Titelseite Der Spiegel (18. August 2018)
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Unter Alternativmedizin versteht man Methoden und Behandlungen, welche nicht von der wissenschaftsbasierten Medizin (auch evidenzbasierte Medizin[1] oder evidence based medicine, EBM) angewendet werden, weil sie sich einer wissenschaftlichen Überprüfung mit anerkannten Verfahren entziehen oder solche Überprüfungen mit einem negativen Ergebnis endeten. Wenn für ein alternativmedizinisches Verfahren ein Wirksamkeitsnachweis vorliegt, gehört dieses Verfahren automatisch zur anerkannten wissenschaftlichen Medizin, es ist nicht weiterhin Alternativmedizin. Insofern ist es ein Widerspruch in sich, nach wissenschaftlichen Belegen für die Wirksamkeit von Alternativmedizin zu fragen.

Vor allem von Befürwortern werden auch die Begriffe Komplementärmedizin, Erfahrungsmedizin und Integrative Medizin benutzt. Im englischen Sprachraum, aber zunehmend auch bei uns, werden komplementär- und alternativmedizinische Verfahren als CAM bezeichnet. Daneben ist aus dem Umfeld der anthroposophischen Medizin der Begriff Cognition-based Medicine (CBM) vorgeschlagen worden.[2]

Allgemeines

Das US-amerikanische National Center for Complementary and Alternative Medicine NCCAM definiert komplementär- und alternativmedizinische Therapien als Behandlungen, die anstatt ("alternativ") oder zusätzlich ("komplementär") zu einer konventionellen, etablierten Therapie durchgeführt werden.[3] Eine Behandlung gilt dann als etabliert, wenn die klinische Wirksamkeit in prospektiven, randomisierten Studien zweifelsfrei belegt ist oder eine biologische Rationale die Behandlung als sinnvoll erscheinen lässt. Eine englisch-australische Forschergruppe zeigte 2009 mit einem Rechenmodell, dass merkwürdigerweise gerade wenig oder nicht wirksame Methoden die Eigenschaft haben, sich schnell zu verbreiten.[4][5]

Edzard Ernst, ehemaliger Professor für Komplementärmedizin an der Universität von Exeter in England, argumentierte, dass die Bezeichnung "Complementary and Alternative Medicine"("CAM") ein fast sinnloser Überbegriff ist und dass Unterscheidungen zwischen diesen Modalitäten gemacht werden müssten. Alle Behandlungen, ob "etabliert" oder "alternativ", müssen denselben Standards der wissenschaftlichen Methodik entsprechen. Die "Evidenzbasierte Medizin" ist ein Ideal, das weder von der etablierten noch von der alternativen Medizin erreicht wurde. Ernst bezeichnet die Beweislage für viele alternative Techniken als schwach, nichtexistent oder negativ, gibt aber an, dass für etwa 20 Behandlungsmethoden Belege vorliegen, speziell für manche Kräuter und Akupunktur – was aber nicht bedeutet, dass die Behandlungsmethoden etabliert sind, insbesondere nicht weltweit.[6][7]

Die Begriffe Alternativmedizin und Komplementärmedizin sind daher beschönigend, da sie in der Regel keine wirklichen Alternativen anbieten, sondern nicht oder weniger wirksame Methoden. Das gilt auch für die Bezeichnung Erfahrungsmedizin, mit der die Berufung auf anekdotische Heilerfolge anstatt auf solide Wirkungsnachweise als positive Eigenschaft dargestellt werden soll.[8] Fast alle alternativmedizinischen Verfahren sind der Pseudomedizin zuzurechnen. In der Regel beruhen die Konzepte der Alternativ- und Komplementärmedizin auf einem Axiom, einer als gegeben angenommenen Wahrheit, die keinen Beweis benötigt.[9]

Uneinheitlichkeit alternativmedizinischer Konzepte

Die hinter den einzelnen Methoden stehenden alterativmedizinischen Konzepte sind nicht nur uneinheitlich, sondern widersprechen sich auch bei bestimmten Fragestellungen. Während in der wissenschaftlichen Medizin die Basis das sich ständig weiterentwickelnde Wissen über die Anatomie, Physiologie und Pathologie des Menschen ist, fehlt eine derartige einheitliche Grundlage für die meisten alternativmedizinischen Konzepte, die häufig keinerlei Anpassungen an ihrer Basis und ihren Dogmen zulassen.

Während in der Anhängerszene von Übersäuerungshypothesen Krankheiten auf einen zu niedrigen (sauren) pH-Wert zurückgeführt werden, soll dies in der Isopathie genau umgekehrt sein: Isopathen glauben an Krankheitsentstehung durch zu hohe (basische) pH-Werte. Das seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts praktisch unveränderte Konzept der klassischen Homöopathie nach Samuel Hahnemann widerspricht wiederum dem Konzept der traditionellen chinesischen Medizin und ihrer Meridianhypothese.

Anziehungskraft der Alternativmedizin

Für die Beliebtheit von Angeboten außerhalb der wissenschaftsbasierten Medizin wurden einige Faktoren identifiziert. Menschen, die alternative Behandlungen suchten, hatten oft extreme Erlebnisse, die ihre Weltsicht veränderten, setzen sich für die Umwelt und Feminismus ein und zeigen Interesse an Spiritualität und persönlichem geistigem Wachstum. Eine Studie stellte fest, dass Unzufriedenheit mit konventioneller Medizin kein entscheidender Faktor für die Verwendung von Alternativmedizin ist. Nur 4,4 % der befragten Personen erklärten, sich primär auf alternative Therapien zu verlassen. Die Studie folgerte, dass Menschen die alternative Gesundheitsversorgung für besser zu ihren eigenen Werten, Glaubensvorstellungen und philosophischen Einstellungen über Gesundheit und Leben passend halten.[10] Dennoch werden Argumente wie "Heilpraktiker nehmen sich mehr Zeit für den Patienten als Ärzte" häufig geäußert.

Enttäuschung und Misstrauen gegenüber konventioneller Medizin können ebenfalls eine Rolle spielen. Viele Patienten und Kunden neigen zu einer mehr oder weniger deutlichen Kritik an "der Schulmedizin" oder auch "der Pharmaindustrie". Oft wird auch eine anti-wissenschaftliche Einstellung mit New Age-Mystizismus verknüpft. Energisches Marketing und überzogene Behauptungen erzeugen falsche Hoffnungen. Wenn Menschen krank werden, kann jedes Heilversprechen verführerisch sein.[11]

Eine gewisse Attraktivität kann sich auch aus den typischen Merkmalen pseudomedizinischer Verfahren ergeben, beispielsweise schlichte, anschauliche Erklärungen zum Wirkmechanismus, das Versprechen einer "ganzheitlichen" oder "natürlichen" Behandlung, ferner das angebliche Fehlen von Nebenwirkungen. Nebenwirkungen gibt es jedoch auch bei alternativmedizinischen Verfahren.[12]

Verschiedenen Autoren zufolge könne der typische Patient oder Kunde der Alternativmedizin durch folgende Eigenschaften charakterisiert werden:[10] jung (30 bis 50 Jahre)[13], höhere Ausbildung, schlechtere Gesundheit, tendiert politisch zu "linken" oder "grünen" Positionen[14], relativ hohes Einkommen, weiblich, "ganzheitliche" Einstellung zur Gesundheit; leidet an Angstgefühlen, Rückenschmerzen, chronischen Schmerzen oder Harnwegsproblemen.

Markt

Im Jahr 2008 wurde der weltweite Umsatz mit Alternativmedizin auf 60 Milliarden US-Dollar geschätzt.[4]

Deutschland

 
Umsätze Homöopathika und Anthroposophika in Deutschland für die Jahre 2000 bis 2010 in Millionen Euro. Der Homöopathika-Umsatz nahm im Zeitraum um 11,2 % zu, der Umsatz der Anthroposophika um 59,3 %, die Inflation betrug im gleichen Zeitraum 17,5 %. Quellen: Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. und Statistisches Bundesamt.

In Deutschland ist ein Anstieg der CAM-Anbieter zu verzeichnen. Von 1993 bis 2000 stieg die Anzahl der Heilpraktiker als wichtigster, nichtärztlicher CAM-Beruf um 90 % (von 11/100.000 auf 21/100.000 Einwohner). Die Zahl von Ärzten mit CAM-Qualifikationen erhöhte sich im gleichen Zeitraum um 125 % (von 19/100.000 auf 43/100.000).[15] 65 Prozent der Bevölkerung und fast alle Krebspatienten nutzen die Dienste von CAM mindestens einmal pro Jahr.[7]

Jährlich werden in Deutschland pflanzliche Heilmittel für rund zwei Milliarden Euro verschrieben und rund neun Milliarden Euro für komplementär- und alternativmedizinische Verfahren ausgegeben (Stand 2006).[16] Fünf Milliarden Euro davon zahlen die Patienten selbst. Vier Milliarden Euro erstatten die Krankenkassen. 40.000 Ärzte bieten entsprechende Therapien an.[17]

Nach einer Schätzung aus dem Jahr 2007 liegt der Gesamtumsatz der Branche in Deutschland bei etwa 20 % der gesamten Wellnessbranche, die jährlich etwa 50 Milliarden Euro umsetzt.[18]

USA

Eine Umfrage unter amerikanischen Krankenhäusern durch das Health Forum, einer Organisation der American Hospital Association, stellte 2008 fest, dass mehr als 37 % der antwortenden Krankenhäuser angaben, eine oder mehrere alternativmedizinische Therapien anzubieten, was einen Zuwachs von 26,5 % seit 2005 darstellt. Mehr als 70 % der Krankenhäuser, die CAM Therapien anboten, befanden sich im städtischen Bereich.[19]

Für das Jahr 2007 gibt der National Health Statistic Report an, dass amerikanische Patienten 33,9 Milliarden Dollar für CAM-Leistungen und Produkte ausgegeben haben.[20] Auf die Homöopathie entfielen 3 Milliarden, auf Qigong 4 Milliarden. In dieser Summe sind Ausgaben für Nahrungsergänzungsmittel mit Vitaminen und Mineralstoffen nicht enthalten.[21] 1997 wurden in den USA für Komplementärmedizin 36 bis 47 Milliarden US-Dollar ausgegeben. Davon wurden für die Dienste von Komplementär-Therapeuten 12 bis 20 Milliarden US-Dollar aus eigener Tasche bezahlt [22] - etwa halb so viel wie für ärztliche Dienstleistungen.

Eine Studie stellte fest, dass im Jahr 2002 27 Milliarden US-Dollar für komplementär- und alternativmedizinische Verfahren durch die Konsumenten selbst ausgegeben wurden.[23] Nach einer weiteren Studie wurde in den USA 1987 viermal mehr Geld für Komplementärmedizin ausgegeben als für die gesamte Krebsforschung.[24] 1981 erzielte Laetrile, ein damals populäres, aber unwirksames alternatives Krebsmedikament aus Aprikosenstein-Extrakt, einen Umsatz von 2 Milliarden US-Dollar. Im gleichen Zeitraum wurde für Chemotherapie 0,2 Milliarden US-Dollar ausgegeben.

Forschung

Forschungsgelder für den Bereich der Alternativmedizin stammen in Deutschland zu einem großen Teil von privaten Stiftungen wie:

  • Karl und Veronica Carstens-Stiftung (27 Mio. Euro). Diese sponsorte im Mai 2008 mit 1,5 Mio. Euro die Stiftungsprofessur für alternative Medizin an der Berliner Charité.
  • Krupp-Stiftung
  • Kneipp-Stiftung
  • Gerhard Kienle Stiftung
  • Erich Rothenfußer Stiftung

Aber auch die Hersteller alternativmedizinischer Präparate finanzieren Forschung auf diesem Gebiet. Bionorica und Schwabe haben Forschungsetats von 17 und 25 Mio. Euro. Zwar lassen sich Substanzen, die in der Natur vorkommen (etwa Pflanzen), nicht patentieren, spezielle Zubereitungen hingegen schon.

Das staatliche National Center for Complementary and Alternative Medicine (NCCAM) hat in den USA ein jährliches Budget von 2,5 Milliarden US-Dollar und wendete bisher 2,5 Millarden Dollar für die Untersuchung von CAM-Therapien auf.[25][26] Das NCCAM-Budget wurde kritisiert, da trotz der Dauer und Intensität der Studien bisher keine einzige CAM-Therapie durch wissenschaftliche Beweise gedeckt werden konnte.[27][28] 2010 gaben das NCCAM und das Office of Cancer Complementary and Alternative Medicine (OCCAM) zusammen pro Jahr 240 Millionen US-Dollar der Behörde National Institutes of Health (NIH) aus.[29]

Kritik

Wer heilt, hat Recht

Anwender alternativmedizinischer Methoden berufen sich bei der Frage nach der Wirksamkeit häufig lediglich auf eigene Erfahrungen, die sich aus der selektiven Auswahl bestimmter eigener Wahrnehmungen in der Vergangenheit speist. Solche retrospektiven Betrachtungen haben keinen beweisenden Charakter. Deshalb ist auch die gelegentlich zu hörende Argumentation Wer heilt hat Recht irreführend, da ihr fast immer eine Verwechslung von Korrelation mit Kausalität aufgrund anekdotischer Erlebnisse oder Berichte zugrunde liegt. Anders ausgedrückt, die Erkrankung könnte statt durch homöopathische Globuli auch genauso gut "von selbst" verschwunden sein.

Der Begriff einer postulierten und unscharf formulierten "Ganzheitlichkeit" (oft verbunden mit "von Körper, Geist und Seele") ist ein reines Versprechen, das die Alternativmedizin nicht einlösen kann.

Gefahrenpotential

Die Alternativmedizin birgt Risiken:[30][31][32]:

  • Ablehnung effektiver Diagnostik oder Therapie zugunsten pseudomedizinischer Methoden ohne Wirksamkeitsnachweis, mit der Folge einer Verschleppung der Krankheit oder dem Auftreten vermeidbarer Symptome
  • Fehldiagnosen aufgrund mangelhafter medizinischer Ausbildung von in der Alternativmedizin Tätigen
  • Verschlechterung der Therapieaussichten durch vergebliche pseudomedizinische Bemühungen
  • Entstehung von Schuldgefühlen bei Misserfolg, sich selbst oder Angehörigen gegenüber
  • Psychische oder finanzielle Ausbeutung aufgrund eines Heilangebots, das sektenartige Strukturen aufweist
  • Entstehung einer psychischen Abhängigkeit bis hin zur Heilersucht
  • Todesfälle oder körperliche Schäden durch nicht geeignete Verfahren.

In einer im Dezember 2010 veröffentlichten Studie des Royal Children's Hospital in Melbourne wurden 39 Fälle untersucht, bei denen Kinder nach alternativmedizinischen Behandlungen zu Schaden gekommen waren. In 30 Fällen konnte ein Zusammenhang zwischen der Schädigung der Patienten und dem Einsatz alternativmedizinischer Therapieansätze bzw. der Verweigerung der von den Ärzten verordneten Medikamente hergestellt werden. Vier der Kinder starben, weil die Eltern medizinische Therapien verweigerten: Ein acht Monate alter unterernährter Säugling erlag einem septischen Schock, nachdem er seit dem 3. Lebensmonat wegen einer vermeintlichen Verstopfung auf eine "naturopathische" Reismilchdiät gesetzt worden war. Ein zehn Monate alter Säugling starb ebenfalls an einem septischen Schock, nachdem er wegen eines chronischen Ekzems auf eine restriktive Diät gesetzt worden war. Ein weiteres Kind starb nach mehrfachen epileptischen Anfällen, nachdem die Eltern die antiepileptischen Medikamente aus Angst vor Nebenwirkungen abgesetzt und das Kind mit alternativmedizinischen Mitteln behandelt hatten. Das vierte Kind erlitt tödliche Blutungen, weil die Eltern die Therapie mit Gerinnungsfaktoren zugunsten einer komplementärmedizinischen Behandlung verweigerten.[33][34]

Sinn alternativmedizinischer Forschung

Kritisiert werden auch Untersuchungen pseudomedizinischer Verfahren.[35] Nach Ansicht einiger Kritiker ist die Idee, physikalische Unmöglichkeiten (wie die Homöopathie) mit empirischen Methoden zu untersuchen, nicht offen und wissenschaftlich, sondern stelle im Grunde einen Missbrauch wissenschaftlicher Methoden dar.[36] Es wurde das Konzept der "Scientabilität" vorgeschlagen, das besagt, dass medizinische Maßnahmen nur dann in klinischen Studien untersucht werden sollen, wenn sie sicheren Erkenntnissen nicht widersprechen.[37][38] Die Homöopathie (wie auch andere pseudomedizinische Verfahren) erfüllt diese Voraussetzung nicht, sondern steht im Widerspruch zu wohlbestätigtem Wissen. Selbst ein wiederholtes positives Ergebnis eines klinischen Tests wäre kein Beleg, dass die Grundannahmen der Homöopathie, z.B. dass eine extreme Verdünnung ("Potenzierung") eines Mittels dessen Wirksamkeit erhöhe, zutreffen.

Einschüchterungsversuche und Aktivitäten gegen Kritiker

 
Beispiel: Anonyme Morddrohungen gegen Personen, die als Autoren bei Psiram vermutet werden. Die behaupteten Falschmeldungen werden nicht genannt, die Rubrik "Unzufrieden mit einem Psiram-Artikel?" im Forum nicht benutzt. Tatsächlich entdeckte Fehler in Artikeln werden im Artikel Errata gelistet. (Bild: Screenshot einer typischen Morddrohung im Psiram-Blog der IP IP 178.162.217.136 / dgaslerj@hotmail.com vom 26. Februar 2015 12:24)

Die Stiftung Warentest wollte ein Buch mit einer kritischen Analyse und Bewertung von Natur- und Alternativmedizin herausgeben. Die Zeitschrift Stern nutzte die Gelegenheit für eine Vorveröffentlichung: Krista Federspiel, eine der beiden Autorinnen, und ihr Kollege Hans Weiss boten an, eine "Wallraffiade" durch die Szene zu unternehmen und sich von je zehn Naturheilern eine Diagnose erstellen zu lassen. Der Stern garantierte eine großzügige Bezahlung für die Reportage und forderte einen zweiten Teil an, in dem von Alternativmethoden Geschädigte namentlich vorgestellt werden sollten. Zum Nachweis, dass die Journalisten tatsächlich bei den Naturheilern waren, hielt ein Fotograf das Geschehen fest. Jeder besuchte Heiler dichtete den Probanden mehrere Krankheiten an: Insgesamt wurden 38 verschiedene Krankheiten sowie eine Unzahl von Störungen und Allergien attestiert und mehr als 130 Medikamente verschrieben. Als die Reportage "Wunderheiler und Krankbeter" im Stern 49/1991 zu lesen war, löste die darin erhobene Kritik so viel Empörung und massive Proteste von Heilpraktikern aus, dass die Redaktion aus Angst vor Auflageneinbruch die Veröffentlichung des zweiten Teils scheute und ihn schließlich ganz absagte. Man gab die Rechte an die Autoren zurück.[39]

In einer Sendung des ZDF vom 5. September 2007 mit dem Titel "Heilen mit dem Nichts?" berichtete der Journalist Joachim Bublath über wissenschaftliche Erkenntnisse zur Homöopathie (unter anderem über eine Analyse in The Lancet[40]), die eine etwaige Wirksamkeit dieser umstrittenen Methode gegenüber Placebos in Frage stellte. Die Folge waren Aufrufe von Homöopathie-Befürwortern zum spamming und das ZDF reagierte, indem es die Webseiten mit den zitierten Lancet-Angaben löschte.[41][42]

Im Februar 2015 bedrohte ein anonymer Impfgegner (dgaslerj@hotmail.com / IP 178.162.217.136) die Herausgeber des Blogs "Ruhrbarone" mit der Ermordung durch einen Auftragskiller, weil er sie für die Verantwortlichen des Projekts Psiram hielt. Die Drohung lautete:

Herr XXX XXX und Herr XXX XXX Sie haben einen Menschen, resp. mindestens 1 Menschenleben auf dem Gewissen.
Wir forderen Sie daher auf, dies Webseite, welche laufend strafrechtlich relevante Denunzierungen vornimmt und sich des Rufmordes bedient, vom Netz zu nehmen.
Dies ist eine erste und die letzte Warnung. Es bleibt ansonsten nur der bezahlte Auftragsmord zum Schutze vor solchen Informationsseiten, die verheerende Falschmeldungen verbreitet.
Dies ist eine äusserst ernste Angelegenheit.

Die Blogger informierten daraufhin ihre Leser, dass sie die Polizei eingeschaltet hatten.[43]

Literatur

Deutsch

  • Simon Singh, Edzard Ernst: Gesund ohne Pillen - was kann die Alternativmedizin? Hanser, 2009
  • M. Shermer und Lee Traynor: Heilungsversprechen - Alternativmedizin zwischen Versuch und Irrtum. Skeptisches Jahrbuch III, Alibri, 2004, ISBN 3-932710-86-X
  • Christian Ullmann: Fakten über die „andere Medizin“. Augsburg, Foitzick, 2006
  • Martin Lambeck: Irrt die Physik? Über alternative Medizin und Esoterik. Beck Verlag, 2003
  • Uwe Heyll: Wasser, Fasten, Luft und Licht. Die Geschichte der Naturheilkunde in Deutschland. Campus Verlag 2006
  • Colin Goldner: Alternative Diagnose- und Therapieverfahren. Eine kritische Bestandsaufnahme. Alibri 2008 ISBN-10: 3865690432
  • Krista Federspiel, I. Lackinger-Karger: Kursbuch Seele. Köln, Kiepenheuer & Witsch 1996 (544 S.)
  • B.L. Beyerstein: Warum falsche Therapien zu wirken scheinen. In: Shermer/Traynor (s. o.)
  • Bernd Harder: Stimmt es, dass Recht hat, wer heilt? Skeptiker 2/07, S.74-75
  • Theodor Much: Der veräppelte Patient? Alternativmedizin zwischen (Aber-)Glauben und Wissenschaft. Verlag EDITION VA BENE, Klosterneuburg 2003. ISBN-10: 3851671430
  • Irmgard Oepen: An den Grenzen der Schulmedizin. Eine Analyse umstrittener Methoden. Köln: Dt. Ärzte-Verlag 1985
  • Irmgard Oepen, Otto Prokop (Hrsg.): Außenseitermethoden in der Medizin. Ursprünge, Gefahren, Konsequenzen. WBG 1989
  • Irmgard Oepen: Unkonventionelle medizinische Verfahren. Stuttgart 1993
  • Irmgard Oepen, Amardeo Sarma (Hrsg.): Paramedizin - Analysen und Kommentare. Münster 1998
  • Irmgard Oepen, Rolf Scheidt: Wunderheiler heute. Eine kritische Literaturstudie. München, Zuckschwerdt 1989
  • Arvid Siebert: Strafrechtliche Grenzen ärztlicher Therapiefreiheit. Berlin: Springer 1983

Englisch

  • James Randi: Flim-Flam! Prometheus, 1982, chapter 9 (The medical humbugs)
  • D. Stalker, C. Glymour (eds.): Examining holistic medicine. Prometheus, 1985
  • R. Barker Bausell: Snake Oil Science. The Truth about Complementary and Alternative Medicine. Oxford University Press 2009
  • Margaret Thaler Singer, Janja Lalich: "Crazy" Therapies - What are they? Do They Work? San Francisco: Jossey-Bass Publishers, 1996
  • Edzard Ernst: The Desktop Guide to Complementary and Alternative Medicine. An evidence-based approach. Mosby, Harcourt Publishers Limited 2001
  • Edzard Ernst: How to get rich quickly with 'alternative' medicine. Skeptical Inquirer 2009, Mar-Apr S. 57
  • Simon Singh, Edzard Ernst: Trick or Treatment: The Undeniable Facts about Alternative Medicine. Random House 2008
  • Ben Goldacre: Bad Science: Quacks, Hacks, and Big Pharma Flacks. Faber & Faber (Reprint 2010)

Weblinks

Quellenangaben

  1. Die Bezeichnung Evidenz wird in Zusammenhang mit Medizin auf die Bedeutung von evidence (Beweis) im Englischen bezogen, welche nicht mit der von Evidenz im Deutschen übereinstimmt. Eine sinngemäßere Übersetzung wäre vielleicht "beweisbasierte Medizin"
  2. Helmut Kiene: Komplementäre Methodenlehre der klinischen Forschung. Cognition-based Medicine. Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2001. Zitat aus dem Vorwort: Die komplementäre Methodenlehre bietet die Grundlagen für eine wissenschaftliche Fortentwicklung der Medizin über die sogenannte Evidence-based Medicine hinaus. Dort wurde bisher nur die wissenschaftliche Basis für die „externe“ Evidenz entwickelt; die komplementäre Methodenlehre fügt nun die Basis für „interne“ Evidenz, für individuelle ärztliche Erkenntnis hinzu. Zur Unterscheidung gegenüber Evidence-based Medicine wird deshalb von einer „Cognition-based Medicine“ gesprochen.
  3. What Is Complementary and Alternative Medicine? National Center for Complementary and Alternative Medicine NCCAM, abgerufen am 3. Juni 2011
  4. 4,0 4,1 Tanaka MM, Kendal JR, Laland KN (2009): From Traditional Medicine to Witchcraft: Why Medical Treatments Are Not Always Efficacious. PLoS ONE 4(4): e5192. doi:10.1371/journal.pone.0005192
  5. Quack remedies spread by virtue of being useless, New Scientist, May 01, 2009
  6. Cosmo Learning: Alternative medicine, abgerufen am 4. Juni 2011
  7. 7,0 7,1 Florian: GWUP-Tagung in Wien, zweiter Tag: Homöopathie und der Mozart-Effekt scienceblogs.de, 4. Juni 2011
  8. complementary medicine im Skeptic Dictionary, abgerufen am 4. Juni 2011
  9. Götz-Erik Trott: So genannte „alternative“ Behandlungen der ADHS, 17. Dezember 2008, p. 10
  10. 10,0 10,1 Astin JA (May 1998). "Why patients use alternative medicine: results of a national study". JAMA 279 (19): 1548–53.
  11. Beyerstein BL: Alternative medicine and common errors of reasoning. Acad Med. 2001 Mar;76(3):230-7
  12. N. C. Abbot, A. R. White & E. Ernst: Complimentary Medicine. Nature 381, 361 (30 May 1996)
  13. Richardson MA, Ramirez T, Palmer JL (2000): Complementary/alternative medicine use in a comprehensive cancer center and the implications for oncology. J Clin Oncol 18: 2505-2514
  14. Lee MM, Lin SS, Wrensch MR (2000): Alternative therapies used by women with breast cancer in four ethnic populations. J Natl Cancer Inst 92: 42-47
  15. Susanne Weinbrenner: MPH FG Management im Gesundheitswesen, Technische Universität Berlin
  16. Anja Achenbach: Millionenmarkt Naturheilkunde. In: Financial Times, 21. Januar 2009
  17. [http://www.aerzteblatt.de/archiv/57593 Petra Spielberg: Schul- und Komplementärmedizin: Miteinander statt nebeneinander. Dtsch Arztebl 2007; 104(46)
  18. Horst Klinkmann, Third National Conference for Health Economics (Rostock), 2007
  19. Latest Survey Shows More Hospitals Offering Complementary and Alternative Medicine Services, Press Release, American Hospital Association, accessed June 4, 2011
  20. Richard L. Nahin, Patricia M. Barnes, Barbara J. Stussman, Barbara Bloom. NHSR, Number 18 n July 30, 2009. Costs of Complementary and Alternative Medicine (CAM) and Frequency of Visits to CAM Practitioners: United States, 2007
  21. http://www.quackometer.net/blog/2009/07/what-would-34-billion-of-quack-money.html
  22. Eisenberg DM, Davis RB, Ettner SL, Appel S, Wilkey S, Van Rompay M, Kessler RC: Trends in alternative medicine use in the United States, 1990–1997: results of a follow-up national survey. JAMA 1998;280:1569–75
  23. Curt G.A.: Introduction: Complementary and Alternative Medicine in Cancer Treatment. Sem Oncol 2002; 29: 529-530
  24. McGinnis L.S.: Alternative therapies, 1990. An overview. Cancer 1991; 67 (6 Suppl): 1788-1792
  25. The AP shoots and scores again, scienceblogs.com
  26. Research Results NCCAM
  27. Scientists Speak Out Against Federal Funds for Research on Alternative Medicine, David Brown, Washington Post, March 17, 2009
  28. Why the National Center for Complementary and Alternative Medicine (NCCAM) Should Be Defunded, Wallace I. Sampson M.D., Quackwatch, December 2002
  29. Steven Salzberg: Save NIH $$$: eliminate “alternative” medicine. Genomics, Medicine, and Pseudoscience, 13. Juni 2010
  30. Markman M (2002): Safety issues in using complementary and alternative medicine. J Clin Oncol 20: 39-41
  31. http://sekten-info-nrw.de/index.php?option=com_content&task=view&id=59&Itemid=36
  32. http://www.eurekalert.org/pub_releases/2010-12/bmj-cmc122210.php (engl.)
  33. http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/44039/Paediatrie--Tod-nach-Alternativmedizin.htm
  34. http://adc.bmj.com/content/early/2010/11/24/adc.2010.183152.short?q=w_adc_ahead_tab (engl.)
  35. $2.5 billion spent, no alternative cures found. NBC News, 10. Juni 2009 R. Barker Bausell, Autor des Buches Snake Oil Science, kritisierte beispielsweise, dass es "politisch korrekt wurde, Unsinn zu untersuchen".
  36. Jürgen Windeler: Evidenzbasierte Medizin und "Scientabilität" – Widerspruch oder Ergänzung? Skeptiker 4/2013, 175-177
  37. Christian Weber: Auf der Suche nach dem Nichts. Sueddeutsche.de, 11. Januar 2014
  38. Christian Weymayr: Soll man Homöopathika an Patienten untersuchen? Nein. Skeptiker 4/2013, 171-174. Weymayr weist darauf hin, dass das Konzept der Scientabilität keine Forschungsverbote fordert. Auch setze es kein plausibles Wirkprinzip voraus, sondern "verwahrt sich gegen postulierte Wirkprinzipien, die sicheren Erkenntnissen widersprechen."
  39. http://kritischgedacht.wordpress.com/2007/12/25/sanfte-alternative/
  40. Shang A, Huwiler-Müntener K, Nartey L, Jüni P, Dörig S, Sterne JA, Pewsner D, Egger M: Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? Comparative study of placebo-controlled trials of homoeopathy and allopathy. Lancet. 2005 Aug 27-Sep 2;366(9487):726-32
  41. http://www.promed-ev.de/modules/news/article.php?storyid=110
  42. http://www.bdhn-ev.de/uploads/media/Die_modernen_Wunderheiler.pdf abgerufen am 13. Juni 2011
  43. http://www.ruhrbarone.de/impfdepp-droht-mit-killer/101874

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