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[[image:Wilhelmheinrichschuessler.jpg|Wilhelm Heinrich Schüßler|thumb]]
 
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Die Erfindung der sogenannten '''Schüßler-Salze''' (Biochemie nach Schüßler) geht auf den Oldenburger Arzt und [[Homöopathie|Homöopathen]] Wilhelm Heinrich Schüßler (1821–1898) zurück. Sein Ansatz, von ihm selbst als “Biochemie nach Schüßler” bezeichnet, zählt heute zur Grundausstattung der [[Alternativmedizin]]. Sein Ansatz wird von den sogenannten "Biochemischen Vereinen" seit 1885 durch medizinische Laien weiter propagiert. Das Prinzip dieser Methode wurde von verschiedenen Autoren zum Ende des 20. Jahrhunderts wieder aufgegriffen, nachdem es zwischenzeitlich beinahe in Vergessenheit geriet. Für die von Schüßler eingeführte Methode gibt es keinerlei wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis der über einen [[Placebo]]effekt hinausginge und es ist kein möglicher Wirkungsmechanismus bekannt. Die von Schüßler genannten Eigenschaften widersprechen etablierten Erkenntnissen der Medizin.
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Die Erfindung der sogenannten '''Schüßler-Salze''' (Biochemie nach Schüßler) geht auf den Oldenburger Arzt und [[Homöopathie|Homöopathen]] Wilhelm Heinrich Schüßler (1821–1898) zurück. Sein Ansatz, von ihm selbst als “Biochemie nach Schüßler” bezeichnet, zählt heute zur Grundausstattung der [[Alternativmedizin]]. Er wird von den sogenannten "Biochemischen Vereinen" seit 1885 durch medizinische Laien weiter propagiert. Das Prinzip dieser Methode wurde von verschiedenen Autoren zum Ende des 20. Jahrhunderts wieder aufgegriffen, nachdem es zwischenzeitlich beinahe in Vergessenheit geraten war. Für die von Schüßler eingeführte Methode gibt es keinerlei wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis, der über einen [[Placebo-Effekt]] hinausginge und es ist kein möglicher Wirkungsmechanismus bekannt. Die von Schüßler genannten Eigenschaften widersprechen etablierten Erkenntnissen der Medizin.
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Es gibt Bezüge zur Homöopathie, von der sich Schüßler jedoch distanzierte. In der Tat stellt die Biochemie nach Schüßler nichts anderes dar als eine Art verkürzter Homöopathie, die deren Unzahl an Substanzen und möglichen [[Potenzierung|Potenzierungsschritten]] auf zwölf Substanzen und drei Potenzstufen reduziert. Homöopathen hingegen lehnen seine Methode strikt ab und bezeichneten seine Mittel herablassend als ''Düngemittel''.
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Es gibt Bezüge zur Homöopathie, von der sich Schüßler jedoch distanzierte. In der Tat stellt die Biochemie nach Schüßler nichts anderes dar, als eine Art verkürzter Homöopathie, die deren Unzahl an Substanzen und möglichen [[Potenzierung|Potenzierungsschritten]] auf zwölf Substanzen und drei Potenzstufen reduziert. Homöopathen hingegen lehnten seine Methode strikt ab und bezeichneten seine Mittel herablassend als ''Düngemittel''.
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Der Berliner Arzt Konrad Grams entwickelte die Schüßler Biochemie weiter zur Komplex-Biochemie mit etwa 30 JSO-Bicomplex Mitteln zur Selbstmedikation für Laien.  
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Der Berliner Arzt Konrad Grams entwickelte die Schüßler Biochemie weiter zur Komplex-Biochemie mit etwa 30 JSO-Bicomplex Mitteln zur Selbstmedikation für Laien.
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Interessant ist der berufliche Werdegang Schüßlers, der sich erst in fortgeschrittenerem Lebensalter für Heilkunde, genauer gesagt: für [[Homöopathie]] und das [[Wünschelrute]]ngehen, zu interessieren begann.
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Interessant ist der berufliche Werdegang Schüßlers, der sich erst in fortgeschrittenem Lebensalter für Heilkunde, genauer gesagt, für [[Homöopathie]] und das [[Wünschelrute]]ngehen, zu interessieren begann.
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Eigenen Angaben zufolge studierte er ab 1852 Medizin in Paris, 1855 wurde er unter nebulösen Umständen und nach nur fünf Semestern von der Universität Gießen zum Doktor der Medizin promoviert - ohne Ablieferung einer Dissertation, ohne Leistungsnachweis und in absentia. Zur anschließend beantragten medizinischen Staatsprüfung wurde er allerdings nicht zugelassen, da er keine ordentlichen Studienbelege und noch nicht einmal ein Abiturzeugnis vorweisen konnte. Erst Jahre später erhielt er in Oldenburg eine Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde, nachdem er sich verpflichtet hatte, ausschließlich homöopathisch tätig zu werden.(siehe auch [[Carl Friedrich Zimpel]] mit ähnlichem Curriculum)
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Eigenen Angaben zufolge studierte er ab 1852 Medizin in Paris. Bereits 1855 wurde er unter nebulösen Umständen und nach nur fünf Semestern von der Universität Gießen zum Doktor der Medizin promoviert - ohne Ablieferung einer Dissertation, ohne Leistungsnachweis und in absentia. Zur anschließend beantragten medizinischen Staatsprüfung wurde er allerdings nicht zugelassen, da er keine ordentlichen Studienbelege und noch nicht einmal ein Abiturzeugnis vorweisen konnte. Erst Jahre später erhielt er in Oldenburg eine Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde, nachdem er sich verpflichtet hatte, ausschließlich homöopathisch tätig zu werden (siehe auch [[Carl Friedrich Zimpel]] mit ähnlichem Curriculum).
    
==Grundannahmen==
 
==Grundannahmen==
Zu den Grundannahmen gehört ein angeblicher ''Stoffmangel'' der die Ursache sämtlicher Erkrankungen sei und der durch die eine zusätzlich Zufuhr der Mittel zu beheben sei. Sämtliche Krankheiten, so Schüßler, entstünden durch einen Mangel an den von ihm identifizierten Mineralsalzen. Würden diese zugeführt, trete umgehende Heilung ein. Die umstrittene sogenannte [[Antlitzanalyse]] sei dazu geeignet das geeignete Mittels zu finden.  
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Zu den Grundannahmen gehört ein angeblicher ''Stoffmangel'', der die Ursache sämtlicher Erkrankungen sei und der durch eine zusätzliche Zufuhr der Mittel zu beheben sei. Sämtliche Krankheiten, so Schüßler, entstünden durch einen Mangel an den von ihm identifizierten Mineralsalzen. Würden diese zugeführt, trete umgehende Heilung ein. Die umstrittene sogenannte [[Antlitzanalyse]] sei dazu geeignet, das geeignete Mittel zu finden.
    
In umfangreichen Auflistungen werden einzelne Symptome und Krankheitsbilder je einem der zwölf Mineralsalze zugeordnet: Das geht von Afterjucken (Kalziumphosphat), Blasenkatarrh (Eisenphosphat) und zu hohem Cholesterinspiegel (Magnesiumphosphat) bis hin zu Vorhautverengung (Kalziumfluorid), Wurmbefall (Natriumchlorid) und Zahnfleischbluten (Kaliumphosphat).
 
In umfangreichen Auflistungen werden einzelne Symptome und Krankheitsbilder je einem der zwölf Mineralsalze zugeordnet: Das geht von Afterjucken (Kalziumphosphat), Blasenkatarrh (Eisenphosphat) und zu hohem Cholesterinspiegel (Magnesiumphosphat) bis hin zu Vorhautverengung (Kalziumfluorid), Wurmbefall (Natriumchlorid) und Zahnfleischbluten (Kaliumphosphat).
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Eine Begründung für die jeweilige Zuordnung gibt es allerdings nicht. Umgekehrt lässt sich nachschlagen, wozu die einzelnen Salze eingesetzt werden können: Kaliumchlorid D6 beispielsweise soll bei Asthma , Blasenentzündung und Gelenkrheumatismus helfen, Kalziumfluorid D12 dagegen bei Grauem Star, Hämorrhoiden und Karies.
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Eine Begründung für die jeweilige Zuordnung gibt es allerdings nicht. Umgekehrt lässt sich nachschlagen, wozu die einzelnen Salze eingesetzt werden können: Kaliumchlorid D6 beispielsweise soll bei Asthma, Blasenentzündung und Gelenkrheumatismus helfen, Kalziumfluorid D12 dagegen bei Grauem Star, Hämorrhoiden und Karies.
    
Die Wirkung der Salze beruht angeblich auf dem sogenannten Signalprinzip: Wird dem Organismus das erforderliche Salz zugeführt, soll dieses über Aktivierung der im Körper vorhandenen Salze die jeweilige Funktionsstörung reparieren. Zudem greift angeblich das sogenannte Ergänzungsprinzip: Über die Einnahme einer D6-Tablette würden demnach jeder Körperzelle exakt 26 Moleküle des jeweiligen Salzes zugeführt, was entsprechenden Mangel im Körper ausgleiche.
 
Die Wirkung der Salze beruht angeblich auf dem sogenannten Signalprinzip: Wird dem Organismus das erforderliche Salz zugeführt, soll dieses über Aktivierung der im Körper vorhandenen Salze die jeweilige Funktionsstörung reparieren. Zudem greift angeblich das sogenannte Ergänzungsprinzip: Über die Einnahme einer D6-Tablette würden demnach jeder Körperzelle exakt 26 Moleküle des jeweiligen Salzes zugeführt, was entsprechenden Mangel im Körper ausgleiche.
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*Arsenum jodatum (Arsenjodid) Biochemisches Ergänzungsmittel Nr. 24
 
*Arsenum jodatum (Arsenjodid) Biochemisches Ergänzungsmittel Nr. 24
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Ein wissenschaftlicher Beleg für die angebliche Wirksamkeit der auch als “Funktionsmittel” bezeichneten Schüßler-Salze existiert nicht. Trotzdem können sie ganz legal über Apotheken und über das Internet verkauft werden. Dies begründet sich in ihrer deklarierten Zugehörigkeit zur Homöopathie, die als sogenannte "besondere Therapierichtung" keiner klinisch-kontrollierten Arzneimittelprüfung außerhalb des eigenen Binnenkonsenses unterliegt.
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Ein wissenschaftlicher Beleg für die angebliche Wirksamkeit, der auch als “Funktionsmittel” bezeichneten Schüßler-Salze, existiert nicht. Trotzdem können sie ganz legal über Apotheken und über das Internet verkauft werden. Dies begründet sich in ihrer deklarierten Zugehörigkeit zur Homöopathie, die als sogenannte "besondere Therapierichtung" keiner klinisch-kontrollierten Arzneimittelprüfung außerhalb des eigenen Binnenkonsenses unterliegt.
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==Experimente in KZ==
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==Experimente in KZs==
Während der Ära des Nationalsozialismus wurden die Anwendung der Schüßler-Salze staatlicherseits gefördert. 1942 versuchte der Reichsführer-SS, Heinrich Himmler, der ein Freund der Naturheilkunde war, die Wirksamkeit zu belegen. Im KZ Dachau wurden Experimente an 40 katholischen Priestern durchgeführt, indem z.B. durch Einspritzen von Eiter Blutvergiftungen hervorgerufen wurden. 10 Personen starben. Schüßler-Salze erwiesen sich, wie damals eigentlich schon bekannt war, als völlig wirkungslos.
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Während der Ära des Nationalsozialismus wurde die Anwendung der Schüßler-Salze staatlicherseits gefördert. 1942 versuchte der Reichsführer-SS, Heinrich Himmler, der ein Freund der Naturheilkunde war, die Wirksamkeit zu belegen. Im KZ Dachau wurden Experimente an 40 katholischen Priestern durchgeführt, indem z.B. durch Einspritzen von Eiter Blutvergiftungen hervorgerufen wurden. 10 Personen starben. Schüßler-Salze erwiesen sich, wie damals eigentlich schon bekannt war, als völlig wirkungslos.
    
==Literatur==
 
==Literatur==
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