Natürlichkeit
Natürlichkeit bedeutet in pseudomedizinischen und esoterischne Kreisen die Unverfälschtheit und Ursprünglichkeit einer Methode oder eines Produktes. Dabei dient der Begriff "Natürlichkeit" der Bezeichnung von etwas Positivem und der Abgrenzung von etwas Künstlichem und Verfälschtem als etwas Negativem. Natürlichkeit wird meist mit "Sanftheit" und "Ganzheitlichkeit" in Verbindung gebracht und dient als Begründung dafür, weshalb angeblich oder tatsächlich alte, und/oder exotische bzw. veraltete Ansichten und Methoden angewendet werden.
Was ist natürlich?
Natur (lat.: natura, von nasci „entstehen, geboren werden“) bezeichnet in der Alltagssprache alles, was nicht vom Menschen geschaffen wurde. Somit bildet Natur den Gegenbegriff von Kultur und Technik. Dennoch ist die Abgrenzung sehr schwierig, denn Natur ist auch überall da anzutreffen, wo sich der Mensch befindet, denn jeder verfügbare Lebensraum wird besiedlet, unabhängig davon, ob dieser vom Menschen geschaffen bzw. beeinflusst wurde/wird oder nicht. Beispielsweise ist Erdöl ganz natürlich, weil es ohne Zutun des Menschen entstanden ist, während es im Allgemeinverständnis eher als etwas unnatürliches gesehen wird. Kulturlandschften weisen eine hohe Artendiversität auf, obwohl sie nach diesem Verständnis nicht natürlich sind. Selbst die "unnatürlichsten" Habitate, wie z.B. Weltraumstationen, werden von Lebewesen spontan, d.h. ohne Willen des Menschen, besiedelt.
Ist die Natur sanft?
In Esoterikkreisen kommt der Begriff "natürlich" häufig in Kombination mit "sanft" vor. Dennoch ist die Natur keineswegs sanft. Bedingt durch zahlreiche Wechselwirkungen zwischen den Orgnismen verschiedener Arten, innerhalb der gleichen Art oder zwischen Populationen kommt es zu Situationen, in denen das Wohlergehen oder Überleben des Individuums gefährdet ist. Daraus resultiert Leiden, Tod aber auch das Überleben derjenigen, die mit den Bedingungen am besten zurechtkommen, also letztendlich das Funktionieren von Ökosystemen und der Evolution.
Um sich gegen Angriffe und Gefahren zu wehren, sind im Laufe der Evolution zahlreiche Abwehrmechanismen entstanden. Pflanzen z.B., die nicht flüchten können, müssen sich entweder sehr schnell vermehren, sehr regenerationsfähig oder möglichst unbekömmlich sein, um nicht durch Fraßfeinde vernichtet zu werden. Erstere sind als "Unkräuter" bekannt, letztere als Giftpflanzen, aber auch als Arzneipflanzen.
In der Natur sind Krankheiten eine ernste Gefahr für ein Tier, wenn es nicht zur spontanen Heilung kommt, wird das Tier sterben. Auch bei leichteren Erkrankungen leidet die Fitness des Tieres, das dadurch leichter zur Beute von Feinden wird oder selbst nicht in der Lage ist, zu jagen. Dieser Mechanismus ist für die Population durchaus sinnvoll, denn damit scheidet ein potentieller Krankheitsüberträger aus.
Von Kritikern der Tierhaltung werden immer wieder tierquälerische Haltungs- und Schlachtbedingungen thematisiert und auf natürliche Haltungsformen verwiesen. Abgesehen von den tatsächlichen Misständen in der Tierhaltung hat ein Tier in der Natur keineswegs bessere Bedingungen. Dies lässt sich zum einen indirekt an der geringeren Lebenserwartung in der Wildnis erkennen, zum anderen ist es dirket beobachtbar: Hyänen fressen Gnus bei lebendigen Leib, von Parasiten befallene Tiere verenden elend, Nahrungsmangel, extreme Wettererscheinungen töten usw. Hier existieren zahlreiche Leiden, die denen in der Massentierhaltung in nichts nachstehen.[1][2][3]
Somit ist der in Esoterikkreisen gebräuchliche Begriff der Natürlichkeit ein Auswuchs eines von der realen Natur entfremdeten, romantischen Verständnisses von der Natur.
Natürlichkeit der Kulturpflanzen und Nutztiere
In Kreisen "ökologisch" orientierter Menschen werden derzeitige Nahrungsmittel als "degeneriert" und vitaminarm dargestellt. Zum einen dient dieses Argument der Vermarktung von Nahrungsergänzungsmitteln andererseits der von Lebensmitteln aus ökologischem Anbau unter Verwendung alter Kultursorten und -rassen.