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==Methodik==
 
==Methodik==
Die Akupunktur ist keine standardisierte Therapieart, sondern vielmehr ein Oberbegriff für eine Vielzahl von oft heterogenen Anwendungsarten, die alle ein gleiches Ziel verfolgen, nämlich eine physikalische Stimulation (Stich, Wärme, Kälte, Vibration, elektrischer Strom, Laserlicht usw.) von unterschiedlich definierten Akupunkturpunkten. Zu unterscheiden sind Methoden bei denen Nadeln zum Einsatz kommen und die so genannte "nadellose Akupunktur". Die manuelle Manipulation an eingestochenen Akupunkturnadeln ist gebräuchlich. Aus Sicht der Befürworter soll der Behandelte dabei die ''de qi''-Erfahrung machen, die die Akupunkturwirkung verstärke.  
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Die Akupunktur ist keine standardisierte Therapieart, sondern vielmehr ein Oberbegriff für eine Vielzahl von oft heterogenen Anwendungsarten, die alle ein gleiches Ziel verfolgen, nämlich eine physikalische Stimulation (Stich, Wärme, Kälte, Vibration, elektrischer Strom, Laserlicht usw.) von unterschiedlich definierten Akupunkturpunkten. Zu unterscheiden sind Methoden bei denen Nadeln zum Einsatz kommen und die so genannte "nadellose Akupunktur". Die manuelle Manipulation an eingestochenen Akupunkturnadeln ist gebräuchlich. Aus Sicht der Befürworter soll der Behandelte dabei die ''de qi''-Erfahrung machen, die die Akupunkturwirkung verstärke.
    
Varianten der Akupunktur sind [[Moxibustion]], [[Aurikulotherapie]], [[Augenakupunktur nach Boel]], [[Augmentierte Akupunktur nach Covic]], [[Implantatakupunktur]] (siehe [[Periphere Hirnstimulation nach Werth]]), [[Farbpunktur]], [[Apipunktur]], [[Thought Field Therapy]], [[Klopfakupunktur]] (EFT/MET), [[Laserakupunktur]], [[Mikroakupunktur]], [[Mikrowellen-Resonanz-Therapie]], Klangakupunktur (siehe [[Tama-Do]]), [[Akupressur]], [[Dermapunktur]], [[Vaginalakupunktur nach Buchheit]], [[Mundakupunktur]] und [[Rhinofaszialakupunktur]]. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Effekte der Akupunktur auf dem Placeboeffekt beruhen. Eine Studie aus dem Jahr 2010 schlägt eine lokale Bedeutung von Adenosin an bestimmten Adenosinrezeptoren als möglichen Wirkmechanismus vor. Gleichzeitig wären dann jedoch der TCM-Überbau und das Meridiansystem in Frage gestellt.
 
Varianten der Akupunktur sind [[Moxibustion]], [[Aurikulotherapie]], [[Augenakupunktur nach Boel]], [[Augmentierte Akupunktur nach Covic]], [[Implantatakupunktur]] (siehe [[Periphere Hirnstimulation nach Werth]]), [[Farbpunktur]], [[Apipunktur]], [[Thought Field Therapy]], [[Klopfakupunktur]] (EFT/MET), [[Laserakupunktur]], [[Mikroakupunktur]], [[Mikrowellen-Resonanz-Therapie]], Klangakupunktur (siehe [[Tama-Do]]), [[Akupressur]], [[Dermapunktur]], [[Vaginalakupunktur nach Buchheit]], [[Mundakupunktur]] und [[Rhinofaszialakupunktur]]. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Effekte der Akupunktur auf dem Placeboeffekt beruhen. Eine Studie aus dem Jahr 2010 schlägt eine lokale Bedeutung von Adenosin an bestimmten Adenosinrezeptoren als möglichen Wirkmechanismus vor. Gleichzeitig wären dann jedoch der TCM-Überbau und das Meridiansystem in Frage gestellt.
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Der Nachweis spezifischer Akupunkturpunktsysteme und insbesondere der Meridiane steht bislang aus und es ist nicht erkennbar, dass die Anwendung spezifischer, lernintensiver Behandlungssysteme zu einer überlegenen Wirksamkeit führt.
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Der Nachweis spezifischer Akupunkturpunktsysteme und insbesondere der [[Meridian]]e steht bislang aus und es ist nicht erkennbar, dass die Anwendung spezifischer, lernintensiver Behandlungssysteme zu einer überlegenen Wirksamkeit führt.
    
==Anfangsgeschichte der Akupunktur==
 
==Anfangsgeschichte der Akupunktur==
Die Entwicklung der Akupunktur soll, wenn man den Legenden glauben will, eine 4.000-jährige Tradition besitzen. Ein berühmter Mythos über die ersten Erfahrungen der Menschheit mit Akupunktur erzählt von einem verletzten Krieger mit einer offenen Wunde. Dieser wurde von einem Pfeil getroffen, woraufhin die Wunde heilte. Die ersten Behandlungen mit Akupunktur werden in die Jungsteinzeit (Neolithikum) datiert. Damals wurden geschliffene Steine sowie Knochen- und Bambusnadeln benutzt, um Krankheiten zu heilen. Später entwickelte sich daraus die Therapie mit Nadeln aus Bronze, Silber und Gold. Diese Auffassungen sind aber in letzter Konsequenz nicht gesichert.
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Die Akupunktur soll, wenn man den Legenden glauben will, eine 4.000-jährige Tradition besitzen. Ein berühmter Mythos über die ersten Erfahrungen der Menschheit mit Akupunktur erzählt von einem verletzten Krieger mit einer offenen Wunde. Dieser wurde von einem Pfeil getroffen, woraufhin die Wunde heilte. Die ersten Behandlungen mit Akupunktur werden in die Jungsteinzeit (Neolithikum) datiert. Damals wurden geschliffene Steine sowie Knochen- und Bambusnadeln benutzt, um Krankheiten zu heilen. Später entwickelte sich daraus die Therapie mit Nadeln aus Bronze, Silber und Gold. Diese Auffassungen sind aber in letzter Konsequenz nicht gesichert.
    
Detailliertere Angaben über die Entwicklung der Akupunktur und der TCM findet man jedoch erst mit dem Beginn der Shang-Dynastie (1766 - 1122 v.Chr.).
 
Detailliertere Angaben über die Entwicklung der Akupunktur und der TCM findet man jedoch erst mit dem Beginn der Shang-Dynastie (1766 - 1122 v.Chr.).
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Aus der Zeit der Zhou-Dynastie (1066-221 v.Chr.) stammen die Bezeichnungen der ersten Akupunkturpunkte durch den Arzt Pien Chio. Er war der erste chinesische Arzt, dem die Anwendung der Akupunkturtechnik historisch nachgewiesen werden kann. Weiterhin wurde damals erstmalig das [[Qi]]-Konzept erwähnt.
 
Aus der Zeit der Zhou-Dynastie (1066-221 v.Chr.) stammen die Bezeichnungen der ersten Akupunkturpunkte durch den Arzt Pien Chio. Er war der erste chinesische Arzt, dem die Anwendung der Akupunkturtechnik historisch nachgewiesen werden kann. Weiterhin wurde damals erstmalig das [[Qi]]-Konzept erwähnt.
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Im so genannten goldenen Zeitalter vom 5. bis 2. Jahrhundert v.Chr. entstanden die chinesischen natur- und soziophilosophischen Gedankensysteme Taoismus und Konfuzianismus. Weiterhin wurde das umfassende und grundlegende historische Werk zur TCM, Huang Di Nei Jing, das 'Lehrbuch des gelben Kaisers', geschrieben. In Form eines Dialogs zwischen dem Kaiser und seinem Leibarzt Chi Po werden die klassischen therapeutischen und diagnostischen Prinzipien der TCM beschrieben. Erstmalig finden sich genaue Anweisungen zu Akupunktur, [[Moxibustion]], Schröpfkopfbehandlung sowie zur Zungen-, Puls- und allgemeinen klinischen Diagnostik. Außerdem wurden erstmals folgende für die TCM elementaren Modelle und Paradigmata dargestellt: Qi, Yin und Yang, die 5 Elemente und die [[Meridian]]theorien. Man war nun in der Lage, die beobachteten Wirkungen in der chinesischen Medizin im Rahmen eigener Theorien zu interpretieren, zu erklären und voraussagbar zu machen.
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Im so genannten goldenen Zeitalter vom 5. bis 2. Jahrhundert v.Chr. entstanden die chinesischen natur- und soziophilosophischen Gedankensysteme Taoismus und Konfuzianismus. Weiterhin wurde das umfassende und grundlegende historische Werk zur TCM, Huang Di Nei Jing, das 'Lehrbuch des gelben Kaisers', geschrieben. In Form eines Dialogs zwischen dem Kaiser und seinem Leibarzt Chi Po werden die klassischen therapeutischen und diagnostischen Prinzipien der TCM beschrieben. Erstmalig finden sich genaue Anweisungen zu Akupunktur, Moxibustion, [[Schröpfen|Schröpfkopfbehandlung]] sowie zur [[Zungendiagnostik|Zungen-]], [[Pulsdiagnostik|Puls-]] und allgemeinen klinischen Diagnostik. Außerdem wurden erstmals folgende für die TCM elementaren Modelle und Paradigmata dargestellt: Qi, Yin und Yang, die [[Fünf-Elemente-Lehre|5 Elemente]] und die Meridiantheorien. Man war nun in der Lage, die beobachteten Wirkungen in der chinesischen Medizin im Rahmen eigener Theorien zu interpretieren, zu erklären und voraussagbar zu machen.
    
Ferner schrieb der Arzt Zhang Zhong-jing (150-219 n.Chr.) damals sein Werk 'Abhandlung über verschiedene Erkrankungen durch Kälteverletzung' (Shang-Han Za-Bing Lun). Hierin wird die besondere dialektische Diagnostik der chinesischen Medizin entwickelt, die bis auf den heutigen Tag Gültigkeit hat. Ein weiterer Meilenstein in der Geschichte der chinesischen Heilkunde ist die Veröffentlichung des medizinischen Sammelwerks 'Ben-Cao Gang-Mu' im Jahr 1578.
 
Ferner schrieb der Arzt Zhang Zhong-jing (150-219 n.Chr.) damals sein Werk 'Abhandlung über verschiedene Erkrankungen durch Kälteverletzung' (Shang-Han Za-Bing Lun). Hierin wird die besondere dialektische Diagnostik der chinesischen Medizin entwickelt, die bis auf den heutigen Tag Gültigkeit hat. Ein weiterer Meilenstein in der Geschichte der chinesischen Heilkunde ist die Veröffentlichung des medizinischen Sammelwerks 'Ben-Cao Gang-Mu' im Jahr 1578.
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[[image:Akupunktur1.gif|left|thumb]]
 
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[[image:Akupunktur2.gif|thumb]]
 
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Bisher fehlt eine klare, verständliche und umfassende Darstellung der Akupunkturlehre. In Europa existieren derzeit verschiedene Schulen der Akupunkturlehre. In der Praxis bedeutet dies, dass viele praktizierende Akupunkteure eigene Auffassungen vertreten und somit eigene Schulen darstellen. Dies führt z.B. zu unterschiedlichen Definitionen der zu punktierenden Hautstellen. Ein kritischer Vergleich der jeweiligen Publikationen zeigt, dass Hautpunkte, die sich auf von unterschiedlichen Autoren stammenden Akupunkturkarten finden, zwar gleich benannt sind, aber nicht exakt übereinstimmen. Die nachfolgende Abbildung zeigt eine allgemeine Übersicht, die von einem Akupunkturnadelhersteller angeboten wird.
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Bisher fehlt eine klare, verständliche und umfassende Darstellung der Akupunkturlehre. In Europa existieren derzeit verschiedene Schulen der Akupunkturlehre. In der Praxis bedeutet dies, dass viele praktizierende Akupunkteure eigene Auffassungen vertreten und somit eigene Schulen darstellen. Dies führt z.B. zu unterschiedlichen Definitionen der zu punktierenden Hautstellen. Ein kritischer Vergleich der jeweiligen Publikationen zeigt, dass Hautpunkte, die sich auf von unterschiedlichen Autoren stammenden Akupunkturkarten finden, zwar gleich benannt sind, aber nicht exakt übereinstimmen. Die Position einiger Akupunkturpunkte der linken Abbildung unterscheidet sich bereits von Angaben in Punktekarten, die von Hecker 1992 publiziert wurden.<ref>Hecker U: Arbeitsbuch Akupunktur. Hippokrates Verlag, Stuttgart, 1992</ref> Dies ist beispielsweise im Vergleich der Akupunkturpunkte in der Kopfregion oder der Fußregion zwischen der linken und rechten Abbildung ersichtlich.
 
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Die Position einiger Akupunkturpunkte der linken Abbildung unterscheidet sich bereits von Angaben in Punktekarten, die von Hecker 1992 publiziert wurden.<ref>Hecker U: Arbeitsbuch Akupunktur. Hippokrates Verlag, Stuttgart, 1992</ref> Dies ist beispielsweise im Vergleich der Akupunkturpunkte in der Kopfregion oder der Fußregion zwischen der linken und rechten Abbildung ersichtlich.
      
Eine anatomisch exakte Beschreibung der Einstichpunkte ist auch gar nicht möglich, weil Menschen unterschiedlich groß, breit und schwer sind. Der Verlauf von Nervenbahnen unter der Haut ist ebenfalls nicht exakt identisch, auch manche Muskelansätze sind individuell verschieden. Es ist daher gar nicht möglich, einen exakten Plan des Menschen zu erstellen, der für die Akupunkturpunkte allgemein verbindlich sein kann. Eine schematische Einteilung mag den Eindruck einer scheinbaren Übereinstimmung der Akupunkturpunkte erwecken, aber tatsächlich ist eine exakte Nadelung gar nicht möglich, weil bereits die anatomische Basis unterschiedlich ist.
 
Eine anatomisch exakte Beschreibung der Einstichpunkte ist auch gar nicht möglich, weil Menschen unterschiedlich groß, breit und schwer sind. Der Verlauf von Nervenbahnen unter der Haut ist ebenfalls nicht exakt identisch, auch manche Muskelansätze sind individuell verschieden. Es ist daher gar nicht möglich, einen exakten Plan des Menschen zu erstellen, der für die Akupunkturpunkte allgemein verbindlich sein kann. Eine schematische Einteilung mag den Eindruck einer scheinbaren Übereinstimmung der Akupunkturpunkte erwecken, aber tatsächlich ist eine exakte Nadelung gar nicht möglich, weil bereits die anatomische Basis unterschiedlich ist.
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==Akupunkturpunkte werden über 'den Daumen gepeilt'==
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==Lage der Akupunkturpunkte==
 
[[image:Akupunktur3.gif|thumb]]
 
[[image:Akupunktur3.gif|thumb]]
 
Das Problem der ungenauen Lokalisation ist in der Akupunkturszene durchaus bekannt. Man behilft sich mit relativen Maßeinheiten. So werden in der chinesischen Akupunkturlehre Vergleichsgrößen verwendet, die Abstände zu vermessen helfen sollen.
 
Das Problem der ungenauen Lokalisation ist in der Akupunkturszene durchaus bekannt. Man behilft sich mit relativen Maßeinheiten. So werden in der chinesischen Akupunkturlehre Vergleichsgrößen verwendet, die Abstände zu vermessen helfen sollen.
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Nach den chinesischen Vorstellungen der Akupunkturlehre verlaufen jeweils auf der linken und rechten Körperhälfte 12&nbsp;Meridiane (6&nbsp;yang- und 6&nbsp;yin-Meridiane), die einem Organ bzw. Funktionskreis zugeschrieben werden. Die Meridiane steuern angeblich die Zirkulation der Körperenergie (Ch'i/[[Ki]]/Qi) als auch des Blutes. Einen Hinweis oder Nachweis für die Existenz dieser Meridiane hat man bis heute nicht führen können.<ref>Bischko J: Akupunktur - Grundlagen, Indikation und Grenzen. Orthopädische Praxis, 10, 887-890, 1980</ref>
 
Nach den chinesischen Vorstellungen der Akupunkturlehre verlaufen jeweils auf der linken und rechten Körperhälfte 12&nbsp;Meridiane (6&nbsp;yang- und 6&nbsp;yin-Meridiane), die einem Organ bzw. Funktionskreis zugeschrieben werden. Die Meridiane steuern angeblich die Zirkulation der Körperenergie (Ch'i/[[Ki]]/Qi) als auch des Blutes. Einen Hinweis oder Nachweis für die Existenz dieser Meridiane hat man bis heute nicht führen können.<ref>Bischko J: Akupunktur - Grundlagen, Indikation und Grenzen. Orthopädische Praxis, 10, 887-890, 1980</ref>
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===Gate Control Theory===
 
Die so genannte Gate Control Theory wird häufig als Begründung für die mögliche Wirkung der Akupunktur herangezogen.<ref>Melzack R, Wall PD: Pain mechanism - a new theory. Science, 150, 971-979, 1965</ref> Dabei spielt die Tatsache eine Rolle, dass Schmerzreize auf zwei verschiedenen Wegen wahrgenommen werden. Auf den ersten, 'hellen' Schmerz folgt eine 'dumpfe' Schmerzwahrnehmung. Für den hellen Oberflächenschmerz sind dicke, schnellleitende Nervenfasern verantwortlich, während der dumpfe Schmerz über dünne, langsam leitende Schmerzfasern an das Gehirn gemeldet wird. Die Gate Control Theory postuliert, dass die Akupunktur nur die langsam leitenden Schmerzfasern stimuliere, die dann im Rückenmark die Schaltstelle blockieren sollen, durch die auch die schnellen Schmerzimpulse geleitet werden. Man schließt also das Tor für den Schmerz, wodurch die Schmerzimpulse nicht an das Gehirn gemeldet werden sollen. Einen wirklichen Beweis für diese Theorie gibt es bis heute nicht.
 
Die so genannte Gate Control Theory wird häufig als Begründung für die mögliche Wirkung der Akupunktur herangezogen.<ref>Melzack R, Wall PD: Pain mechanism - a new theory. Science, 150, 971-979, 1965</ref> Dabei spielt die Tatsache eine Rolle, dass Schmerzreize auf zwei verschiedenen Wegen wahrgenommen werden. Auf den ersten, 'hellen' Schmerz folgt eine 'dumpfe' Schmerzwahrnehmung. Für den hellen Oberflächenschmerz sind dicke, schnellleitende Nervenfasern verantwortlich, während der dumpfe Schmerz über dünne, langsam leitende Schmerzfasern an das Gehirn gemeldet wird. Die Gate Control Theory postuliert, dass die Akupunktur nur die langsam leitenden Schmerzfasern stimuliere, die dann im Rückenmark die Schaltstelle blockieren sollen, durch die auch die schnellen Schmerzimpulse geleitet werden. Man schließt also das Tor für den Schmerz, wodurch die Schmerzimpulse nicht an das Gehirn gemeldet werden sollen. Einen wirklichen Beweis für diese Theorie gibt es bis heute nicht.
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=== Endorphin-Theorie===
 
Die Endorphin-Theorie von Pommeranz (1978<ref>Pommeranz B: Do endorphins mediate acupuncture analgesia? Adv Biochem Psychopharmacol, 18, 351-359, 1978</ref>) geht davon aus, dass die Akupunktur zur Ausschüttung körpereigener Schmerzhemmer aus der Gruppe der Morphine (so genannte endogene Dynorphine oder Endorphine) führt. Die Akupunktur stimuliere Nervenfasern im Muskel, die Impulse ans Rückenmark entsenden und die drei Zentren Medulla, Mittelhirn und Hypothalamus/Hypophyse erreichen und somit eine Analgesie bewirkten. Auf spinaler Ebene werden Enkephalin und Dynorphin freigesetzt. Im Mittelhirn wird mit Enkephalin das absteigende Raphesystem aktiviert, das die Schmerzfortleitung im Rückenmark durch synergistische Wirkung der Monoamine Serotonin und Noradrenalin verhindert. Im dritten Zentrum, der Funktionseinheit Hypothalamus/Hypophyse, kommt es zur Ausschüttung von ß-Endorphin in den Liquor und ins Blut. Auf welchem Weg das ß-Endorphin von der Hypophyse ins Gehirn gelangt und dort Analgesie verursachen soll, ist jedoch noch nicht genau bekannt.
 
Die Endorphin-Theorie von Pommeranz (1978<ref>Pommeranz B: Do endorphins mediate acupuncture analgesia? Adv Biochem Psychopharmacol, 18, 351-359, 1978</ref>) geht davon aus, dass die Akupunktur zur Ausschüttung körpereigener Schmerzhemmer aus der Gruppe der Morphine (so genannte endogene Dynorphine oder Endorphine) führt. Die Akupunktur stimuliere Nervenfasern im Muskel, die Impulse ans Rückenmark entsenden und die drei Zentren Medulla, Mittelhirn und Hypothalamus/Hypophyse erreichen und somit eine Analgesie bewirkten. Auf spinaler Ebene werden Enkephalin und Dynorphin freigesetzt. Im Mittelhirn wird mit Enkephalin das absteigende Raphesystem aktiviert, das die Schmerzfortleitung im Rückenmark durch synergistische Wirkung der Monoamine Serotonin und Noradrenalin verhindert. Im dritten Zentrum, der Funktionseinheit Hypothalamus/Hypophyse, kommt es zur Ausschüttung von ß-Endorphin in den Liquor und ins Blut. Auf welchem Weg das ß-Endorphin von der Hypophyse ins Gehirn gelangt und dort Analgesie verursachen soll, ist jedoch noch nicht genau bekannt.
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Es gibt jedoch etwa&nbsp;10 weitere Theorien, die in ähnlicher Weise eine Wirksamkeit der Akupunktur über biochemische Prozesse erklären wollen. Aus Platzgründen wird auf deren Darstellung verzichtet. Übereinstimmend ist jedoch das Faktum, dass keine dieser Theorien bis heute glaubhaft begründet wurde und es auch ausgesprochen unwahrscheinlich ist, dass die Stimulation peripherer Nervenbündel zu solch dramatischen, gleichzeitig aber auch hochselektiven Veränderungen im Hormonhaushalt des Menschen führt. In diesem Fall wäre der menschliche Organismus ein ausgesprochen empfindliches, auf minimale Manipulationen chaotisch reagierendes System mit geringer Überlebenswahrscheinlichkeit.
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=== Adenosin-A1-Rezeptoren===
 
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Was bisher glaubhaft bewiesen werden konnte, ist der Umstand, dass eine Akupunkturnadel am Einstichort zu einer Erhöhung der lokalen Durchblutung führen kann. Da allerdings Kapillaren und Nervenendfasern am Einstichort nirgends im Organismus in direkter Verbindung mit einem Organ oder Organsystem stehen, ist bis heute unbewiesen, wie genau diese geringe, lokale Erwärmung auf den Organismus wirken soll.
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Eine Studie aus dem Jahr 2010 schlägt eine lokale Bedeutung von Adenosin an bestimmten Adenosin-A1-Rezeptoren als möglichen Wirkmechanismus vor. Die Einstiche führten bei Mäusen zu einer Freisetzung von Adenosin. Injektionen von A1-Agonisten imitierten analgetische Akupunktureinstiche und die Hemmung von Adenosin abbauenden Enzymen verstärkten den Effekt zusätzlich.<ref>Nanna Goldman et&nbsp;al, ''Adenosine A1 receptors mediate local anti-nociceptive effects of acupuncture'', nature neuroscience, 2010, doi:10.1038/nn.2562, 16.&nbsp;März 2010</ref> Träfe diese Hypothese zu, wäre jedoch damit der TCM-Überbau, das TCM-[[Meridian]]system und die "Lebensenergie" [[Qi]] in Frage gestellt. Eine getrennte Untersuchung der Sticheffekte auf und neben den angenommenen Meridianen (bei der Maus) unterblieb bei dieser Untersuchung.
 
Eine Studie aus dem Jahr 2010 schlägt eine lokale Bedeutung von Adenosin an bestimmten Adenosin-A1-Rezeptoren als möglichen Wirkmechanismus vor. Die Einstiche führten bei Mäusen zu einer Freisetzung von Adenosin. Injektionen von A1-Agonisten imitierten analgetische Akupunktureinstiche und die Hemmung von Adenosin abbauenden Enzymen verstärkten den Effekt zusätzlich.<ref>Nanna Goldman et&nbsp;al, ''Adenosine A1 receptors mediate local anti-nociceptive effects of acupuncture'', nature neuroscience, 2010, doi:10.1038/nn.2562, 16.&nbsp;März 2010</ref> Träfe diese Hypothese zu, wäre jedoch damit der TCM-Überbau, das TCM-[[Meridian]]system und die "Lebensenergie" [[Qi]] in Frage gestellt. Eine getrennte Untersuchung der Sticheffekte auf und neben den angenommenen Meridianen (bei der Maus) unterblieb bei dieser Untersuchung.
 
(siehe dazu auch Kommentare: [http://www.theness.com/neurologicablog/?p=2015][http://scienceblogs.com/insolence/2010/06/when_what_an_acupuncture_study_shows_is.php][http://blogs.discovermagazine.com/notrocketscience/2010/05/30/a-biological-basis-for-acupuncture-or-more-evidence-for-a-placebo-effect/][http://www.scienceblogs.de/plazeboalarm/2010/06/warum-die-akupunkturstudie-keine-akupunkturstudie-war.php])
 
(siehe dazu auch Kommentare: [http://www.theness.com/neurologicablog/?p=2015][http://scienceblogs.com/insolence/2010/06/when_what_an_acupuncture_study_shows_is.php][http://blogs.discovermagazine.com/notrocketscience/2010/05/30/a-biological-basis-for-acupuncture-or-more-evidence-for-a-placebo-effect/][http://www.scienceblogs.de/plazeboalarm/2010/06/warum-die-akupunkturstudie-keine-akupunkturstudie-war.php])
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==Akupunkturpunkte als vermeintliche Nervenaustrittspunkte oder Stromquellen==
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===Akupunkturpunkte als vermeintliche Nervenaustrittspunkte oder Stromquellen===
 
Ein Teil der Akupunkturbefürworter ist der Ansicht, dass die angenommenen traditionellen 361 oder 384 Akupunkturpunkte längs der vermuteten Meridiane in Wirklichkeit die aus der Anatomie her bekannten Nervenaustrittspunkte seien. Nach anderer Ansicht aus diesem Bereich soll zumindest ein Teil der Akupunkturpunkte mit den Nervenaustrittspunkten übereinstimmen. Gleichzeitig soll im Bereich der Akupunkturpunkte der [[Hautwiderstand]] erniedrigt sein, sodaß sich diese Punkte mit einer punktförmigen Suchsonde und Widerstandsmessung identifizieren liessen. Wiederholte Studien haben allerdings gezeigt, dass an den Akupunkturpunkten der Hautwiderstand nicht erniedrigt ist. Somit ist auch die Verwendung von Punktsuchgeräten nicht sicher. Anhänger der [[Elektroakupunktur nach Voll]] wollen sich damit nicht abfinden. Die Internationale Gesellschaft für Elektroakupunktur nach Voll (EAV) beteuert, dass sich jeder Akupunkturpunkt durch einen niedrigeren Hautwiderstand von seiner Umgebung hochsignifikant unterscheide.
 
Ein Teil der Akupunkturbefürworter ist der Ansicht, dass die angenommenen traditionellen 361 oder 384 Akupunkturpunkte längs der vermuteten Meridiane in Wirklichkeit die aus der Anatomie her bekannten Nervenaustrittspunkte seien. Nach anderer Ansicht aus diesem Bereich soll zumindest ein Teil der Akupunkturpunkte mit den Nervenaustrittspunkten übereinstimmen. Gleichzeitig soll im Bereich der Akupunkturpunkte der [[Hautwiderstand]] erniedrigt sein, sodaß sich diese Punkte mit einer punktförmigen Suchsonde und Widerstandsmessung identifizieren liessen. Wiederholte Studien haben allerdings gezeigt, dass an den Akupunkturpunkten der Hautwiderstand nicht erniedrigt ist. Somit ist auch die Verwendung von Punktsuchgeräten nicht sicher. Anhänger der [[Elektroakupunktur nach Voll]] wollen sich damit nicht abfinden. Die Internationale Gesellschaft für Elektroakupunktur nach Voll (EAV) beteuert, dass sich jeder Akupunkturpunkt durch einen niedrigeren Hautwiderstand von seiner Umgebung hochsignifikant unterscheide.
    
Eine weitere Theorie geht davon aus, dass es sich bei den Akupunkturpunkten um aktive Spannungsquellen handelt, von denen auf Grund einer erhöhten Eigenladung Strom ausgehe. Nach bisherigen Untersuchungen scheint auch dieser Erklärungsansatz nicht haltbar zu sein.
 
Eine weitere Theorie geht davon aus, dass es sich bei den Akupunkturpunkten um aktive Spannungsquellen handelt, von denen auf Grund einer erhöhten Eigenladung Strom ausgehe. Nach bisherigen Untersuchungen scheint auch dieser Erklärungsansatz nicht haltbar zu sein.
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===Weitere===
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Es gibt jedoch etwa&nbsp;10 weitere Theorien, die in ähnlicher Weise eine Wirksamkeit der Akupunktur über biochemische Prozesse erklären wollen. Aus Platzgründen wird auf deren Darstellung verzichtet. Übereinstimmend ist jedoch das Faktum, dass keine dieser Theorien bis heute glaubhaft begründet wurde und es auch ausgesprochen unwahrscheinlich ist, dass die Stimulation peripherer Nervenbündel zu solch dramatischen, gleichzeitig aber auch hochselektiven Veränderungen im Hormonhaushalt des Menschen führt. In diesem Fall wäre der menschliche Organismus ein ausgesprochen empfindliches, auf minimale Manipulationen chaotisch reagierendes System mit geringer Überlebenswahrscheinlichkeit.
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Was bisher glaubhaft bewiesen werden konnte, ist der Umstand, dass eine Akupunkturnadel am Einstichort zu einer Erhöhung der lokalen Durchblutung führen kann. Da allerdings Kapillaren und Nervenendfasern am Einstichort nirgends im Organismus in direkter Verbindung mit einem Organ oder Organsystem stehen, ist bis heute unbewiesen, wie genau diese geringe, lokale Erwärmung auf den Organismus wirken soll.
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==angeblicher Beweis der Akupunkturpunkte==
    
Am 27. September 1994 meldete das RTL-Mittagsmagazin: „Das Rätsel der Akupunktur sei gelöst“, der Anatom [[Hartmut Heine]] aus Witten-Herdecke habe bereits 1987 durch anatomische Schnitte an menschlichen Leichnamen endlich auf wissenschaftliche Weise die Existenz von Akupunkturpunkten bewiesen, und diese in 80% der Fälle nicht als Punkte sondern kleine Löcher (oder Perforationen) identifiziert, die als Nervenaustrittspunkte bekannt sind. Durch jedes der 3-8 mm großen Löcher trete jeweils ein Nerv aus, der durch einen punktgenauen Einstich, mechanischen Druck oder elektrischen Strom gereizt werden könne um zum De-Qi  Zustand zu führen. Die gemeinten Perforationen werden nach ihrem Entdecker „Heinezylinder“ genannt, sind jedoch von anderen Wissenschaftlern nie bestätigt worden. Ein bekannter Verfechter der Hypothese der anatomisch beweisbaren Akupunkturpunkte ist der Münchner Internist und Akupunkteur Carl-Hermann Hempen.(Zitat "Durch Chinas Traditionsmedizin ist prinzipiell jede Krankheit therapierbar.")
 
Am 27. September 1994 meldete das RTL-Mittagsmagazin: „Das Rätsel der Akupunktur sei gelöst“, der Anatom [[Hartmut Heine]] aus Witten-Herdecke habe bereits 1987 durch anatomische Schnitte an menschlichen Leichnamen endlich auf wissenschaftliche Weise die Existenz von Akupunkturpunkten bewiesen, und diese in 80% der Fälle nicht als Punkte sondern kleine Löcher (oder Perforationen) identifiziert, die als Nervenaustrittspunkte bekannt sind. Durch jedes der 3-8 mm großen Löcher trete jeweils ein Nerv aus, der durch einen punktgenauen Einstich, mechanischen Druck oder elektrischen Strom gereizt werden könne um zum De-Qi  Zustand zu führen. Die gemeinten Perforationen werden nach ihrem Entdecker „Heinezylinder“ genannt, sind jedoch von anderen Wissenschaftlern nie bestätigt worden. Ein bekannter Verfechter der Hypothese der anatomisch beweisbaren Akupunkturpunkte ist der Münchner Internist und Akupunkteur Carl-Hermann Hempen.(Zitat "Durch Chinas Traditionsmedizin ist prinzipiell jede Krankheit therapierbar.")
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* Sonstige Indikationen: chronisches Müdigkeitssyndrom, Schlafstörungen, Übererregbarkeit und Depression, Nikotinsucht, Drogenentzug
 
* Sonstige Indikationen: chronisches Müdigkeitssyndrom, Schlafstörungen, Übererregbarkeit und Depression, Nikotinsucht, Drogenentzug
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==Wissenschaftliche Studienlage==
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==Wissenschaftlice Studienlage==
 
Ein Teil der wissenschaftlichen Medizin sieht es weiterhin als Aufgabe der Forschung an, der hinter der Akupunktur stehenden ursprünglichen [[TCM]]-Hypothese der [[Meridian]]e und Akupunkturpunkte wissenschaftlich nachzugehen. Ein anderer Teil hält diese Hypothesen jedoch für abwegig, so dass kein Forschungsbedarf auf diesem Gebiet gesehen wird.
 
Ein Teil der wissenschaftlichen Medizin sieht es weiterhin als Aufgabe der Forschung an, der hinter der Akupunktur stehenden ursprünglichen [[TCM]]-Hypothese der [[Meridian]]e und Akupunkturpunkte wissenschaftlich nachzugehen. Ein anderer Teil hält diese Hypothesen jedoch für abwegig, so dass kein Forschungsbedarf auf diesem Gebiet gesehen wird.
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Eine Studie aus dem Jahr 2009 verglich drei Akupunkturarten (darunter eine Placeboakupunktur) und eine konventionelle Behandlung bei insgesamt 638&nbsp;erwachsenen Patienten mit chronischen Rückenschmerzen. Es wurden jeweils zehn Behandlungen über sieben Wochen durchgeführt. Im Ergebnis zeigte sich nach acht Wochen bzw. nach einem Jahr, dass Personen, die eine klassische oder Placeboakupunktur erhielten, die gleiche Besserung ihrer Symptomatik erfuhren und keine dieser Behandlungsformen einer konventionellen Therapie überlegen war. Bei der Schein-Akupunktur wurden auf dem Rücken dieselben Röhrchen angebracht, durch die üblicherweise die Akupunkturnadeln gesteckt werden. Statt Nadeln wurden aber Zahnstocher eingeführt, die zwar einen Druck auf die Haut ausübten, aber nicht in diese eindrangen. Für den Patienten war das nicht von Akupunktur zu unterscheiden. Die Autoren konnten somit nachweisen, dass die Einstichstellen keine Rolle auf das Ergebnis haben.<ref>Cherkin DC, Sherman KJ, Avins AL, Erro JH, Ichikawa L, Barlow WE, Delaney K, Hawkes R, Hamilton L, Pressman A, Khalsa PS, Deyo RA. A randomized trial comparing acupuncture, simulated acupuncture, and usual care for chronic low back pain. Arch Intern Med. 2009 May 11;169(9):858-66</ref>
 
Eine Studie aus dem Jahr 2009 verglich drei Akupunkturarten (darunter eine Placeboakupunktur) und eine konventionelle Behandlung bei insgesamt 638&nbsp;erwachsenen Patienten mit chronischen Rückenschmerzen. Es wurden jeweils zehn Behandlungen über sieben Wochen durchgeführt. Im Ergebnis zeigte sich nach acht Wochen bzw. nach einem Jahr, dass Personen, die eine klassische oder Placeboakupunktur erhielten, die gleiche Besserung ihrer Symptomatik erfuhren und keine dieser Behandlungsformen einer konventionellen Therapie überlegen war. Bei der Schein-Akupunktur wurden auf dem Rücken dieselben Röhrchen angebracht, durch die üblicherweise die Akupunkturnadeln gesteckt werden. Statt Nadeln wurden aber Zahnstocher eingeführt, die zwar einen Druck auf die Haut ausübten, aber nicht in diese eindrangen. Für den Patienten war das nicht von Akupunktur zu unterscheiden. Die Autoren konnten somit nachweisen, dass die Einstichstellen keine Rolle auf das Ergebnis haben.<ref>Cherkin DC, Sherman KJ, Avins AL, Erro JH, Ichikawa L, Barlow WE, Delaney K, Hawkes R, Hamilton L, Pressman A, Khalsa PS, Deyo RA. A randomized trial comparing acupuncture, simulated acupuncture, and usual care for chronic low back pain. Arch Intern Med. 2009 May 11;169(9):858-66</ref>
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Es gibt bisher keine überprüfbaren Hinweise, dass Akupunktur bei akuten Rückenschmerzen hilfreich ist.
      
===Die GERAC-Studien===
 
===Die GERAC-Studien===
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===Die Individuelle Patientendaten-Metaanalyse von Vickers et al. 2012===
 
===Die Individuelle Patientendaten-Metaanalyse von Vickers et al. 2012===
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Im September 2012 erschien eine Meta-Analyse der bisher publizierten kontrollierten  Untersuchungen zur Wirksamkeit der Akupunktur in der Behandlung von chronischen Schmerzen (unspezifischer Rücken- oder Nackenschmerz, Schulterschmerzen, chronische Kopfschmerzen oder Arthrose) <ref>Vickers AV, AM Cronin, AC Maschino et al: Acupuncture for Chronic Pain. Individual Patient Data Meta-analysis. Arch Intern Med. Published online September 10, 2012. doi:10.1001/archinternmed.2012.3654</ref>. Das Studienprotokoll war vorher veröffentlicht worden; die Methodik entsprach im Ganzen heute gültigen wissenschaftlichen Standards. Nach dieser Analyse erzielte die „Verum-Akupunktur“, verglichen mit einer Schein-Behandlung, einen mittleren Effekt von 5 Punkten mehr Schmerzlinderung auf einer 100-Punkte-Skala. Gegenüber einer „üblichen“ Behandlung (d. h. einer Behandlung mit nur geringem Placebo-Effekt) war der Unterschied größer.
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Im September 2012 erschien eine Meta-Analyse der bisher publizierten kontrollierten  Untersuchungen zur Wirksamkeit der Akupunktur in der Behandlung von chronischen Schmerzen (unspezifischer Rücken- oder Nackenschmerz, Schulterschmerzen, chronische Kopfschmerzen oder Arthrose) <ref>Vickers AV, AM Cronin, AC Maschino et al: Acupuncture for Chronic Pain. Individual Patient Data Meta-analysis. Arch Intern Med. Published online September 10, 2012. doi:10.1001/archinternmed.2012.3654</ref>. Das Studienprotokoll war vorher veröffentlicht worden; die Methodik entsprach im Ganzen heute gültigen wissenschaftlichen Standards. Nach dieser Analyse erzielte die „Verum-Akupunktur“, verglichen mit einer Schein-Behandlung, einen mittleren Effekt von 5 Punkten mehr Schmerzlinderung auf einer 100-Punkte-Skala. Gegenüber einer „üblichen“ Behandlung (d. h. einer Behandlung mit nur geringem Placebo-Effekt) war der Unterschied größer.
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Allerdings ist ein solcher Effekt klinisch nicht bedeutsam und liegt weit unter demjenigen, der in anderen Studien als „guter schmerzlindernder Effekt“ akzeptiert wird. Verschiedene Details in der statistischen Aufbereitung lassen darauf schließen, dass die Untersucher ein bestimmtes Ergebnis ihrer Arbeit favorisierten. Der wesentliche Einwand ist jedoch, dass es bisher keine einzige Doppelblindstudie gibt; die Kenntnis des Behandelnden über die Natur der Behandlung beeinflusst die Erwartungshaltung des Erkrankten bewusst oder unbewusst. Der statistisch signifikante aber praktisch nicht bedeutsame Vorteil der Akupunktur ist daher als Ausdruck der unausweichlich verbleibenden Ergebnisverzerrung anzusehen und deshalb völlig konsistent mit der Annahme einer reinen Placebo-Wirkung der Akupunktur. <ref>http://www.sciencebasedmedicine.org/index.php/can-we-finally-just-say-that-acupuncture-is-nothing-more-than-an-elaborate-placebo/</ref>
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Allerdings ist ein solcher Effekt klinisch nicht bedeutsam und liegt weit unter demjenigen, der in anderen Studien als „guter schmerzlindernder Effekt“ akzeptiert wird. Verschiedene Details in der statistischen Aufbereitung lassen darauf schließen, dass die Untersucher ein bestimmtes Ergebnis ihrer Arbeit favorisierten. Der wesentliche Einwand ist jedoch, dass es bisher keine einzige Doppelblindstudie gibt; die Kenntnis des Behandelnden über die Natur der Behandlung beeinflusst die Erwartungshaltung des Erkrankten bewusst oder unbewusst. Der statistisch signifikante aber praktisch nicht bedeutsame Vorteil der Akupunktur ist daher als Ausdruck der unausweichlich verbleibenden Ergebnisverzerrung anzusehen und deshalb völlig konsistent mit der Annahme einer reinen Placebo-Wirkung der Akupunktur. <ref>http://www.sciencebasedmedicine.org/index.php/can-we-finally-just-say-that-acupuncture-is-nothing-more-than-an-elaborate-placebo/</ref>
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Es gibt bisher keine überprüfbaren Hinweise, dass Akupunktur bei akuten Rückenschmerzen hilfreich ist.
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==Bekannte methodische Probleme kontrollierter Akupunkturstudien==  
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==Bekannte methodische Probleme kontrollierter Akupunkturstudien==
 
Bei der Untersuchung der Akupunktur ergibt sich analog zur Chirurgie die Schwierigkeit geeigneter [[Placebo]]verfahren. Hinzu kommt, dass es wegen der Heterogenität der Akupunkturverfahren im Unterschied zu Arzneimittelstudien bislang keine allgemein anerkannte Placeboakupunktur gibt. Der häufig angewendeten „Sham“-Akupunktur – die Nadelung von „inaktiven“ Punkten – wird eine eigene Wirksamkeit zugesprochen. Dies wird häufig als Grund angegeben, wenn vergleichende Untersuchungen keine Überlegenheit der Verumgruppe feststellen konnten.
 
Bei der Untersuchung der Akupunktur ergibt sich analog zur Chirurgie die Schwierigkeit geeigneter [[Placebo]]verfahren. Hinzu kommt, dass es wegen der Heterogenität der Akupunkturverfahren im Unterschied zu Arzneimittelstudien bislang keine allgemein anerkannte Placeboakupunktur gibt. Der häufig angewendeten „Sham“-Akupunktur – die Nadelung von „inaktiven“ Punkten – wird eine eigene Wirksamkeit zugesprochen. Dies wird häufig als Grund angegeben, wenn vergleichende Untersuchungen keine Überlegenheit der Verumgruppe feststellen konnten.
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Der Forscher Aranjo ermittelte 1998 in einer Literaturübersicht von 90&nbsp;Akupunkturstudien, dass bereits die Wahl des Akupunkturplaceboverfahrens einen Einfluss auf den Ausgang der Akupunkturstudie hat.<ref>Aranjo MS: Does the Choice of Placebo Determine the Results of Clinical Studies on Acupuncture? Forschende Komplementärmedizin und Klassische Naturheilkunde / Research in Complementary and Classical Natural Medicine 1998;5 (Suppl. 1):8-11 (DOI: 10.1159/000057100)</ref> Er teilte die Studien in zwei Gruppen ein. In der ersten Gruppe analysierte er 45&nbsp;Studien, die als [[Placebo]] eine falsche Akupunktur benutzten. Hier wurden die Kontrollnadeln in Regionen außerhalb der Meridiane platziert. Gemäß der Akupunkturlehre hätten diese Kontrollpatienten keine Wirkung aufweisen dürfen. Er benannte diese Gruppe mit dem Schlagwort energetisches Placebomodell (EPM). In einer zweiten, weitere 45&nbsp;Studien umfassenden Gruppe analysierte er Studien, in denen die Placebobehandlung mit Akupunkturnadeln erfolgte, die noch im Meridianbereich, aber schon weit genug vom Ausgangspunkt der angeblich wirksamen Nadeln gesetzt wurden. Diese Studien ordnete er dem neurophysiologischen oder metametischen Placebomodell (MPM) zu. Als Ergebnis stellte Araujo (1998) fest, dass in den Studien, die EPM-Nadelung als Kontrolle verwendeten, der Anteil an nicht signifikanten Ergebnissen deutlich höher war als in den MPM-Methoden anwendenden Studien. Allerdings erschien die falsche Akupunktur in beiden Gruppen ähnlich wirksam wie die angeblich richtige Akupunkturtechnik.
 
Der Forscher Aranjo ermittelte 1998 in einer Literaturübersicht von 90&nbsp;Akupunkturstudien, dass bereits die Wahl des Akupunkturplaceboverfahrens einen Einfluss auf den Ausgang der Akupunkturstudie hat.<ref>Aranjo MS: Does the Choice of Placebo Determine the Results of Clinical Studies on Acupuncture? Forschende Komplementärmedizin und Klassische Naturheilkunde / Research in Complementary and Classical Natural Medicine 1998;5 (Suppl. 1):8-11 (DOI: 10.1159/000057100)</ref> Er teilte die Studien in zwei Gruppen ein. In der ersten Gruppe analysierte er 45&nbsp;Studien, die als [[Placebo]] eine falsche Akupunktur benutzten. Hier wurden die Kontrollnadeln in Regionen außerhalb der Meridiane platziert. Gemäß der Akupunkturlehre hätten diese Kontrollpatienten keine Wirkung aufweisen dürfen. Er benannte diese Gruppe mit dem Schlagwort energetisches Placebomodell (EPM). In einer zweiten, weitere 45&nbsp;Studien umfassenden Gruppe analysierte er Studien, in denen die Placebobehandlung mit Akupunkturnadeln erfolgte, die noch im Meridianbereich, aber schon weit genug vom Ausgangspunkt der angeblich wirksamen Nadeln gesetzt wurden. Diese Studien ordnete er dem neurophysiologischen oder metametischen Placebomodell (MPM) zu. Als Ergebnis stellte Araujo (1998) fest, dass in den Studien, die EPM-Nadelung als Kontrolle verwendeten, der Anteil an nicht signifikanten Ergebnissen deutlich höher war als in den MPM-Methoden anwendenden Studien. Allerdings erschien die falsche Akupunktur in beiden Gruppen ähnlich wirksam wie die angeblich richtige Akupunkturtechnik.
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Nach Angaben der Deutschen Akademie für Akupunktur und Aurikolomedizin&nbsp;e.V. ist die Akupunktur heute eine Notwendigkeit für den Kassenarzt. Sie gilt als zweites Standbein für den Niedergelassenen und ist aufgrund der Aufnahme in den ärztlichen Leistungskatalog (Gebührenordnung für Ärzte bzw. GOÄ) auch mit den Leistungsziffern&nbsp;269 und&nbsp;269a abrechenbar.
 
Nach Angaben der Deutschen Akademie für Akupunktur und Aurikolomedizin&nbsp;e.V. ist die Akupunktur heute eine Notwendigkeit für den Kassenarzt. Sie gilt als zweites Standbein für den Niedergelassenen und ist aufgrund der Aufnahme in den ärztlichen Leistungskatalog (Gebührenordnung für Ärzte bzw. GOÄ) auch mit den Leistungsziffern&nbsp;269 und&nbsp;269a abrechenbar.
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Damit der Arzt die Akupunktur als Privatleistung abrechnen kann, benötigt er eine entsprechende Ausbildung. Sie umfasst eine 350-stündige Ausbildung mit diversen Diplomen. Diese Aus- und Weiterbildungspflicht ist ein lukratives Geschäft, da der Arzt ohne Diplom nichts berechnen kann. Für Kurse, die zur liquidationsberechtigenden Diplomierung führen, müssen Ärzte Summen bis zu 8.000&nbsp;Euro zahlen. Die entsprechenden Vereine, deren Leiter und die Referenten, die diese Kurse in Zusammenarbeit mit den Ärztekammern der einzelnen Bundesländer veranstalten, verdienen exzellent an diesem künstlich geschaffenen Flaschenhals. Es ist kein Zufall, dass sich die Führungsriegen der deutschen ärztlichen Akupunkturszene eng mit den Entscheidungsgremien in den Ärztekammern verzahnt haben.  
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Damit der Arzt die Akupunktur als Privatleistung abrechnen kann, benötigt er eine entsprechende Ausbildung. Sie umfasst eine 350-stündige Ausbildung mit diversen Diplomen. Diese Aus- und Weiterbildungspflicht ist ein lukratives Geschäft, da der Arzt ohne Diplom nichts berechnen kann. Für Kurse, die zur liquidationsberechtigenden Diplomierung führen, müssen Ärzte Summen bis zu 8.000&nbsp;Euro zahlen. Die entsprechenden Vereine, deren Leiter und die Referenten, die diese Kurse in Zusammenarbeit mit den Ärztekammern der einzelnen Bundesländer veranstalten, verdienen exzellent an diesem künstlich geschaffenen Flaschenhals. Es ist kein Zufall, dass sich die Führungsriegen der deutschen ärztlichen Akupunkturszene eng mit den Entscheidungsgremien in den Ärztekammern verzahnt haben.
    
Hat ein Arzt seine Akupunkturbefähigung erworben, muss er recht intensiv Akupunktur betreiben, um die Ausbildung zu refinanzieren und Gewinne zu erzielen. Der Vorteil der Akupunktur ist, dass sie derzeit eben nicht von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt wird und daher der Patient vollumfänglich zahlen muss. Würde die Akupunktur von der Kasse übernommen, fielen sofort die Gewinne und die Ärzteschaft müsste neue privatmedizinische Einkommensquellen erschließen. Für eine Akupunktur zur Schmerzbehandlung kann ein Arzt gemäß Gebührenziffer&nbsp;269 pro Sitzung 200&nbsp;Punkte (22,80&nbsp;Euro), für eine mehr als 20-minütige Behandlung (Ziffer&nbsp;269a) sogar 350&nbsp;Punkte (39,90&nbsp;Euro) berechnen. Da es sich aber um eine Privatleistung handelt, kann der Arzt den Geldbetrag mit einem Multiplikator (1,8- bis 2,3-facher Satz) multiplizieren und so bei einem Schmerzpatienten für eine 30-minütige Sitzung zwischen 72-92&nbsp;Euro berechnen. Dabei hat der Arzt nur wenige Minuten Arbeits- und Gesprächsaufwand, da der Patient die Zeit weitgehend allein auf einer Liege verbringt. Akupunkteure können daher auch mehrere Patienten gleichzeitig behandeln. Da der Material- und Zeitaufwand gering ist, handelt es sich für den Niedergelassenen um eine lukrative Einnahmequelle.
 
Hat ein Arzt seine Akupunkturbefähigung erworben, muss er recht intensiv Akupunktur betreiben, um die Ausbildung zu refinanzieren und Gewinne zu erzielen. Der Vorteil der Akupunktur ist, dass sie derzeit eben nicht von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt wird und daher der Patient vollumfänglich zahlen muss. Würde die Akupunktur von der Kasse übernommen, fielen sofort die Gewinne und die Ärzteschaft müsste neue privatmedizinische Einkommensquellen erschließen. Für eine Akupunktur zur Schmerzbehandlung kann ein Arzt gemäß Gebührenziffer&nbsp;269 pro Sitzung 200&nbsp;Punkte (22,80&nbsp;Euro), für eine mehr als 20-minütige Behandlung (Ziffer&nbsp;269a) sogar 350&nbsp;Punkte (39,90&nbsp;Euro) berechnen. Da es sich aber um eine Privatleistung handelt, kann der Arzt den Geldbetrag mit einem Multiplikator (1,8- bis 2,3-facher Satz) multiplizieren und so bei einem Schmerzpatienten für eine 30-minütige Sitzung zwischen 72-92&nbsp;Euro berechnen. Dabei hat der Arzt nur wenige Minuten Arbeits- und Gesprächsaufwand, da der Patient die Zeit weitgehend allein auf einer Liege verbringt. Akupunkteure können daher auch mehrere Patienten gleichzeitig behandeln. Da der Material- und Zeitaufwand gering ist, handelt es sich für den Niedergelassenen um eine lukrative Einnahmequelle.
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==Siehe auch==
 
==Siehe auch==
 
[[Akupressur]]
 
[[Akupressur]]
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==Literatur==
 
==Literatur==
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<references/>
 
<references/>
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{{Paralex}}
   
[[category:Akupunktur]]
 
[[category:Akupunktur]]
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[[category:TCM]]
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