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Teile des WDR-Dokumentarfilmes wurden in der ''Spezialklinik Neukirchen'' im bayerischen Neukirchen beim Heiligen Blut im Bayerischen Wald gefilmt. In dieser Klinik werden u.a. Neurodermitis und Schuppenflechte ohne Kortison "ganzheitlich" behandelt.<ref>http://www.spezialklinik-neukirchen.de/index-ori.html</ref> Leiter der Einrichtung ist der promovierte Biologe und rumänische Spätaussiedler John Gruia Ionescu, der auch einen Professorentitel einer inzwischen geschlossenen amerikanischen [[title-mill|Titelmühle]] namens ''Capital University of Integrative Medicine'' in Washington,&nbsp;D.C.&nbsp;(CUIM) führt und dort als Dozent und ''Professor for Clinical Biochemistry and Oxidology'' angegeben ist.<ref>Professor for Clinical Biochemistry and Oxidology at the Capital University of Integrative Medicine, Washington,&nbsp;D.C. (USA). Prof. Ionescu is also member of the Editorial Board of the Journal of the Capital University of Integrative Medicine. http://www.antiageingconference.com/index.html?pg=speakers</ref> Zur obskuren ''oxidology'' ([[Oxidologie]]) findet sich selbst in der englisch-sprachigen Wikipedia kein Eintrag. Die CUIM war 1995 von Robert (Bob) Bradford gegründet worden, auf den der [[alternativmedizin]]ische [[Bradfordtest]] zurückgeht. Die Einrichtung bot diverse Doktortitel an.<ref>http://www.quackwatch.org/04ConsumerEducation/Nonrecorg/cfcm.html</ref> Ionescu hatte sich 1986 mit einer angeblich revolutionären Methode zur Heilung von Hautkrankheiten im Wallfahrtsort Neukirchen niedergelassen. Er erwarb unter günstigen Umständen zwei Kliniken und verband beide Klinikbetriebe mit einem Pharmaunternehmen. Die Staatsanwaltschaft Regensburg ermittelte zwei Jahre lang wegen mutmaßlicher Kunstfehler, Betrugs bei der Abrechnung von Klinikleistungen und irreführender Werbung. Am Ende wurde ein Arzt wegen unerlaubter Titelführung und Körperverletzung verurteilt.<ref>http://www.focus.de/politik/deutschland/gesundheitsreform-reibach-mit-krankenhaeusern_aid_143606.html</ref> Ionescu ist auch Autor bei [[CoMed]]<ref>CoMed Hefte 05/2003, 03/2004, 02/2005 und 02/2007</ref> (die Themen wie [[Skalarwellen]] und [[Impfgegner]]schaft breiten Raum einräumt) und ist Anhänger der Hypothese, dass Amalgamfüllungen als Ursache der Neurodermitis und der Psoriasis anzusehen seien<ref>Ionescu, G. (1995). Allergotoxische Einflüsse von Umweltschadstoffen bei Allergiekranken. Forsch Komplementärmed 2, 109-115</ref><ref>Ionescu, G. (1996). Schwermetallbelastung bei Neurodermitis. Biol Med 25, 65-68</ref>. Daher seien so genannte [[Entschlackung|''Ausleitungen'']] und Amalgamentfernungen hier hilfreich. Belege dafür liegen jedoch nicht vor,  Ionescu kann eigene beobachtete Besserungen im klinischen Bild von Neurodermitis- und Psoriasis die er gemacht haben will, nicht durch die gemessenen Quecksilberspiegel belegen, zumal auch kein Zusammenhang mit dem Schweregrad der Neurodermitis bzw. Psoriasis besteht. Ionescu steht damit in der Tradition der [[pseudomedizin]]ischen [[Klinische Ökologie nach Randolph|klinischen Ökologie nach Randolph]].
 
Teile des WDR-Dokumentarfilmes wurden in der ''Spezialklinik Neukirchen'' im bayerischen Neukirchen beim Heiligen Blut im Bayerischen Wald gefilmt. In dieser Klinik werden u.a. Neurodermitis und Schuppenflechte ohne Kortison "ganzheitlich" behandelt.<ref>http://www.spezialklinik-neukirchen.de/index-ori.html</ref> Leiter der Einrichtung ist der promovierte Biologe und rumänische Spätaussiedler John Gruia Ionescu, der auch einen Professorentitel einer inzwischen geschlossenen amerikanischen [[title-mill|Titelmühle]] namens ''Capital University of Integrative Medicine'' in Washington,&nbsp;D.C.&nbsp;(CUIM) führt und dort als Dozent und ''Professor for Clinical Biochemistry and Oxidology'' angegeben ist.<ref>Professor for Clinical Biochemistry and Oxidology at the Capital University of Integrative Medicine, Washington,&nbsp;D.C. (USA). Prof. Ionescu is also member of the Editorial Board of the Journal of the Capital University of Integrative Medicine. http://www.antiageingconference.com/index.html?pg=speakers</ref> Zur obskuren ''oxidology'' ([[Oxidologie]]) findet sich selbst in der englisch-sprachigen Wikipedia kein Eintrag. Die CUIM war 1995 von Robert (Bob) Bradford gegründet worden, auf den der [[alternativmedizin]]ische [[Bradfordtest]] zurückgeht. Die Einrichtung bot diverse Doktortitel an.<ref>http://www.quackwatch.org/04ConsumerEducation/Nonrecorg/cfcm.html</ref> Ionescu hatte sich 1986 mit einer angeblich revolutionären Methode zur Heilung von Hautkrankheiten im Wallfahrtsort Neukirchen niedergelassen. Er erwarb unter günstigen Umständen zwei Kliniken und verband beide Klinikbetriebe mit einem Pharmaunternehmen. Die Staatsanwaltschaft Regensburg ermittelte zwei Jahre lang wegen mutmaßlicher Kunstfehler, Betrugs bei der Abrechnung von Klinikleistungen und irreführender Werbung. Am Ende wurde ein Arzt wegen unerlaubter Titelführung und Körperverletzung verurteilt.<ref>http://www.focus.de/politik/deutschland/gesundheitsreform-reibach-mit-krankenhaeusern_aid_143606.html</ref> Ionescu ist auch Autor bei [[CoMed]]<ref>CoMed Hefte 05/2003, 03/2004, 02/2005 und 02/2007</ref> (die Themen wie [[Skalarwellen]] und [[Impfgegner]]schaft breiten Raum einräumt) und ist Anhänger der Hypothese, dass Amalgamfüllungen als Ursache der Neurodermitis und der Psoriasis anzusehen seien<ref>Ionescu, G. (1995). Allergotoxische Einflüsse von Umweltschadstoffen bei Allergiekranken. Forsch Komplementärmed 2, 109-115</ref><ref>Ionescu, G. (1996). Schwermetallbelastung bei Neurodermitis. Biol Med 25, 65-68</ref>. Daher seien so genannte [[Entschlackung|''Ausleitungen'']] und Amalgamentfernungen hier hilfreich. Belege dafür liegen jedoch nicht vor,  Ionescu kann eigene beobachtete Besserungen im klinischen Bild von Neurodermitis- und Psoriasis die er gemacht haben will, nicht durch die gemessenen Quecksilberspiegel belegen, zumal auch kein Zusammenhang mit dem Schweregrad der Neurodermitis bzw. Psoriasis besteht. Ionescu steht damit in der Tradition der [[pseudomedizin]]ischen [[Klinische Ökologie nach Randolph|klinischen Ökologie nach Randolph]].
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==Buch "Heilung unerwünscht"==
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[[image:buchwerbung.jpg|ARD-Buchwerbung in Sendung ''hart aber fair'' vom 21.10.09|330px|thumb]]
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[[image:Martens-bestsellerliste.jpg|Amazon-Bestseller: Platz&nbsp;3|300px|thumb]]
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[[image:Dumont.jpg|Titeländerung auf Dumont-Presseseite|300px|thumb]]
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Klaus Martens, der Autor des als Dokumentarfilm ausgewiesenen WDR-Videos "Heilung unerwünscht" schrieb rechtzeitig zum Video und zur Einführung der Salbe ein Buch mit dem Titel "Heilung unerwünscht", das im Dumont-Verlag (Schwerpunkte: Kalender, Reiseliteratur, Kunstbücher, Belletristik) erscheint.<ref>Martens K: "Heilung unerwünscht. Die dramatische Geschichte eines Medikaments", 2009, Dumont Verlag</ref> Ursprünglich wurde das Buch mit dem Titel ''Heilung unerwünscht. Die Geschichte eines verhinderten Medikaments'' vorgestellt, aktuell ausgeliefert wird es hingegen unter dem neuen Titel ''Heilung unerwünscht. Die dramatische Geschichte eines Medikaments''. Der WDR bezeichnete das Buch als ''Das Buch zur Sendung'' und bewarb es auf eigenen Internetseiten und auch in der Sendung ''hart aber fair'' am 21.&nbsp;Oktober 2009 durch einen Untertitel sowie durch eine ganz und gar nicht ''harte'' Befragung des Autors durch den Moderator Plasberg. Kurz darauf verzeichnete der Buchhändler Amazon einen steilen Anstieg der Bestellzahlen. Auf der Amazon-Bestsellerliste erklomm es schließlich Platz zwei und geriet so vor die Plazierung von Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller<ref>http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/488768</ref> (siehe Bild). In der Amazon-Buchbeschreibung wird das Buch mit den Worten angekündigt: ''"Kurzbeschreibung - Falls Sie denken, dass die Pharmaindustrie Medikamente auf den Markt bringt, um Ihnen zu helfen vergessen Sie es."''<ref>Amazon, abgerufen am 28.&nbsp;Oktober 2009: ''Kurzbeschreibung - Falls Sie denken, dass die Pharmaindustrie Medikamente auf den Markt bringt, um Ihnen zu helfen vergessen Sie es. Allein in Deutschland leiden über fünf Millionen Menschen an Neurodermitis und Psoriasis, an entzündlichen und quälend juckenden Hautflächen. Längst könnte ihnen geholfen werden, wenn sie mit einer Salbe behandelt würden, die alle medizinischen Zulassungsprüfungen glänzend bestanden hat. Die Hautcreme ist hochwirksam, nach Stand der Wissenschaft frei von jeglichen Nebenwirkungen und eine Alternative zu gängigen Präparaten. Aber gerade weil das Medikament wirkt und preiswert ist, fürchten manche Pharmakonzerne die Konkurrenz. Mit Kortison und Immunsuppressiva lassen sich Milliarden verdienen das neue Medikament würde den Markt nur stören. Folgerichtig war die Industrie bis heute nicht an der Herstellung interessiert. Die Geschichte der B12-Salbe offenbart, dass Hilfe für die Patienten oft nur ein Teilaspekt der Marktstrategien der Industrie ist. Klaus Martens hat unter den zahlreichen Fällen zweifelhafter Arzneimittelangebote ein Medikament entdeckt, das in der Lage ist, Millionen Patienten zu helfen, und das von unabhängigen Wissenschaftlern als »Juwel im Verborgenen« bezeichnet wird.''</ref> Die Rede ist von ''Die Hautcreme ist hochwirksam [...] frei von jeglichen Nebenwirkungen [...]". "[...] Mit Kortison und Immunsuppressiva lassen sich Milliarden verdienen das neue Medikament würde den Markt nur stören'' hieß es außerdem. Bei anderen Buchhändlern wurde das Buch ähnlich reißerisch beworben,<ref>libri.de, buch.de und buecher.de, abgerufen am 28.&nbsp;Oktober 2009: ''Allein in Deutschland leiden über fünf Millionen Menschen an Neurodermitis. Längst könnte Ihnen geholfen werden, wenn sie mit einer Salbe behandelt würden, die alle medizinischen Zulassungsprüfungen glänzend bestanden hat. Es ist eine Hautsalbe, die der Mediziner Karsten Klingelhöller vor 25&nbsp;Jahren entwickelt hat. Sie ist hochwirksam und frei von jeglichen Nebenwirkungen. Dennoch ist es dem Erfinder bis heute nicht gelungen, einen Pharmakonzern zu finden, der seine Erfindung auf den Markt bringen will. Es passe nicht in die Strategie des Konzerns, hörte Klingelhöller von jenen Pharmaherstellern, die mit Kortison und Immunsuppressiva Milliarden verdienen. Der renommierte Journalist Klaus Martens erzählt in "Heilung unerwünscht" die schier unglaubliche Geschichte der B-12-Creme und die tragische Lebensgeschichte von Karsten Klingelhöller, der daran zerbrochen ist, seine geniale Erfindung für andere nicht nutzbar machen zu können.''</ref> wobei stets die gleiche Wortwahl zu finden ist (''Zulassungsprüfungen glänzend bestanden'',''hochwirksam'', ''frei von jeglichen Nebenwirkungen''), die sich auch in Meldungen von Nachrichtenagenturen zur Salbe finden lassen. Der Buchaufkleber eines Rezensionsexemplars vermerkt "Sofort auspacken! eilige Novitäten" und der Klappentext lautet: ''Längst könnte ihnen (den Millionen Menschen mit Neurodermitis und Psoriasis) geholfen werden, wenn sie mit einer Salbe behandelt würden, die alle medizinischen Zulassungsprüfungen glänzend bestanden hat.'', wieder tauchen die gleichen Formulierungen auf. Eine Rezension des Buches liegt bislang nicht vor (Stand November 2009). Die letzten Bucheinträge sind datiert mit Ende September 2009, also zu einer Zeit als die Produktion und Vermarktung der Salbe bereits angelaufen war und dies wird im Buch auch thematisiert: ''Ende September kauft Patentbesitzer Weiss eine ausreichende Menge an kristallinem purpurfarbenen Pulver, um damit etwa 28.000&nbsp;Tuben B12-Tuben herstellen zu lassen'' und ''Über vier Tonnen B12-Creme würden in den nächsten Monaten in dem bayrischen Abfüllunternehmen hergestellt werden.'' (Buchzitate). Bis ins Detail werden Einzelheiten des Produktionsstarts im Martens-Buch beschrieben (Pläne zur Markteinführung, TÜV-Gutachten, Bestellungen der Rohstoffe usw). Im Buch werden auch erste Experimente des damaligen Medizinstudenten und Regividerm-Erfinders Klingelhöller beschrieben und das Geschehen in einem Labor der Universität Düsseldorf beschrieben: ''Im Labor des Fachbereichs Chemie an der Universität in Düsseldorf verflüssigte er es und zog es auf eine Spritze auf. Seine Freundin schrie vor Schmerzen, als er ihr später das Vitamin unter die durch die Schuppenflechte ohnehin schmerzempfindliche Haut injizierte'', dies soll sich 1984 abgespielt haben und Klingelhöller soll damals 24&nbsp;Jahre alt gewesen sein. Laut Buch sei Klingelhöller auf das Cyanocobalamin durch Zufall geraten. Er habe einen Fachartikel zur [http://de.wikipedia.org/wiki/Funikul%C3%A4re_Myelose funikulären Myelose] (SACD) gelesen, in dem eine Therapie mit B12 beschrieben ist.
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Die funikuläre Myelose ist jedoch eine B12-Mangelerkrankung, meist durch IF-Mangel ausgelöst. Daher ist bei dieser B12-Mangelerkrankung eine B12-Substitution wie bei anderen A- oder Hypovitaminosen erfolgreich. Sowohl die atopische Dermatitis (''Neurodermitis'') als auch die Psoriasis (''Schuppenflechte'') sind aber keine B12-Mangelerkrankungen. Im Buch wird dies vom Medizinlaien Martens nicht erwähnt, sondern der Eindruck erweckt, als ob eine zusätzliche Gabe von B12 eine Heilung bewirke. Überhaupt ist der Titel des Buches irreführend, da selbst bei Unterstellung, dass die ''rosa Salbe'' im Sinne einer NO-Neutralisierung (wofür theoretische Betrachtungen ja sprechen) wirksam wäre, diese lediglich eine rein symptomatische Wirkung hätte, also keine ursächliche oder ''heilende'' Wirkung.
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==Rezeption der Regividerm-Vermarktung==
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===Hohe Nachfrage und Nachahmer===
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Die Folge des Medienrummels waren nicht nur hohe Vorbestellzahlen für Martens Buch (als Erscheinungsdatum ist der 5.&nbsp;November 2009 angegeben), sondern auch ein Andrang in Apotheken auf der Suche nach dem vermeintlichen Wundermittel.<ref>http://www.derwesten.de/nachrichten/2009/10/21/news-137845373/detail.html</ref> Nach der ARD-Berichterstattung meldete ein B12-Hersteller, die Firma Caesar & Loretz in Hilden bei Düsseldorf, dass er mit Lieferungen für Vitamin&nbsp;B12 nicht mehr nachkommen könne.
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Kurz nach dem Medienrummel und den PR-Aktivitäten um Regividerm tauchen diverse Anbieter auf, die Bestandteile der Regividerm-Rezeptur zum Kauf anbieten. Der Kunde braucht nur noch die Salbe bei sich zu Haus anrühren.
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===Kritik===
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[[image:schoenhoefer.jpg|at-Mitherausgeber Schönhöfer|thumb]]
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[[image:ABDA.jpg|ABDA-Warnung im ARD-Videotext am 24.10.2009|300px|thumb]]
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Die Regividerm-Vermarktungsstrategie stieß auf Kritik. Siegfried Throm, Geschäftsführer des Verbands forschender Pharmaunternehmen, sprach in der Sendung ''hart aber fair'' vom 21.&nbsp;Oktober 2009 von einem "genialen Marketing-Coup". Beda Stadler, Direktor des Instituts für Immunologie an der Universität Bern, äußerte sich spontan in der Sendung mit den Worten ''"Ein bisschen Avocadoöl mit etwas Vitaminen drin kann diese schweren Krankheiten nicht kurieren. Das ist Betrug. Neurodermitis und Schuppenflechte können nicht geheilt werden"''. Den Doku-Film über die Entstehungsgeschichte verurteilt er: ''"Wenn man anfängt, auf diese Art Wundermittel zu promovieren, spielt man mit den Hoffnungen der Patienten."'' Eine angebliche Wirkung ohne Nebenwirkungen bezeichnete er als ''"verlässliches Warnsignal, wenn jemand versucht, andere Menschen über den Tisch zu ziehen."''<ref>http://hpd.de/node/8050</ref>
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Am 28. Oktober äußerte sich der Pharmakologe und Mitherausgeber des pharmakritischen arznei-telegramms [http://de.wikipedia.org/wiki/Arznei-Telegramm], Peter Schönhöfer zu Regividerm in einem Interview von NDR Fernsehen.<ref>NDR, Sendung ZAPP vom 28.10.2009</ref> Schönhöfer kam zu einem vernichtenden Urteil: Zu kleine Probandenzahl und zu kurze Dauer verhinderten belastbare Aussagen zum Mittel, die Studien reichten zu einer Beurteilung der Wirksamkeit nicht aus. Aussagen im WDR-Film seien "irreführend". Schönhöfer deckte zudem auf, dass er schon vor Jahren wegen der rosa Creme von einem WDR-Redakteur angesprochen worden sei und ihn damals vor der Creme gewarnt habe, auf Basis des damaligen Studienstandes. Der Redakteur versprach den Filmautor zu informieren und dieser würde sich bei Schönhöfer melden, was er aber nicht getan habe. Der WDR reagierte auf Schönhöfers Kritik und teilte dem NDR schriftlich lediglich mit: ''"Wenn der Eindruck entstanden ist, dass tatsächlich allen Patienten auch geholfen werden kann, ist das bedauerlicherweise ein unzutreffender Eindruck"''.
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Am 22.&nbsp;Oktober 2009 meldete sich auch Thomas Schwennesen, der erste Vorsitzender des Deutschen Neurodermitis Bundes, mit einer Pressemeldung ''Wirbel um Regividerm'' zum Thema. In der Stellungnahme sprach Schwennesen im Zusammenhang mit der ARD von einer "völlig kritiklosen PR-Aktionen", und ''"Es ist eine Schande und blanker Zynismus, dass die PR-Einführung eines normalen Hautpflege-Produktes sich der Pharmaschelte als Aufhänger für eigene Geschäfte bedient [...] Beide Erkrankungen haben verschiedene medizinische Therapieansätze sind aber nicht heilbar. Die dargestellte Produktmischung soll nun das alles auch noch ohne Nebenwirkungen schaffen. Pharmakologisch ist die Äußerung unhaltbar, dass ein Produkt wirkt ohne jegliche Nebenwirkung. Die ARD hat mit diesem Beitrag den etwa fünf Millionen Neurodermitikern einen Bärendienst erwiesen und sich selbst journalistisch ins Abseits gestellt.''"<ref>Deutscher Neurodermitis Bund&nbsp;e.V., Thomas Schwennesen, 1.&nbsp;Vorsitzender, Baumkamp&nbsp;18, 22299&nbsp;Hamburg. www.neurodermitis-bund.de. Veröffentlicht von pressrelations: [http://www.pressrelations.de/new/standard/result_main.cfm?r=387661&aktion=jour_pm&quelle=1&utm_source=eurasier1]</ref>
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Auch der Deutscher Psoriasis Bund&nbsp;e.V. (Geschäftsführer Hans-Detlev Kunz) äußerte sich kritisch zu Regividerm. In der Stellungnahme ''Falsche Hoffnungen bei Schuppenflechtekranken geweckt – gebotene Sorgfall verletzt?'' fordert der Deutsche Psoriasis Bund&nbsp;e.V. einen Nachweis der Wirksamkeit der Salbe und kritisiert die &ndash; Zitat &ndash; "Verschwörungstheorie", dass die Pharmaindustrie die Produktion eines so einfachen und preisgünstigen Arzneimittels verhindere, um ihre eigenen teuren Medikamente in den Markt zu drücken. Thomas Rosenbach, Sprecher des Wissenschaftlichen Beirats des Deutschen Psoriasis Bundes&nbsp;e.V., wurde deutlicher: ''"Dieser ARD-Bericht ist barer Unsinn [...] Die Psoriasis ist wissenschaftlich unbestritten eine multigenetische chronische System-Erkrankung. Nach dem derzeitig weltweit verfügbaren medizinischen Wissen ist eine Psoriasis nicht heilbar. Es gibt auch keinen medizinischen Goldstandard zur äußerlichen Kortison-Behandlung einer Psoriasis, wie der Autor behauptet."'' Nach Ansicht des Deutscher Psoriasis Bund&nbsp;e.V. habe die ARD "gegen den Pressekodex verstoßen" und der Film habe den "Anschein redaktioneller Werbung" gegeben. ''"Es drängt sich der Verdacht auf, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen zu Marketingzwecken missbraucht wurde, da mit der Berichterstattung zeitnah ein Buch des Autors zum Thema erscheint und das Kosmetikum Anfang November in den deutschen Markt eingeführt wird. (Verstoß gegen Pressekodex Ziffer&nbsp;7 - Trennung von Werbung und Redaktion). Der Deutsche Psoriasis Bund&nbsp;e.V. erwartet von der ARD auf Basis der Regeln der „Guten Klinischen Praxis“ (Good Clinical Practice, GCP) den validen Nachweis der versprochenen lindernden oder gar heilenden Wirkung und der Sicherheit der Substanzenkombination."''<ref>Stellungnahme Deutscher Psoriasis Bund&nbsp;e.V., Hamburg, 22.&nbsp;Oktober 2009</ref><ref>http://www.psoriasis-bund.de/ARD-Beitrag___Heilung_une.827.0.html</ref>
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Die Bundesvereinigung der deutschen Apothekerverbände&nbsp;(ABDA) äußerte sich ebenfalls zu Regividerm in einer Pressemeldung vom 23.&nbsp;Oktober 2009 ''Regividerm&reg;-Creme: Apotheker warnen vor Euphorie''.<ref>http://www.presseportal.de/pm/7002/1498837/abda_bundesvgg_dt_apothekerverbaende</ref> Anlass waren zahlreiche Anfragen in Apotheken nach dem Mittel. Zitiert wird Harmut Morck, Chefredakteur der ''Pharmazeutischen Zeitung'': ''"Bei diesem Präparat sind noch viele Fragen offen. Bislang sind nur wenige Daten veröffentlicht, es besteht weiterer Forschungsbedarf [...] Wer die Creme ausprobiert, sollte dies nicht ohne Rücksprache mit einem Experten tun. Patienten sollten ihre bestehende Arzneimitteltherapie nicht ohne Rücksprache mit dem Arzt ändern."'' Nach ABDA-Angaben habe auch ''Neue Rezeptur Formularium (NRF)'' für Apotheker aktuell einen Rezepturhinweis "Cyanocobalamin zur Anwendung auf der Haut" veröffentlicht.
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Der Bundesverband Neurodermitiskranker in Deutschland&nbsp;e.V., ein Zusammenschluss von Selbsthilfegruppen, zeigte sich ungehalten über die Vorgehensweise des Filmautors Klaus Martens. Dieser hatte den Verband 2008 anscheinend um eine Bereitstellung von Probanden zum Testen von Regividerm gebeten.<ref>http://www.augsburger-allgemeine.de/Home/Nachrichten/Aus-aller-Welt/Artikel,-Neurodermitis-Regividerm-Streit-_arid,1948099_regid,2_puid,2_pageid,4293.html</ref> Der Verband nahm wie folgt Stellung: ''"Offenbar war niemand von der neuen "Wundersalbe" informiert, was verwundert, denn nur wir hatten wenigstens vom Autor der Sendung, dem WDR-Redakteur Klaus Martens, vor gut einem Jahr einen Hinweis auf eine neue Salbe, welche die Pharmazie nicht ins Programm nehmen wollte. Wir boten damals an, die Salbe zunächst bei einem autorisierten Labor auf eventuelle pharmakologische Wirkstoffe prüfen zu lassen, um dann, bis zu 100&nbsp;Probanden für die Testung der Salbe zu suchen und zu finden. Herr Martens meldete sich aber nicht mehr."''<ref>http://www.neurodermitis.net/index.html Aufruf am 24.&nbsp;Oktober 2009</ref>
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Die österreichische Tageszeitung ''Der Standard'' sprach im Zusammenhang mit dem WDR-Film gar von einem ''mies recherchierten Schandfleck öffentlich-rechtlichen Fernsehens und PR-Coup für ein Produkt ohne durch Studien erwiesenen Nutzen''<ref>Stefan Löffler, ''PR-Falle Medikamente Falsche Versprechungen für Patienten''. DER STANDARD, Printausgabe vom 2.&nbsp;November 2009 [http://derstandard.at/fs/1256743683634/PR-Falle-Medikamente-Falsche-Versprechungen-fuer-Patienten]</ref> und die Neue Westfälische Zeitung sprach von dem ''womöglich frechsten PR-Coup der jüngsten Zeit'' und ''PR-Trick''<ref>Peter Stuckhard: Werbe-Trick für eine Wundersalbe - Verschwörungstheorie fördert Neurodermitis-Creme. http://www.nw-news.de/owl/3223267_Werbe-Trick_fuer_eine_Wundersalbe.html</ref>.
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===Reaktionen des WDR und der Autoren auf die Kritik===
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[[image:Ardvideo.jpg|Hinweis zu entferntem Video|left|thumb]]
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[[image:Screenshot1.png|Kommentare auf ARD-Seite (Quelle: Blog Stationäre Aufnahme)|thumb]]
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[[image:Screenshot2.png|Löschung (Quelle: Blog Stationäre Aufnahme)|thumb]]
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Fünf Tage nach der Aussendung des WDR-Dokumentarfilms berichtet Spiegel-Online, dass ''hart aber fair''-Moderator Frank Plasberg "handwerkliche Fehler im Ablauf der Sendung" eingestanden habe, als er den Filmautor Martens in die Sendung zur bevorstehenden Impfung gegen A/H1N1 (Schweinegrippe) aus unbekannten Gründen einlud. Zitat: ''"Wir hätten den Auftritt von Martens besser einbetten müssen. Jetzt sah es so aus, als wäre er wie Kai aus der Kiste gesprungen."'' Filmautor Klaus Martens fühlte sich Tage nach der Sendung seines Beitrages ausgenutzt: ''"Ich ärgere mich wirklich sehr darüber, dass nun alles so wirkt, als sei ich Steigbügelhalter für die Markteinführung"''. Das zeitliche Zusammentreffen der Markteinführung von Regividerm und der Fernsehsendungen erklärte Martens als Zufall, da der Film schon längere Zeit fertiggestellt war und auf einen Sendeplatz wartete.<ref>http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/0,1518,657070,00.html</ref>
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Der WDR bietet zeitweilig die Möglichkeit an, Kommentare zur Sendung in einer Art Gästebuch zu hinterlassen. Der Medizin-Blog ''Stationäre Aufnahme'' berichtet darüber, dass sich dort am 23.&nbsp;Oktober 2009 "Erstaunliches" ereignet habe: Jubelkommentare zum Dokumentarfilm waren dort zahlreich zu sehen, kritische Beiträge verschwanden indes nach wenigen Minuten, wie Screenshots zeigen, die im Blog präsentiert werden. Als dies im Blog diskutiert wurde, verschwanden kurzerhand sämtliche Kommentare um nach Stunden wieder aufzutauchen. Wie aus den Screenshots zu ersehen ist (Bilder rechts), handelte es sich um sachbezogene Kritik, die argumentativ vorgebracht wurde.<ref>http://gesundheit.blogger.de/stories/1514274/</ref> Lesern des so genannten ''Faktencheck'' zur Sendung ''hart aber fair'' fielen ebenfalls merkwürdige Löschungen auf. So konnte tagelang das B12-Rezept eingesehen werden, bis es plötzlich verschwand. Das Video zur Sendung war am Nachmittag des 27.&nbsp;Oktober 2009 plötzlich nicht mehr abrufbar, es erschien der ''Hinweis: Leider darf das Video "Heilung unerwünscht" aus rechtlichen Gründen nicht mehr in der Das Erste Mediathek gezeigt werden''. Wenige Stunden später war das Video wieder abbrufbar. ''"Heilung unerwünscht" ansehen'' hieß es nun. Auch präsentierte TÜV-Gutachten und andere Dokumente zu Regividerm erschienen plötzlich und verschwanden wieder vom Faktencheck, blieben aber merkwürdigerweise über direkte Links erreichbar.
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==Patente zu Regividerm==
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===Patentanmeldungen===
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* DE 4319629 A1: Verwendung von Corrinoiden zur topischen Anwendung bei Hauterkrankungen. Anmeldetag: 15.06.1993. Anmelder: Klingelhöller, Karsten, 42275&nbsp;Wuppertal. Erfinder: gleich Anmelder. Anmeldung zurückgenommen am 17.07.1998
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* DE 10130846 A1: Verwendung von Corrinoiden zur Anwendung bei Hauterkrankungen. Anmeldetag: 26.06.2001. Anmelder: Regeneratio Pharma&nbsp;AG. Erfinder: Klingelhöller, Karsten, 42275&nbsp;Wuppertal
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* EP 1401454 A0: VERWENDUNG VON CORRINOIDEN ZUR ANWENDUNG BEI HAUTERKRANKUNGEN (USE OF CORRINOIDS IN THE TREATMENT OF SKIN DISEASES). Anmeldetag: 26.&nbsp;Juni 2002. Anmelder: Regeneratio Pharma GmbH, Franzstrasse&nbsp;1a, 42857&nbsp;Remscheid. Erfinder: KLINGELHÖLLER, Karsten, 42275&nbsp;Wuppertal, DE. Auch veröffentlicht als WO&nbsp;03002104, ZA&nbsp;200309976, US&nbsp;2004171578 und US&nbsp;2006094686
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===Erteilte Patente===
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* EP 0705102 B1: VERWENDUNG VON CORRINOIDEN ZUR TOPISCHEN ANWENDUNG BEI HAUTERKRANKUNGEN.  Anmeldetag: 15.06.1994. Patenerteilung: 15.05.1996. Anmelder: Klingelhöller, Karsten, 42275&nbsp;Wuppertal. Erfinder: gleich Anmelder
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* US Patent 5,798,341: USE OF COBALAMINS FOR TOPICAL TREATMENT OF SKIN DISORDERS. Filed: Jun 15, 1994. Date of Patent: Aug 25, 1998. Inventor: Karsten Klingelhöller
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==Weblinks==
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*http://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/pharmazie/news/2009/10/22/heilung-unerwuenscht-alles-zufall-oder-nur-profitgier.html
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*http://forum.oekotest.de/cgi-bin/YaBB.pl?num=1255978539/all
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*http://gesundheit.blogger.de/stories/1511299/
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*http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/488768
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*http://www.pressrelations.de/new/standard/result_main.cfm?r=387661&aktion=jour_pm&quelle=1&utm_source=eurasier1
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*http://www.principien.de/2009/10/21/die-supersalbe-regividerm/
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*http://www.pharmazeutische-zeitung.de/fileadmin/nrf/PDF/1-Cyanocobalamin_Haut.pdf
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*http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/Neurodermitis;art1117,2930321
 +
*http://www.augsburger-allgemeine.de/Home/Nachrichten/Politik/Artikel,-neurodermitis-creme-streit221009-_arid,1945804_regid,2_puid,2_pageid,4290.html
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*http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/haut-krankheiten/article/571661/geld-zaehlte-verantwortung.html?sh=7&h=2086331490
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*http://www.psoriasis-netz.de/themen/produkte-aktuell/regividerm.html
 +
*http://www.20min.ch/finance/news/story/Neurodermitis-Heilung-unerwuenscht--PR-schon--23095014
 +
*http://hpd.de/node/8050
 +
*http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/0,1518,657070,00.html
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*http://www.pharmazeutische-zeitung.de/fileadmin/nrf/PDF/1-Cyanocobalamin_Haut.pdf
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*http://brightsblog.wordpress.com/2009/10/23/the-great-pink-bullshit/
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*http://brightsblog.wordpress.com/2009/10/25/ein-offener-brief-an-klaus-martens-und-frank-plasberg
 +
*http://blog.psiram.com/index.php?itemid=311
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*http://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/pharmazie/news/2009/10/22/heilung-unerwuenscht-alles-zufall-oder-nur-profitgier.html
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*http://www.oekotest.de/cgi/index.cgi?artnr=10449;gartnr=90;bernr=06;co=
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==Quellennachweise==
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<references/>
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