ADHS und Psychoanalyse

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ADHS- und Ritalinkritiker heben immer wieder hervor, dass ADHS rein psychisch durch ungünstige Erfahrungen in der Kindheit bedingt ist, und somit allein eine psychologische Therapie angezeigt ist. Psychoanalytiker unter ihnen favoritisieren eine Psychoanalyse oder eine an ihr orientierte tiefenpsychologische Psychotherapie.

Nach den Behandlungsempfehlungen der Bundesärztekammer und den Leitlinienempfehlungen der Fachgesellschaften der Kinder- und Jugendärzte bzw. Psychiater und Neurologen sind analytische (Spiel)Therapien als „Behandlung“ von ADHS zu den nicht in ihrer Wirksamkeit belegten Therapieverfahren zu rechnen. Es fehlen Studien, die einen nachhaltigen Effekt zeigen. In aller Regel empfinden Eltern von Kindern, die eine solche Prozedur durchgemacht haben, die Behandlung als nicht sinnvoll oder sogar schädlich. Leider ist es so, dass dann den Eltern aber Widerstand oder Schuldvorwürfe gemacht werden, wenn sie eine entsprechende Kritik vorbringen. Der Analytiker sieht sich nach seinem Erklärungsmodell gerade dann bestätigt, wenn die Eltern sich einer solchen Therapie kritisch gegenüber zeigen. Sieht er oder sie sich doch dann darin bestätigt, dass die Eltern eigene Schuldgefühle oder mangelnde Aufmerksamkeit ihrem Kind gegenüber „abwehren“ bzw. auf den Therapeuten projizieren müssten.

Die von Analytikern propagierten Therapien wurden jedoch bereits von S. Freud selber im Zusammenhang mit „vergesslichen“ oder aufmerksamkeitsauffälligen Personen abgelehnt. Freud selber hatte bereits erkannt, dass bei bestimmten Personen eben eine biologische Besonderheit und nicht Konflikte im Sinne der Analyse für die Problematik zuständig sind.

Psychoanalytiker interpretieren häufig das skeptische Verhalten der Eltern bei ausbleibendem Therapieerfolg quasi als Beweis ihrer unbeweisbaren Annahme, dass eine Beziehungsstörung der Eltern zu ihrem Kind IMMER die Ursache für die Hyperaktivität des Kindes sei[1].

Einige Therapeuten meinen aber trotzdem, ADHS-Betroffene analysieren zu müssen. Die dabei gemachten Aussagen über die Betroffenen, ihr Familienumfeld und die Medikation sind oft krude und nicht selten herabwürdigend, was die Probleme der Betroffenen eher verschärfen dürfte anstatt zu helfen.

Beispiele

Die folgenden Beispiele stammen von dem Psychoanalytiker, Soziologen und medizinischen Laien Frank Dammasch, der ein Kind mit ADHS „behandelte“[2]:

“Diese Reduzierung des Subjekts Kind auf drei oder vier Buchstaben einer rein deskriptiv psychiatrischen Diagnose ist uns als analytische Kinderpsychotherapeuten fremd. Wir sind es gewohnt, unseren psychoanalytischen Blick auf die jeweils einzigartigen, aus der individuellen Biografie heraus begründeten Ursachen psychischer Störungen zu richten.“

In der Einleitung macht Dammasch ganz im Stile der Pseudomediziner, die gegen die Schulmedizin zu Felde ziehen, Front gegen die Psychiater, indem er diese bezichtigt „Kurzdiagnosen“ mit „4 Buchstaben“ zu stellen. Gleichzeitig erhöht er seine Zunft selber, indem er vorgibt, das jeweilige Kind „individuell“ und einzigartig zu sehen, ähnlich, wie es die Pseudomediziner mit ihrem Begriff „ganzheitlich tun.

Weiter berichtet er aus seiner Praxis:

"Ein Vater sagte mir z.B.: "Ich bin froh, dass das Kind jetzt einen Namen hat. Ich weiß nicht, ob das der richtige Name ist, aber ich kann mich jetzt selbst besser unter Kontrolle bekommen. Wenn mein Kind sich wieder mal unmöglich benimmt, sage ich mir, es hat ADS, es ist krank, es kann ja nichts dafür und dann schaffe ich es manchmal wieder, mich zu beruhigen. Wir sehen hier, dass die vereinfachende Diagnose ADS/ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, bzw. Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom) schon als solche auf manche Eltern beruhigend wirkt und den Zirkel von Aggression und Gegenaggression zumindest für einen Augenblick unterbrechen hilft. Das beunruhigend und chaotisch Unverständliche bekommt einen angstvermindernden Namen."

Dammasch verkennt allerdings, dass die ADHS-Diagnose führt keineswegs zu mehr sozialer Anerkennung der Eltern und Kinder. Ein hyperaktives Kind ist eher eine nervliche Herausforderung für die Eltern als beängstigend. Aber um bei der Angst zu bleiben, der Autor verrät hier nicht, welche Art von Angst das sein soll. Angst vor dem Kind oder Angst um das Kind. Letztes wäre zu bejahen, wobei die Diagnose daran nichts ändert. Auch ignoriert er, dass aggressives Verhalten sich bei weitem nicht generell bei Kindern mit ADHS zeigt. Der Analytiker aber etikettiert „hyperaktive“ Kinder pauschal als aggressiv.

Das befreit darüber hinaus bisweilen von Gefühlen der Ohnmacht, auch der ohnmächtigen Wut und insgesamt von elterlichen Schuldgefühlen, bei der Erziehung des eigenen Kindes nicht genügend gut gewesen zu sein.

Dammasch verbreitet hier die inzwischen überholte Meinung, die Eltern seinen durch Erziehungsfehler schuld, wenn das Kind ADHS hat[3]. Eine Ansicht, die auch Hans-Reinhard Schmidt, Reinhard Voß und Gerald Hüther vertreten.

“Die psychiatrische Diagnose, die so beruhigend für die Eltern ist, beunruhigt allerdings viele Fachkräfte und Forscher im psychosozialen Bereich. Eine heftige Kontroverse zwischen Befürwortern und Kritikern der ADHS-Diagnose ist entbrannt, hat alte Gräben zwischen den "Genetikern" und den "Umweltlern" neu aufgerissen. Die von den rein biologisch-genetisch orientierten Ärzten betriebene Bindung der Behandlung von ADHS im Schlepptau amerikanischer Verhältnissen an ein Psychopharmakon hat zur Verschärfung der Debatte beigetragen.

Ein weiteres Stilmittel, dass auch andere Vertreter unwissenschaftlicher Methoden anwenden, ist der Aufbau eines Feindbildes, in dessen Gegensatz z.B. der Psychoanalytiker, Homöopath, Hameranhänger seine eigenen Methoden als positiv herausstellen kann. Hier sind es die „amerikanischen Verhältnisse“ und die „Psychopharmaka“.

Quellenverzeichnis