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[[Datei:Chiemgau-Impakt Streufeld.jpg|angebliches Streufeld der Einschläge. Diese Schautafel stammt aus dem Museum des Vereins CIRT in Grabenstätt (Bild: CIRT)|thumb|320px]]
 
[[Datei:Chiemgau-Impakt Streufeld.jpg|angebliches Streufeld der Einschläge. Diese Schautafel stammt aus dem Museum des Vereins CIRT in Grabenstätt (Bild: CIRT)|thumb|320px]]
 
[[Datei:Tuettensee Chiemgau.jpg|angeblicher Einschlagsort Tüttensee (Bild: Der Spiegel<ref>https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/chiemgau-einschlag-forscher-halten-kelten-kometen-fuer-legende-a-713646.html</ref>)|thumb|320px]]
 
[[Datei:Tuettensee Chiemgau.jpg|angeblicher Einschlagsort Tüttensee (Bild: Der Spiegel<ref>https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/chiemgau-einschlag-forscher-halten-kelten-kometen-fuer-legende-a-713646.html</ref>)|thumb|320px]]
[[Datei:CIRT-Treffen.jpg|Abb. 1 Ein Gruppenfoto vom Vermittlungstreffen zwischen Mitgliedern des CIRT, Vertretern von Behörden sowie Moderatoren im Juli 2006. V.l.n.r.: Dr. Michael Rappenglück (CIRT), Prof. Dr. Egon Greipl (BLfD), Dr. Christian Soika (Kreisheimatpfleger Traunstein), Klaus Steiner – Bezirksrat (im Vordergrund) dahinter Dr. Andreas Baur (Wissenschaftsministerium), Dr. Walter Irlinger (BLfD), Dr. Thomas Goppel (Staatsminister für Wissenschaft und Kunst), Hans-Peter Matheisl (CIRT), Werner Mayer (CIRT), Prof. Dr. Dr. Kord Ernstson (CIRT)|thumb|320px]]
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[[Datei:CIRT-Treffen.jpg|Ein Gruppenfoto vom Vermittlungstreffen zwischen Mitgliedern des CIRT, Vertretern von Behörden sowie Moderatoren im Juli 2006. V.l.n.r.: Dr. Michael Rappenglück (CIRT), Prof. Dr. Egon Greipl (BLfD), Dr. Christian Soika (Kreisheimatpfleger Traunstein), Klaus Steiner – Bezirksrat (im Vordergrund) dahinter Dr. Andreas Baur (Wissenschaftsministerium), Dr. Walter Irlinger (BLfD), Dr. Thomas Goppel (Staatsminister für Wissenschaft und Kunst), Hans-Peter Matheisl (CIRT), Werner Mayer (CIRT), Prof. Dr. Dr. Kord Ernstson (CIRT)|thumb|320px]]
 
[[Datei:Chiemgau-Impakt-Forscher CIRT.jpg|CIRT-Forscher bei der Arbeit (Bild: CIRT)|thumb|320px]]
 
[[Datei:Chiemgau-Impakt-Forscher CIRT.jpg|CIRT-Forscher bei der Arbeit (Bild: CIRT)|thumb|320px]]
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Sowohl Geologen, das Landesamt für Umwelt, als auch Astronomen und Historiker sehen keinerlei Beweise für ein derartiges Ereignis im Chiemgau. Die Impakthypothese wird vor allem vom Verein ''Chiemgau Impact Research Team (CIRT)'' vertreten und war mehrfach Thema in deutschen überregionalen Medien wie "Der Spiegel" (3 mal ab 2004)<ref>Wald der Feuermurmeln, Der Spiegel, 25. Oktober 2004, [https://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/32565482 PDF-Datei]</ref><ref>https://www.spiegel.de/fotostrecke/kracher-aus-dem-all-die-theorie-vom-chiemgau-kometen-fotostrecke-22887.html</ref><ref>https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/chiemgau-einschlag-forscher-halten-kelten-kometen-fuer-legende-a-713646.html</ref> oder Welt<ref>https://www.welt.de/wissenschaft/article9174351/Fiel-den-Kelten-eine-kosmische-Bombe-auf-den-Kopf.html</ref>. Hinzu kommen Berichte im deutschen Fernsehen, beispielsweise in der Sendereihe "Terra X" des ZDF.
 
Sowohl Geologen, das Landesamt für Umwelt, als auch Astronomen und Historiker sehen keinerlei Beweise für ein derartiges Ereignis im Chiemgau. Die Impakthypothese wird vor allem vom Verein ''Chiemgau Impact Research Team (CIRT)'' vertreten und war mehrfach Thema in deutschen überregionalen Medien wie "Der Spiegel" (3 mal ab 2004)<ref>Wald der Feuermurmeln, Der Spiegel, 25. Oktober 2004, [https://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/32565482 PDF-Datei]</ref><ref>https://www.spiegel.de/fotostrecke/kracher-aus-dem-all-die-theorie-vom-chiemgau-kometen-fotostrecke-22887.html</ref><ref>https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/chiemgau-einschlag-forscher-halten-kelten-kometen-fuer-legende-a-713646.html</ref> oder Welt<ref>https://www.welt.de/wissenschaft/article9174351/Fiel-den-Kelten-eine-kosmische-Bombe-auf-den-Kopf.html</ref>. Hinzu kommen Berichte im deutschen Fernsehen, beispielsweise in der Sendereihe "Terra X" des ZDF.
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==Der Verein "Chiemgau Impact Research Team"==
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==Der Verein Chiemgau-Impakt e.V. und das "Chiemgau Impact Research Team"==
Das ''Chiemgau Impact Research Team (CIRT)'' ist eine im Jahr 2000 entstandene deutsche Gruppierung, die seit 2006 als Verein firmiert. Zu Beginn bestand die Gruppierung aus heimatkundlich interessierten Hobbyarchäologen, die bei Sondierungen mit einem Metalldetektor auf ihnen unbekannte Metallpartikel stießen. Da diese Partikel gelegentlich in muldenförmigen Geländevertiefungen zu finden waren, entstand die Idee, sie könnten Teile eines Meteoriten sein, oder durch einen Einschlag veränderte Mineralien darstellen. Dabei soll u.a. der [https://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%BCttensee Tüttensee], ein See mit ca. 400m Durchmesser mit einer teilweisen, hügeligen Umrandung (dem „Kraterwall“) entstanden sein.
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Das ''Chiemgau Impact Research Team (CIRT)'' ist eine im Jahr 2000 entstandene deutsche Gruppierung, die seit 2006 als Verein (Verein zur Förderung der Erforschung des südostbayerischen Meteoritenkrater-Streufeldes) firmiert. Zu Beginn bestand die Gruppierung aus heimatkundlich interessierten Hobbyarchäologen, die bei Sondierungen mit einem Metalldetektor auf ihnen unbekannte Metallpartikel stießen. Da diese Partikel gelegentlich in muldenförmigen Geländevertiefungen zu finden waren, entstand die Idee, sie könnten Teile eines Meteoriten sein, oder durch einen Einschlag veränderte Mineralien darstellen. Dabei soll u.a. der [https://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%BCttensee Tüttensee], ein See mit ca. 400m Durchmesser mit einer teilweisen, hügeligen Umrandung (dem „Kraterwall“) entstanden sein.
    
Die Hypothese wird auf einer Website propagiert, auf denen die verschiedenen angeblichen Belege für den Einschlag gesammelt und veröffentlicht werden. Außerdem betreibt das Team eine Vereinsseite.<ref>https://www.chiemgau-impakt.de/</ref><ref>https://verein.chiemgau-impakt.de/</ref>
 
Die Hypothese wird auf einer Website propagiert, auf denen die verschiedenen angeblichen Belege für den Einschlag gesammelt und veröffentlicht werden. Außerdem betreibt das Team eine Vereinsseite.<ref>https://www.chiemgau-impakt.de/</ref><ref>https://verein.chiemgau-impakt.de/</ref>
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Rappenglück hat Philosophie, Geschichte der Naturwissenschaften und Theologie studiert und ist Leiter der Volkshochschule Gilching bei München<ref>https://programm.vhs-gilching.org/index.php?id=51&kathaupt=213&dsnr=61&kathauptalt=222&letter=R</ref> sowie Leiter der Volkssternwarten Fürstenfeldbruck und Gilching. Seine Ehefrau Barbara Rappenglück, Historikerin und Sekretärin an der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität München, firmiert ebenfalls in einigen Veröffentlichungen des CIRT als Autorin.<ref>https://www.academia.edu/2540099/The_fall_of_Phaethon_a_Greco_Roman_geomyth_preserves_the_memory_of_a_meteorite_impact_in_Bavaria_south_east_Germany_</ref>
 
Rappenglück hat Philosophie, Geschichte der Naturwissenschaften und Theologie studiert und ist Leiter der Volkshochschule Gilching bei München<ref>https://programm.vhs-gilching.org/index.php?id=51&kathaupt=213&dsnr=61&kathauptalt=222&letter=R</ref> sowie Leiter der Volkssternwarten Fürstenfeldbruck und Gilching. Seine Ehefrau Barbara Rappenglück, Historikerin und Sekretärin an der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität München, firmiert ebenfalls in einigen Veröffentlichungen des CIRT als Autorin.<ref>https://www.academia.edu/2540099/The_fall_of_Phaethon_a_Greco_Roman_geomyth_preserves_the_memory_of_a_meteorite_impact_in_Bavaria_south_east_Germany_</ref>
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Als wissenschaftliche Beiräte des Vereins werden Prof. Dr. Roland Engfer vom Physik-Institut, Universität Zürich und Prof. Dr. Arne Friedmann vom Institut für Geographie, Universität Augsburg genannt.
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Prof. Dr. Arne Friedmann hat sich auf Nachfrage von seiner Funktion als Beirat des Vereins distanziert. Er ist Mitautor der unten zitierten Studie (2021) über eine Pollenanalyse eines Bohrkerns im Tüttensee, die einen Einschlag seit Ende der letzten Eiszeit (ca. 10.000 v.Chr.) widerlegt.
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Prof. Dr. Roland Engfer, der als weiterer wissenschaftlicher Beirat geführt wird, ist im Jahr 2021 verstorben.
    
==Öffentlichkeit und Internetveröffentlichungen==
 
==Öffentlichkeit und Internetveröffentlichungen==
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Vorsitzender des Vereins Chiemgau Impakt e.V. ist der stellvertretende Landrat des Landkreises Traunstein ''Josef Konhäuser''. Es gibt einen beschilderten „Kometenwanderweg“ rund um den Tüttensee und ein „Impakt-Museum“.<ref>https://verein.chiemgau-impakt.de/2020/05/das-virtuelle-impakt-museum-grabenstaett/</ref>
 
Vorsitzender des Vereins Chiemgau Impakt e.V. ist der stellvertretende Landrat des Landkreises Traunstein ''Josef Konhäuser''. Es gibt einen beschilderten „Kometenwanderweg“ rund um den Tüttensee und ein „Impakt-Museum“.<ref>https://verein.chiemgau-impakt.de/2020/05/das-virtuelle-impakt-museum-grabenstaett/</ref>
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Das Thema des hypothetischen Chiemgau-Impakt führte zu Artikeln in mehreren Wiki-Projekten. Zum Thema liegt ein Artikel im deutschsprachigen Gemeinschaftsprojekt Wikipedia vor.<ref>https://de.wikipedia.org/wiki/Chiemgau-Einschlag</ref> Die Passauer Neue Presse legte im Regiowiki gleich zwei Artikel an, die das Thema scheinbar gleichwertig aus einer Pro- und einer Contra-Sicht behandeln. Allerdings wird der Pro-Artikel dabei nicht explizit als Sicht der Befürworter dargestellt<ref>https://regiowiki.pnp.de/wiki/Chiemgau_Impakt</ref>, und die Kritik an der Hypothese als "Stellungnahme des LFU" dargestellt.<ref>https://regiowiki.pnp.de/wiki/Chiemgau_Impakt_(Stellungnahmen_des_LfU)</ref>
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Das Thema des hypothetischen Chiemgau-Impakt führte zu Artikeln in mehreren Wiki-Projekten. Zum Thema liegt ein Artikel im deutschsprachigen Gemeinschaftsprojekt Wikipedia vor.<ref>https://de.wikipedia.org/wiki/Chiemgau-Einschlag</ref> Im ''RegioWiki Niederbayern'' bestehen zwei Artikel, die das Thema scheinbar gleichwertig aus einer Pro- und einer Contra-Sicht behandeln. Allerdings wird der Pro-Artikel dabei nicht explizit als Sicht der Befürworter dargestellt<ref>https://www.niederbayern-wiki.de/wiki/Chiemgau_Impakt</ref>, und die Kritik an der Hypothese als "Stellungnahme des LfU" dargestellt.<ref>https://www.niederbayern-wiki.de/wiki/Chiemgau_Impakt_(Stellungnahmen_des_LfU)</ref>
    
Das Projekt [[Atlantis]]forschung legte einen befürwortenden Artikel an, in dem Kritik an der Hypothese herabwertend als "neoscholastisch" (nicht zu verwechseln mit Neuscholastik) bezeichnet wird. Für den zuvor undefinierten Begriff Neoscholastik musste Atlantisforschung einen eigenen Erklärartikel anlegen.<ref>https://atlantisforschung.de/index.php?title=Neo-Scholastik</ref> Auch das Projekt Pluspedia legte zwei Artikel an, die den Eindruck hinterlassen sollen, es gebe zwei gleichwertige Ansichten zum Thema eines Chiemgau-Impakts. Der Islamgegner und ehemalige Wikipedia-Autor Michael Kühntopf, der alleine das "Jew-Wiki" betreibt, legte einen entsprechenden Artikel zu einem Chiemgau Impakt an. Im Projekt Signs of the Times ([[Sott.net]]) findet sich ein befürwortender Artikel zum hypothetischen Chiemgau Impakt.
 
Das Projekt [[Atlantis]]forschung legte einen befürwortenden Artikel an, in dem Kritik an der Hypothese herabwertend als "neoscholastisch" (nicht zu verwechseln mit Neuscholastik) bezeichnet wird. Für den zuvor undefinierten Begriff Neoscholastik musste Atlantisforschung einen eigenen Erklärartikel anlegen.<ref>https://atlantisforschung.de/index.php?title=Neo-Scholastik</ref> Auch das Projekt Pluspedia legte zwei Artikel an, die den Eindruck hinterlassen sollen, es gebe zwei gleichwertige Ansichten zum Thema eines Chiemgau-Impakts. Der Islamgegner und ehemalige Wikipedia-Autor Michael Kühntopf, der alleine das "Jew-Wiki" betreibt, legte einen entsprechenden Artikel zu einem Chiemgau Impakt an. Im Projekt Signs of the Times ([[Sott.net]]) findet sich ein befürwortender Artikel zum hypothetischen Chiemgau Impakt.
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Darüber hinaus hat das CIRT in einer chinesischen und einer russischen Zeitschrift (''Journal of Siberian Federal University'', ohne Peer-Review) Artikel platziert oder in "Astronomical Society of the Pacific". Bei einigen geologischen Fachtagungen wurden Poster – die keiner Peer-Review unterliegen - eingereicht. Das eigentliche Publikationsmedium ist jedoch die eigene Homepage, auf der keine Kommentierung durch Außenstehende möglich ist.<ref>https://www.chiemgau-impakt.de</ref>
 
Darüber hinaus hat das CIRT in einer chinesischen und einer russischen Zeitschrift (''Journal of Siberian Federal University'', ohne Peer-Review) Artikel platziert oder in "Astronomical Society of the Pacific". Bei einigen geologischen Fachtagungen wurden Poster – die keiner Peer-Review unterliegen - eingereicht. Das eigentliche Publikationsmedium ist jedoch die eigene Homepage, auf der keine Kommentierung durch Außenstehende möglich ist.<ref>https://www.chiemgau-impakt.de</ref>
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Die Fundorte der angeblichen Krater aus dem „Streufeld“ des Kometen werden in der Regel nicht veröffentlicht, so dass dort keine Überprüfung durch andere Wissenschaftler stattfinden kann. In vielen Fällen handelt es sich also bei den „Belegen” um reine Behauptungen.  
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Die angeblichen Einschlagsspuren aus dem „Streufeld“ des Kometen werden häufig durch Aufnahmen aus den Reliefkarten des Bayernatlas "belegt", indem Bodenvertiefungen unklarer Genese ohne weitere Untersuchung als Krater eingestuft werden.
    
Auch eine Überprüfung der gefundenen Mineralien durch andere Wissenschaftler kann nicht bzw. nur anhand der auf der Vereinshomepage veröffentlichten Fotos stattfinden.  
 
Auch eine Überprüfung der gefundenen Mineralien durch andere Wissenschaftler kann nicht bzw. nur anhand der auf der Vereinshomepage veröffentlichten Fotos stattfinden.  
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In der Fachwelt stößt die These eines Meteoriteneinschlags auf einstimmige Ablehnung. Sowohl Geologen, das Landesamt für Umwelt,  als auch Astronomen und Historiker sehen keinerlei Beweise für einen Impakt. Bereits 2006 veröffentlichte eine Gruppe von über 20 international führenden Wissenschaftlern auf dem Gebiet der Impaktforschung unter Führung des Museums für Naturkunde in Berlin eine Erklärung, welche die Theorie eines CI eindeutig zurückwies.<ref>Gesine Steiner: Vermeintlicher Einschlag eines Kometen im Chiemgau entbehrt wissenschaftlicher Grundlage. Presseerklärung des Museums für Naturkunde, Berlin, 21. November 2006</ref><ref>U. Reimold u. a.: Vermeintlicher Einschlag eines Kometen im Chiemgau entbehrt wissenschaftlicher Grundlage. ([http://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/download;jsessionid=4ACC6B96F149C80E0925DAC9C9273C14?doi=10.1.1.624.8300&rep=rep1&type=pdf PDF-Datei]; 77 kB)  
 
In der Fachwelt stößt die These eines Meteoriteneinschlags auf einstimmige Ablehnung. Sowohl Geologen, das Landesamt für Umwelt,  als auch Astronomen und Historiker sehen keinerlei Beweise für einen Impakt. Bereits 2006 veröffentlichte eine Gruppe von über 20 international führenden Wissenschaftlern auf dem Gebiet der Impaktforschung unter Führung des Museums für Naturkunde in Berlin eine Erklärung, welche die Theorie eines CI eindeutig zurückwies.<ref>Gesine Steiner: Vermeintlicher Einschlag eines Kometen im Chiemgau entbehrt wissenschaftlicher Grundlage. Presseerklärung des Museums für Naturkunde, Berlin, 21. November 2006</ref><ref>U. Reimold u. a.: Vermeintlicher Einschlag eines Kometen im Chiemgau entbehrt wissenschaftlicher Grundlage. ([http://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/download;jsessionid=4ACC6B96F149C80E0925DAC9C9273C14?doi=10.1.1.624.8300&rep=rep1&type=pdf PDF-Datei]; 77 kB)  
 
Voller Wortlaut der Presseerklärung des Museums für Naturkunde, Berlin, 21. November 2006</ref>
 
Voller Wortlaut der Presseerklärung des Museums für Naturkunde, Berlin, 21. November 2006</ref>
Die Forschergruppe erklärte, dass keines der Kriterien zum Nachweis eines Meteoriteneinschlags erfüllt ist. Eswurde festgestellt, dass „trotz Mangels an Beweisen und fehlender Dokumentation in wissenschaftlichen Fachzeitschriften […] die ‚Chiemgau Impakt-Theorie‘ in den Medien sehr einseitig publik gemacht worden“ sei. Deshalb werde „die Herkunft der Krater durch den Einschlag eines Kometen eindeutig zurückgewiesen.“<ref>https://idw-online.de/en/news185966</ref>
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Die Forschergruppe erklärte, dass keines der Kriterien zum Nachweis eines Meteoriteneinschlags erfüllt ist. Es wurde festgestellt, dass „trotz Mangels an Beweisen und fehlender Dokumentation in wissenschaftlichen Fachzeitschriften […] die ‚Chiemgau Impakt-Theorie‘ in den Medien sehr einseitig publik gemacht worden“ sei. Deshalb werde „die Herkunft der Krater durch den Einschlag eines Kometen eindeutig zurückgewiesen.“<ref>https://idw-online.de/en/news185966</ref>
 
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Eine neuere Arbeit von Geologen erklärt die Geländeform des Tüttensees und seiner Umgebung zwanglos durch die eiszeitliche Überformung der Region.<ref>https://egqsj.copernicus.org/articles/69/93/2020/egqsj-69-93-2020.pdf</ref>
      
Inzwischen wurde der Tüttensee in die Liste der wertvollen Geotope aufgenommen – als Beispiel für ein eiszeitliches Toteisloch. Das Bayerische Landesamt für Umwelt schreibt dazu:
 
Inzwischen wurde der Tüttensee in die Liste der wertvollen Geotope aufgenommen – als Beispiel für ein eiszeitliches Toteisloch. Das Bayerische Landesamt für Umwelt schreibt dazu:
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:''Sondierungen in der östlichen Verlandungszonedes Tüttensees innerhalb der Wallform haben bis 2,5 m Tiefe Torf und bis 4,0 m Tiefe Seekreide erbracht. C14-Datierungen aus Tiefen von 0,6 bis 2,8 m ergaben Alter von 4.420 bis 12.750 Jahren (Cal BP). Eine Entstehung der Hohlform des Tüttensees durch einen Impakt in jüngerer Zeit kann damit ausgeschlossen werden.'' <ref>https://www.umweltatlas.bayern.de/mapapps/resources/reports/geotope/generateBericht.pdf?additionallayerfieldvalue=189R039</ref>
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:''Sondierungen in der östlichen Verlandungszone des Tüttensees innerhalb der Wallform haben bis 2,5 m Tiefe Torf und bis 4,0 m Tiefe Seekreide erbracht. C14-Datierungen aus Tiefen von 0,6 bis 2,8 m ergaben Alter von 4.420 bis 12.750 Jahren (Cal BP). Eine Entstehung der Hohlform des Tüttensees durch einen Impakt in jüngerer Zeit kann damit ausgeschlossen werden.'' <ref>https://www.umweltatlas.bayern.de/mapapps/resources/reports/geotope/generateBericht.pdf?additionallayerfieldvalue=189R039</ref>
    
Aufgrund von Presseberichten in Lokalzeitungen, die die Impakt-Theorie als wissenschaftlich anerkannt bezeichneten, aber auch, weil das CIRT zunehmend öffentlich und politisch präsent sei, um seine Ideen zu verbreiten, veröffentlichten 16 Wissenschaftler im Mai 2011 einen „Offenen Brief“, in dem die bis heute getätigten Nachweisversuche des CIRT als abstrus bezeichnet werden. In dem Brief wird entschieden dem Eindruck entgegengetreten, dass die Impakt-Theorie auf einer wissenschaftlichen Basis beruhe oder gar einer wissenschaftlichen Überprüfung standhielte.<ref>https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2011/05/20/offener-brief-zum-chiemgauimpakt</ref>
 
Aufgrund von Presseberichten in Lokalzeitungen, die die Impakt-Theorie als wissenschaftlich anerkannt bezeichneten, aber auch, weil das CIRT zunehmend öffentlich und politisch präsent sei, um seine Ideen zu verbreiten, veröffentlichten 16 Wissenschaftler im Mai 2011 einen „Offenen Brief“, in dem die bis heute getätigten Nachweisversuche des CIRT als abstrus bezeichnet werden. In dem Brief wird entschieden dem Eindruck entgegengetreten, dass die Impakt-Theorie auf einer wissenschaftlichen Basis beruhe oder gar einer wissenschaftlichen Überprüfung standhielte.<ref>https://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2011/05/20/offener-brief-zum-chiemgauimpakt</ref>
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In der vom Planetary and Space Science Centre (PASSC) an der University of New Brunswick (Kanada), geführten Datenbank über bestätigte Impaktstrukturen auf der Erde, dem Earth Impact Database, finden sich für Deutschland nur zwei Einträge: der Rieskrater und das Steinheimer Becken.
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In der vom ''Planetary and Space Science Centre (PASSC)'' an der University of New Brunswick (Kanada), geführten Datenbank über bestätigte Impaktstrukturen auf der Erde, dem ''Earth Impact Database'', finden sich für Deutschland nur zwei Einträge: der Rieskrater und das Steinheimer Becken.
 
Da die Bestätigung durch unabhängige Wissenschaftler fehlt, werden die von CIRT postulierten Krater von der Wissenschaftsgemeinde nicht anerkannt.
 
Da die Bestätigung durch unabhängige Wissenschaftler fehlt, werden die von CIRT postulierten Krater von der Wissenschaftsgemeinde nicht anerkannt.
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== Neuere Arbeiten ==
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Eine Arbeit aus dem Jahr 2020, die die Abschmelzgeschichte des eiszeitlichen Chiemsee-Gletschers untersucht, erklärt die Geländeform des Tüttensees und seiner Umgebung zwanglos durch die eiszeitliche Überformung der Region.<ref>Huber, R., Darga, R., and Lauterbach, H.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex als Ergebnis der Abschmelzgeschichte am Ostrand des Chiemsee-Gletschers und sein Bezug zum „Chiemgau Impakt“ (Landkreis Traunstein, Oberbayern), E&G Quaternary Sci. J., 69, 93–120, https://doi.org/10.5194/egqsj-69-93-2020, 2020.</ref>
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Eine 2021 veröffentliche Studie über eine Pollenuntersuchung eines 6,5 m langen Bohrkerns vom nördlichen Rand des Tüttensee zeigt ungestörte Ablagerungen, beginnend gegen Ende der letzten Kaltzeit (ca. 12.000 v. Chr.) bis zur Neuzeit. Ein Meteoriteneinschlag zur Zeit der Kelten (ca. 500 v. Chr.) als Ursache für die Entstehung des Tüttensees kann damit ausgeschlossen werden. Es finden sich auch für die Zeit der keltischen Besiedlung des Chiemgaus keine Spuren eines Einschlages, etwa Verbrennungsrückstände in Form von Kohle, in den Ablagerungen. Dies wird auch in der Studie deutlich gemacht:
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:''"Our  investigations  also  contradict clearly the meteorite hypothesis: we found a complete and undisturbed sediment sequence covering the late Würmian and Holocene without any hints of big fires documented by charcoal concentrations in the Iron Age. Tüttensee is  a  typical  kettle  hole  lake  that  originated during ice recession towards the end of the last glaciation")''<ref>Rösch, M., Friedmann, A., Rieckhoff, S.,  Stojakowits, Ph. & Sudhaus, D. (2021): A late Würmian and Holocene pollen profile from Tüttensee, Upper Bavaria, evidence of 15 millennia of vegetation history in the Chiemsee glacier region.- Acta Palaeobotanica 61(2): 136-147, 3 Abb., 2 Tab.; https://doi.org/10.35535/acpa-2021-0008</ref>
    
== Die angeblichen Belege für einen Impakt und deren Widerlegung ==
 
== Die angeblichen Belege für einen Impakt und deren Widerlegung ==
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==Literatur==
 
==Literatur==
 
*Kord Ernstson: Der Chiemgau-Impakt. Ein bayerisches Meteoritenkraterfeld. Chiemgau-Impakt e.V., Traunstein 2010
 
*Kord Ernstson: Der Chiemgau-Impakt. Ein bayerisches Meteoritenkraterfeld. Chiemgau-Impakt e.V., Traunstein 2010
*Kord Ernstson: Der Chiemgau-Impakt (Teil II): Ein bayerisches Meteoritenkraterfeld, 27 März 2015
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*Kord Ernstson: Der Chiemgau-Impakt (Teil II): Ein bayerisches Meteoritenkraterfeld. Chiemgau-Impakt e.V., Traunstein 2015
 
*Robert Darga: Der Chiemgau-Impakt – eine Spekulationsblase – Oder: Der Tüttensee ist KEIN Kometenkrater. In: Robert Darga & Johann Franz Wierer: Auf den Spuren des Inn-Chiemsee-Gletschers – Exkursionen. Pfeil, München 2009
 
*Robert Darga: Der Chiemgau-Impakt – eine Spekulationsblase – Oder: Der Tüttensee ist KEIN Kometenkrater. In: Robert Darga & Johann Franz Wierer: Auf den Spuren des Inn-Chiemsee-Gletschers – Exkursionen. Pfeil, München 2009
 
*Josef Gareis: Die Toteisfluren des bayerischen Alpenvorlandes als Zeugnis für die Art des spätwürmzeitlichen Eisschwundes, Würzburger Geographische Arbeiten, Würzburg 1978
 
*Josef Gareis: Die Toteisfluren des bayerischen Alpenvorlandes als Zeugnis für die Art des spätwürmzeitlichen Eisschwundes, Würzburger Geographische Arbeiten, Würzburg 1978
*E. Kroemer: Sedimententnahme und Datierungen in der Verlandungszone des Tüttensees. Bayrisches Landesamt für Umwelt 2010 (lfu.bayern.de PDF).
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*E. Kroemer: Sedimententnahme und Datierungen in der Verlandungszone des Tüttensees. Bayrisches Landesamt für Umwelt 2010 (lfu.bayern.de [https://www.lfu.bayern.de/geologie/doc/tuettensee_datierungen_kurztext_kea_end.pdf PDF]).
 
*Bayerisches Landesamt für Umwelt: Nicht von dieser Welt. Bayerns Meteorite. Selbstverlag, Augsburg 2012, ISBN 978-3-936385-92-2. (Auf Seite 82–85 wird unter "Es ist nicht alles Meteorit, was glänzt" zum sogenannten Chiemgau-Impakt Stellung bezogen).
 
*Bayerisches Landesamt für Umwelt: Nicht von dieser Welt. Bayerns Meteorite. Selbstverlag, Augsburg 2012, ISBN 978-3-936385-92-2. (Auf Seite 82–85 wird unter "Es ist nicht alles Meteorit, was glänzt" zum sogenannten Chiemgau-Impakt Stellung bezogen).
*Huber, R., Darga, R., and Lauterbach, H.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex als Ergebnis der Abschmelzgeschichte am Ostrand des Chiemsee-Gletschers und sein Bezug zum „Chiemgau Impakt“ (Landkreis Traunstein, Oberbayern), E&G Quaternary Sci. J., 69, 93–120, 2020. https://doi.org/10.5194/egqsj-69-93-2020
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*Huber, R., Darga, R., and Lauterbach, H.: Der späteiszeitliche Tüttensee-Komplex als Ergebnis der Abschmelzgeschichte am Ostrand des Chiemsee-Gletschers und sein Bezug zum „Chiemgau Impakt“ (Landkreis Traunstein, Oberbayern), E&G Quaternary Sci. J., 69, 93–120, 2020. https://doi.org/10.5194/egqsj-69-93-2020 [https://egqsj.copernicus.org/articles/69/93/2020/egqsj-69-93-2020.pdf PDF]
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*Rösch, M., Friedmann, A., Rieckhoff, S.,  Stojakowits, Ph. & Sudhaus, D. (2021): A late Würmian and Holocene pollen profile from Tüttensee, Upper Bavaria, evidence of 15 millennia of vegetation history in the Chiemsee glacier region.- Acta Palaeobotanica 61(2): 136-147, 3 Abb., 2 Tab.; https://doi.org/10.35535/acpa-2021-0008
    
==Weblinks==
 
==Weblinks==
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*Final-Frontier.ch: [http://www.final-frontier.ch/chiemgauimpakt Das Eisen der Römer und der Chiemgau-Impakt]
 
*Final-Frontier.ch: [http://www.final-frontier.ch/chiemgauimpakt Das Eisen der Römer und der Chiemgau-Impakt]
 
*Gerhard Doppler & Erwin Geiss: [https://www.lfu.bayern.de/geologie/meteorite/bayern/doc/tuettensee.pdf Der Tüttensee im Chiemgau – Toteiskessel statt Impaktkrater (PDF)]
 
*Gerhard Doppler & Erwin Geiss: [https://www.lfu.bayern.de/geologie/meteorite/bayern/doc/tuettensee.pdf Der Tüttensee im Chiemgau – Toteiskessel statt Impaktkrater (PDF)]
*Verein für Höhlenkunde in München e.V.: [https://tagfern.de/index.php/beitraege/428-der-chiemgau-komet-und-die-hoehlen Der Chiemgau-Komet und die Höhlen]
   
*Hamburger Abendblatt: [https://www.abendblatt.de/ratgeber/wissen/forschung/article107074754/Der-Komet-aus-dem-Nichts.html Der Komet aus dem Nichts]
 
*Hamburger Abendblatt: [https://www.abendblatt.de/ratgeber/wissen/forschung/article107074754/Der-Komet-aus-dem-Nichts.html Der Komet aus dem Nichts]
* Chiemgau Gemseneier: [https://chiemgaugemseneier.wordpress.com/2011/09/29/der-grassau-impact/ Der Grassau-Impact]
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*Chiemgau Gemseneier: [https://chiemgaugemseneier.wordpress.com/2011/09/29/der-grassau-impact/ Der Grassau-Impact]
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*Verein für Höhlenkunde in München e.V.: [https://web.archive.org/web/20211106083424/https://tagfern.de/index.php/beitraege/428-der-chiemgau-komet-und-die-hoehlen Der Chiemgau-Komet und die Höhlen]. (Archivierte Version vom 14. Mai 2015 )
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'''Blogs'''
 
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*[https://chiemgauimpact.blogspot.com/ Der Chiemsee Impact - Von Hirnsteinen und Toteislöchern]
 
*[https://chiemgauimpact.blogspot.com/ Der Chiemsee Impact - Von Hirnsteinen und Toteislöchern]
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'''Videos'''
 
'''Videos'''
*Quarks und Co: [https://youtu.be/CpxIGr2aiGM?t=1405 Asteroiden, Kometen, Meteroiten - Die Gefahr aus dem All] - [https://www.wdr.de/tv/applications/fernsehen/wissen/quarks/pdf/Q_Asteroiden.pdf Script zur Sendung (PDF)]
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*Quarks und Co: [https://dai.ly/k5QtuqWv0k9NETxfH9J Asteroiden, Kometen, Meteoriten - Die Gefahr aus dem All?] - [https://www.wdr.de/tv/applications/fernsehen/wissen/quarks/pdf/Q_Asteroiden.pdf Script zur Sendung (PDF)]
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*Dieter Heinlein - [https://youtu.be/liMZ6u-NqG0?t=2243 Die kosmischen Narben der Erde]. YouTube Video mit einer kritischen Anmerkung zum "Chiemgau-Impakt". 10.09.2015
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*https://www.chiemgau-impakt.de/
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*https://verein.chiemgau-impakt.de/
 
*http://www.impaktstrukturen.de/
 
*http://www.impaktstrukturen.de/
  
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