Baunscheidtismus

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Als Baunscheidtismus oder Baunscheidtverfahren wird ein pseudomedizinisches Verfahren bezeichnet, das auf den Bonner Stellmacher Carl Baunscheidt (1809–1874) zurückgeht.

Carl Baunscheidt

Als Erfinder der natürlichen Heilkunst und des Lebensweckers bezeichnete sich der Bonner Stellmacher Carl Baunscheidt. Er war Sohn eines Gutsbesitzers in der Nähe von Hagen/Westfalen. Nach einer kaufmännischen Lehre und einer Zeit als Gewerbelehrer nannte er sich Mechanikus und widmete sich kleineren Erfindungen (Visiere für Gewehre, Pumpe zur Absaugung von Muttermilch).

Im Jahre 1851 propagierte er eine Heilmethode, die aus örtlicher Hautreizung mit einem Nadelinstrument, dem sog. Lebenswecker, bestand und von einer Einreibung mit Baunscheidt-Öl gefolgt wurde. In der rückwärts gewandten Naturheilkundeszene wird das Baunscheidtieren zur Reiz- und Umstimmungstherapie gezählt. Der Lebenswecker, zunächst Mücke genannt, war das Resultat eines Erlebnisses Baumscheidts in dessen Garten. Baunscheidt litt aufgrund von Fehlernährung an Gicht. Im Garten wurde er von einer Mücke schmerzhaft in seine gichtige Hand gestochen, woraufhin die Schmerzen verschwanden. Er entschloss sich, eine künstliche Mücke zu bauen. Neben dem Baunscheidtiergerät war dafür noch ein Mückengift notwendig, das er in Form eines Öles erfand.

Wegen der Wirkung der Mücke wurde sie im Volksmund bald als Lebenswecker bezeichnet. Das Baunscheidtsche Verfahren besteht in einer schmerzlosen (etwas kitzelnden), in der Regel groß- aber nur oberflächlichen Stichelung der Haut. Danach werden die gestichelten Stellen mit einem Spezialöl eingerieben. Dadurch kommt es zu einer starken Anregung der Durchblutung. Es bilden sich jedoch auch eitrige Pickel, die in der Naturheilkundeszene als Zeichen für die ausleitende Wirkung des Verfahrens angesehen werden. Diese Pickel sind erwünscht und verschwinden nach ein bis zwei Wochen vollständig. Bei zu tief applizierten Wunden können jedoch Narben zurückbleiben. Dies ist nicht verwunderlich, denn durch die mehr oder weniger tiefen Hautverletzungen kommt es zum Eindringen von Bakterien der Hautoberfläche in das tiefere Gewebe, was bis zu einer tiefgehenden Entzündung führen kann. Was an solch einem Vorgehen gesund sein soll, können wohl nur Masochisten verstehen. Problematisch ist das Baunscheidtieren in Gelenksnähe, da es hier zu tiefen Entzündungen kommen kann.

Das Rezept seines Öles hat Baunscheidt nie verraten. Offensichtlich war jedoch Crotonöl enthalten, ein Drastikum, das heute als krebserregend gilt. Eine stark reizende Wirkung des Öles ist aber für den Therapieeffekt notwendig. Nur so kann der vorher empfundene Schmerz durch einen noch stärkeren Schmerz übertönt werden.

Mit dem Baunscheidtiergerät und dem Baunscheidtier-Öl wurde Baunscheidt so wohlhabend, dass er große Ländereien und das Schloß Dottendorf bei Bonn kaufen konnte. Baunscheidt war demzufolge einer der ersten Wunderheiler, die sich auf der Basis schmerzsüchtiger Anhänger eine goldene Nase verdienten.

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