Änderungen

256 Bytes hinzugefügt ,  11:32, 24. Okt. 2009
keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 1: Zeile 1:  
[[image:Regividerm.jpg|Bildquelle: Mavena Health Care AG (mavena.com)|thumb]]
 
[[image:Regividerm.jpg|Bildquelle: Mavena Health Care AG (mavena.com)|thumb]]
'''Regividerm''' ist der Handelsname eines Vitamin B12 (Cyanocobalamin) und Avocadoöl enthaltenden und nicht-apothekenpflichtigen Medizinproduktes der Klasse IIa gegen atopische Dermatitis (Neurodermitis) und Psoriasis (Schuppenflechte), das im Oktober 2009 für Schlagzeilen sorgte und Thema von Fernsehbeiträgen im öffentlich-rechtlichen TV-Programm ARD war. Für Medizinprodukte ungewöhnlich wurde zu dem Wundermittel Regividerm am 19. Oktober 2009 ein pseudokritischer Dokumentarfilm des WDR in der ARD gesendet, der dem Zuschauer den Eindruck vermittelte, das Medizinprodukt würde von [[Verschwörungstheorie|einflussreichen Pharmaunternehmen unterdrückt]] und sei gleichzeitig wirksamer als vergleichbare, herkömmliche Mittel. Der Autor des Films, Klaus Martens, ist gleichzeitig Autor eines Buches zum Thema (vom WDR als ''Buch zur Sendung'' bezeichnet), das im Zusammenhang mit den Fernsehsendungen an prominenter Stelle in der ARD vorgestellt wurde und zeitweilig als Folge des Medienrummels auf der Amazon-Bestsellerliste auf Platz 2 vorrückte.
+
'''Regividerm''' ist der Handelsname eines Vitamin B12 (Cyanocobalamin) und Avocadoöl enthaltenden und nicht-apothekenpflichtigen Medizinproduktes der Klasse IIa gegen atopische Dermatitis (Neurodermitis) und Psoriasis (Schuppenflechte), das im Oktober 2009 für Schlagzeilen sorgte und Thema von Fernsehbeiträgen im öffentlich-rechtlichen TV-Programm ARD war. Für Medizinprodukte ungewöhnlich wurde zu dem Wundermittel Regividerm am 19. Oktober 2009 ein pseudokritischer Dokumentarfilm des WDR in der ARD gesendet, der dem Zuschauer den Eindruck vermittelte, das Medizinprodukt würde von [[Verschwörungstheorie|einflussreichen Pharmaunternehmen unterdrückt]] und sei gleichzeitig wirksamer als vergleichbare, herkömmliche Mittel und habe keine Nebenwirkungen. Der Autor des Films, Klaus Martens, ist gleichzeitig Autor eines Buches zum Thema (vom WDR als ''Buch zur Sendung'' bezeichnet), das im Zusammenhang mit den Fernsehsendungen an prominenter Stelle in der ARD vorgestellt wurde und zeitweilig als Folge des Medienrummels auf der Amazon-Bestsellerliste auf Platz 2 vorrückte.
    
Regividerm wird von dem Schweizer Pharmaunternehmen Mavena Health Care&nbsp;AG<ref>Mavena Health Care&nbsp;AG, Haselstrasse&nbsp;1, 5401&nbsp;Baden, Schweiz</ref> hergestellt und vermarktet. 100&nbsp;Gramm der Creme kosten 28,85&nbsp;Euro.
 
Regividerm wird von dem Schweizer Pharmaunternehmen Mavena Health Care&nbsp;AG<ref>Mavena Health Care&nbsp;AG, Haselstrasse&nbsp;1, 5401&nbsp;Baden, Schweiz</ref> hergestellt und vermarktet. 100&nbsp;Gramm der Creme kosten 28,85&nbsp;Euro.
Zeile 21: Zeile 21:  
Die Studienlage ist denkbar schlecht, um Regividerm als ein Wundermittel promoten zu können, was selbst der Hersteller zugibt: ''"Wir haben jedoch kleine Versuche durchgeführt, die alle zum gewünschten Resultat geführt haben"'', so Mavena-Geschäftsführer Hans-Joachim Zeisel. Regividerm habe laut Zeisel sowieso ''"keine Nebenwirkungen und könne im Gegensatz zu chemischen Neurodermitis-Medikamenten mit Cortison auch längere Zeit angewendet werden"''.
 
Die Studienlage ist denkbar schlecht, um Regividerm als ein Wundermittel promoten zu können, was selbst der Hersteller zugibt: ''"Wir haben jedoch kleine Versuche durchgeführt, die alle zum gewünschten Resultat geführt haben"'', so Mavena-Geschäftsführer Hans-Joachim Zeisel. Regividerm habe laut Zeisel sowieso ''"keine Nebenwirkungen und könne im Gegensatz zu chemischen Neurodermitis-Medikamenten mit Cortison auch längere Zeit angewendet werden"''.
   −
Bei einer Suche in medizinischen Datenbanken stößt man auf zwei Studien zu Regividerm, beide vom Hersteller finanziert (''"Acknowledgement: This investigation was supported by Regeneratio Pharma&nbsp;AG, Wuppertal, Germany"'')<ref name="stuecker2001">Stücker M; Memmel U; Hoffmann M; Hartung J; Altmeyer P (2001): Vitamin B12 Cream Containing Avocado Oil in the Therapy of Plaque Psoriasis. Dermatology 203(2):141-147 ([http://www.wdr.de/tv/hartaberfair/extra/studien_20091021/studie_der_uni_bochum_2001.pdf Gratis-Volltext-Version beim WDR])</ref> und beide auf dem geringen Level&nbsp;IVa der Validitätskriterien einzuordnen. Laut Patentinhaber seien weitere Studien nicht geplant.
+
Bei einer Suche in medizinischen Datenbanken stößt man auf zwei Studien zu Regividerm, beide vom Hersteller finanziert (''"Acknowledgement: This investigation was supported by Regeneratio Pharma&nbsp;AG, Wuppertal, Germany"'')<ref name=%26quot%3Bstuecker2001%26quot%3B%26gt%3BSt%C3%BCcker M; Memmel U; Hoffmann M; Hartung J; Altmeyer P (2001): Vitamin B12 Cream Containing Avocado Oil in the Therapy of Plaque Psoriasis. Dermatology 203(2):141-147 ([http://www.wdr.de/tv/hartaberfair/extra/studien_20091021/studie_der_uni_bochum_2001.pdf Gratis-Volltext-Version beim WDR])</ref> und beide auf dem geringen Level&nbsp;IVa der Validitätskriterien einzuordnen. Laut Patentinhaber seien weitere Studien nicht geplant.
   −
In der Zeitschrift Dermatology erschien im Jahr 2001 eine Untersuchung, an der gerade einmal 13&nbsp;Patienten mit chronischer Plaquepsoriasis teilnahmen, von denen aber nur&nbsp;11 berücksichtigt wurden.<ref name="stuecker2001"/> Es handelte sich um eine randomisierte Studie, in der im intraindividuellen Rechts-Links-Vergleich an den Armen die rosafarbene Vitamin-B12-Avocadoöl-Salbe gegen eine weiße Calcipotriol-Salbe über zwölf Wochen getestet worden ist. Das Ergebnis: Die Calcipotriol-Salbe war nach vier Wochen am wirksamsten, dann ließ die Wirkung aber nach. Nach 12&nbsp;Wochen war kein Unterschied zwischen beiden Mitteln mehr nachweisbar. Der dabei eingesetzte PASI-Score wurde durch die Salbe nicht besser als unter der kon­ven­tio­nellen The­rapie.
+
In der Zeitschrift Dermatology erschien im Jahr 2001 eine Untersuchung, an der gerade einmal 13&nbsp;Patienten mit chronischer Plaquepsoriasis teilnahmen, von denen aber nur&nbsp;11 berücksichtigt wurden.<ref name=%26quot%3Bstuecker2001%26quot%3B%2F%26gt%3B Es handelte sich um eine randomisierte Studie, in der im intraindividuellen Rechts-Links-Vergleich an den Armen die rosafarbene Vitamin-B12-Avocadoöl-Salbe gegen eine weiße Calcipotriol-Salbe über zwölf Wochen getestet worden ist. Das Ergebnis: Die Calcipotriol-Salbe war nach vier Wochen am wirksamsten, dann ließ die Wirkung aber nach. Nach 12&nbsp;Wochen war kein Unterschied zwischen beiden Mitteln mehr nachweisbar. Der dabei eingesetzte PASI-Score wurde durch die Salbe nicht besser als unter der kon­ven­tio­nellen The­rapie.
    
Die andere Studie wurde im British Journal of Dermatology publiziert. An der randomisierten und placebokontrollierten, aber unverblindeten Untersuchung nahmen 49&nbsp;Neurodermitis-Patienten teil.<ref>Stücker M; Pieck C; Stoerb C; Niedner R; Hartung J; Altmeyer P (2004): Topical vitamin B12 – a new therapeutic approach in atopic dermatitis-evaluation of efficacy and tolerability in a randomized placebo-controlled multicentre clinical trial. Br J Dermatol 150, 977-983</ref> Über einen Zeitraum von 8&nbsp;Wochen trug jeder Patient morgens und abends auf eine Armseite die Placebo-Salbe, auf die andere die Vitamin-B12-haltige Salbe auf. Die Patienten bewerteten die Vitamin-B12-Salbe besser. Der Erfolg wurde mit dem vom untersuchenden Arzt erhobenen ''modified Six Area Six Sign Atopic Dermatitis score'' (SASSADS) gemessen und nicht an objektiveren Kriterien wie Cortisonverbrauch oder Anzahl der Arztbesuche. Der SASSADS gilt als ein Score, der vom Untersucher beeinflussbar ist: ''"As with many other tested atopic eczema sco­ring indices, the SASSAD index is sub­ject to signi­fi­cant interobserver varia­tion, reflec­ting the dif­fi­cul­ties in reli­ably asses­sing eczema seve­rity objectively."''<ref>Charman CR; Venn AJ; Williams HC (2002): Reliability testing of the Six Area, Six Sign Atopic Dermatitis severity score. Br J Dermatol 146(6), 1057-1060</ref> Das Fazit der Studie: ''"At the con­clu­sion of the study, the inves­ti­gator and pati­ents awarded mostly a 'good' or 'very good' rating to the active drug (58% and 59%, respec­tively) and a 'mode­rate' or 'poor' rating to the pla­cebo (89% and 87%, respectively)."''
 
Die andere Studie wurde im British Journal of Dermatology publiziert. An der randomisierten und placebokontrollierten, aber unverblindeten Untersuchung nahmen 49&nbsp;Neurodermitis-Patienten teil.<ref>Stücker M; Pieck C; Stoerb C; Niedner R; Hartung J; Altmeyer P (2004): Topical vitamin B12 – a new therapeutic approach in atopic dermatitis-evaluation of efficacy and tolerability in a randomized placebo-controlled multicentre clinical trial. Br J Dermatol 150, 977-983</ref> Über einen Zeitraum von 8&nbsp;Wochen trug jeder Patient morgens und abends auf eine Armseite die Placebo-Salbe, auf die andere die Vitamin-B12-haltige Salbe auf. Die Patienten bewerteten die Vitamin-B12-Salbe besser. Der Erfolg wurde mit dem vom untersuchenden Arzt erhobenen ''modified Six Area Six Sign Atopic Dermatitis score'' (SASSADS) gemessen und nicht an objektiveren Kriterien wie Cortisonverbrauch oder Anzahl der Arztbesuche. Der SASSADS gilt als ein Score, der vom Untersucher beeinflussbar ist: ''"As with many other tested atopic eczema sco­ring indices, the SASSAD index is sub­ject to signi­fi­cant interobserver varia­tion, reflec­ting the dif­fi­cul­ties in reli­ably asses­sing eczema seve­rity objectively."''<ref>Charman CR; Venn AJ; Williams HC (2002): Reliability testing of the Six Area, Six Sign Atopic Dermatitis severity score. Br J Dermatol 146(6), 1057-1060</ref> Das Fazit der Studie: ''"At the con­clu­sion of the study, the inves­ti­gator and pati­ents awarded mostly a 'good' or 'very good' rating to the active drug (58% and 59%, respec­tively) and a 'mode­rate' or 'poor' rating to the pla­cebo (89% and 87%, respectively)."''
Zeile 44: Zeile 44:  
Noch bevor die Ergebnisse aus den Untersuchungen ab dem Jahr 2000 vorlagen, wurde das Produkt bereits 1998/1999 von der Regeneratio Pharma&nbsp;AG als ''ATU Red-Creme'' vermarktet, für 37,90&nbsp;DM für eine 50-ml-Dose. Das Mittel wurde damals im Rahmen eines ''"innovativen Therapiekonzepts mit Regividerm&reg;"'' als ein ''"Kosmetikangebot für alle Hauttypen, besonders zur unterstützenden Pflege bei Neurodermitis und Psoriasis mit B&nbsp;12"'' angeboten. 1999 war auf der Webseite der Regeneratio Pharma&nbsp;AG auch zu lesen: ''"Die Verwendung von Vitamin&nbsp;B12 in der Kosmetik, speziell zur unterstützenden Pflege von Neurodermitis und Psoriasis, ist erstmals von der Regeneratio Pharma&nbsp;AG genau untersucht worden. Die positiven Effekte sind durch unsere Ergebnisse belegt und weltweit patentgeschützt."'' Dabei wurde ignoriert, dass bereits in den 1950er Jahren Versuche mit B12 bei Hauterkrankungen<ref>Experience with vitamin B12 in the treatment of dermatoses, particularly of seborroic origin. Med Klin (Munich). 1954 Aug 13;49(33):1293-4.</ref> durchgeführt wurden. Zusammen mit der ''ATU Red-Creme'' wurde versucht, andere Mittel wie eine ''ATU-Energy-Creme'' ("mit juvenilisierendem Vitamin&nbsp;E") zu vermarkten.<ref>http://web.archive.org/web/19991012124727/http://regividerm.de/ und http://web.archive.org/web/20000604165121/regividerm.de/body_bestell.html</ref>  Klingelhöller ist also keineswegs als Erfinder eines einzigen Wundermittels anzusehen. In der ARD-Sendung ''hart aber fair'' wurde dies völlig anders dargestellt: Auf Nachfrage von Moderator Plasberg, was denn den "Spinner in der Garage" von Klingelhöller unterscheide, antwortete Martens sinngemäß, Klingelhöller habe "erst klinisch geprüft und dann versucht, zu vermarkten". Er widerspricht damit seinem eigenen Bericht und den im Internet in Minuten recherchierbaren Fakten zur Geschichte von Regividerm. Aus Martens eigenem Bericht geht hervor, dass die Kleinstudien erst nach 2000 begonnen wurden.
 
Noch bevor die Ergebnisse aus den Untersuchungen ab dem Jahr 2000 vorlagen, wurde das Produkt bereits 1998/1999 von der Regeneratio Pharma&nbsp;AG als ''ATU Red-Creme'' vermarktet, für 37,90&nbsp;DM für eine 50-ml-Dose. Das Mittel wurde damals im Rahmen eines ''"innovativen Therapiekonzepts mit Regividerm&reg;"'' als ein ''"Kosmetikangebot für alle Hauttypen, besonders zur unterstützenden Pflege bei Neurodermitis und Psoriasis mit B&nbsp;12"'' angeboten. 1999 war auf der Webseite der Regeneratio Pharma&nbsp;AG auch zu lesen: ''"Die Verwendung von Vitamin&nbsp;B12 in der Kosmetik, speziell zur unterstützenden Pflege von Neurodermitis und Psoriasis, ist erstmals von der Regeneratio Pharma&nbsp;AG genau untersucht worden. Die positiven Effekte sind durch unsere Ergebnisse belegt und weltweit patentgeschützt."'' Dabei wurde ignoriert, dass bereits in den 1950er Jahren Versuche mit B12 bei Hauterkrankungen<ref>Experience with vitamin B12 in the treatment of dermatoses, particularly of seborroic origin. Med Klin (Munich). 1954 Aug 13;49(33):1293-4.</ref> durchgeführt wurden. Zusammen mit der ''ATU Red-Creme'' wurde versucht, andere Mittel wie eine ''ATU-Energy-Creme'' ("mit juvenilisierendem Vitamin&nbsp;E") zu vermarkten.<ref>http://web.archive.org/web/19991012124727/http://regividerm.de/ und http://web.archive.org/web/20000604165121/regividerm.de/body_bestell.html</ref>  Klingelhöller ist also keineswegs als Erfinder eines einzigen Wundermittels anzusehen. In der ARD-Sendung ''hart aber fair'' wurde dies völlig anders dargestellt: Auf Nachfrage von Moderator Plasberg, was denn den "Spinner in der Garage" von Klingelhöller unterscheide, antwortete Martens sinngemäß, Klingelhöller habe "erst klinisch geprüft und dann versucht, zu vermarkten". Er widerspricht damit seinem eigenen Bericht und den im Internet in Minuten recherchierbaren Fakten zur Geschichte von Regividerm. Aus Martens eigenem Bericht geht hervor, dass die Kleinstudien erst nach 2000 begonnen wurden.
   −
Das Mittel wurde 1994 zum Patent angemeldet (allerdings wurden bislang keine Patente erteilt) und Klingelhöller hat die Rezeptur - nach dem Martens-Bericht - schon ab 1994 mehreren Firmen angeboten. Zu Vertragsabschlüssen kam es nicht, die Großproduktion kam vor 2009 nicht in Fahrt. Nach Aussage des Schweizer Immunologen Beda Stadler sollen dem Erfinder von der Pharmaindustrie 15&nbsp;Millionen Euro für das Patent geboten worden seien. Das Angebot sei aber dankend abgelehnt worden.<ref name="hpd8050">http://hpd.de/node/8050</ref> Die Ärztezeitung sprach in diesem Zusammenhang sogar von einem möglichen "dreistelligen Millionenbetrag".<ref>http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/haut-krankheiten/article/571661/geld-zaehlte-verantwortung.html?sh=7&h=2086331490</ref> Der Patentinhaber verbreitete hingegen: ''"Wir haben uns deshalb gegen alle Widerstände entschlossen, Regividerm&reg; Salbe selbst zu produzieren und hoffen, damit schon bald den Betroffenen der großen Zivilisationskrankheiten Neurodermitis und Psoriasis (Schuppenflechte) wirksam und nebenwirkungsarm helfen zu können!"''
+
Das Mittel wurde 1994 zum Patent angemeldet (allerdings wurden bislang keine Patente erteilt) und Klingelhöller hat die Rezeptur - nach dem Martens-Bericht - schon ab 1994 mehreren Firmen angeboten. Zu Vertragsabschlüssen kam es nicht, die Großproduktion kam vor 2009 nicht in Fahrt. Nach Aussage des Schweizer Immunologen Beda Stadler sollen dem Erfinder von der Pharmaindustrie 15&nbsp;Millionen Euro für das Patent geboten worden seien. Das Angebot sei aber dankend abgelehnt worden.<ref name=%26quot%3Bhpd8050%26quot%3B%26gt%3Bhttp%3A%2F%2Fhpd%2Ede%2Fnode%2F8050%26lt%3B%2Fref%26gt%3B Die Ärztezeitung sprach in diesem Zusammenhang sogar von einem möglichen "dreistelligen Millionenbetrag".<ref>http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/haut-krankheiten/article/571661/geld-zaehlte-verantwortung.html?sh=7&h=2086331490</ref> Der Patentinhaber verbreitete hingegen: ''"Wir haben uns deshalb gegen alle Widerstände entschlossen, Regividerm&reg; Salbe selbst zu produzieren und hoffen, damit schon bald den Betroffenen der großen Zivilisationskrankheiten Neurodermitis und Psoriasis (Schuppenflechte) wirksam und nebenwirkungsarm helfen zu können!"''
    
Das Umsatzpotential ist angesichts der großen Zahl der Betroffenen ebenfalls groß und wird laut Angaben des Herstellers alleine in Deutschland auf 20.000 bis 30.000&nbsp;Tuben des Präparates geschätzt. Der Düsseldorfer Apotheker Thomas Rasche wird mit der Ansicht zitiert, dass das Marktpotential bei einem angenommenen Verbrauch von 100&nbsp;Gramm pro Patient und Monat bei knapp 1,4&nbsp;Milliarden Euro Jahresumsatz liegen könne.
 
Das Umsatzpotential ist angesichts der großen Zahl der Betroffenen ebenfalls groß und wird laut Angaben des Herstellers alleine in Deutschland auf 20.000 bis 30.000&nbsp;Tuben des Präparates geschätzt. Der Düsseldorfer Apotheker Thomas Rasche wird mit der Ansicht zitiert, dass das Marktpotential bei einem angenommenen Verbrauch von 100&nbsp;Gramm pro Patient und Monat bei knapp 1,4&nbsp;Milliarden Euro Jahresumsatz liegen könne.
Zeile 55: Zeile 55:  
Regividerm wurde mit einer wirksamen und zeitlich optimalen Dreifachstrategie vermarktet, die auf zwei Erwähnungen im ARD-Fernsehen (19./21.&nbsp;Oktober 2009. Talkshow ''Sind wir Versuchskaninchen der Pharmaindustrie?'')<ref>Sendung ''hart aber fair'', Talkshow mit dem Titel: "Sind wir Versuchskaninchen der Pharmaindustrie?", ARD 21.&nbsp;Oktober 2009</ref> einem unkritisch-werbeähnlichen Dokumentarfilm, der in der ARD zur Prime-time gezeigt wurde (''Heilung unerwünscht – Wie Pharmakonzerne ein Medikament verhindern'')<ref>Dokumentarfilm ''Heilung unerwünscht – Wie Pharmakonzerne ein Medikament verhindern'', gesendet in der ARD am 19.&nbsp;Oktober 2009 um 21:00&nbsp;Uhr. Geplante weitere Aussendungen bei Phoenix am 23.&nbsp;Oktober 2009 um 22:00&nbsp;Uhr und am 24.&nbsp;Oktober 2009 um 10:00&nbsp;Uhr und 1Extra am 24.&nbsp;Oktober 2009 um 17:00&nbsp;Uhr und am 4.&nbsp;November 2009 um 20:15&nbsp;Uhr eine Ein­stun­den­ver­sion des Films. Der Film wird am 30.&nbsp;November 2009 um 22:00&nbsp;Uhr im WDR Fernsehen in der Reihe "die story" wiederholt.</ref>, und einem gleichzeitig veröffentlichten Buch basierte, in dem das Medizinprodukt fälschlich als ''Medikament'' bezeichnet wird. Punktgenau zur Markteinführung im November 2009 wurde die öffentlich-rechtlich informierte Zielgruppe der etwa 5&nbsp;bis 8&nbsp;Millionen von Neurodermitis und Schuppenflechte Betroffenen von dem angeblich neuen Mittel umsonst vorab informiert und diesem das Buch des Filmautors und Medizinlaien Klaus Martens (WDR: ''Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Wirtschaftsthemen'') zum Thema an prominenter Stelle im Fernsehen und Internet präsentiert. Das Martens-Werk erklomm in der Folge Platz&nbsp;2 in der Amazon-Bestseller-Hitparade und landete noch vor Nobelpreisträgerin Herta Müller (<ref>http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/488768</ref> siehe auch Bild links, als das Buch allerdings noch auf Platz&nbsp;3 war).
 
Regividerm wurde mit einer wirksamen und zeitlich optimalen Dreifachstrategie vermarktet, die auf zwei Erwähnungen im ARD-Fernsehen (19./21.&nbsp;Oktober 2009. Talkshow ''Sind wir Versuchskaninchen der Pharmaindustrie?'')<ref>Sendung ''hart aber fair'', Talkshow mit dem Titel: "Sind wir Versuchskaninchen der Pharmaindustrie?", ARD 21.&nbsp;Oktober 2009</ref> einem unkritisch-werbeähnlichen Dokumentarfilm, der in der ARD zur Prime-time gezeigt wurde (''Heilung unerwünscht – Wie Pharmakonzerne ein Medikament verhindern'')<ref>Dokumentarfilm ''Heilung unerwünscht – Wie Pharmakonzerne ein Medikament verhindern'', gesendet in der ARD am 19.&nbsp;Oktober 2009 um 21:00&nbsp;Uhr. Geplante weitere Aussendungen bei Phoenix am 23.&nbsp;Oktober 2009 um 22:00&nbsp;Uhr und am 24.&nbsp;Oktober 2009 um 10:00&nbsp;Uhr und 1Extra am 24.&nbsp;Oktober 2009 um 17:00&nbsp;Uhr und am 4.&nbsp;November 2009 um 20:15&nbsp;Uhr eine Ein­stun­den­ver­sion des Films. Der Film wird am 30.&nbsp;November 2009 um 22:00&nbsp;Uhr im WDR Fernsehen in der Reihe "die story" wiederholt.</ref>, und einem gleichzeitig veröffentlichten Buch basierte, in dem das Medizinprodukt fälschlich als ''Medikament'' bezeichnet wird. Punktgenau zur Markteinführung im November 2009 wurde die öffentlich-rechtlich informierte Zielgruppe der etwa 5&nbsp;bis 8&nbsp;Millionen von Neurodermitis und Schuppenflechte Betroffenen von dem angeblich neuen Mittel umsonst vorab informiert und diesem das Buch des Filmautors und Medizinlaien Klaus Martens (WDR: ''Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Wirtschaftsthemen'') zum Thema an prominenter Stelle im Fernsehen und Internet präsentiert. Das Martens-Werk erklomm in der Folge Platz&nbsp;2 in der Amazon-Bestseller-Hitparade und landete noch vor Nobelpreisträgerin Herta Müller (<ref>http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/488768</ref> siehe auch Bild links, als das Buch allerdings noch auf Platz&nbsp;3 war).
   −
Der Schweizer Tagesanzeiger berichtet über den Zeitpunkt des Erwerbs der Vertriebsrechte durch Hersteller Mavena: ''"Mavena erwarb erst im September die Vertriebsrechte, wie Klaus Sippel, Verwaltungsratspräsident der Muttergesellschaft Salt of Life International, auf Anfrage von Tagesanzeiger.ch/Newsnetz sagt"''.<ref>Tagesanzeiger vom 22.&nbsp;Oktober 2009 [http://www.tagesanzeiger.ch/wissen/medizin-und-psychologie/Ein-Wundermittel-loest-einen-Streit-aus/story/13145754]</ref> Auch einem Bericht von Spiegel Online zufolge waren sich die Mavena AG und die Regeneratio Pharma GmbH bereits im September handelseinig.<ref name="spon24">http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/0,1518,657070,00.html</ref> Nur drei Tage nach der ersten ARD-Sendung zu Regividerm präsentierte der Hersteller die fertige Verpackung des Mittels, es erscheint daher sehr zweifelhaft, dass der angeblich ein Jahr lang recherchierende Autor Martens dies nicht wusste. Nichtsdestotrotz äußerte sich Martens nach der Fernsehsendung auf einer Webseite des WDR mit einem offenen Brief: ''"Der Eigentümer der Patentrechte versucht jetzt, mit Hilfe eines Geschäftspartners, den er bereits gefunden hat, die B12-Creme unter der Bezeichnung "Regividerm" in eigener Regie auf den Markt zu bringen."'' Martens erklärt das zeitliche Zusammentreffen als Zufall, da der Film schon längere Zeit fertiggestellt war und auf einen Sendeplatz wartete.<ref name="spon24"/>
+
Der Schweizer Tagesanzeiger berichtet über den Zeitpunkt des Erwerbs der Vertriebsrechte durch Hersteller Mavena: ''"Mavena erwarb erst im September die Vertriebsrechte, wie Klaus Sippel, Verwaltungsratspräsident der Muttergesellschaft Salt of Life International, auf Anfrage von Tagesanzeiger.ch/Newsnetz sagt"''.<ref>Tagesanzeiger vom 22.&nbsp;Oktober 2009 [http://www.tagesanzeiger.ch/wissen/medizin-und-psychologie/Ein-Wundermittel-loest-einen-Streit-aus/story/13145754]</ref> Auch einem Bericht von Spiegel Online zufolge waren sich die Mavena AG und die Regeneratio Pharma GmbH bereits im September handelseinig.<ref name=%26quot%3Bspon24%26quot%3B%26gt%3Bhttp%3A%2F%2Fwww%2Espiegel%2Ede%2Fwissenschaft%2Fmedizin%2F0%2C1518%2C657070%2C00%2Ehtml%26lt%3B%2Fref%26gt%3B Nur drei Tage nach der ersten ARD-Sendung zu Regividerm präsentierte der Hersteller die fertige Verpackung des Mittels, es erscheint daher sehr zweifelhaft, dass der angeblich ein Jahr lang recherchierende Autor Martens dies nicht wusste. Nichtsdestotrotz äußerte sich Martens nach der Fernsehsendung auf einer Webseite des WDR mit einem offenen Brief: ''"Der Eigentümer der Patentrechte versucht jetzt, mit Hilfe eines Geschäftspartners, den er bereits gefunden hat, die B12-Creme unter der Bezeichnung "Regividerm" in eigener Regie auf den Markt zu bringen."'' Martens erklärt das zeitliche Zusammentreffen als Zufall, da der Film schon längere Zeit fertiggestellt war und auf einen Sendeplatz wartete.<ref name=%26quot%3Bspon24%26quot%3B%2F%26gt%3B
    
Eine Thematisierung von Regividerm in der Sendung ''hart aber fair'' vom 21.&nbsp;Oktober erfolgte auf Wunsch des Moderators Plasberg, ein weiteres Mal konnte Autor Klaus Martens Gratiswerbung für sein Buch machen. Eine gleichermaßen effektive Aufklärung über alternative Mittel oder physikalische Therapien oder andere Maßnahmen bei den genannten Erkrankungen unterblieb. Der gebührenzahlende Fernsehzuschauer kann sich hier nur über die Gratiswerbung zur besten Sendezeit wundern.
 
Eine Thematisierung von Regividerm in der Sendung ''hart aber fair'' vom 21.&nbsp;Oktober erfolgte auf Wunsch des Moderators Plasberg, ein weiteres Mal konnte Autor Klaus Martens Gratiswerbung für sein Buch machen. Eine gleichermaßen effektive Aufklärung über alternative Mittel oder physikalische Therapien oder andere Maßnahmen bei den genannten Erkrankungen unterblieb. Der gebührenzahlende Fernsehzuschauer kann sich hier nur über die Gratiswerbung zur besten Sendezeit wundern.
Zeile 72: Zeile 72:     
==Rezeption der Regividerm-Vermarktung==
 
==Rezeption der Regividerm-Vermarktung==
Die Regividerm-Vermarktungsstrategie stieß auf Kritik. Siegfried Throm, Geschäftsführer des Verbands forschender Pharmaunternehmen, sprach in der Sendung ''hart aber fair'' vom 21.&nbsp;Oktober 2009 von einem "genialen Marketing-Coup". Beda Stadler, Direktor des Instituts für Immunologie an der Universität Bern äußerte sich spontan in der Sendung mit den Worten ''"Ein bisschen Avocadoöl mit etwas Vitaminen drin kann diese schweren Krankheiten nicht kurieren. Das ist Betrug. Neurodermitis und Schuppenflechte können nicht geheilt werden"''. Den Doku-Film über die Entstehungsgeschichte verurteilt er: ''"Wenn man anfängt, auf diese Art Wundermittel zu promovieren, spielt man mit den Hoffnungen der Patienten."'' Eine angebliche Wirkung ohne Nebenwirkungen bezeichnete er als ''"verlässliches Warnsignal, wenn jemand versucht, andere Menschen über den Tisch zu ziehen."''<ref name="hpd8050">
+
Die Regividerm-Vermarktungsstrategie stieß auf Kritik. Siegfried Throm, Geschäftsführer des Verbands forschender Pharmaunternehmen, sprach in der Sendung ''hart aber fair'' vom 21.&nbsp;Oktober 2009 von einem "genialen Marketing-Coup". Beda Stadler, Direktor des Instituts für Immunologie an der Universität Bern äußerte sich spontan in der Sendung mit den Worten ''"Ein bisschen Avocadoöl mit etwas Vitaminen drin kann diese schweren Krankheiten nicht kurieren. Das ist Betrug. Neurodermitis und Schuppenflechte können nicht geheilt werden"''. Den Doku-Film über die Entstehungsgeschichte verurteilt er: ''"Wenn man anfängt, auf diese Art Wundermittel zu promovieren, spielt man mit den Hoffnungen der Patienten."'' Eine angebliche Wirkung ohne Nebenwirkungen bezeichnete er als ''"verlässliches Warnsignal, wenn jemand versucht, andere Menschen über den Tisch zu ziehen."''<ref name=%26quot%3Bhpd8050%26quot%3B%26gt%3B
    
Am 22.&nbsp;Oktober 2009 meldete sich auch Thomas Schwennesen, der erste Vorsitzender des Deutschen Neurodermitis Bundes, mit einer Pressemeldung ''Wirbel um Regividerm'' zum Thema. In der Stellungnahme sprach Schwennesen im Zusammenhang mit der ARD von einer "völlig kritiklosen PR-Aktionen", und ''"Es ist eine Schande und blanker Zynismus, dass die PR-Einführung eines normalen Hautpflege-Produktes sich der Pharmaschelte als Aufhänger für eigene Geschäfte bedient [...] Beide Erkrankungen haben verschiedene medizinische Therapieansätze sind aber nicht heilbar. Die dargestellte Produktmischung soll nun das alles auch noch ohne Nebenwirkungen schaffen. Pharmakologisch ist die Äußerung unhaltbar, dass ein Produkt wirkt ohne jegliche Nebenwirkung. Die ARD hat mit diesem Beitrag den etwa fünf Millionen Neurodermitikern einen Bärendienst erwiesen und sich selbst journalistisch ins Abseits gestellt.''"<ref>Deutscher Neurodermitis Bund&nbsp;e.V., Thomas Schwennesen, 1.&nbsp;Vorsitzender, Baumkamp&nbsp;18, 22299&nbsp;Hamburg. www.neurodermitis-bund.de. Veröffentlicht von pressrelations: [http://www.pressrelations.de/new/standard/result_main.cfm?r=387661&aktion=jour_pm&quelle=1&utm_source=eurasier1]</ref>
 
Am 22.&nbsp;Oktober 2009 meldete sich auch Thomas Schwennesen, der erste Vorsitzender des Deutschen Neurodermitis Bundes, mit einer Pressemeldung ''Wirbel um Regividerm'' zum Thema. In der Stellungnahme sprach Schwennesen im Zusammenhang mit der ARD von einer "völlig kritiklosen PR-Aktionen", und ''"Es ist eine Schande und blanker Zynismus, dass die PR-Einführung eines normalen Hautpflege-Produktes sich der Pharmaschelte als Aufhänger für eigene Geschäfte bedient [...] Beide Erkrankungen haben verschiedene medizinische Therapieansätze sind aber nicht heilbar. Die dargestellte Produktmischung soll nun das alles auch noch ohne Nebenwirkungen schaffen. Pharmakologisch ist die Äußerung unhaltbar, dass ein Produkt wirkt ohne jegliche Nebenwirkung. Die ARD hat mit diesem Beitrag den etwa fünf Millionen Neurodermitikern einen Bärendienst erwiesen und sich selbst journalistisch ins Abseits gestellt.''"<ref>Deutscher Neurodermitis Bund&nbsp;e.V., Thomas Schwennesen, 1.&nbsp;Vorsitzender, Baumkamp&nbsp;18, 22299&nbsp;Hamburg. www.neurodermitis-bund.de. Veröffentlicht von pressrelations: [http://www.pressrelations.de/new/standard/result_main.cfm?r=387661&aktion=jour_pm&quelle=1&utm_source=eurasier1]</ref>
23.054

Bearbeitungen