt wird später mit Wasser vermengt und "dynamisiert" und im Frühjahr in feinen Tröpfchen als rituelle Handlung auf den Weinberg gesprüht. Ein düngender Effekt ist dabei auf Grund der geringen Mengen nicht zu erwarten.
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Hornmist wird in der biodynamischen Landwirtschaft ein hohles, mit Kuhmist gefülltes Kuhhorn genannt. Dieses wird im Herbst in den Boden eines Weinguts eingegraben. Der Inhalt wird später mit Wasser vermengt und "dynamisiert" und als rituelle Handlung im Frühjahr in feinen Tröpfchen auf den Weinberg gesprüht. Ein düngender Effekt ist dabei auf Grund der geringen Mengen nicht zu erwarten.
    
==Hornkiesel==
 
==Hornkiesel==
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==Falscher Mehltau-Befall 2016==
 
==Falscher Mehltau-Befall 2016==
Im Frühjahr/Frühsommer 2016 kam es in Deutschland auf Grund hoher Niederschläge zu einem erheblichen Befall von Rebstöcken durch den [https://de.wikipedia.org/wiki/Falscher_Mehltau_der_Weinrebe "Falschen Mehltau der Weinrebe"], einem Pilz mit dem Namen ''Plasmopara viticola'', auch ''Peronospora'' genannt. Dieser Eipilz hat erhebliches Schädigungspotential bei Weinreben.
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Im Frühjahr/Frühsommer 2016 kam es in Deutschland auf Grund hoher Niederschläge bei Rebstöcken zu einem erheblichen Befall durch den [https://de.wikipedia.org/wiki/Falscher_Mehltau_der_Weinrebe "Falschen Mehltau der Weinrebe"], einem Pilz mit dem Namen ''Plasmopara viticola'', auch ''Peronospora'' genannt. Dieser Eipilz hat erhebliches Schädigungspotential bei Weinreben.
    
Wie der NOVO-Autor Thilo Spahl in einem Kommentar-Artikel vom 11. Juli 2016 mitteilte<ref>Thilo Spahl, "Wenn Wasser in den Bio-Wein geschüttet wird", Novo, 11.7.2016 [https://www.novo-argumente.com/artikel/wenn_wasser_in_den_bio_wein_geschuettet_wird]</ref>, sahen sich insbesondere Winzer des biodynamischen und ökologischen Weinbaus in Bedrängnis. So zitierte Spahl zum Beispiel das Weingut Janson Bernhard mit der folgenden Mitteilung:
 
Wie der NOVO-Autor Thilo Spahl in einem Kommentar-Artikel vom 11. Juli 2016 mitteilte<ref>Thilo Spahl, "Wenn Wasser in den Bio-Wein geschüttet wird", Novo, 11.7.2016 [https://www.novo-argumente.com/artikel/wenn_wasser_in_den_bio_wein_geschuettet_wird]</ref>, sahen sich insbesondere Winzer des biodynamischen und ökologischen Weinbaus in Bedrängnis. So zitierte Spahl zum Beispiel das Weingut Janson Bernhard mit der folgenden Mitteilung:
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:''"Der falsche Mehltau findet dieses Jahr so ideale Bedingungen […], daß er mit unseren Bio Mitteln kaum zu stoppen ist. Dennoch kämpfen wir mit unseren Reben, unterstützen sie mit feindosiertem Kupfer und Tees. Unsere biodynamischen Präparate wirken zusätzlich ausgleichend - feinstofflich.."''<ref>http://www.jansonbernhard.de/kategorie/aktuell/</ref>
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:''"Der falsche Mehltau findet dieses Jahr so ideale Bedingungen […], daß er mit unseren Bio Mitteln kaum zu stoppen ist. Dennoch kämpfen wir mit unseren Reben, unterstützen sie mit feindosiertem Kupfer und Tees. Unsere biodynamischen Präparate wirken zusätzlich ausgleichend - feinstofflich..."''<ref>http://www.jansonbernhard.de/kategorie/aktuell/</ref>
    
Die Verwendung des biologisch abbaubaren Fungizids [https://de.wikipedia.org/wiki/Glyphosat Kaliumphosphonat] ist im Bio-Weinbau nicht mehr möglich. Bis zum 30. September 2013 war es noch in den meisten EU-Ländern für Öko-Betriebe zugelassen; den Regeln der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau (AGÖL, Verbände Demeter, Bioland und Naturland) zufolge durfte es aber schon seit 1995 nicht mehr angewendet werden. Der große Nutzen veranlasste Bio-Winzer, Kaliumphosphonat zwar als eine von Menschen "künstlich hergestellte" Substanz zu betrachten, ihr jedoch einen ''„naturstofflichen Charakter“'' zuzuschreiben. Seit dem 1.10.2013 ist der Stoff in der EU als Pflanzenschutzmittel zugelassen. Damit wurde es illegal, ihn wie bisher als „Pflanzenstärkungsmittel“ zu verkaufen. Der eigentlich zulässige Gebrauch von Kaliumphosphonat hätte finanzielle Einbußen durch den Verlust des Bio-Status und die Rückzahlung von Förderungen zur Folge. Daher ermöglichten einige deutsche Bundesländer den betroffenen Winzern, in einem „Großversuch“ Kaliumphosphonat zu nutzen und im Rahmen einer Ausnahmeregelung nach einem Jahr wieder die Öko-Zertifizierung zu erhalten.
 
Die Verwendung des biologisch abbaubaren Fungizids [https://de.wikipedia.org/wiki/Glyphosat Kaliumphosphonat] ist im Bio-Weinbau nicht mehr möglich. Bis zum 30. September 2013 war es noch in den meisten EU-Ländern für Öko-Betriebe zugelassen; den Regeln der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau (AGÖL, Verbände Demeter, Bioland und Naturland) zufolge durfte es aber schon seit 1995 nicht mehr angewendet werden. Der große Nutzen veranlasste Bio-Winzer, Kaliumphosphonat zwar als eine von Menschen "künstlich hergestellte" Substanz zu betrachten, ihr jedoch einen ''„naturstofflichen Charakter“'' zuzuschreiben. Seit dem 1.10.2013 ist der Stoff in der EU als Pflanzenschutzmittel zugelassen. Damit wurde es illegal, ihn wie bisher als „Pflanzenstärkungsmittel“ zu verkaufen. Der eigentlich zulässige Gebrauch von Kaliumphosphonat hätte finanzielle Einbußen durch den Verlust des Bio-Status und die Rückzahlung von Förderungen zur Folge. Daher ermöglichten einige deutsche Bundesländer den betroffenen Winzern, in einem „Großversuch“ Kaliumphosphonat zu nutzen und im Rahmen einer Ausnahmeregelung nach einem Jahr wieder die Öko-Zertifizierung zu erhalten.
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