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Das Coimbra-Protokoll ist als solches nicht öffentlich genau beschrieben oder publiziert. Hier kann vermutet werden, dass für diesen in der Medizin unüblichen Umstand geschäftliche Gründe eine Rolle spielen. Dennoch lässt sich aus mehreren Quellen die Methode rekonstruieren.
Das Coimbra-Protokoll ist als solches nicht öffentlich genau beschrieben oder publiziert. Hier kann vermutet werden, dass für diesen in der Medizin unüblichen Umstand geschäftliche Gründe eine Rolle spielen. Dennoch lässt sich aus mehreren Quellen die Methode rekonstruieren.
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Die Patienten müssen zunächst ihren Parathormonspiegel im Blut bestimmen lassen. Das [https://de.wikipedia.org/wiki/Parathormon Parathormon (PTH)] ist ein Hormon, welches den Kalziumspiegel reguliert. Die Freisetzung von PTH wird von Vitamin D gehemmt, sodass der PTH-Spiegel als Indikator für die biologische Aktivität von Vitamin D genutzt wird. Das Messergebnis ist sodann ausschlaggebend für die täglich einzunehmende Menge an Vitamin D. Täglich sollen bis zu 200.000 IE eingenommen werden (20.000 bis 200.000 IE), was üblicher Weise als "ultrahohe Dosierung" bezeichnet wird. Eine Internationale Einheit IE oder IU entspricht dabei 200 µg, 1 µg entspricht 40 I.E) Nach Angaben der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft ([https://www.dmsg.de DMSG]) sollen allerdings im Rahmen des Coimbra-Protokolls nur bis zu 60.000 IE eingenommen werden.<ref>https://www.dmsg.de/multiple-sklerose-news/ms-therapien/hochdosiertes-vitamin-d-als-zusatztherapie-in-der-behandlung-der-multiplen-sklerose-ein-update/</ref> Eine andere Quelle nennt einen Wert von 1000 Einheiten pro Kilogramm Körpergewicht. Ziel ist offenbar ein Blutspiegel von 375 nmol/l für Vitamin D, ein Wert, der weit über üblichen Werten der allgemeinen Bevölkerung von 30 – 150 ng/l liegt (Unterversorgung: <50-80 ng/l, Mangel bei <10 ng/l). ([https://www.dge.de/uploads/media/DGE-Pressemeldung-aktuell-01-2012-Vitamin-D.pdf Vitamin D - Referenzwerte der DGE mit Stand 2012]) Es gibt Berichte über Werte von 400 bis 4000 nmol/l unter dieser Therapie. Der PTH-Spiegel soll durch die Einnahme von Vitamin D auf einen Wert nahe an der unteren Grenze des Normalbereichs eingestellt werden. Das ist jedoch ein Wert, der mitunter erst bei toxischen Dosen von Vitamin D erreicht wird. (Wegen fehlender Veröffentlichung des Protokolls sind sämtlichen Angaben zur Methode ungenau) Zusätzlich muss eine spezielle Kalzium-arme Diät eingehalten werden. Auf Milchprodukte soll verzichtet werden und viel Wasser getrunken werden. Die MS-Patinten sollen zudem Sport treiben, um einem therapiebedingten Knochenabbau und Osteoporose entgegen zu wirken. Auch sollen sich die Behandelten viel in der Sonne aufhalten. Die hohen Vitamin-D-Einnahmen sollen nach Coimbra zu einer Heilung der Multiplen Sklerose führen, ein derzeit nicht realisierbares Therapieziel in der Medizin. Wegen der möglichen toxischen Wirkungen von Vitamin D und einem zu hohen Kalziumspiegel im Blut sind häufigere Kontrollen durch Ärzte notwendig, insbesondere wegen der Gefahr von Knochenbrüchen.
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Die Patienten müssen zunächst ihren Parathormonspiegel im Blut bestimmen lassen. Das [https://de.wikipedia.org/wiki/Parathormon Parathormon (PTH)] ist ein Hormon, welches den Kalziumspiegel reguliert. Die Freisetzung von PTH wird von Vitamin D gehemmt, sodass der PTH-Spiegel als Indikator für die biologische Aktivität von Vitamin D genutzt wird. Das Messergebnis ist sodann ausschlaggebend für die täglich einzunehmende Menge an Vitamin D. Täglich sollen bis zu 200.000 IE eingenommen werden (20.000 bis 200.000 IE), was üblicherweise als "ultrahohe Dosierung" bezeichnet wird. Eine Internationale Einheit IE oder IU entspricht dabei 200 µg, 1 µg entspricht 40 I.E) Nach Angaben der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft ([https://www.dmsg.de DMSG]) sollen allerdings im Rahmen des Coimbra-Protokolls nur bis zu 60.000 IE eingenommen werden.<ref>https://www.dmsg.de/multiple-sklerose-news/ms-therapien/hochdosiertes-vitamin-d-als-zusatztherapie-in-der-behandlung-der-multiplen-sklerose-ein-update/</ref> Eine andere Quelle nennt einen Wert von 1000 Einheiten pro Kilogramm Körpergewicht. Ziel ist offenbar ein Blutspiegel von 375 nmol/l für Vitamin D, ein Wert, der weit über üblichen Werten der allgemeinen Bevölkerung von 30 – 150 ng/l liegt (Unterversorgung: <50-80 ng/l, Mangel bei <10 ng/l). ([https://www.dge.de/uploads/media/DGE-Pressemeldung-aktuell-01-2012-Vitamin-D.pdf Vitamin D - Referenzwerte der DGE mit Stand 2012]) Es gibt Berichte über Werte von 400 bis 4000 nmol/l unter dieser Therapie. Der PTH-Spiegel soll durch die Einnahme von Vitamin D auf einen Wert nahe an der unteren Grenze des Normalbereichs eingestellt werden. Das ist jedoch ein Wert, der mitunter erst bei toxischen Dosen von Vitamin D erreicht wird. (Wegen fehlender Veröffentlichung des Protokolls sind sämtlichen Angaben zur Methode ungenau) Zusätzlich muss eine spezielle Kalzium-arme Diät eingehalten werden. Auf Milchprodukte soll verzichtet werden und viel Wasser getrunken werden. Die MS-Patinten sollen zudem Sport treiben, um einem therapiebedingten Knochenabbau und Osteoporose entgegen zu wirken. Auch sollen sich die Behandelten viel in der Sonne aufhalten. Die hohen Vitamin-D-Einnahmen sollen nach Coimbra zu einer Heilung der Multiplen Sklerose führen, ein derzeit nicht realisierbares Therapieziel in der Medizin. Wegen der möglichen toxischen Wirkungen von Vitamin D und einem zu hohen Kalziumspiegel im Blut sind häufigere Kontrollen durch Ärzte notwendig, insbesondere wegen der Gefahr von Knochenbrüchen.
Zu Behandlungsbeginn soll angeblich eine höhere Dosierung für die Dauer von zwei Monaten gewählt werden. Eine Kombination mit herkömmlichen Therapie sei möglich, heißt es aus Kreisen von Befürwortern.
Zu Behandlungsbeginn soll angeblich eine höhere Dosierung für die Dauer von zwei Monaten gewählt werden. Eine Kombination mit herkömmlichen Therapie sei möglich, heißt es aus Kreisen von Befürwortern.
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Im Gegensatz dazu wird beim so genannten [[Marshall-Protokoll]] nach Trevor G. Marshall auf Vitamin D verzichtet. Während seiner Zeit als Dozent für Elektrotechnik machte Marshall die Beobachtung, dass sich seine Sarkoidose unter Sonnenbestrahlung verschlechterte. Er begann sich daher für die Rolle des Vitamin D zu interessieren, welches als Vitamin D3 (Cholecalciferol) nach Sonnenbestrahlung in der Haut des menschlichen Körpers durch die UV-Strahlung der Sonne gebildet wird. 2001 interessierte sich Marshall für eine Theorie, nach der eine Sarkoidose bei gleichzeitiger Infektion oder Besiedelung durch Bakterien der Art ''[https://de.wikipedia.org/wiki/Rickettsien Rickettsia] helvetica'' vorkomme. Rickettsien sind nach ihrem Entdecker Howard Taylor Ricketts benannt und haben nichts mit [https://de.wikipedia.org/wiki/Rachitis Rachitis] (engl. "rickets") zu tun, die bei Vitamin D-Mangel entstehen kann. 2004 formulierte Marshall eine Hypothese, nach der Autoimmunerkrankungen (und so genannte "Th1 - Erkrankungen") durch eine Fehlregulierung des Vitamin D bedingt seien und sich in Folge bestimmte Bakterien im menschlichen Körper vermehrten. Er entwickelte aus seiner Hypothese das Marshall-Protokoll zur Behandlung. Das Protokoll sieht die Eliminierung sämtlicher Vitamin D-Zufuhr vor. Vermieden werde solle Sonnenbestrahlung sowie intensive Lichtbestrahlung. Hinzu kommt eine niedrig dosierte Antibiotikabehandlung.
Im Gegensatz dazu wird beim so genannten [[Marshall-Protokoll]] nach Trevor G. Marshall auf Vitamin D verzichtet. Während seiner Zeit als Dozent für Elektrotechnik machte Marshall die Beobachtung, dass sich seine Sarkoidose unter Sonnenbestrahlung verschlechterte. Er begann sich daher für die Rolle des Vitamin D zu interessieren, welches als Vitamin D3 (Cholecalciferol) nach Sonnenbestrahlung in der Haut des menschlichen Körpers durch die UV-Strahlung der Sonne gebildet wird. 2001 interessierte sich Marshall für eine Theorie, nach der eine Sarkoidose bei gleichzeitiger Infektion oder Besiedelung durch Bakterien der Art ''[https://de.wikipedia.org/wiki/Rickettsien Rickettsia] helvetica'' vorkomme. Rickettsien sind nach ihrem Entdecker Howard Taylor Ricketts benannt und haben nichts mit [https://de.wikipedia.org/wiki/Rachitis Rachitis] (engl. "rickets") zu tun, die bei Vitamin D-Mangel entstehen kann. 2004 formulierte Marshall eine Hypothese, nach der Autoimmunerkrankungen (und so genannte "Th1 - Erkrankungen") durch eine Fehlregulierung des Vitamin D bedingt seien und sich in Folge bestimmte Bakterien im menschlichen Körper vermehrten. Er entwickelte aus seiner Hypothese das Marshall-Protokoll zur Behandlung. Das Protokoll sieht die Eliminierung sämtlicher Vitamin D-Zufuhr vor. Vermieden werde solle Sonnenbestrahlung sowie intensive Lichtbestrahlung. Hinzu kommt eine niedrig dosierte Antibiotikabehandlung.
==Warnungen vor unerwünschte Wirkungen von hochdosiertem Vitamin D==
==Warnungen vor unerwünschte Wirkungen von hochdosiertem Vitamin D==
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Eine chronische Überdosierung von Vitamin D kann bekanntlich zu Herzrhythmusstörungen und Nierenschädigungen führen. Der Giftnotruf Erfurt (Thüringen) berichtet 2022 über mehr Anrufen wegen Vitamin D - Hochdosis Einnahmen. Das Giftinformationszentrum in Erfurt wird von den Bundesländern Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam betrieben. Mit Stand von Dezember 2022 berichtet der Giftnotruf über 162 derartige Fälle und damit 31 mehr als 2021. Auf der Rangliste der bei den Anrufen am häufigsten betroffenen Arzneimittel sei Vitamin D von Platz 69 im vergangenen Jahr 2021 auf Platz 17 für 2022 vorgerückt. Vermutet wird ein Zusammenhang mit der Coronaviruspandemie, und der Auffassung, dass Vitamin D besser vor Infektionen schütze. Laut Giftnotruf Erfurt sei eine einmalige Überdosierung relativ ungefährlich. ''"Das wird zum Problem, wenn man das jeden Tag machen würde"'', sagte die Apothekerin Prasa. Eine chronische Überdosierung führe dazu, dass der Kalziumspiegel im Blut ansteige und das ziehe weitere Folgen nach sich. So könne es zu Herzrhythmusstörungen kommen und auch Nierenschädigungen seien möglich.
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Eine chronische Überdosierung von Vitamin D kann bekanntlich zu Herzrhythmusstörungen und Nierenschädigungen führen. Der Giftnotruf Erfurt (Thüringen) berichtet 2022 über mehr Anrufen wegen Vitamin D - Hochdosis Einnahmen. Das Giftinformationszentrum in Erfurt wird von den Bundesländern Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam betrieben. Mit Stand von Dezember 2022 berichtet der Giftnotruf über 162 derartige Fälle und damit 31 mehr als 2021. Auf der Rangliste der bei den Anrufen am häufigsten betroffenen Arzneimittel sei Vitamin D von Platz 69 im vergangenen Jahr 2021 auf Platz 17 für 2022 vorgerückt. Vermutet wird ein Zusammenhang mit der Coronaviruspandemie, und der Auffassung, dass Vitamin D besser vor Infektionen schütze. Laut Giftnotruf Erfurt sei eine einmalige Überdosierung relativ ungefährlich. ''"Das wird zum Problem, wenn man das jeden Tag machen würde"'', sagte die Apothekerin Dagmar Prasa vom Giftnotruf Erfurt. Eine chronische Überdosierung führe dazu, dass der Kalziumspiegel im Blut ansteige und das ziehe weitere Folgen nach sich. So könne es zu Herzrhythmusstörungen kommen und auch Nierenschädigungen seien möglich.<ref>https://www.pharmazeutische-zeitung.de/mehr-anfragen-wegen-ueberdosierung-von-vitamin-d-137382/</ref>
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt davor, eigenständig Vitamin-D-Präparate einzunehmen. Die Experten raten dazu, höhere Dosierungen nur unter ärztlicher Kontrolle vorzunehmen.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt davor, eigenständig Vitamin-D-Präparate einzunehmen. Die Experten raten dazu, höhere Dosierungen nur unter ärztlicher Kontrolle vorzunehmen.