Der Ätherleib, Ätherkörper oder Lebensleib ist in den esoterischen Lehren der Theosophie und der Anthroposophie eines von sieben Gliedern, Prinzipien oder Teilen des menschlichen Wesens. Eng verwandt ist die Vorstellung des Ätherleibs mit dem Begriff der Feinstofflichkeit.

Theosophie

Die in den 1870er Jahren von Helena Petrovna Blavatsky begründete Theosophie schreibt dem Menschen neben dem sichtbaren physischen Körper sechs weitere unsichtbare Prinzipien oder Teile zu, welche den physischen Körper durchdringen. In frühen Schriften der modernen Theosophie war die Bezeichnung „ätherischer Körper“ zunächst als Synonym für den Sanskrit-Ausdruck „Linga Sharira“ oder für „Astralkörper“ gebräuchlich. Als eigenständiges Prinzip führte die britische Theosophin Annie Besant den ätherischen Körper in ihrer 1896 erschienenen Schrift "Man and His Bodies" ein, indem sie ihn als einen Teil des physischen Körpers darstellte, welcher demnach aus einem „dichten“ und einem ätherischen Anteil bestehe. Daran knüpfte der deutsche Theosoph und spätere Begründer der Anthroposophie Rudolf Steiner an, indem er einen physischen Leib, einen Ätherleib (auch „Lebensleib“ oder seltener „Bildekräfteleib“) und einen Astralleib unterschied.

Annie Besant berief sich bei ihrer Darstellung in "Man and His Bodies" auf eigene Forschungen in einem angeblich außerkörperlichen Bewusstseinszustand. Als den eigentlichen Menschen betrachtete sie „das lebende, bewusste, denkende Selbst, die Individualität“. Dieser sei von mehreren Körpern, Hüllen oder Vehikeln umgeben, deren niederster der physische Körper sei. Der physische Körper bestehe aus physischer Materie, welche laut Besant in sieben ineinander überführbaren Zuständen vorliege: den drei Aggregatzuständen fest, flüssig und gasförmig sowie vier „ätherischen“ Zuständen. Feste, flüssige und gasförmige Materie bilde den „dichten“ Körper, während der „ätherische“ Körper aus den vier Ätherarten bestehe. Hier nimmt Besant auf den in der damaligen Physik hypothetisch angenommenen Äther Bezug, beansprucht jedoch, dass der Ätherkörper des Menschen keine Hypothese sei, sondern nach entsprechender Schulung unmittelbar beobachtet werden könne und violettgrau gefärbt sei. Weil der Ätherkörper den dichten Körper vollständig durchdringe und ein genaues Duplikat desselben sei, bezeichnet sie ihn auch als „Äther-Doppelkörper“. Wenn der Mensch einschläft, verlasse er mit seinen höheren Körpern den physischen Körper. Wenn er stirbt, trenne sich auch der ätherische Körper vom dichten Körper, weshalb die durch ihn vermittelte „Lebenskraft“ (sanskr. Prana) nicht mehr auf letzteren einwirken könne. Der Ätherkörper bleibe noch einige Zeit mit dem Ego verbunden, werde dann aber, wenn dieses sich auf die „astrale Ebene“ begibt, zurückgelassen und vergehe zusammen mit dem dichten Körper. Das Ego ist nach dieser Lehre unsterblich und kehrt in neuen Körpern wieder (Reinkarnation).

Anthroposophie

Rudolf Steiner schloss in seinem Buch Theosophie (1904) und in zeitgleich gehaltenen Vorträgen eng an Besant an, was sich besonders an dem Gebrauch der später von ihm nicht mehr verwendeten Bezeichnung „(Äther-)Doppelkörper“ zeigt. Im Unterschied zu Besant ist bei ihm der Ätherkörper (später zumeist Ätherleib) allerdings nicht Teil des physischen Körpers, welcher in Steiners Darstellung dem dichten Körper (sanskrit: Sthula Sharira) bei Besant entspricht. Auch Steiner berief sich auf eine „Beobachtung des Übersinnlichen“ und legte Wert darauf, nur „in diesem Sinne Selbsterlebtes“ darzustellen. Der Ätherleib oder Lebensleib sei eine „lebenerfüllte Geistgestalt“, die mittels des „erweckten geistigen Auges“ in jedem Organismus wahrgenommen werden könne. Der Ätherleib habe aber trotz der gleichlautenden (von Besant übernommenen) Bezeichnung nichts mit dem hypothetischen Äther der damaligen Physik zu tun und sei auch nicht mit der Lebenskraft zu verwechseln, die in der alten Lehre des Vitalismus angenommen wurde.

Nach Vorstellung der Anthroposophen ist der Ätherleib eines der Wesensglieder, der während der ersten Kindheitsjahre weitestgehend mit der Bildung des physischen Leibes beschäftigt ist. Erst mit dem Zahnwechsel um das 7. Lebensjahr soll die grundsätzliche Ausgestaltung des physischen Leibes auf erster Stufe abgeschlossen sein. Damit sei auch der Ätherleib soweit in sich gefestigt und individualisiert, so dass er als relativ selbständige Wesenheit geboren werde. So sei ein Teil seiner Ätherkräfte von nun an nicht mehr für die unmittelbare Ausgestaltung des physischen Leibes nötig und somit für die seelische Bildung verfügbar (Schulreife). Dadurch soll etwa das Gedächtnis seine ganz besondere Ausbildung erfahren, denn in dem nun freigewordenen Teil des Ätherleibes soll der eigentliche Sitz des Gedächtnisses sein, wie er überhaupt der Träger aller tiefergehenden Lebensgewohnheiten und so auch der menschlichen Temperamente sei.

Da der Ätherleib angeblich durch die Schädeldecke "verdampfen" könne, tragen einige Anthroposophen eine Mütze, die sie davor schützen soll. Das soll insbesondere bei geistig Behinderten der Fall sein, deren Ätherleib besonders schwach ausgebildet sei.


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