Schüßler-Salze

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Wilhelm Heinrich Schüßler

Die Erfindung der so genannten Schüßler-Salze (Biochemie nach Schüßler) geht auf den Oldenburger Arzt und Homöopathen Wilhelm Heinrich Schüßler (21. August 1821 - 30. März 1898) zurück. Sein Ansatz, von ihm selbst als “Biochemie nach Schüßler” bezeichnet, zählt heute zur Grundausstattung der Alternativmedizin. Er wird von den so genannten "Biochemischen Vereinen" seit 1885 durch medizinische Laien weiter propagiert. Das Prinzip dieser Methode wurde von verschiedenen Autoren zum Ende des 20. Jahrhunderts wieder aufgegriffen, nachdem es zwischenzeitlich beinahe in Vergessenheit geraten war. Für die von Schüßler eingeführte Methode gibt es keine wissenschaftlichen Versuche, die eine etwaige Wirksamkeit nachgewiesen hätten.[1] Ein möglicher Wirkungsmechanismus ist nicht bekannt. Die von Schüßler genannten Eigenschaften widersprechen etablierten Erkenntnissen der Medizin.

Geschichte

Erst in fortgeschrittenem Lebensalter begann Schüßler sich für Heilkunde, genauer gesagt, für Homöopathie und das Wünschelrutengehen, zu interessieren. Eigenen Angaben zufolge studierte er ab 1852 Medizin in Paris. Bereits 1855 wurde er unter nebulösen Umständen und nach nur fünf Semestern von der Universität Gießen zum Doktor der Medizin promoviert – ohne Ablieferung einer Dissertation, ohne Leistungsnachweis und in absentia. Zur anschließend beantragten medizinischen Staatsprüfung wurde er allerdings nicht zugelassen, da er keine ordentlichen Studienbelege und noch nicht einmal ein Abiturzeugnis vorweisen konnte. Erst Jahre später erhielt er in Oldenburg eine Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde, nachdem er sich verpflichtet hatte, ausschließlich homöopathisch tätig zu werden (siehe auch Carl Friedrich Zimpel mit ähnlichem Curriculum).

Der Berliner Arzt Konrad Grams entwickelte Schüßlers Biochemie weiter zur Komplex-Biochemie, mit etwa 30 JSO-Bicomplex Mitteln zur Selbstmedikation für Laien.

Grundannahmen

Zu den Grundannahmen gehört ein angeblicher "Stoffmangel", der die Ursache sämtlicher Erkrankungen sei und der durch eine zusätzliche Zufuhr der Mittel zu beheben sei. Alle Krankheiten, so Schüßler, entstünden durch einen Mangel an den von ihm identifizierten Mineralsalzen. Würden diese zugeführt, trete umgehende Heilung ein. Die umstrittene Antlitzanalyse (auch Signaturen-Diagnostik genannt) sei dazu geeignet, das geeignete Mittel zu finden. In umfangreichen Auflistungen werden einzelne Symptome und Krankheitsbilder je einem der zwölf Mineralsalze zugeordnet. Das geht von Afterjucken (Kalziumphosphat), Blasenkatarrh (Eisenphosphat) und zu hohem Cholesterinspiegel (Magnesiumphosphat) bis hin zu Vorhautverengung (Kalziumfluorid), Wurmbefall (Natriumchlorid) und Zahnfleischbluten (Kaliumphosphat).

Eine Begründung für die jeweilige Zuordnung gibt es allerdings nicht. Umgekehrt lässt sich nachschlagen, wozu die einzelnen Salze eingesetzt werden können: Kaliumchlorid D6 beispielsweise soll bei Asthma, Blasenentzündung und Gelenkrheumatismus helfen, Kalziumfluorid D12 dagegen bei Grauem Star, Hämorrhoiden und Karies.

Die Wirkung der Salze beruht angeblich auf dem "Signalprinzip": Wird dem Organismus das erforderliche Salz zugeführt, soll dieses über Aktivierung der im Körper vorhandenen Salze die jeweilige Funktionsstörung reparieren. Zudem greift angeblich das so genannte Ergänzungsprinzip: Über die Einnahme einer D6-Tablette würden demnach jeder Körperzelle exakt 26 Moleküle des jeweiligen Salzes zugeführt, was den entsprechenden Mangel im Körper ausgleiche. Völlig unerklärt bleibt allerdings die Frage, weshalb die Einnahme einer verschwindend winzigen Dosis eines Mineralsalzes therapeutisch wirksam sein soll, während täglich ein Vielfaches davon über die Nahrung aufgenommen wird. Die Zufuhr des fehlenden Stoffes erfolge nach Schüßler im Grunde nicht durch den Stoff selber, sondern durch die "Schwingung", die das Mittel übertrage.

Schüßler-Salze

Schüßlers Grabstein auf dem Oldenburger Gertrudenfriedhof

Ursprünglich sah Schüßler nur 12 (später 11) Mittel vor, die zu späterer Zeit aber durch zusätzliche Mittel seiner Anhänger erweitert wurden.

  • Calcium fluoratum (Calciumfluorid) Biochemisches Funktionsmittel Nr. 1
  • Calcium phosphoricum (Calciumphosphat) Biochemisches Funktionsmittel Nr. 2
  • Ferrum phosphoricum (Eisenphosphat) Biochemisches Funktionsmittel Nr. 3
  • Kalium chloratum (Kaliumchlorid) Biochemisches Funktionsmittel Nr. 4
  • Kalium phosphoricum (Kaliumphosphat) Biochemisches Funktionsmittel Nr. 5
  • Kalium sulfuricum (Kaliumsulfat) Biochemisches Funktionsmittel Nr. 6
  • Magnesium phosphoricum (Magnesiumphosphat) Biochemisches Funktionsmittel Nr. 7
  • Natrium chloratum (Kochsalz) Biochemisches Funktionsmittel Nr. 8
  • Natrium phosphoricum (Natriumphosphat) Biochemisches Funktionsmittel Nr. 9
  • Natrium sulfuricum (Natriumsulfat) Biochemisches Funktionsmittel Nr. 10
  • Silicea (Siliciumdioxid, Kieselerde) Biochemisches Funktionsmittel Nr. 11
  • Calcium sulfuricum (Calciumsulfat) Biochemisches Funktionsmittel Nr. 12
  • Kalium arsenicosum (Kaliumarsenit) Biochemisches Ergänzungsmittel Nr. 13
  • Kalium bromatum (Kaliumbromat) Biochemisches Ergänzungsmittel Nr. 14
  • Kalium jodatum (Kaliumjodid) Biochemisches Ergänzungsmittel Nr. 15
  • Lithium chloratum (Lithiumchlorid) Biochemisches Ergänzungsmittel Nr.  16
  • Manganum sulfuricum (Mangansulfat) Biochemisches Ergänzungsmittel Nr. 17
  • Calcium sulfuratum Hahnemanni (Calciumsulfat) Biochemisches Ergänzungsmittel Nr. 18
  • Cuprum arsenicosum (Kupferarsenit) Biochemisches Ergänzungsmittel Nr.  19
  • Kalium aluminium sulfuricum (Kaliumaluminiumsulfat, Alaun) Biochemisches Ergänzungsmittel Nr. 20
  • Zincum chloratum (Zinkchlorid) Biochemisches Ergänzungsmittel Nr. 21
  • Calcium carbonicum Hahnemanni (Calciumcarbonat, Muschelkalk) Biochemisches Ergänzungsmittel Nr. 22
  • Natrium bicarbonicum (Natriumbicarbonat) Biochemisches Ergänzungsmittel Nr. 23
  • Arsenum jodatum (Arsenjodid) Biochemisches Ergänzungsmittel Nr. 24

Ein wissenschaftlicher Beleg für eine Wirksamkeit der auch als "Funktionsmittel" bezeichneten Schüßler-Salze existiert nicht. Trotzdem können sie ganz legal über Apotheken und über das Internet verkauft werden. Dies begründet sich in ihrer deklarierten Zugehörigkeit zur Homöopathie, die als so genannte "besondere Therapierichtung" keiner klinisch-kontrollierten Arzneimittelprüfung außerhalb des eigenen Binnenkonsenses unterliegt.

Experimente in Konzentrationslagern

Während der Ära des Nationalsozialismus wurde die Anwendung der Schüßler-Salze staatlicherseits gefördert. 1942 versuchte der Reichsführer-SS, Heinrich Himmler, der ein Freund der Naturheilkunde war, die Wirksamkeit zu belegen. Im KZ Dachau wurden Experimente an 40 katholischen Priestern durchgeführt, indem z.B. durch Einspritzen von Eiter Blutvergiftungen hervorgerufen wurden. 10 Personen starben. Schüßler-Salze erwiesen sich, wie damals eigentlich schon bekannt war, als völlig wirkungslos.[2]

Literatur

  • Stiftung Warentest (Hrsg.): Die andere Medizin – 'Alternative' Heilmethoden für Sie bewertet, S. 106. Berlin 2005, ISBN 3-937880-08-9

Weblinks

Quellennachweise

  1. Edzard Ernst: Ratgeber Alternativmedizin: Was bewirken Schüßler-Salze? stern.de 29. September 2010
  2. Ernst Klee: Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer. S.144 ff: Sepsis-Versuche. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt 1997