Armanen-Orden

Der Armanen-Orden (AO) ist eine 1976 von Adolf Schleipfer (auch Adolph Schleipfer, geb. 1947) gegründete rassistisch-antisemitische, germanisch-neuheidnische ausgerichtete, streng geschlossene Organisation im deutschsprachigen Raum, die aus der 1969 neugeründeten Guido von List-Gesellschaft hervorging und an die Ariosophie anknüpft. Die Bewegung sieht sich in der Tradition des von Guido von List im Jahr 1911 gegründeten „Hohen Armanen-Ordens“. Die Führungspositionen wurden von Adolf und Sigrun Schleipfer (alias Sigrun Freifrau von Schlichting alias Hermine der Armanen, 1940 - 2009) eingenommen, die auch den angeschlossenen Armanen-Verlag leitete.[1]

Eine Zusammenarbeit gibt es u.a. mit der vom Verfassungsschutz 2005 als rechtsextremistisch eingestuften[2] Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung, die bis 2009 von Jürgen Rieger geleitet wurde[3], aber auch mit weiteren entsprechenden Organisationen:

"Als Bindeglied zwischen dem rechtsextremen Spektrum und einer breiteren neuheidnischen Szene kann die Gruppierung vor allem deswegen fungieren, weil sie versucht, die ariosophische Rassenideologie mit Versatzstücken aus der jüngeren esoterischen und neureligiösen Literatur zu verbinden. So wird das propagierte kelto-germanische Heidentum im Anschluss an den im alternativreligiösen Spektrum verbreiteten Rekurs auf so genannte Urkulturen als ureuropäische Naturrlegion präsentiert, wobei die Konzeption einer rassisch begrenzten, arteigenen Religion freilich beibehalten wird."[4]

Namensherkunft

Armanen waren im Verständnis des Armanen-Ordens die geistigen Führer der Germanen, welche der Orden als "Hauptstamm der weißen Rasse" ansieht. Die Vorsitzenden des Armanen-Ordens, Adolf Schleipfer und seine Ehefrau Sigrun Schleipfer, geborene Hammerbacher, bezeichnen bzw. bezeichneten sich als Großmeister.

Die Gründer und Vorsitzenden

Über den Gründer Adolf Schleipfer, der offenbar auch heute noch als Vorsitzender des Ordens fungiert, ist in der Literatur und im Internet mit Ausnahme des Geburtsjahres 1947 nur wenig zu erfahren.

Mitgründerin und ebenfalls Vorsitzende war bis 1990 dessen Ehefrau Sigrun, geb. Hammerbacher. Die Ehe wurde um das Jahr 1990 geschieden; Sigrun Schleipfer blieb aber als Großmeisterin im Orden. Sie gründete darüber hinaus die "Arbeitsgemeinschaft Naturreligiöser Stammesverbände Europas" (ANSE) und soll dort "eine der zentralen Personen" gewesen sein.[5] Nach der Scheidung nannte sie sich nach dem Geburtsnamen ihrer Mutter "Sigrun Freifrau von Schlichting".[6] Ihr Vater, Dr. Hans Wilhelm Hammerbacher, war völkischer Autor und Kreisleiter der NSdAP.[7]

Organisation

Die innere Struktur des Armanenordens besteht im Wesentlichen aus einem der Freimaurerei nachempfundenen Einweihungssystem in Graden. Die ersten drei Stufen (Lehrling, Geselle und Meister - auch "Goden-Grade" genannt) bilden die so genannte "Volkspriesterschaft", die eigentlich jedes Mitglied erreichen sollte. Wie bei vielen anderen esoterischen Gesellschaften besteht daneben ein innerer Kern der "Eingeweihten": Die neun Armanen-Ordens-Grade, die angeblich einer esoterischen Einweihungsordnung entsprechen. An der Spitze steht der Großmeister der hohen Armanenschaft. Das Wissen, das notwendig ist, um diese Grade zu erlangen, wird den Mitgliedern in Form von sogenannten "Leitbriefen" durch die Ordensleiter vermittelt. Der Inhalt dieser Leitbriefe wird geheimgehalten.[8]

Aufnahmevoraussetzungen

Für einen Beitritt kommen offenbar nur solche Personen in Frage, die in der Ideologie des Ordens als "Ariogermanen" anzusehen sind und nach ihrer Veranlagung die Voraussetzung zu "armanischem" Denken, Fühlen und Handeln zeigen.[8]

Lehren

Der Armanen-Orden ist offen völkisch, rassistisch und antisemitisch orientiert und lehnt bspw. jegliche „Rassenvermischung“ ab, da sich laut den Lehren des Armanen-Ordens eine rassisch eindeutig festgelegte unsterbliche Seele nicht in einem „gemischtrassigen“ Körper inkarnieren könne. Die Rolle der Frau sieht der Armanen-Orden an „Heim und Herd“. Demokratie diene laut Armanen-Orden nur der Verschleierung der Herrschaft „überstaatlicher Mächte“.

Der Orden ist weniger eine Plattform für die Masse, sondern eine elitäre, hierarchisch gegliederte Organisation für Eingeweihte, die unter anderem versucht, Einfluss auf andere neopaganistische Organisationen zu nehmen.[9] Ziel des Armanen-Ordens ist es, die altgermanische heidnische Religion durch "Erberinnerung" wieder zu errichten und gegen die „zersetzenden Mächte“ die „Weltenwende“ durchzusetzen.

Der Armanen-Orden sieht die Germanen als der "indoarischen Völkerfamilie" und damit der "weißen Rasse" zugehörig, die seiner Ideologie zufolge auf die Atlanter zurückgehe. Entsprechend werden alle Ethnien in ein System von "Sonnenvölkern" ("weiße Rasse") und Mondvölkern ("dunkle Rassen") eingeteilt. Kreativität und Ingenuität werden dabei nur den "Sonnenvölkern" beigeordnet, während die als minderwertig charakterisierten "Mondvölker" bestrebt seien, die "Sonnenvölker" zu "bastardisieren" und letztlich auszulöschen sowie sich deren Errungenschaften durch Raub anzueignen. Die Armanenideologie spricht letztlich den als "Mondvölkern" diffamierten Ethnien auch die Zugehörigkeit zur menschlichen Art ab, indem sie behauptet, alles von der "arischen Wurzelrasse" Abweichende stamme aus dem "Vormenschenbereich".[8]

Publikationen

 
Titelseite der Zeitschrift Irminsul

Der hauseigene Verlag des Armanen-Ordens, der Armanen-Verlag, ist ein in Köln ansässiger Versandbuchhandel[10], der eine Auswahl an völkischer und braunesoterischer Literatur anbietet. Der gegenwärtige (2015) Status des Verlages ist unklar. Als Adresse wird Schleipfers Kölner Wohnung genannt; einen Eintrag ins Handelsregister gibt es nicht.

Der ursprüngliche Armanen-Verlag hatte seinen Sitz in Leipzig[11] und produzierte von 1924 bis 1944 sehr viele an ein junges Lesepublikum gerichtete Kleinschriften, z.B. die Reihe "Jugend im Dritten Reich" sowie einige Grundlagenwerke des Nationalsozialismus. Unter den Reihenwerken sticht besonders die Zeitschrift Die Sonne hervor. Als Monatsschrift für nordische Weltanschauung und Lebensgestaltung erschien sie von 1924 bis 1939. Erscheinungsorte vor Leipzig waren Köslin und Wismar. Die Schriftleitung saß in Berlin-Tempelhof.

Der Armanen-Verlag gibt auch die Zeitschrift des Ordens Irminsul - Stimme der Armanenschaft heraus, die gegen eine Spende erhältlich ist.

Sonstiges

Verbindungen des Armenen-Ordens bestehen auch zur Arbeitsgemeinschaft Naturreligiöser Stammesverbände Europas (ANSE), in der Sigrun Schleipfer eine der zentralen Figuren war. Die ANSE ist bestrebt, vermehrt in grün-alternativen Kreisen Fuß zu fassen (siehe Braune Ökologie).[12] Sie gilt vielen Beobachtern als Vorfeldorganisation bzw. öffentlicher Arm des Armanen-Ordens, der die Zeitschrift Irminsul - Stimme der Armanenschaft publiziert.[13]

Ende 2014 nahm der Orden in einer Jugendherberge im thüringischen Bergsulza getarnt als Burgenverein Quartier, um seinen Herbst-Thing einschließlich Runenübungen, Volkstänzen und Vorträgen abzuhalten. Die Leitung der Herberge war über den Charakter des Vereins nicht informiert; somit erfolgte keine Absage. Das Treffen in der Jugendherberge wurde von Adolf Schleipfer angemeldet.[14]

Literatur

  • Franziska Hundseder: Wotans Jünger. Neuheidnische Gruppen zwischen Esoterik und Rechtsradikalismus. Heyne, München 1998, ISBN 3-453-13191-6, (Heyne Sachbuch), S. 126–132.
  • Georg Schmid, Georg Otto Schmid (Hrsg.): Kirchen Sekten, Religionen. Religiöse Gemeinschaften, weltanschauliche Gruppierungen und Psycho-Organisationen im deutschen Sprachraum. Ein Handbuch. TVZ, Zürich 2003, ISBN 3-290-17215-5, S. 427–429.
  • Rüdiger Sünner: Schwarze Sonne. Entfesselung und Mißbrauch der Mythen in Nationalsozialismus und rechter Esoterik. 2. Auflage. Herder, Freiburg u. a. 1999 (zum Armanen-Orden S. 173–179)
  • Thomas Grumke, Bernd Wagner (Hrsg.): Handbuch Rechtsradikalismus. Personen — Organisationen — Netzwerke vom Neonazismus bis in die Mitte der Gesellschaft. Leske und Budrich 2002

Quellenverzeichnis

  1. http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/armanen-verlag
  2. Bundesministerium des Inneren der BRD, Bericht 2005 (PDF; 2,3 MB): Die Zahl der sonstigen rechtsextremistischen Organisationen - wie z.B. die "Gesellschaft für freie Publizistik" (GFP) oder "Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e. V." (AG-GGG) - ist auf 73 zurückgegangen. Diesem Spektrum gehören rund 4000 (2004: 4300) Mitglieder/Aktivisten an. S. 50
  3. Zur Zusammenarbeit mit der Artgemeinschaft siehe Bernd Wagner (Hg.): Handbuch Rechtsextremismus. Netzwerke, Parteien, Organisationen. Ideologiezentren, Medien. Rowohlt, Reinbek 1994, S. 151.
  4. Felix Wiedemann: Rassenmutter und Rebellin: Hexenbilder in Romantik, völkischer Bewegung, Neuheidentum und Feminismus. Würzburg 2007, S. 209
  5. http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/armanen-verlag
  6. Felix Wiedemann: Rassenmutter und Rebellin. Königshausen & Neumann, Würzburg 2007, Seite 209
  7. http://en.wikipedia.org/wiki/Armanen-Orden
  8. 8,0 8,1 8,2 http://www.rabenclan.de/index.php/Magazin/MartinMarheineckeListAriosophie
  9. http://www.relinfo.ch/ao/info.html
  10. Quelle: Auszug aus Thomas Grumke und Bernd Wagner (Hrsg.): Handbuch Rechtsradikalismus (2002)
  11. Armanen-Verlag Erich Herbst, Leipzig C 1, Hospitalstr. 10
  12. http://www.relinfo.ch/anse/info.html relinfo.ch
  13. http://www.apabiz.de/archiv/material/Profile/ANSE.htm Apabiz, abgerufen 28. Februar 2012
  14. Völkischer Orden hat sich in Herberge in Bergsulza eingenistet Thüringer Allgemeine vom 4. Dezember 2014