Überhorizontradar: Unterschied zwischen den Versionen

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Eine '''Überhorizontradaranlage''' (engl: ''over the horizon radar'' OTHR, teilweise syonym zu ''Woodpecker'') ist eine im Kurzwellenbereich arbeitende Radaranlage. Einzige Unterschiede zu herkömmlichen Radaranlagen sind der benutzte Frequenzbereich der Kurzwelle (anstatt Mikrowelle) sowie die Tatsache dass derartige Anlagen in der Regel nicht drehbar sind und somit nur in einem bestimmten Winkelbereich funktionieren. Im Gegensatz zu herkömmlichen Radaranlagen kann die Reichweite sehr viel grösser sein als bei Mikrowellenradaranlagen, allerdings ist der Aufwand beim Bau ungleich grösser.
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Ein '''Überhorizontradar''' (englisch ''over-the-horizon radar, OTHR'') ist eine im Kurzwellenbereich arbeitende Radaranlage. Unterschiede zu herkömmlichen Radaranlagen sind der Frequenzbereich (Kurzwelle anstatt Mikrowelle) sowie die Tatsache, dass die Antennen nicht drehbar sind und somit nur einen bestimmten Winkelbereich erfassen. Die Reichweite ist viel höher, typisch werden 900 bis 3.000 km genannt, dafür ist die Auflösung mit einigen 10 km recht niedrig. Vor allem wegen der erforderlichen großen Antennen ist der technische Aufwand enorm. Hauptzweck der Anlagen ist das Erfassen von fliegenden Raketen und Flugzeugen; teilweise können aber auch Schiffe detektiert werden. Heute sind diese Relikte des Kalten Krieges weitgehend durch Satellitenaufklärung ersetzt.
  
Überhorizontradaranlagen wurden und werden weiterhin von vielen Staaten zu militärischen Zwecken der Aufklärung betrieben. Dazu gehören Russland, USA, Grossbritannien, Australien und weitere Staaten. Besser bekannt geworden ist die inzwischen stillgelegte DUGA-3 Anlage in der heutigen Ukraine (früher betrieben von der Sowjetunion) sowie eine englische Anlage auf Zypern.
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Überhorizontradaranlagen wurden - und werden teilweise noch - u.a. von Russland, den USA, Großbritannien, Frankreich und Australien betrieben. Allein die US-Luftwaffe hatte 7 Anlagen des Typs AN/FPS-118,<ref>http://www.fas.org/nuke/guide/usa/airdef/an-fps-118.htm</ref> die jedoch inzwischen alle außer Betrieb sind. In Europa sind die DUGA-3 Anlage in der Ukraine (ebenfalls stillgelegt) sowie eine britische Anlage auf Zypern besser bekannt geworden. In Mitteleuropa noch häufiger zu empfangen sind die Signale des französischen NOSTRADAMUS-Systems von einem Standort etwa 100 km westlich von Paris, das in den 1990er Jahren entwickelt und 2005 an das französische Militär übergeben wurde.
  
 
==Funktionsprinzip==
 
==Funktionsprinzip==
Derartige Anlagen bestehen aus einem starken Kurzwellensender und einem separaten Empfänger. Der Sender sendet kontinuierlich Impulsfolgen aus (DUGA-3: 10 Hz), die EIRP-Leistung kann im Bereich von einigen Megawatt liegen (zum Vergleich: etwa Leistung einer Elektrolok der Bundesbahn). An der Empfangsanlage werden diese Impulse empfangen, aber ebenso (allerdings viel schwächer) Reflexionen von allen möglichen Objekten und Gegenständen die in der Lage sind Funkwellen im Kurzwellenbereich zu reflektieren und die in der Beobachtungsrichtung der Anlage sind. Diese Objekte müssen grössere geometrische Abmessungen haben als bei üblichen Radarzielen. Die Reflexionen von fliegenden Flugzeugen oder fliegenden Raketen können ausgewertet werden, Gegenstände am Boden dagegen nicht. Ausgenutzt wird die Signallaufzeit, also der zeitliche Verzug (im Mikrosekundenbereich) bis zum Eintreffen der reflektierten Welle, sowie der Dopplereffekt der eine Aussage über die relative Geschwindigkeit zulässt. Der gemessene zeitliche Verzug erlaut eine Entfernungsbestimmung zum Ziel. Überhorizontradaranlagen nutzen die Tatsache aus dass Funkwellen zu bestimmten Tageszeiten und abhängig von der Jahreszeit und dem elfjährigen Rhythmus der Sonnenfleckenzahlen an bestimmten Schichten (zum Beispiel F-Schicht oder E-Schicht) der Ionosphäre reflektiert werden und so auch über den Horizont hinweg sich ausbreiten. Mit mehreren derartiger ''Hops'' an abwechselnden Reflexionen in der Ionosphäre und am Erdboden (oder Meeresoberfläche) kann sogar die ganze Welt umrundet werden, wie jeder Rundfunkhörer auf Kurzwelle weiss. Mit jeder der Reflexionen kommen jedoch störende Einflüsse hinzu, des weiteren ist das ganze System recht einfach störbar - dazu reichen einfache Störsender mit wenigen Watt Leistung aus. Die typische und rhythmische 10 Hz Impulsfolge derartiger Analagen hört sin in Kurzwellenempfängern wie das Klopfen eines Spechts an. Daher stammt auch die alternative Bezeichnung des Woodpecker. Funkamateure im Westen haben sich jahrelang einen Spass damit gemacht mit ihren kleinen Funkananlagen die nervigen Woodpeckerstörungen der DUGA-3 durch Tonbandwidergaben der Impulse zu stören. Da die von der Anlage empfangenen Reflexionen ja als passive Signale sehr schwach sind, reichen einige Watt um sie zu simulieren. Ein ständiger Frequenzwechsel war dann der Beweis für einen Störeffekt. Modernere Anlagen schalten sowieso permanent ihre Nutzfrequenz und Impulsfolge um, um störfester zu sein.
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[[image:Anfps118.jpg|Abgerüstete AN/FPS-118-Anlage in Oregon|thumb]]
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Überhorizont-Radaranlagen bestehen aus einem starken Kurzwellensender und einem typischerweise 20-200&nbsp;km entfernten Empfänger. Der Sender strahlt Impulsfolgen aus (Pulsfolgefrequenz beim DUGA-3: 10&nbsp;Hz). Die Strahlungsleistung (''effectivce radiated power ERP'' = Produkt aus der Leistung des Senders und dem sog. Antennengewinn) kann mehrere Megawatt betragen. Der Empfänger registriert diese Impulse, aber ebenso die (viel schwächeren) Reflexionen einer Vielzahl von Objekten, die in der Lage sind, Funkwellen im Kurzwellenbereich zu reflektieren. Ausgewertet wird, wie beim konventionellen Radar, die Signallaufzeit, also die Zeit bis zum Eintreffen der reflektierten Welle, die ein Maß für die Entfernung zum Objekt ist. Überhorizontradare nutzen die Tatsache, dass Funkwellen an bestimmten Schichten der Atmosphäre reflektiert werden (z.B. der E-Schicht und der F-Schicht in 100 bis 400 km Höhe) und sich so über den Horizont hinweg ausbreiten. Es gibt allerdings neuere OTHR-Konzepte, bei denen nicht diese so genannte Raumwelle, sondern die Bodenwelle ausgewertet wird.
  
 
==DUGA-3==
 
==DUGA-3==
 
[[image:duga3.jpg|Antennenanlage DUGA-3|thumb]]
 
[[image:duga3.jpg|Antennenanlage DUGA-3|thumb]]
Über diese ehemalige sowjetische Anlage nahe dem ukrainischen Tschernobyl sind relativ viele Daten bekannt. Der Sender arbeitete auf Frequenzen zwischen 7 und 19 MHz bei einer Leistung von 10 MW EIRP. Impulsfrequenz war 10-20 Hz, bei maximaler Bandbreite der Aussendungen von 40 KHz.  
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Über dieses ehemalige sowjetische System nahe dem ukrainischen Tschernobyl sind relativ viele Daten bekannt.<ref>http://en.wikipedia.org/wiki/Russian_Woodpecker</ref> Der Sender arbeitete auf häufig wechselnden Frequenzen zwischen 7 und 19&nbsp;MHz bei einer Leistung von 10&nbsp;MW ERP. Die Impulsfrequenz war 10 bis 20 Hz, die Bandbreite der Aussendungen lag bei 40&nbsp;kHz. Die Signale hörten sich in Kurzwellenempfängern ähnlich wie das Klopfen eines Spechts an, deshalb war die Anlage unter dem Namen ''Woodpecker'' bekannt; die NATO-Bezeichnung war ''Steel Yard''. Sie war von 1976 bis 1989 in Betrieb und wurde von vielen Nutzern anderer Funkdienste auf Kurzwelle (z.B. Flugfunk, Seefunk, Rundfunk, Amateurfunk) wegen der davon ausgehenden Störungen als Plage empfunden.
  
==Verschwörungstheorien um Überhorizontradaranlagen==
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==Verschwörungstheorien um Überhorizontradaranlagen==
Da derartige Anlagen ausschliesslich militärisch zur Erkennung von Flugzeugen, Raketen oder Schiffen eingesetzt wurden und werde, unterlagen sie lange Zeit der militärischen Geheimhaltung. Zusammen mit den oftmals gigantischen Abmessungen war dies Zündstoffe für alle möglichen Verschwörungstheorien. Behauptet wurde beispielsweise dass derartige Anlagen gar nicht zu Ortungszwecken dienen würden, sondern dazu ''Gehirnwellen'' des Menschen zu beeinflussen, um diese sodann im Sinne einer [[Neue Weltordnung|Neuen Weltordnung]] mit dem was als [[Mind Control]] genannt wird, beliebig zu manipulieren. Es gibt jedoch keine konkreten Berichte über derartige etwaig ''geglückten'' Manipulationen oder Mind Control Manipulationsversuche mit Kurzwelle. Analog zum der Ionosphärenforschungsstation [[HAARP]] in Alaska würden derartige Anlagen auch an entfernten Orten Zerstörungen anrichten können heisst es gerne. Überhorizontradaranlagen können jedoch prinzipiell aufgrund der viel zu geringen Leistungen und der schlechten Bündelbarkeit der Funkwellen nicht entfernte oder nahe Ziele zerstören, wie dies oft quellenlos behauptet wird. Allenfalls im absoluten Nahbereich können Schäden erwartet werden.
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Die Anlagen unterlagen lange Zeit strikter militärischer Geheimhaltung. Zusammen mit den oftmals gigantischen Abmessungen war dies Zündstoff für alle möglichen Verschwörungstheorien. Beispielsweise wurde behauptet, dass die Anlagen gar nicht Ortungszwecken dienen, sondern "Gehirnwellen" des Menschen beeinflussen sollen, um diese im Sinne einer [[Neue Weltordnung|Neuen Weltordnung]] mittels [[Mind Control]] beliebig zu manipulieren. Es gibt jedoch keine konkreten Berichte über "geglückte" derartige Manipulationen mit Kurzwelle. Analog zur Ionosphärenforschungsstation [[HAARP]] in Alaska sollen derartige Anlagen auch an entfernten Orten Zerstörungen anrichten können, heißt es gerne. Überhorizontradaranlagen können auf Grund der viel zu geringen Leistung und der schlechten Bündelbarkeit der Funkwellen jedoch prinzipiell keine Ziele zerstören, wie dies oft quellenlos behauptet wird. Allenfalls im absoluten Nahbereich sind Schäden denkbar.
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Einigen Verschwörungstheoretikern (z.B. [[Werner Altnickel]]) zufolge soll die DUGA-3-Anlage in der Ukraine Teil eines größeren, in Aufbau befindlichen Systems zum Zweck der Wetterbeeinflussung, Mind Control und anderer finsterer Machenschaften gewesen sein. Beispielsweise sollte damit 1986 ein Erdbeben in Kalifornien ausgelöst werden. Eine "kleine, geheime US-Aktionsgruppe" sei dem aber im April 1986 zuvor gekommen und habe den angeblichen [[Skalarwellen]]-Sender zerstört. Als Folge sei es zur Katastrophe von Tschernobyl gekommen, da der dortige Kernreaktor den Sender mit Strom versorgte.
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==Weblinks==
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*http://www.panoramio.com/user/652505/tags/Chornobyl-2&comments_page=1&photos_page=1
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*http://pripyat.com/ru/internet_photo/chernobyl_2/
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==Quellenangaben==
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<references/>
  
 
[[category:Verschwörungstheorie]]
 
[[category:Verschwörungstheorie]]

Aktuelle Version vom 23. März 2013, 10:44 Uhr

Ein Überhorizontradar (englisch over-the-horizon radar, OTHR) ist eine im Kurzwellenbereich arbeitende Radaranlage. Unterschiede zu herkömmlichen Radaranlagen sind der Frequenzbereich (Kurzwelle anstatt Mikrowelle) sowie die Tatsache, dass die Antennen nicht drehbar sind und somit nur einen bestimmten Winkelbereich erfassen. Die Reichweite ist viel höher, typisch werden 900 bis 3.000 km genannt, dafür ist die Auflösung mit einigen 10 km recht niedrig. Vor allem wegen der erforderlichen großen Antennen ist der technische Aufwand enorm. Hauptzweck der Anlagen ist das Erfassen von fliegenden Raketen und Flugzeugen; teilweise können aber auch Schiffe detektiert werden. Heute sind diese Relikte des Kalten Krieges weitgehend durch Satellitenaufklärung ersetzt.

Überhorizontradaranlagen wurden - und werden teilweise noch - u.a. von Russland, den USA, Großbritannien, Frankreich und Australien betrieben. Allein die US-Luftwaffe hatte 7 Anlagen des Typs AN/FPS-118,[1] die jedoch inzwischen alle außer Betrieb sind. In Europa sind die DUGA-3 Anlage in der Ukraine (ebenfalls stillgelegt) sowie eine britische Anlage auf Zypern besser bekannt geworden. In Mitteleuropa noch häufiger zu empfangen sind die Signale des französischen NOSTRADAMUS-Systems von einem Standort etwa 100 km westlich von Paris, das in den 1990er Jahren entwickelt und 2005 an das französische Militär übergeben wurde.

Funktionsprinzip

Abgerüstete AN/FPS-118-Anlage in Oregon

Überhorizont-Radaranlagen bestehen aus einem starken Kurzwellensender und einem typischerweise 20-200 km entfernten Empfänger. Der Sender strahlt Impulsfolgen aus (Pulsfolgefrequenz beim DUGA-3: 10 Hz). Die Strahlungsleistung (effectivce radiated power ERP = Produkt aus der Leistung des Senders und dem sog. Antennengewinn) kann mehrere Megawatt betragen. Der Empfänger registriert diese Impulse, aber ebenso die (viel schwächeren) Reflexionen einer Vielzahl von Objekten, die in der Lage sind, Funkwellen im Kurzwellenbereich zu reflektieren. Ausgewertet wird, wie beim konventionellen Radar, die Signallaufzeit, also die Zeit bis zum Eintreffen der reflektierten Welle, die ein Maß für die Entfernung zum Objekt ist. Überhorizontradare nutzen die Tatsache, dass Funkwellen an bestimmten Schichten der Atmosphäre reflektiert werden (z.B. der E-Schicht und der F-Schicht in 100 bis 400 km Höhe) und sich so über den Horizont hinweg ausbreiten. Es gibt allerdings neuere OTHR-Konzepte, bei denen nicht diese so genannte Raumwelle, sondern die Bodenwelle ausgewertet wird.

DUGA-3

Antennenanlage DUGA-3

Über dieses ehemalige sowjetische System nahe dem ukrainischen Tschernobyl sind relativ viele Daten bekannt.[2] Der Sender arbeitete auf häufig wechselnden Frequenzen zwischen 7 und 19 MHz bei einer Leistung von 10 MW ERP. Die Impulsfrequenz war 10 bis 20 Hz, die Bandbreite der Aussendungen lag bei 40 kHz. Die Signale hörten sich in Kurzwellenempfängern ähnlich wie das Klopfen eines Spechts an, deshalb war die Anlage unter dem Namen Woodpecker bekannt; die NATO-Bezeichnung war Steel Yard. Sie war von 1976 bis 1989 in Betrieb und wurde von vielen Nutzern anderer Funkdienste auf Kurzwelle (z.B. Flugfunk, Seefunk, Rundfunk, Amateurfunk) wegen der davon ausgehenden Störungen als Plage empfunden.

Verschwörungstheorien um Überhorizontradaranlagen

Die Anlagen unterlagen lange Zeit strikter militärischer Geheimhaltung. Zusammen mit den oftmals gigantischen Abmessungen war dies Zündstoff für alle möglichen Verschwörungstheorien. Beispielsweise wurde behauptet, dass die Anlagen gar nicht Ortungszwecken dienen, sondern "Gehirnwellen" des Menschen beeinflussen sollen, um diese im Sinne einer Neuen Weltordnung mittels Mind Control beliebig zu manipulieren. Es gibt jedoch keine konkreten Berichte über "geglückte" derartige Manipulationen mit Kurzwelle. Analog zur Ionosphärenforschungsstation HAARP in Alaska sollen derartige Anlagen auch an entfernten Orten Zerstörungen anrichten können, heißt es gerne. Überhorizontradaranlagen können auf Grund der viel zu geringen Leistung und der schlechten Bündelbarkeit der Funkwellen jedoch prinzipiell keine Ziele zerstören, wie dies oft quellenlos behauptet wird. Allenfalls im absoluten Nahbereich sind Schäden denkbar.

Einigen Verschwörungstheoretikern (z.B. Werner Altnickel) zufolge soll die DUGA-3-Anlage in der Ukraine Teil eines größeren, in Aufbau befindlichen Systems zum Zweck der Wetterbeeinflussung, Mind Control und anderer finsterer Machenschaften gewesen sein. Beispielsweise sollte damit 1986 ein Erdbeben in Kalifornien ausgelöst werden. Eine "kleine, geheime US-Aktionsgruppe" sei dem aber im April 1986 zuvor gekommen und habe den angeblichen Skalarwellen-Sender zerstört. Als Folge sei es zur Katastrophe von Tschernobyl gekommen, da der dortige Kernreaktor den Sender mit Strom versorgte.

Weblinks

Quellenangaben