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===Verbreitung in Deutschland===
 
===Verbreitung in Deutschland===
In Deutschland scheinen sich aufgrund von Presseberichten und TV-Beiträgen ayurvedische Therapiezentren steigender Beliebtheit zu erfreuen. Wie hoch unter Ärzten der Nutzungsgrad ayurvedischer Therapieformen bei Erwachsenen wirklich liegt, ist derzeit unbekannt, da keine repräsentativen Umfragestudien existieren. Allerdings zeigt eine aktuelle, repräsentative Umfragestudie unter 252&nbsp;Kinderärzten, dass Pädiater Ayurveda nicht bei ihren kindlichen Patienten anwenden. Keiner der befragten Kinderärzte behandelte nach dieser Methode (Molz et al. 2000).<ref>Molz G, Küstermann W, König R: Konventionelle Therapien dominieren. Umfrage: komplementärmedizinische Verfahren in der Pädiatrie. Kinderärztliche Praxis Nr.5: 296-301, 2000</ref>
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In Deutschland scheinen sich aufgrund von Presseberichten und TV-Beiträgen ayurvedische Therapiezentren steigender Beliebtheit zu erfreuen. Wie hoch der Nutzungsgrad ayurvedischer Therapieformen bei Erwachsenen wirklich liegt, ist derzeit unbekannt, da keine repräsentativen Umfragestudien existieren. Allerdings zeigt eine aktuelle, repräsentative Umfragestudie unter 252&nbsp;Kinderärzten, dass Pädiater Ayurveda nicht bei ihren Patienten anwenden. Keiner der befragten Kinderärzte behandelte nach dieser Methode.<ref>Molz G, Küstermann W, König R: Konventionelle Therapien dominieren. Umfrage: komplementärmedizinische Verfahren in der Pädiatrie. Kinderärztliche Praxis Nr.5: 296-301, 2000</ref>
    
Ayurveda wird auch von vielen [[Heilpraktiker]]n und, insbesondere ayurvedische Massagen und Diäten, im [[Wellness]]bereich angeboten. In letzter Zeit haben sich spezialisierte Reisebüros etabliert, die Reisen zu Ayurvedakuren unter anderem nach Indien und Sri Lanka anbieten.
 
Ayurveda wird auch von vielen [[Heilpraktiker]]n und, insbesondere ayurvedische Massagen und Diäten, im [[Wellness]]bereich angeboten. In letzter Zeit haben sich spezialisierte Reisebüros etabliert, die Reisen zu Ayurvedakuren unter anderem nach Indien und Sri Lanka anbieten.
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Beispiele für sich daraus ergebende Irrtümer sind die unterschiedliche Anzahl von Knochen im Körper. Die Carakasamhita gibt&nbsp;300 an, die Susrutasamhita dagegen&nbsp;360. Die Susrutasamhita schätzte die Zahl der Rumpfmuskeln auf&nbsp;70, während es tatsächlich über&nbsp;100 sind. Auch wurden dem Körper per Definition verschiedene organische Leitungen oder Röhren zugeschrieben (dhamani, sira und srotas), die für Töne, Kontakt, Form, Geschmack, Geruch, Ein- und Ausatmung, Gähnen, Hunger, Lachen, Sprechen, Weinen, etc. verantwortlich sein sollten. Zehn dieser Leitungen sollten paarweise Luft, Galle, Nasen-, Magen- und Lungenschleim, Blut und organische Säfte transportieren. Acht weitere vermittelten dem Menschen Geräusche, Formen, Geschmack und Gerüche. Jeweils zwei waren für das Sprechen, für das sich Austoben und für das Schlafen zuständig. Zwei weitere sollten das Aufwachen bewirken, zwei die Tränen leiten und zwei die Muttermilch produzieren und aus den Brüsten leiten.
 
Beispiele für sich daraus ergebende Irrtümer sind die unterschiedliche Anzahl von Knochen im Körper. Die Carakasamhita gibt&nbsp;300 an, die Susrutasamhita dagegen&nbsp;360. Die Susrutasamhita schätzte die Zahl der Rumpfmuskeln auf&nbsp;70, während es tatsächlich über&nbsp;100 sind. Auch wurden dem Körper per Definition verschiedene organische Leitungen oder Röhren zugeschrieben (dhamani, sira und srotas), die für Töne, Kontakt, Form, Geschmack, Geruch, Ein- und Ausatmung, Gähnen, Hunger, Lachen, Sprechen, Weinen, etc. verantwortlich sein sollten. Zehn dieser Leitungen sollten paarweise Luft, Galle, Nasen-, Magen- und Lungenschleim, Blut und organische Säfte transportieren. Acht weitere vermittelten dem Menschen Geräusche, Formen, Geschmack und Gerüche. Jeweils zwei waren für das Sprechen, für das sich Austoben und für das Schlafen zuständig. Zwei weitere sollten das Aufwachen bewirken, zwei die Tränen leiten und zwei die Muttermilch produzieren und aus den Brüsten leiten.
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Ebenfalls deutlich wird das mangelnde reale medizinische Wissen der Ayurveda am Beispiel der Atmungsorgane. Hier wurde angenommen, dass die eingeatmete Luft durch die Luftröhre direkt zum Herzen transportiert werde und der Atem erst entweiche, wenn er das Herzinnere durchquert habe, um sich mit Luftnektar vollzusaugen. Danach träte dieser Atem nochmals in den Menschen ein und nähre ihn und unterhalte das Verdauungsfeuer. Dieser Odem wurde [[Prana]] genannt - eine Bezeichnung bzw. Denkweise, die auch heute noch bei sektenähnlichen Strukturen wie jenen der [[Jasmuheen]] bzw. [[Lichtnahrung]]s-Jünger kursiert und auch im Breathianismus eine wesentliche Rolle spielt.
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Ebenfalls deutlich wird das mangelnde reale medizinische Wissen der Ayurveda am Beispiel der Atmungsorgane. Hier wurde angenommen, dass die eingeatmete Luft durch die Luftröhre direkt zum Herzen transportiert werde und der Atem erst entweiche, wenn er das Herzinnere durchquert habe, um sich mit Luftnektar vollzusaugen. Danach träte dieser Atem nochmals in den Menschen ein, nähre ihn und unterhalte das Verdauungsfeuer. Dieser Odem wurde [[Prana]] genannt - eine Bezeichnung bzw. Denkweise, die auch heute noch bei sektenähnlichen Strukturen wie jenen der [[Jasmuheen]] bzw. [[Lichtnahrung]]s-Jünger kursiert und auch im Breathianismus eine wesentliche Rolle spielt.
    
Die Sinne des Menschen wurden in der Ayurveda mit den [[Fünf-Elemente-Lehre|fünf Grundelementen]] in Zusammenhang gebracht. Die Sehkraft sollte aus dem Feuer hervorgegangen sein, das Gehör aus dem Vakuum, der Geruchssinn aus der Erde, der Geschmack aus dem Wasser und der Tastsinn aus der Luft.
 
Die Sinne des Menschen wurden in der Ayurveda mit den [[Fünf-Elemente-Lehre|fünf Grundelementen]] in Zusammenhang gebracht. Die Sehkraft sollte aus dem Feuer hervorgegangen sein, das Gehör aus dem Vakuum, der Geruchssinn aus der Erde, der Geschmack aus dem Wasser und der Tastsinn aus der Luft.
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Zum Teil erscheinen diese anatomischen Herleitungen auf den ersten Blick durchaus logisch, da man ohne genauere Kenntnis des Gewebeaufbaues (z.B. der Brustdrüse) in der Tat verleitet sein kann, Röhren im Organismus oder ein rekursierendes "Prana" anzunehmen. Jedoch werden auch noch heute auf der Basis dieses explizit falschen anatomischen, physiologischen und biochemischen Wissens therapeutische Entscheidungen getroffen, die aus heutiger Sicht und für den Patienten nicht positiv sein müssen.
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Zum Teil erscheinen diese anatomischen Herleitungen auf den ersten Blick durchaus logisch, da man ohne genauere Kenntnis des Gewebeaufbaues (z.B. der Brustdrüse) in der Tat verleitet sein kann, Röhren im Organismus oder ein rekursierendes "Prana" anzunehmen. Jedoch werden auch noch heute auf der Basis dieser explizit falschen anatomischen, physiologischen und biochemischen Annahmen therapeutische Entscheidungen getroffen, die aus heutiger Sicht und für den Patienten nicht positiv sein müssen.
    
==Physiologie und Pathologie in der Ayurveda==
 
==Physiologie und Pathologie in der Ayurveda==
Die klassischen Sammlungen der Ayurveda geben die Ansicht wieder, dass sich die Elemente des Universums (Erde = prthivi; Wasser = ap; Feuer = tejas; Luft = vagu; Vakuum = asaka) im menschlichen Körper widerspiegeln würden. Durch die Zusammensetzung dieser fünf Elemente sollen im Körper sieben organische Substanzen, dhatu genannt, entstehen. Diese dhatus waren Chylus (rasa), Blut (rakta), Fleisch (mamsa), Fett (medas), Knochen (asthi), Knochenmark (majja) und Sperma (sukra).
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Die klassischen Sammlungen der Ayurveda geben die Ansicht wieder, dass sich die Elemente des Universums (Erde = prthivi; Wasser = ap; Feuer = tejas; Luft = vagu; Vakuum = asaka) im menschlichen Körper widerspiegelten. Durch die Zusammensetzung dieser fünf Elemente sollen im Körper sieben organische Substanzen, dhatu genannt, entstehen. Diese dhatus waren Chylus (rasa), Blut (rakta), Fleisch (mamsa), Fett (medas), Knochen (asthi), Knochenmark (majja) und Sperma (sukra).
    
Diese sieben dhatus sollen im Organismus durch drei der fünf Elemente des Universums verändert und bestimmt werden, nämlich durch Luft, Feuer und Erde. Diese drei Elemente wirkten im Organismus durch drei weitere dhatus (genannt: tridhatu): Atem (prana), Galle (pitta) und Phlegma (kapha/slesman).
 
Diese sieben dhatus sollen im Organismus durch drei der fünf Elemente des Universums verändert und bestimmt werden, nämlich durch Luft, Feuer und Erde. Diese drei Elemente wirkten im Organismus durch drei weitere dhatus (genannt: tridhatu): Atem (prana), Galle (pitta) und Phlegma (kapha/slesman).
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==Medikamente in der Ayurveda==
 
==Medikamente in der Ayurveda==
Das Carakasamhita erwähnt ca.&nbsp;350 und das Susrutasamhita sogar knapp 400&nbsp;Heilpflanzen, die in der ayurvedischen Medizin Verwendung finden können. Die Carakasamhita untergliedert diese Heilpflanzen in 50&nbsp;Kategorien, darunter lebensverlängernde, auf- und abbauende, abführende, appetitanregende, analeptische, stimulierende, wurmabtreibende, antitoxische, milchanregende, weichmachende, schweißtreibende, durstlöschende, schluckauf- und hustenberuhigende Pflanzen. Die Susrutasamhita wiederum unterteilt ihre Heilpflanzen in 36&nbsp;Gruppen.
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Das Carakasamhita erwähnt ca.&nbsp;350 und das Susrutasamhita sogar knapp 400&nbsp;Heilpflanzen, die in der ayurvedischen Medizin Verwendung finden können. Die Carakasamhita untergliedert diese Heilpflanzen in 50&nbsp;Kategorien, darunter lebensverlängernde, auf- und abbauende, abführende, appetitanregende, analeptische, stimulierende, wurmabtreibende, antitoxische, milchanregende, weichmachende, schweißtreibende, durstlöschende, schluckauf- und hustenberuhigende Pflanzen. Die Susrutasamhita wiederum unterteilt ihre Heilpflanzen in 36&nbsp;Gruppen. Ein Ayurveda-Mittel ist das aus Rinderurin hergestellte [[Gomutra]].
    
Die Medikamente wurden in diversesten Zubereitungsformen verabreicht. Es gab Puder, Säfte, Pasten, Aufgüsse, Infusionen, Einlagen, Extrakte, Pillen, teigförmige Arzneien, Einreibemittel und vieles mehr. Als Lösungsmittel wurden Wasser, Milch, Öl, Honig oder zerlassene Butter verwendet. Manche Mittel wurden durch die Nasenlöcher eingegeben, andere mittels Klistier oder als Zäpfchen. Ätzende oder rauchende Heilmittel wurden durch Heilbäder oder durch äußeres Auflegen verabreicht. Besonderen Wert legte man aber auf Aufputschmittel (rasayana) und Liebestränke (vajikarana).
 
Die Medikamente wurden in diversesten Zubereitungsformen verabreicht. Es gab Puder, Säfte, Pasten, Aufgüsse, Infusionen, Einlagen, Extrakte, Pillen, teigförmige Arzneien, Einreibemittel und vieles mehr. Als Lösungsmittel wurden Wasser, Milch, Öl, Honig oder zerlassene Butter verwendet. Manche Mittel wurden durch die Nasenlöcher eingegeben, andere mittels Klistier oder als Zäpfchen. Ätzende oder rauchende Heilmittel wurden durch Heilbäder oder durch äußeres Auflegen verabreicht. Besonderen Wert legte man aber auf Aufputschmittel (rasayana) und Liebestränke (vajikarana).
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==Wirksamkeit==
 
==Wirksamkeit==
Die Lehren der Ayurveda entstammen einem veralteten medizinischen Konzept und sind somit nicht auf dem aktuellen Stand der Wissenschaften. Daher besteht immer das Risiko einer falschen Diagnose und darauf fußend, einer falschen Behandlung. Obwohl es Hinweise auf eine therapeutische Wirksamkeit einzelner Behandlungsformen der Ayurveda gibt, so fehlen für das Gesamtkonzept wissenschaftliche Nachweise über die Zuverlässigkeit und Wirksamkeit. Ayurvedische Mittel sind in Deutschland keine zugelassenen Arzneimittel. Ihre pharmazeutische Qualität wird deshalb nicht regelmäßig überprüft.<ref>[http://www.test.de/Ayurveda-Praeparate-Arsen-Blei-Quecksilber-1262433-0/ Stiftung Warenrest 06/2005]</ref>
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Die Lehren der Ayurveda entstammen einem veralteten medizinischen Konzept und sind somit nicht auf dem aktuellen Stand der Wissenschaften. Daher besteht immer das Risiko einer falschen Diagnose und darauf fußend einer falschen Behandlung. Obwohl es Hinweise auf eine therapeutische Wirksamkeit einzelner Behandlungsformen der Ayurveda gibt, fehlen für das Gesamtkonzept wissenschaftliche Nachweise über die Zuverlässigkeit und Wirksamkeit. Ayurvedische Mittel sind in Deutschland keine zugelassenen Arzneimittel. Ihre pharmazeutische Qualität wird deshalb nicht regelmäßig überprüft.<ref>[http://www.test.de/Ayurveda-Praeparate-Arsen-Blei-Quecksilber-1262433-0/ Stiftung Warenrest 06/2005]</ref>
    
==Literatur==
 
==Literatur==
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==Quellennachweise==
 
==Quellennachweise==
 
<references/>
 
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[[category:Ayurveda]]
 
[[category:Pseudomedizin]]
 
[[category:Pseudomedizin]]
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