Jugend für Menschenrechte

Jugend für Menschenrechte Aktivisten in Hamburg, 18. Oktober 2008, Foto: Anonymous Hamburg

Jugend für Menschenrechte ist eine 2005 von Mitgliedern der Scientology in Deutschland gegründete Scientology-Tarnorganisation mit aktuellem Sitz in München [1]. Ihre vorgebliche Zielsetzung ist "die Jugend auf der ganzen Welt über Menschenrechte aufzuklären, und ihnen dadurch zu helfen wertvolle Verfechter bei der Förderung von Toleranz und Frieden zu werden". [2]

Die Organisation ist der deutsche Ableger der in Los Angeles (USA) sitzenden Organisation "Youth for Human Rights International" (YHRI), die im August 2001 im Rahmen der Scientology-Institution "International Foundation for Human Rights and Tolerance" von der Scientologin und Pädagogin Mary Shuttleworth in Koordination mit dem "Human Rights Department" (zu Deutsch: "Menschenrechtsbüro") der "Church of Scientology International"[3] gegründet wurde. [4]

Neben der Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte (KVPM) agiert die "Association for Better Living and Education" (ABLE) auch bei dieser Kampagne als Dachverband, der diese Aktivitäten von Scientology koordiniert.

Verfahrensweise

Neben den üblichen Werbemitteln (Flugblätter und Broschüren) setzt die Organisation auch einen professionell gestalteten, sich suggestiver Mittel bedienenden, Werbefilm unter dem Titel "UNITED" (siehe Das Musikvideo UNITED) ein, der auf Jugendliche durchaus ansprechend wirken kann.

Sowohl aus diesen als auch aus deren Internetpräsenz [5] ist nicht ohne Weiteres erkennbar, dass dahinter eine Scientology nahestehende Organisation steckt. An wenigen Stellen findet man nur irreführenden Angaben wie "Diese Publikation wurde dank einer Spende der International Association of Scientologists [6] ermöglicht" oder als "Kontaktadresse für den deutschsprachigen Raum" das "Menschenrechtsbüro der Scientology Kirche Deutschland e.V., Beichstr. 12, 80802 München". [7]

Als Ansprechpartner fungieren nicht, wie zu erwarten wäre, engagierte Jugendliche, sondern bekennende Scientologen wie Jürgen Heise und Sabine Weber. [8]

In der Broschüre "Was sind Menschenrechte?" findet sich so unter "Worte und Gedanken bekannter Menschenrechtler" neben Zitaten von Voltaire und Martin Luther King bezeichnenderweise auch eines von Scientology-Gründer L. Ron Hubbard. [9]

Durch ihre regelmäßigen Pressemitteilungen geht der "Pressedienst der Scientology Kirche Bayern e.V." hingegen offenkundiger mit der maßgeblichen Beteiligung von Scientology an der Kampagne um. [10]

Hintergrund

Wer wollte den scheinbar hehren Zielen einer Gruppierung widersprechen, die sich "Jugend für Menschenrechte" nennt? Laut dem Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg hat eine solche Vorgehensweise bei der "Scientology-Organisation" System. Ihr dürfte es als einer Organisation, die bereits ein öffentliches Lossagen von Scientology oder gar Kritik an ihrer Lehre als "Schwerverbrechen" brandmarkt, nicht wirklich darum gehen, der Bevölkerung das Thema Menschenrechte näher zu bringen. Scientology führe nämlich bereits seit Jahren "Menschenrechtskampagnen" durch, um sich in Szene zu setzen, soziale Akzeptanz zu gewinnen und auf diese Weise ihr schlechtes Image zu verbessern. Dahinter stehe jedoch auch der anmaßende Anspruch, die Menschen in der Europäischen Union und ihre demokratisch legitimierten Regierungen seien nicht informiert. Ihnen müsse das Thema Menschenrechte erst vermittelt werden. [11]

Verein

In den deutschen Vereinsregistern ist derzeit nur ein Verein mit dem Namen "Jugend für Menschenrechte e.V." zu finden, Sitz in Landau VR 2331. Dieser Verein hat nichts mit Scientology zu tun und beklagt sich über die Namensgleichheit. [12]

Aktivitäten

Deutschland

In Deutschland veranstaltet die Jugend für Menschenrechte in unregelmäßigen Abständen Straßenstände und Unterschriftenaktionen. [13] Bekannt sind dabei bisher Aktivitäten in München, Berlin, Hamburg, Stuttgart und Erlangen.

Im März 2008 berichtete der Münchner Fernsehsender münchen.tv außerdem über Kontaktversuche seitens Jugend für Menschenrechte gegenüber lokalen Kreisjugendringen. [14] Der Bayerische Jugendring (BJR) warnte dabei vor "Scientologen die sich als als Jugendring-Mitarbeiter ausgeben" würden und sprach die Empfehlung aus nicht auf Kooperationen einzugehen und ggf. vom Hausverbot Gebrauch zu machen "da Jugend für Menschenrechte eindeutig Ziele von Scientology verfolgt". [15]

Schweiz

In der Schweiz besteht laut eigenen Angaben seit 2004 der Verein "Jugend für Menschenrechte Schweiz" [16], dessen Domain auf einen Markus Neuweiler, Panoramastrasse 34, CH-5043 Holziken registriert ist, der aber im Moment nur dem Online-Vertrieb eines "Jugend für Menschenrechte-Fussball[s]" [17] zu dienen scheint.

Online

 
SchülerVZ: Youth for Human Rights Gruppe

Im Feburar 2009 richtete sich der Fokus auf ein, bei Jugendlichen beliebtes, Schülerportal names "SchülerVZ". Unter der Gruppe "Youth for Human Rights" versuchte man dort, Mitglieder des Portals anzuwerben. Auch hier wurde in der Gruppenbeschreibung nicht auf die Verbindung der Jugendorganisation zu Scientology hingewiesen. Mit der "Operation: CleanVZ" sei es der Anti-Scientology Bewegung "Anonymous" [18] laut eigenen Angaben gelungen, die Anzahl der Gruppenmitglieder drastisch zu reduzieren und die Sperrung der Gruppe zu erreichen. [19] "Die Gruppe wurde von uns am 23.2. gesperrt", bestätigt Dirk Hensen, Leiter Unternehmenskommunikation bei SchülerVZ. Als Grund nennt er "Verstöße gegen den Verhaltenskodex." "Konkret ging es um zwei Punkte: Andere Religionen wurden beleidigt und innerhalb der Gruppe kam es zu Beleidigungen untereinander." [20]

Das Musikvideo UNITED

Die DVD zu der "Youth for Human Rights"-Kampagne kann laut dem Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg gerade durch die darauf enthaltenen Sequenzen mit Spielfilmcharakter durchaus suggestive Wirkung auf Kinder und Jugendliche entfalten. Vor allem an dieser Kampagne werde deutlich, dass die Organisation in der Öffentlichkeit gezielt Themen aufgreife, bei denen sie zunächst keinen Widerspruch zu erwarten habe. Uninformierte Außenstehende könnten nicht erkennen, dass hier eine Organisation nur vordergründig für Menschenrechte und Zivilcourage eintrete, tatsächlich aber die Demokratie verachte. [21]

Dass die Strategie funktioniert, macht ein Fall im der brandenburgischen Gemeinde Peitz deutlich: Zum Auftakt seiner Neujahrsansprache zeigte der Bürgermeister, Bernd Schulze (parteilos), einen Auschnitt aus der "Jugend für Menschenrechte"-DVD - nach eigenen Angaben ohne zu wissen, wer hinter der am Ende eingeblendeten Organisation "Jugend für Menschenrechte" steht. Zudem stellte Schulze nach dem Neujahrsempfang für mehrere Tage einen Link zu dem Film auf seine persönliche Internetseite peitzistgeil.de. Mit der Sekte habe er aber nichts am Hut, sagte er der "Berliner Zeitung". [22]

Vertrieb über UNO

 
UN-Bookshop: Vertrieb der "Youth for Human Rights DVD"

Die Scientology-Kampagne führte bereits bei den Vereinten Nationen im Rahmen des 60-jährigen Jubiläums der UNO-Menschenrechtserklärung zu Irritationen.

Über den United Nations Bookshop war zeitweise die "Youth for Human Rights"-DVD weltweit zum Verkauf angeboten und erst auf Druck der Anti-Scientology-Protestbewegung "Anonymous" [23] wieder entfernt worden.

Im September 2008 veranstaltete "Youth for Human Rights International" einen Jugendkongress mit über tausend Teilnehmern aus 27 Ländern im Plenarsaal des UNO-Hauptquartiers. Der Gouverneur von Kalifornien, Arnold Schwarzenegger, und Prinz Albert von Monaco haben die vermeintlichen Menschenrechtler bereits öffentlich gelobt. [24]

Bereits im August 2006 fand im UN-Hauptquartier in New York ein durch "Youth for Human Rights", "Artists for Human Rights", "The International Foundation for Human Rights and Tolerance" und der eigentlichen "Church of Scientology International" finanziertes "Human Rights Heroes"-Event statt. [25]

Expansion

Seit dem Frühjahr 2009 widmet sich Scientology mit einer weiteren weltweiten Kampagne namens "United for Human Rights" (UHR) dem vermeintlichen Einsatz für Menschenrechte.

Mit "Unterrichtspaketen", welche den Dokumentar-Film "Die Geschichte der Menschenrechte" ("The Story of Human Rights"), Menschenrechts TV-Spots, Faktenblätter über Menschenrechtsverletzungen, Modellpetitionen, Lehrpläne und detaillierte Anleitungen zur vermeintlichen Gehörverschaffung enthalten, will man sich an Schulen wenden. [26]

Zudem wird mit Humanrights.com eine neue Webpräsenz [27] angeboten, in der oben genannte Materialien online eingesehen und auch zur üblichen Adressensammlung und Mitgliederanwerbung ein "Free DVD and Information Kit" vorbestellt werden kann.

Weiterführende Links

Quellennachweise

  1. Jugend für Menschenrechte in Deutschland, c/o Jürgen Heise, Postfach 34 02 51, 80099 München, http://www.jugend-fuer-menschenrechte.de/ueber-uns/kontakt.html, Stand 22. März 2009
  2. http://www.jugend-fuer-menschenrechte.de/ueber-uns/unsere-zielsetzung.html
  3. http://www.freedommag.org/english/vol36i2/page19.htm
  4. Broschüre der "Youth for Human Rights International": "Was sind Menschenrechte? (Spezielle UNITED Edition)", S. 32 (Online-Ausgabe)
  5. http://www.jugend-fuer-menschenrechte.de
  6. Der Internationale Mitgliederverband "International Association of Scientologists" (IAS) vereinigt alle Scientologen und organisiert und finanziert weltweit Scientology Projekte und Werbekampagnen.
  7. Broschüre der "Youth for Human Rights International": "Was sind Menschenrechte? (Standard-Edition)", S. 4 (Online-Ausgabe)
  8. http://www.ingo-heinemann.de/Jugend-fuer-Menschenrechte.htm#Warum
  9. Broschüre der "Youth for Human Rights International": "Was sind Menschenrechte? (Spezielle UNITED Edition)", S. 20 (Online-Ausgabe)
  10. Pressedienst der Scientology Kirche Bayern e.V., http://www.skb-pressedienst.de/maerz2008-kw13.html#sponsert
  11. http://www.verfassungsschutz-bw.de/so/files/so_berichte_2006_04_1.htm
  12. http://www.igfm-pfalz.de/03884f9a4a148e403/index.html
  13. Pressedienst der Scientology Kirche Bayern e.V., http://www.skb-pressedienst.de/august2008-kw33.html
  14. Video-Beitrag, http://de.sevenload.com/videos/kIQ6XNKo-Scientology-in-Muenchen
  15. http://www.kjr-bgl.de/Htm/index2.php?id=warnung
  16. http://www.jugendfuermenschenrechte.ch/Portrait.html
  17. http://www.jugendfuermenschenrechte.ch/EURO08.html
  18. http://de.wikipedia.org/wiki/Anonymous_(Netzkultur)
  19. http://hamburger-anon.blogspot.com/2009/02/scientology-auf-menschenfang-im.html
  20. http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/466655
  21. http://www.verfassungsschutz-bw.de/so/files/so_berichte_2008_08.htm
  22. http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2009/0109/brandenburg/0049/index.html
  23. http://de.wikipedia.org/wiki/Anonymous_(Netzkultur)
  24. http://www.merinews.com/catFull.jsp?articleID=141477
  25. http://www.humanrights-france.org/index.htm, Stand 22. März 2009
  26. Pressedienst der Scientology Kirche Bayern e.V., http://www.skb-pressedienst.de/2009_kw08.html
  27. http://www.humanrights.com